Informationsblatt Juli 2017
Editorial
Wichtigste Ergebnisse zur Kirchenstudie //////////////////////////////////////////////////////// ////// Migrantenseelsorge als wichtige Integrationsleistung ////////////////////////////// //////// Fast 1,9 Millionen Stunden an Freiwilligenarbeit ///////////////////////////////////// Auszeichnung für Öffentlichkeitsarbeit geht an Sr. Ingrid Grave ///////////////////// ////////////////// Vier Fragen an den neuen Synodalrat Luis Varandas /////////////////////
Die Studie über «Kirchliche Tätigkeiten mit gesamtgesellschaftlicher Bedeutung im Kanton Zürich» gibt einen noch nie dagewesenen Einblick in die Tätigkeiten der beiden grossen Landeskirchen des Kantons Zürich. Drei Punkte liegen mir besonders am Herzen. 1. Die Kirchen sind ihr Geld wert! Das ist das zentrale Fazit, das wir dankbar zur Kenntnis nehmen. Die Mittel, die den Kirchen vom Kanton zur Verfügung gestellt werden, sind bestens investiert. 2. Die Studie fokussiert auftragsgemäss auf die kirchlichen Tätigkeiten «mit gesamtgesellschaftlicher Bedeutung», welche aufgrund harter Kriterien definiert sind. Diese methodische Strenge geht einher mit einer Verengung des Blickwinkels auf die kirchlichen Leistungen. Andere kirchliche Tätigkeiten, die für die Gesellschaft ebenfalls von grosser Bedeutung sind, werden weniger gewürdigt. 3. Für die befragten Gemeinden und die Bevölkerung gehören Seelsorge, Gottesdienste und Begegnungsanlässe zu den wichtigsten Angeboten der Kirchen. Die Studie hat zwar die als kultische Leistungen erfassten Angebote wie Seelsorge und das Feiern von Gottesdiensten aufgeführt, aber nur sehr zurückhaltend bewertet. Der Kanton ist sich der Bedeutung dieser seelsorgerlichen Leistungen sehr wohl bewusst. Aus seiner Sicht ist der einzigartige Charakter der Kirchen nur unter Berücksichtigung ihrer religiösen und ethischen Dimension zu verstehen. Auch Leistungen der Kirchen, welche sich vorrangig an ihre eigenen Mitglieder wenden, können für die ganze Gesellschaft bedeutend sein. Benno Schnüriger
Benno Schnüriger, Synodalratspräsident
Die Kirchen sind ihr Geld wert! 2 Das Medienecho auf die Präsentation der Studie «Kirchliche Tätigkeiten mit gesamtgesellschaftlicher Bedeutung im Kanton Zürich» war gross, die Einschätzungen dazu auffallend gleichlautend: Die Kirchen sind ihr Geld wert! Oder wie es die Vorsteherin der Direktion der Justiz und des Innern, Regierungsrätin Jacqueline Fehr, ausdrückte: «Die Beiträge, die der Kanton den Kirchen schon heute zukommen lässt, sind gerechtfertigt.» Nachfolgend präsentieren wir die wichtigsten Resultate des rund 170seitigen Schlussberichts, der öffentlich zugänglich ist. Das Entscheidende vorneweg: Die Leistungen der reformierten und katholischen Kirche mit gesamtgesellschaftlicher Bedeutung übertreffen mit 61,3 Millionen Franken die Beiträge des Kantons in der Höhe von 49,5 Millionen Franken an die beiden anerkannten Religionsgemeinschaften.
«Es ist sehr viel, was die beiden grossen Kirchen für unsere Gesellschaft leisten. … Den beteiligten 310 Kirchgemeinden und Fachstellen sowie Kantonale Kostenbeiträge und Wert der kirchlichen Tätigkeiten mit gesamtgesellschaftlicher Bedeutung der ref. und kath. Kirche nicht-kultische Tätigkeiten mit gesamtgesellschaftlicher Beteutung kultische Tätigkeiten mit gesamtgesellschaftlicher Beteutung
Ref.
Mio. CHF
Kostenbeitrag
Kath.
2,1
26,8 2,3
32,1
44,7
21,9
22,7
4,5
1,0
21,4
30,9
5 Enge HauptWeite Variante Variante Variante
gemeinden einen neuen Überblick über ihr Tätigkeitsportfolio und die Schärfung des Bewusstseins, dass es
15,7
10
0
Die Studie ermöglicht durch die mu-
sellschaftliche Bedeutung den Kirch3,3
20 15
gesamtgesellschaftlicher Bedeutung.
