Archäologie und Bauforschung im Wiener Stephansdom Leseprobe

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Nikolaus Hofer (Hg.)

ARCHĂ„OLOGIE UND BAUFORSCHUNG IM WIENER STEPHANSDOM Quellen zur Baugeschichte des Domes bis zum Ende des 13. Jahrhunderts


Stephansdom Wissenschaft Kern3a_Buch 27.04.2013 09:18 Seite 2

Eine Kooperation von

Dombauhütte St. Stephan

© 2013 by Wiener Dom­Verlag Wiener Dom­Verlag GmbH, Wien Alle Rechte vorbehalten Herausgeber: Nikolaus Hofer, Bundesdenkmalamt, Abteilung für Archäologie Redaktion: Nikolaus Hofer Lektorat: Nikolaus Hofer und Werner Paul Peck Übersetzungen ins Englische: Paul Mitchell Satz, Layout und Gesamtherstellung: Tina Gerstenmayer, D&K Publishing Service, Wien Titelbild: St. Stephan 2000/2001. Architekturspolie Objekt 1. Druck: Gorenski Tisk, Kranj ISBN: 978­3­85351­249­4 www.domverlag.at


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Nikolaus Hofer (Hg.)

Archäologie und Bauforschung im Wiener Stephansdom Quellen zur Baugeschichte des Domes bis zum Ende des 13. Jahrhunderts

Mit Beiträgen von Günther Buchinger, Friedrich Dahm, Hubert Emmerig, Angelika Geischläger, Nikolaus Hofer, Markus Jeitler, Renate Kohn, Karin Kühtreiber, Paul Mitchell, Johann Offenberger, Doris Schön und Andreas Thinschmidt

wiener verlag


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Stephansdom Wissenschaft Kern3a_Buch 26.04.2013 11:57 Seite 7

Inhalt Vorwort: Wolfgang Zehetner Vorwort: Friedrich Dahm Nikolaus Hofer, Kirchenarchäologie im Spannungsfeld zwischen Dokumentation und Interpretation. Zur Publikation der Ausgrabungen in St. Stephan

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Teil 1: Publizierte Texte zu archäologischen und bauhistorischen Forschungen des 19. und 20. Jahrhunderts im Wiener Stephansdom Friedrich Schmidt, Ueber die zwei älteren Bauepochen der Domkirche zu St. Stephan Friedrich Schmidt, Ueber die zwei älteren Bauepochen der Domkirche zu St. Stephan (Schluß) Wilhelm Anton Neumann, Die Westempore im Dome zu St. Stephan [Auszug] Wilhelm Anton Neumann, Kurzer Überblick der Baugeschichte von St. Stephan Alois Kieslinger, Die Steine von St. Stephan [Auszüge] Karl Oettinger, Die Grabungen von St. Stephan 1945–1948

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Teil 2: Die Ausgrabungen des Bundesdenkmalamtes in den Jahren 1996 und 2000/2001 im Stephansdom Johann Offenberger und Angelika Geischläger, St. Stephan in Wien. Bauarchäologische Untersuchungen in den Jahren 1996 und 2000/2001 Karin Kühtreiber, Das keramische Fundmaterial und die frühen Grabbefunde aus den archäologischen Untersuchungen der Jahre 1996 und 2000/2001 in St. Stephan Hubert Emmerig, Die Fundmünzen der archäologischen Untersuchungen der Jahre 1996 und 2000/2001 in St. Stephan Friedrich Dahm, Die Freskofragmente aus den Grabungen 2000/2001 in St. Stephan Günther Buchinger u. a., Katalog der wichtigsten Spolien­ und Bodenfliesenfunde aus den archäologischen Untersuchungen der Jahre 1996 und 2000/2001 in St. Stephan Renate Kohn, Analyse und Bewertung der inschriftlichen Funde aus den archäologischen Untersuchungen in St. Stephan Andreas Thinschmidt, Ergebnisse der begleitenden petrographischen Befundung der archäologischen Ausgrabungen 1996 und 2000/2001 in St. Stephan Teil 3: Gesamtwürdigung der archäologischen, historischen und bauhistorischen Quellen zur frühen Baugeschichte des Stephansdomes Günther Buchinger, Markus Jeitler, Paul Mitchell und Doris Schön, Die Baugeschichte von St. Stephan bis in das 13. Jahrhundert. Analyse der Forschungsgeschichte und Neuinterpretation unter dem Blickwinkel rezenter Methodik Anhang 1: Paul Mitchell, Überarbeiteter Befundkatalog der archäologischen Untersuchungen der Jahre 1996 und 2000/2001 in St. Stephan Anhang 2: Markus Jeitler, Schriftquellen zur frühen Baugeschichte von St. Stephan Nikolaus Hofer, Archäologie und Bauforschung im Wiener Stephansdom. Ein (vorläufiges) Resümee Literatur Autoren­ und Abbildungsnachweis

