Impressum Umschlagbild: Meister von Taüll, »Die Hand Gottes«, Sant Climent de Taüll Bildauswahl und -erklärung: Hubert Gaisbauer Grafische Gestaltung und Satz: Nele Steinborn Schrift: Compatil Text, Compatil Letter Herstellung: Mag. Tina Gerstenmayer, adpl-solutions International – Division Publishing, Wien Druck und Bindung: Druckerei Theiss, St. Stefan © 2010 by Wiener Dom-Verlag Wiener Dom-Verlag Gesellschaft m. b. H., Wien Printed in Austria. Alle Rechte vorbehalten ISBN: 978-3-85351-223-4 www.domverlag.at Die Bibelzitate sind entnommen aus der ökumenisch verantworteten Einheitsübersetzung der Heiligen Schrift. © 1980 Katholische Bibelanstalt GmbH, Stuttgart
Helmut Krätzl
… und suchen dein Angesicht Gottesbilder – Kirchenbilder Bildauswahl und Bilderklärungen von Hubert Gaisbauer
wiener verlag
Inhalt 6 8
Vorwort Einleitung
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Verstörende Gottesbilder im AT Gott ist ein Krieger Der Zorn Gottes Der strafende Gott Der eifersüchtige Gott Ein Gott, der Opfer braucht
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Berührende Gottesbilder im AT Der heilige Gott Der »Ich-bin-da« Der Gott, der Freiheit bringt Der Gott, der leidenschaftlich liebt Der sanfte Gott
127 128 140 150 160 172
Der Gott und Vater Jesu Christi »Wer mich sieht, sieht den Vater« Der barmherzige Vater Mein Gott, warum hast du mich verlassen? Der dreieine Gott Der Gott, der sich gerade den Kleinen offenbart
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Anhang Anregungen zum Weiterlesen Bildnachweis Abkürzungen
Vorwort Als ich begann, dieses Buch zu schreiben, erzählte ich einem befreundeten Priester davon. Er warnte mich, es zu tun. Dazu brauche es profunde exegetische Kenntnisse, historische Untersuchungen und viel religionsgeschichtliche Erfahrung. In der Tat, all das habe ich nur in sehr beschränktem Maße. Aber ich will auch kein wissenschaftliches Buch schreiben, sondern einfach zum Nachdenken über Gottesbilder anregen. Das habe ich in anderer Form schon oft getan, in Exerzitienbetrachtungen, Predigten, Vorträgen und in persönlichen Gesprächen mit suchenden Menschen. Das Thema ist mir so wichtig, weil das jeweilige Gottesbild die existenzielle Beziehung eines Menschen zu Gott prägt, fördert, oder auch brutal zerstören kann. Dabei spielt die Kirche eine bedeutende Rolle. Sie will den Menschen von klein auf helfen, sich von Gott ein Bild zu machen, das den Glauben an Gott stärkt und Grundlage für das Leben sein kann. Das gelingt aber keinesfalls immer. Wie die Erfahrung zeigt, wachsen nicht wenige mit einem verzerrten Gottesbild auf, das ihre Beziehung zu Gott nicht fördert, sondern hindert. Daran kann eine falsche Art der Verkündigung schuld sein, aber auch manche Enttäuschung, die jemand mit der jeweiligen Erscheinungsform der Kirche erlebt hat. Denn die Kirche selbst soll ja durch ihre Lehre, ihr Feiern und ihr ganzes Leben Abbild Gottes sein, den sie zu verkünden hat. Gottesbilder und Kirchenbilder bedingen einander im Leben vieler Menschen.