Tätigkeiten mit und ohne gesamtge-
35
25
ten zu den kirchlichen Tätigkeiten mit
tige, klare Abgrenzung von kirchlichen
5,9
40
30
Dankeschön. Wir verfügen mit dieser Studie über aktuelle, umfassende Da-
50 45
dem Studienteam gehört ein grosses
Enge HauptWeite Variante Variante Variante
sich um verschiedenartige Tätigkeiten handelt.» Jacqueline Fehr, Regierungsrätin und Vorsteherin der Direktion der Justiz und des Innern
Erstmals umfassende Daten zu kirchlichen Tätigkeiten 3 Hintergrund-Informationen Auftraggeber der Studie waren die Direktion der Justiz und des Innern sowie die Evangelischreformierte Landeskirche und die Römischkatholische Körperschaft. Durchgeführt hat die Studie ein Team des Instituts für Politikwissenschaft an der Universität Zürich unter der Leitung von Prof. Thomas Widmer. Zwischen Oktober 2015 und September 2016 haben insgesamt 310 reformierte und katholische Kirchgemeinden sowie Fachstellen über 86 000 Angebote im Rahmen einer OnlineErhebung erfasst. Zusätzlich erfolgten Befragungen der politischen Gemeinden und der Bevölkerung im Kanton Zürich. Der Fokus dieser Befragungen und der Studie lag bei den vielfältigen Angeboten der beiden Kirchen, nicht beim Ermitteln des Werts der Kirchen als gesellschaftliche Institutionen in einer offenen, demokratisch organisierten Gesellschaft. Damit bleibt der Beitrag der beiden grossen Kirchen zur Solidarität, Stabilität oder zum Sozialkapital einer Gesellschaft ausgeblendet.
Die insgesamt über 86 000 von den Kirchgemeinden und Fachstellen selbsterfassten Angebote haben einen Wert von mehr als 251 Millionen Franken. 42 Prozent werden im Tätigkeitsbereich der liturgischen und katechetischen Leistungen erbracht. Dazu zählen insbesondere Gottesdienste, kultische Feiern und kirchlicher Unterricht. 38 Prozent sind soziale Angebote wie Jugend- oder Flüchtlingsarbeit, Passantenhilfe, Sozialberatung oder Unterstützung Dritter. Auf den Tätigkeitsbereich Kultur entfallen 10 Prozent aller Angebote (z.B. Aktivitäten von Chören, Konzerte, Theater), Bildungsangebote (z.B. Deutschkurse für Asylsuchende und Migranten) machen 5,5 Prozent aus und weitere Tätigkeiten 4,5 Prozent (z.B. Vermietung von Räumen).
Monetarisierte Angebotsleistungen nach Tätigkeitsbereich ref. Kirche Tätigkeitsbereich
kath. Kirche
Total
CHF
N
CHF
N
CHF
N
50 933 409
21 665
54 975 158
13 013
105 908 567
34 678
7 152 521
4 749
6 546 918
2 477
13 699 439
7 226
Kultur
10 425 487
5 186
15 428 368
2 230
25 853 855
7 416
Soziales
47 179 360
19 211
47 586 332
11 331
94 765 692
30 542
5 762 914
4 745
5 284 783
1 432
11 047 697
6 177
121 453 691
55 556
129 821 559
30 483
251 275 249
86 039
liturgische und katechetische Leistungen Bildung
andere/ weitere Tätigkeiten Total
Frage: Welchem Tätigkeitsbereich lässt sich das Angebot zuordnen? N: Anzahl Angebote
Integrationsleistung von gesamtgesellschaftlichem Interesse 4
«Wir Schweizer verreisen aus Abenteu-
Die Studie fokussiert auf die kirchlichen Tätigkeiten mit gesamtgesellschaftlicher Bedeutung. Diesem Auftrag entsprechend wurden harte Kriterien angewendet, um diese Leistungen zu definieren und auszuweisen. Die methodische Strenge hat dazu geführt, dass kirchliche Tätigkeiten, die für die Gesellschaft ebenfalls von zentraler Bedeutung sind, zwar erfasst, aber nicht oder nur zurückhaltend bewertet wurden. Aus katholischer Sicht ist dies am deutlichsten sichtbar beim Engagement für die Migrantinnen und Migranten und orthodoxen Mitchristen. Die katholische Kirche leistet mit über 20 Migrantengemeinden und der Unterstützung des Dachverbands von zehn orthodoxen Gemeinden eine Integrationsleistung, die von gesamtgesellschaftlichem Interesse ist. Diese Migrantinnen und Migranten finden im Kanton Zürich und darüber hinaus nicht nur eine religiöse, sondern auch eine soziale Beheimatung.
erlust oder aus beruflichen Karrieregründen. Gerade deshalb ist es für uns
Katholische Migrantenseelsorgen im Kanton Zürich
viel schwerer zu verstehen, welchen Stellenwert die Heimat hat, wenn man
Kantonale Missionen
sie verlassen muss. Migrantinnen und
Englischsprachige Seelsorge
Minoritätenmissionen
Migranten sowie Flüchtlinge verlassen
Französischsprachige Seelsorge
Albanischsprachige Seelsorge (Sitz Sirnach)
ihre Heimat, weil sie ohne Perspekti-
Italienischsprachige Seelsorge
Philippinenseelsorge (Sitz Steinhausen/Zug)
ven oder an Leib und Leben bedroht
Kroatischsprachige Seelsorge
Slowakenseelsorge (Sitz Zürich)
sind. Dass genau für diese Menschen
Polnischsprachige Seelsorge
Slowenenseelsorge (Sitz Zürich
regelmässige Treffen in der Kirche und
Portugiesischsprachige Seelsorge
Tamilenseelsorge (Sitz Zürich)
gemeinsame Gebete in heimatlicher
Spanischsprachige Seelsorge
Tschechenseelsorge (Sitz Zürich)
Sprache die Ankunft im neuen Land
Ungarischsprachige Seelsorge
Ukrainischsprachige Seelsorge
erträglicher machen, ist auf jeden Fall im Interesse der Gesellschaft. Die Katholische Kirche im Kanton Zürich darf auch dank dem Wirken der Migrantenseelsorgen stolz sein auf die Ergebnisse dieser Studie.» Franziska Driessen-Reding, Vizepräsidentin Synodalrat, Ressort Migrantenseelsorge
Vietnamesenseelsorge (Sitz Solothurn) Weitere Seelsorgestellen Chinesischsprachige Seelsorge Eritreisch-Äthiopischsprachige Seelsorge Syro-Malabaren Syro-Malankaren Chaldäer Fahrenden-Seelsorge
Ein Drittel aller gut 390 000 katholischen Mitglieder sind im Kanton Zürich Migrantinnen und Migranten. Zusätzlich leben hier rund 50 000 orthodoxe Christen. Zehn orthodoxe Gemeinden mit orientalischem oder byzantinischem Hintergrund haben sich 2014 in einem Dachverband zusammengeschlossen.
Freiwillige leisten 1,9 Millionen Arbeitsstunden 5 Die Kirchen bieten viele Möglichkeiten zur freiwilligen Mitarbeit. Viele kirchliche Tätigkeiten sind ohne diese freiwilligen Helferinnen und Helfer nicht denkbar. Bei rund der Hälfte aller erfassten Angebote engagieren sich Freiwillige, vornehmlich im Bereich Soziales. Die Studie weist für die reformierte und katholische Kirche jährlich rund 1,9 Millionen Freiwilligenstunden aus, was in etwa 870 Vollstellen und einem Geldwert von 86 Millionen Franken entspricht. Zusätzlich leisten Behördenmitglieder der beiden Kirchen gesamthaft fast 64 000 Arbeitsstunden, was nochmals rund 2,5 Millionen Franken wert ist.
Hintergrund-Informationen Das Kirchengesetz gibt keine Definition zu kirchlichen Tätigkeiten mit gesamtgesellschaftlicher Bedeutung vor, wohl aber, dass die staatlichen Beiträge zur Finanzierung solcher Tätigkeiten insbesondere in den Bereichen Bildung, Soziales und Kultur geleistet werden. Die Autoren der Studie haben kirchliche Tätigkeiten als gesamtgesellschaftlich bedeutsam definiert, wenn sie sich an alle Menschen – unabhängig ihrer Kirchen- oder Religionszugehörigkeit – richten, wenn sie für alle unter den gleichen Bedingungen zugänglich sind und wenn sie auch tatsächlich Nicht-Mitglieder der beiden Kirchen anteilsmässig so erreichen, wie diese in der Bevölkerung vertreten sind.