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Mit meinen schlichten Überlegungen möchte ich Menschen anregen, »sein Antlitz zu suchen«. Manche werde ich dabei, so hoffe ich, auf eine tiefere Beziehung zu Gott hin begleiten, anderen aber vielleicht auch helfen, von ihren »störenden Gottesbildern« loszukommen. Allen aber möchte ich Geschmack und Interesse am Bibellesen machen und gleichzeitig Hinweise geben, die Hl. Schrift in ihrer besonderen literarischen Gattung richtig zu verstehen. Professor Hubert Gaisbauer danke ich ganz herzlich, dass er das geschriebene Wort durch eine so schöne Auswahl kunstvoller Bilder reichlich illustriert hat. Wien, am 6. August, dem Fest der Verklärung Jesu Helmut Krätzl
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Hieronymus Bosch »Die Erschaffung der Welt« Rückseiten der Flügel des Triptychons »Der Garten der Lüste« 1500 | Öl auf Grisaille | 220 x 195 cm Die Gestalt Gottvaters sitzt links über der Sphärenkugel so entfernt, als hätte er sich während des Schöpfungsaktes zurückgezogen. Darüber ein lateinischer Vers des Psalms 33: »Er sprach und es ward, Er gebot, und da war es geschaffen.«
Einleitung Über Gott wird heute in aller Öffentlichkeit so viel diskutiert, wie schon lange nicht. Der Hauptgrund ist nicht das von vielen wahrgenommene wachsende Interesse an Religiösem (nicht unbedingt an Religion!), sondern ein erstarkender, polemischer Atheismus, der missionarische Formen annimmt. Unter anderen löste dies vor Jahren die vehemente politische Debatte aus, ob in einer Verfassung der EU der Name Gottes genannt werden sollte. Das rief zu einer neuen Form der Religionskritik heraus, ja zu einer regelrechten Kampagne gegen den Monotheismus. Gegen den Monotheismus wurden zwei Argumente vorgebracht: Einerseits wird behauptet, dass monotheistische Religionen aufgrund ihres Glaubens an den einen, einzigen Gott konstitutiv friedensunfähig, intolerant, autoritätsfixiert und demokratieunverträglich seien. Andererseits wird die ethische Grundierung des Monotheismus, die auf eine universale Verantwortung drängt, als gewaltverursachend und zukunftsverunmöglichend kritisiert. An der Auseinandersetzung beteiligten sich Politiker, Philosophen, Literaten. Martin Walser, der bekannte deutsche Schriftsteller, kritisiert einen Humanismus, der sich von seiner biblischen Herkunft nicht werde emanzipieren können. Das Liebesgebot, das den biblischen Monotheismus fundiert, basiere auf der Sündenmoral, die einzig und allein Disziplinierung der Natur sei. Der Gott dieses Gebotes sei ein Herrscher, seine Liebe sei Liebe im Konditional, da sie nur gegeben werde, wenn der Mensch sich ihm ganz unterworfen habe. Alle Herrschaftsverhältnisse auf dieser Erde sind für Walser lediglich Kopien des biblischen Verhältnisses zwischen Gott und dem Menschen. Seit der Erfindung dieses Gottes
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Einleitung
gehörten wir nicht länger der Erde an, sondern nur diesem einen Gott. Alternativ beschwört er deshalb einen Neopaganismus. In Österreich warnte die Biochemikerin Renée Schroeder, Wissenschaftlerin des Jahres 2002, vor »zu viel Kirche in der Bioethik-Kommission«. Und da in den monotheistischen Religionen »Gott als Mann gesehen wird«, sei das Frauenbild ein »schweigendes und leidendes. Das wird sich erst ändern, wenn man diesen Gott mit Bart abschafft.« Fast ein Kultbuch für den neu erwachten kämpferischen Atheismus wurde »The God Delusion« (Der Gotteswahn) von Richard Dawkins, das Ende 2006 erschienen ist und ein Bestseller wurde. Darin sagt er u. a.: »Der Gott des AT ist die unangenehmste Gestalt in der gesamten Literatur. Er ist eifersüchtig und auch noch stolz darauf; ein kleinlicher, ungerechter, nachtragender Überwachungsfanatiker; ein rachsüchtiger, blutrünstiger, ethnischer Säuberer; ein frauenfeindlicher, homophober, rassistischer, Kinder und Völker mordender, ekliger, größenwahnsinniger, sadomasochistischer, launisch-boshafter Tyrann.