Freiwilligen- und Behördenstunden nach Tätigkeitsbereich ref. Kirche Tätigkeitsbereich
kath. Kirche
Freiwilligenstd.
Behördenstd.
Freiwilligenstd.
Behördenstd.
248 908
23 087
278 238
1 238
Bildung
65 252
2 995
37 739
609
Kultur
96 410
6 688
130 634
1 453
462 693
17 412
472 378
4 156
32 419
5 191
41 341
1 116
905 682
55 372
960 331
8 571
liturgische und katechetische Leistungen
Soziales andere / weitere Tätigkeiten Total
Frage: «Wie viele Stunden wurden von Freiwilligen und Behördenmitgliedern aufgewendet?»
Öffentlicher Diskurs ist notwendig 6 Die kirchlichen Angebote werden zumeist als eine Ergänzung zum staatlichen Handeln betrachtet. Zwei Drittel aller befragten Gemeindeschreiberinnen und -schreiber sind überzeugt, dass die kirchlichen Angebote zeitgemäss sind und die Bedürfnisse der Bevölkerung abdecken. Ebenso sind sie der Ansicht, dass der Nutzen der kirchlichen Angebote nicht nur für Kirchenmitglieder, sondern auch für Nicht-Mitglieder beachtlich ist. Über 80 Prozent der Befragten bewerten die Angebote Seelsorge, Gottesdienst, Ökumene und Dialog zwischen den Religionen, Möglichkeiten zur freiwilligen Mitarbeit, kulturelle und Begegnungs-Angebote als sehr wichtig oder eher wichtig. Wichtig findet eine Mehrheit der politischen Gemeinden auch den kirchlichen Unterricht, den Erhalt wertvoller Kirchengebäude sowie Beratungen und Leistungen im Sozialbereich. Weniger wichtig hingegen werden Angebote wie Entwicklungszusammenarbeit, Betreuung und Beiträge zu öffentlichen Diskussionen eingestuft.
Über 80 % der Befragten erwarten von den Kirchen Einsatz im Dialog der Religionen und auch im Sozialbereich. Kirchliche Beiträge zu öffentlichen
Wichtigkeit der kirchlichen Angebote (Befragung der Zürcher Gemeindeschreiberinnen und -schreiber) sehr wichtig
eher wichtig
eher unwichtig
Diskussionen sind hingegen kaum gefragt. Vier von fünf Gemeindeschrei-
überhaupt nicht wichtig
berinnen und Gemeindeschreibern beurteilen diese schlicht als unwichtig.
Seelsorge
Wie soll das zusammen gehen?
Gottesdienst oder Messe
Soziales Engagement, Integration,
Ökumene, Dialog zwischen den Religionen
Dialog der Kulturen und Religionen
Möglichkeit der freiwilligen Mitarbeit
– hier sind öffentliche Diskussionen
Kulturelle Angebote
notwendig. Und die Kirchen dürfen
Begegnungsangebot
es sich nicht nehmen lassen, sich immer wieder klar und deutlich zu
Kirchl. Unterricht, Anleitung zu religiösem Leben
äussern. Aber in dieser Kunst muss
Erhaltung architektonisch wertvoller Gebäude
man sich erst bewähren, bevor man
Sozialberatung und -leistungen)
ernst genommen wird. Daran sollten
Entwicklungszusammenarbeit
wir arbeiten.
Bildungsangebot
Zeno Cavigelli, Synodalrat, Ressort Kommunikation und Kultur
Betreuungsangebot Beiträge zu öffentlichen Diskussionen 0 %
20 %
40 %
60 %
80 %
100 %
Frage: «Wie wichtig sind die folgenden Angebote der Landeskirchen für die politische Gemeinde unabhängig vom bestehenden Angebot in Ihrer Gemeinde?» N=129, wovon drei Gemeinden diese Frage nicht beantworteten.
Wo politische Gemeinden einspringen müssten 7 Die Gemeindebefragung zeigt, dass der Aufbau gewisser eigener Angebote zu erwarten wäre, falls ein Teil der kirchlichen Tätigkeiten wegfallen würde. So gibt eine Mehrheit der Gemeindeschreiberinnen und -schreiber an, dass die Gemeinden beim Wegfall des Engagements der Kirchen bei der Erhaltung architektonisch wertvoller Gebäude, bei Sozial- und Beratungsleistungen oder bei Betreuungs- und Begegnungsangeboten in die Bresche springen müssten. Viele gehen auch davon aus, dass in den politischen Gemeinden zusätzliche Möglichkeiten zur freiwilligen Mitarbeit geschaffen würden. Hingegen ist eine Mehrheit der Befragten der Meinung, keine eigenen Angebote im Bereich der Seelsorge aufzubauen, obwohl sie die Seelsorge als das wichtigste kirchliche Angebot erachten. Kaum Substitutionsbedarf besteht aus Sicht der politischen Gemeinden auch bei den Bildungsangeboten, den Beiträgen zu den öffentlichen Diskussionen und bei der Entwicklungszusammenarbeit.
Hintergrund-Informationen Alle 168 politischen Gemeinden des Kantons Zürich erhielten per Mail die Einladung zur Teilnahme an der Befragung, welche zwischen Februar und April 2016 stattfand. 129 von 169 politischen Gemeinden haben sich durch ihre Gemeindeschreiberin oder ihren Gemeindeschreiber an der Befragung beteiligt. Dies entspricht einer Rücklaufquote von 76,8 Prozent und liefert aussagekräftige Resultate.
Substitution der kirchlichen Angebote durch staatliche Angebote (Befragung der Zürcher Gemeindeschreiberinnen und -schreiber) Ja, sicher
Ja, vielleicht
Nein
keine Angabe
Sozialberatung und -leistungen (n=62 Erhaltung architektonisch wertvoller Gebäude (n=92) Betreuungsangebot (n=37) Möglichkeit der freiwilligen Mitarbeit (n=114) Begegnungsangebot (n=117) Seelsorge (n=126) Kulturelle Angebote (n=123) Bildungsangebot (n=81) Beiträge zu öffentlichen Diskussionen (n=31) Entwicklungszusammenarbeit (n=76) 0 %
20 %
40 %
60 %
80 % 100 %
Frage: «Stellen Sie sich vor, die von Ihnen genannten Angebote werden nicht mehr durch die Landeskirchen erbracht. In welchen Bereichen müsste die politische Gemeinde eigene Angebote aufbauen?»
Gottesdienst und Dienst am Menschen gehören zusammen 8
Das kirchliche Engagement in den Bereichen Bildung, Soziales und Kultur
In der Bevölkerungsumfrage geben über 90 Prozent der Befragten an, dass die beiden Kirchen unbedingt oder eher Seelsorge und Gottesdienste oder Messen auch in Zukunft anbieten sollten. Für eine deutliche Mehrheit von über 80 Prozent sind auch die Möglichkeit der freiwilligen Mitarbeit, die Ökumene und der Dialog zwischen den Religionen, die Begegnungsangebote sowie die Sozialberatung und -leistungen gewünschte Tätigkeiten der Kirchen. Rund drei Viertel der Befragten machen sich stark für kulturelle Angebote, Entwicklungszusammenarbeit, den kirchlichen Unterricht und den Erhalt wertvoller Gebäude. Im Gegensatz dazu ist das Bedürfnis nach kirchlichen Betreuungs- und Bildungsangeboten oder Beiträgen zu öffentlichen Diskussionen deutlich weniger stark ausgewiesen. Zu Letzterem merken die Autoren allerdings an, dass aus der Perspektive einer offenen demokratischen Gesellschaft öffentliche Stellungnahmen der Kirchen durchaus auch bei geringem Bedürfnis erfolgen sollten.