« Dawkins versteigt sich sogar zur Behauptung: Wäre die Welt ohne Religion, »gäbe es keine Selbstmordbomber, keinen 11. September, keine Kreuzzüge und Hexenverfolgungen, keinen Israel-Palästinenser-Konflikt, keine Massaker in Bosnien, keine Verfolgung von Juden als ›Christusmörder‹, keine Nordirlandunruhen«. Erschreckend ist, von welchem Gottesbild die atheistischen »Missionare« ausgehen, wie sie mit der Bibel überhaupt umgehen. Sie bewegen sich auf demselben Niveau wie ihre größten Feinde, die religiösen Fundamentalisten. Welche Art von religiöser Unterweisung haben sie alle gehabt? Was hat christliche Verkündigung hier wohl alles falsch gemacht, oder sträflich versäumt? Bernhard Häring, der große
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Einleitung
Moralprofessor und Konzilstheologe, klagt in einem seiner letzten Bücher solche Verfehlungen drastisch an. Aus seiner seelsorglichen Erfahrung schreibt er: »Oft hatte ich es mit Männern und Frauen zu tun, die deutlich den Geruch ekklesiogener Neurosen ausstrahlten. Man hatte ihnen einen kleinkarierten, obersten Kontrolleur, einen rächenden Gott eingebläut, einen Gott, dem es vor allem darum geht, seine vielen Gesetze bis ins kleinste penibel und unter Strafandrohung einzufordern. Sie standen noch immer unter dem Schock der Erfahrung eines (jäh)zornigen Vaters oder eines wütenden Priesters, der ihnen beibrachte, dass Gott durch ihn spreche, zürne, richte und strafe.« Friedrich Heer, der berühmte Historiker und Dramaturg steuert aus seinem eigenen Leben ein Beispiel bei. »Mein lieber Gott war furchtbar. Ich habe mich heute, in meinem sechzigsten Lebensjahr, noch nicht ganz von ihm erholt. Wahrscheinlich besteht ein großer Teil meiner Arbeiten aus Versuchen, mich frei-zu-schwimmen, dem Sog zu entrinnen, in den mich mein lieber Gott brachte.« Schuld daran war ein Kaplan, der, wie Heer meint, selbst tief krank und von Komplexen geplagt, ihn als Kind zur Erstkommunion und Erstbeichte vorbereitete. Vor einer Firmung erzählte mir ein Kaplan, er habe die Firmkandidaten angeregt, sie sollten jene Farben malen, die ihnen beim Wort »Gott« einfallen. Die meisten Farben waren grau. Darüber sprach ich dann bei der Firmpredigt vor den Eltern und fragte, woher wohl dieser »graue Gott« käme, auf den doch ein kleines Kind allein nicht kommen kann. Die Glaubenskrise vieler Menschen kommt von entstellten Gottesbildern, die ihnen übermittelt wurden. Und die Kirche selbst verliert zunehmend ihre Glaubwürdigkeit, wenn sie wohl einen guten und barmherzigen Gott verkündigt, aber nicht selbst Abbild von ihm ist.
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Einleitung
Der persönliche Glaube hängt davon ab, in welchem Bild mir Gott begegnet. Die Hauptaufgabe der Kirche ist, den Menschen den Weg zu dieser Begegnung zu eröffnen. In den letzten Jahren hat mich das Problem der Gottesbilder gerade auch im Zusammenhang mit dem jeweiligen Kirchenbild sehr bewegt. In Exerzitienkursen, aber auch in vielen Vorträgen im Rahmen der Erwachsenenbildung habe ich darüber geredet. Ich möchte in den folgenden Betrachtungen den verschiedenen Gottesbildern im Alten und Neuen Testament nachgehen und sie zu erklären versuchen. Aber gleichzeitig will ich auch zeigen, welche Konsequenzen das für die Kirche hat, für ihre Verkündigung, die Feier der Sakramente, für ihr ganzes Leben. Soll sie doch in allem, was sie ist und tut, Gott »abbilden«, seine Ikone sein.
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