ist ausgewiesen und kann sich sehen lassen. Die Studie macht darüber hinaus eine bemerkenswerte Feststellung: Gottesdienst und Seelsorge stehen laut der Bevölkerungsbefragung
Wichtigkeit der kirchlichen Angebote (Bevölkerungsumfrage) unbedingt machen eher nicht machen
eher machen überhaupt nicht machen
an erster Stelle. Die Bevölkerung trifft
Seelsorge
den Nagel auf den Kopf. Gottesdienst
Gottesdienst oder Messe
und Dienst am Menschen gehören zusammen. Ja noch mehr: Die gottesdienstliche Feier ist die Quelle für das soziale Engagement. Als Kirche feiern wir Sonntag für Sonntag die Lebenshingabe Jesu, seine Entäusserung in alle Abgründe menschlicher Existenz. Dieses dankbare Erinnern der Grosstaten Gottes bewegt uns zum solidarischen Handeln an den Armen und Notleidenden. Josef Annen, Generalvikar für die Kantone Zürich und Glarus
ist mir egal weiss nicht/ keine Angabe
Möglichkeit der freiwilligen Mitarbeit Ökumene, Dialog zwischen den Religionen Begegnungsangebote Sozialberatung und -leistungen kulturelle Angebote Entwicklungszusammenarbeit Kirchl. Unterricht, Anleitung zu religiösem Leben Erhaltung architektonisch wertvoller Gebäude Betreuungsangebot Bildungsangebot Beiträge zu öffentlichen Diskussionen 0 %
20 %
40 %
60 %
80 % 100 %
Frage: «Die Landeskirchen sind in unterschiedlichen Bereichen tätig. Ich lese Ihnen jetzt ein paar solche Bereiche vor. Sagen Sie mir bitte, was die Kirche in Zukunft machen sollten.» N=1200 .
Zuerst an randständige Menschen denken 9 Aus der Perspektive von über 80 Prozent der befragten Bevölkerung sollten sich die Angebote der Kirchen vor allem an die sozial Schwachen und Armutsbetroffenen sowie an die Seniorinnen und Senioren richten. Für drei Viertel aller Befragten gehören auch Kinder und Jugendliche sowie Familien zu den eher respektive sehr wichtigen Zielgruppen von Tätigkeiten der Kirchen. Knapp zwei Drittel erachten auch suchtkranke Menschen, Migrantinnen und Migranten und Erwachsene zu wichtigen Empfängern kirchlicher Angebote. Etwas weniger, wenn immer noch auf hohem Niveau, werden auch die Zielgruppen Frauen, Männer und Erwerbslose / Stellensuchende als wichtig erachtet. Die Befragung der politischen Gemeinden zeigt, dass sie sich ebenfalls mehr kirchliche Angebote für Randständige sowie Migrantinnen und Migranten wünschen. Andererseits übersteigt aus ihrer Sicht die Tätigkeitspalette der Kirchen für die Zielgruppen der Kinder und Jugendlichen sowie Seniorinnen und Senioren das Bedürfnis klar.
Zielgruppen, an die sich die kirchlichen Tätigkeiten im Kanton Zürich richten sollen (Befragung der Bevölkerung) sehr wichtig eher nicht wichtig
eher wichtig überhaupt nicht wichtig
weder unwichtig noch wichtig weiss nicht / keine Angaben
sozial Schwache & Armutsbetroffene SeniorInnen Kinder & Jugendliche Familien Suchtkranke MigrantInnen & Fremdsprachige Erwachsene Frauen Männer Erwerbslose & Stellensuchende 0 %
20 %
40 %
60 %
80 % 100 %
Frage: «An welche Zielgruppen sollten sich die Tätigkeiten der Landeskirchen im Kanton Zürich richten?» N=1200
Hintergrund-Informationen Die standardisierte Bevölkerungsumfrage per Telefon fand im Zeitraum vom 2. November bis 1. Dezember 2015 statt und strebte eine repräsentative Stichprobe von 1 200 Personen ab 16 Jahren an. Die Verweigerungsquote mit 84,2 Prozent fiel recht hoch aus, so dass die vorgegebenen Quoten nach Alter, Geschlecht, Bildungsabschluss, Staats- und Religionszugehörigkeit sowie Konfession nicht vollständig eingehalten werden konnten. Aus diesem Grund gehen die Autoren der Studie davon aus, dass die Befragungsergebnisse tendenziell zugunsten der beiden Kirchen verzerrt sind und bei der Interpretation berücksichtigt werden müssen.
Angebote gegenüber Nicht-Mitgliedern öffnen 10
Empfehlungen der Autoren an den Staat und die Kirchen Die staatlichen Behörden sollten systematischer und kontinuierlicher einfordern, dass die anerkannten Religionsgemeinschaften Transparenz über die Mittelverwendung schaffen. Mittelfristig ist zu prüfen, inwiefern sich andere religiöse Gemeinschaften ebenfalls für Staatsbeiträge in der Art, wie sie an die anerkannten Kirchen gehen, qualifizieren (können). Die erbrachten kirchlichen Tätigkeiten zuhanden der Gesamtgesellschaft leisten einen wertvollen Beitrag und sollten verstärkt weitergeführt werden. Die Befunde der Studie zeigen, dass die Kirchen umfangreiche nichtkultische Tätigkeiten ohne gesamtgesellschaftliche Bedeutung erbringen. Wenn die Kirchen solche Angebote vermehrt für Nicht-Kirchenmitglieder öffnen, können sie ihre Tätigkeiten zuhanden der Gesamtgesellschaft verstärken. Der Schlussbericht der Studie «Kirchliche Tätigkeiten mit gesamtgesellschaftlicher Bedeutung im Kanton Zürich» kann auf der Homepage heruntergeladen werden. www.zhkath.ch/studie
Fünf anerkannte Religionsgemeinschaften im Kanton Zürich – die reformierte, katholische und christkatholische Kirche sowie die Israelitische Cultusgemeinde und die Jüdische Liberale Gemeinde – erhalten Kostenbeiträge für Tätigkeiten mit Bedeutung für die ganze Gesellschaft, insbesondere in den Bereichen Bildung, Soziales und Kultur. Gestützt auf das Kirchengesetz erhalten diese fünf anerkannten Religionsgemeinschaften vom Kanton seit 2010 jährlich 50 Millionen Franken. Der Grossteil geht dabei an die reformierte und die katholische Kirche. Ihr Mitgliederanteil an der Zürcher Gesamtbevölkerung lag Ende 2016 mit 833 129 Mitgliedern bei 56.2 %. Ende 2018 wird der Kantonsrat auf Antrag der Regierung des Kantons Zürich darüber entscheiden, welche Beiträge der Staat den anerkannten Religionsgemeinschaften für die Jahre 2020 bis 2025 zukommen lassen will. Die Studie «Kirchliche Tätigkeiten mit gesamtgesellschaftlicher Bedeutung im Kanton Zürich» ist eine der Grundlagen für diesen Entscheid.
1 866 013
Freiwilligenstunden mit einem Gesamtwert von 86 Millionen Franken
86 366
erfasste kirchliche Angebote mit einem Gesamtwert von 251 275 249 Franken
63 943 Stunden von Behördenmitgliedern
61,3
Millionen Franken Tätigkeiten mit gesamtgesellschaftlicher Bedeutung
Vermischtes 11
Anfang Juli wurde die Ilanzer Ordensschwester Ingrid Grave im Rahmen des «Dienstagsmail»-Festes in Zürich für ihre kirchlichen Beiträge in säkularen Medien geehrt. Von den über 2200 Personen, die ihre Stimme via Online-Voting für die drei Kandidaten abgaben, erhielt Sr. Ingrid rund 52 Prozent. Zu der Preisverleihung hatte Markus Baumgartner eingeladen, ein Unternehmer, der vor zehn Jahren das «Dienstagsmail» ins Leben rief, um gute und konstruktive Kommunikation in der Kirche zu fördern. Er hielt nicht nur die Laudatio für die Wettbewerbsgewinnerin, sondern übergab Sr. Ingrid auch ein Megaphon, damit ihre kritischen und konstruktiven Inputs auch in Zukunft in Nah und Fern bestens hörbar sind. www.dienstagsmail.ch
Foto: V. Schwizer
Auszeichnung für Sr. Ingrid Grave für ihre Art zu kommunizieren
Schwester Ingrid Grave erhielt von Markus Baumgartner ein Megaphon.
Für seine Abschlussarbeit an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften erhielt der 31jährige Vishaj Berat den ersten Preis mit einem Preisgeld von 5000 Franken. Unter dem Titel «Menschen mit Beeinträchtigungen besser im Facility-Management-Arbeitsmarkt inkludieren» hatte Berat nicht nur Daten, sondern auch konkrete Vorschläge gesammelt, wie Menschen mit Beeinträchtigungen im Bereich Facility Management beschäftigt werden können. Sandrine Behriger (26) von der Uni Bern erhielt für ihre Masterarbeit zur Leihmutterschaft den zweiten Preis. Anita Aerni schrieb am Ethikzentrum der Universität Zürich zur Weltarmut und der Verantwortung der reichen Nationen. Ihre Abschlussarbeit wurde mit dem 3. Preis ausgezeichnet. Die Preise übergab die zuständige Synodalrätin Ruth Thalmann im Rahmen der Synodensitzung im Zürcher Rathaus.
Synode tagte im Juni zweimal An ihrer Sitzung am 22. Juni hat die Synode in Anwesenheit einer Delegation von Luzerner Synodalen in einer Ersatzwahl den Pfarreibeauftragten und Vikar Luis Varandas, Fällanden, in den Synodalrat gewählt. Die Synodalen bewilligten zudem 300 000 Franken für die Sanierung der Klosterkirche St. Martin in Disentis. Mit «Hier stehe ich und kann nicht anders.» überbrachte Reformationsbotschafter Christoph Sigrist dem Parlament eine Grussbotschaft. Ausserdem revidierte die Synode in der fortgesetzten Sitzung am 29. Juni Kirchenordnung, Kirchgemeindereglement und Finanzreglement. Die ausführlichen Berichte zu den Synodensitzungen sind zu finden unter www.zhkath.ch
Foto: S. Spengler
Hochstehende Abschlussarbeiten mit dem Ethikpreis ausgezeichnet
Vorne: Preisträger Berat Vishaj (Mitte), Sandrine Behriger (l.), Anita Aerni (r.) Hinten: Hans-Peter Schmitt (THC), Synodalrätin Ruth Thalmann, Susanne Brauer (Ethikkommission)
Vier Fragen an den neuen Synodalrat Luis Varandas
Fussball in Portugal als (beinahe) Religion: FC Porto, Sporting oder Benfica Lissabon? Diese drei «Konfessionen» sind mir vertraut und führen auch in meiner Familie und meinem Bekanntenkreis immer wieder zu emotionalen Diskussionen. Ich selber konnte mich für Fussball nie recht begeistern. Essen als gemeinschaftsbildendes Element: Arroz de marisco (Reisplatte mit Meeresfrüchten) oder Zürigschnätzlets mit Rösti? Beides. Zuhause bei meinen Eltern in Zürich geniesse ich gerne traditionell portugiesische Küche. Und in meinem Alltag schätze ich die Schweizer Spezialitäten bis hin zu Raclette und Fondue. Vom Elektromechaniker zum Priester: Vom Strom zum inneren Feuer? Was verbindet die beiden Berufe? In meinem Beruf als Elektromech kamen die Dinge aufgrund eines Schaltplans zum Funktionieren. In meiner Berufung zum Priester geht es darum, zwischen Gott und den Menschen eine Verbindung zu schaffen, zu begleiten, zu unterscheiden und zu integrieren. Das Leben ist vielfältig mit Höhen und Tiefen. Es funktioniert nicht nach einem vorgegebenen Schaltplan. Diese Verschiedenheit und Vielfalt ist in Gottes Barmherzigkeit aufgehoben. Aus dieser Haltung wählte ich meinen Primizspruch aus dem Johannesevangelium: «Bleibt in meiner Liebe» (Joh 15,9). Gretchenfrage: Priesterkragen in Zürich – Kultur oder Bekenntnis? Mit dem Tragen des Kollarhemds gebe ich mich als Priester zu erkennen. Dies ist ein persönlicher Entscheid und nicht mit einer Ideologie verbunden. Das Kollar ist ein weltweites Erkennungszeichen und das normale Kleidungsstück für den Priester. Interview: Arnold Landtwing
Foto: A. Landtwing
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Vikar Luis Varandas: Eine Migrantenstimme im Synodalrat Der neu als Vertreter der Seelsorge in den Synodalrat gewählte 38-jährige Priester Luis Varandas hat eine «klassische» Migrantenbiografie: als 13-Jähriger mit der Familie von Portugal in die Schweiz gekommen, besuchte er hier die Schule, absolvierte eine Lehre als Elektromechaniker und arbeitete in diesem Beruf. Seiner Berufung folgte er mit dem Studium der Theologie, das er mit dem Master an der Theologischen Hochschule Chur abschloss. Nach seelsorgerlicher Tätigkeit als Vikar in Wädenswil wirkte er zwei Jahre lang als Subregens im Priesterseminar St. Luzi und kehrte dann in die Pfarreiseelsorge nach Fällanden zurück. Die Kirchenpflege Dübendorf schlägt ihn an der Kirchgemeindeversammlung Ende 2017 als Pfarrer in solidum für den Seelsorgeraum mit über 11 700 Gläubigen vor. Aufgrund seiner neuen Aufgabe als Synodalrat wird er eine Stelle im Seelsorgeraum zu einem reduzierten Pensum wahrnehmen.