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Vorwort Es ist mir eine besondere Freude, diesen wichtigen Band mit den Ergebnissen von mehreren archäo­ logischen Grabungen aus dem Zeitraum von 1946 bis 2001 und den davon angeregten Überlegungen für die frühe Zeit von St. Stephan nun fertiggestellt zu sehen. Archäologische Grabungen werden üblicher­ weise nicht nach reinem wissenschaftlichem Inte­ resse durchgeführt, sondern als „Notgrabungen“ von äußeren Umständen initiiert. Waren nach dem Krieg die Zerstörungen und Untersuchungen für den Wiederaufbau Anlass für die Grabungen, wur­ den im Bereich des Riesentores die dringend nötigen Restaurierungsarbeiten am Tor selbst zum Anlass genommen, auch den Bereich der Fundamente zu untersuchen; für die umfangreichen, eineinhalb Jahre andauernden Grabungen im Dom selbst war der Einbau einer zeitgemäßen Heizung Ursache. Die alte, ölbetriebene Heizung aus den 1970er­ Jahren war so konzipiert, dass an einem Punkt des Langhauses (beim Orgelfuß) auf relativ kleiner Fläche heiße Luft in den Dom geblasen wurde, was zu verschiedenen Problemen führte: Die Temperatur der Warmluft muss relativ hoch sein, um den Dom zu erwärmen, führt aber zur Verrußung im Dom und zu großen Temperatur­ und Luftfeuchtigkeits­ unterschieden und konnte so in weiten Bereichen des Domes sowohl für die Gläubigen und Besucher als auch für die Kunstgegenstände keine optimalen Bedingungen schaffen. Die nach zeitgemäßen Kriterien konzipierte neue Domheizung ist nun mit Fernwärme betrieben, was bedeutet, dass am Dom selbst keine Schad­ stoffe entstehen. Für die optimale Verteilung der Wärme im Dom sind im Boden fünf große und acht kleinere Wärmetauschstationen eingelassen, die die warme Luft in den Dom abgeben, aber auch wie­ der ansaugen und sie damit in Bodennähe, also im

Bereich der Besucher, wo die Wärme gebraucht wird, halten. Die Luft wird gleichzeitig gereinigt, kann nötigenfalls befeuchtet werden, um Gefahren für Holzgegenstände durch allzu große Trocken­ heit zu verhindern. Durch die gleichmäßige Ver­ teilung der Wärmestationen im Dom entstehen nur geringe Temperaturunterschiede. Auch die unan­ genehmen Fallwinde, die durch die Abkühlung der geheizten Luft an den Fenstern bei herkömmlichen Heizungssystemen entstehen, können relativ ge­ ring gehalten werden und so wird – trotz der niedri­ gen Temperatur von 11° – ein angenehmes und gleichmäßiges Raumklima erreicht. Für die Wärmestationen und deren Anspeisung mussten aber umfangreiche Grabungsarbeiten in weiten Bereichen des Domes durchgeführt werden. Um den Fehler zu vermeiden, Erdarbeiten ohne umfangreiche archäologische Dokumentation durchzuführen, wie es etwa beim U­Bahn­Bau am Stephansplatz in den 1970er­Jahren geschehen ist, wurden die Grabungsarbeiten von einem Team des Bundesdenkmalamtes unter der Leitung von Johann Offenberger nach archäologischen Richt­ linien durchgeführt. Eine große Herausforderung war die Organisa­ tion der Grabungen, denn um den Dom in weiten Teilen für die Messfeiern nutzen zu können, wurden nur kleine Bereiche für die Grabungen gesperrt und nach Abschluss der Grabung abschnittsweise die Rohinstallation und die Pflasterarbeiten abgeschlos­ sen. Die Kosten der archäologischen Grabungen wur­ den vom Verursacher, der Dombauhütte, getragen. Nach den sensationellen Ergebnissen wurden die archäologischen Grabungen über das für die Heizung erforderliche Maß ausgedehnt, um Fun­ damentverläufe genau dokumentieren zu können und so bessere Einblicke in die Baugeschichte von St. Stephan zu bekommen.


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Nicht nur aus der Zeit vor dem Bau und aus der Bauzeit selbst fanden sich Spuren im Boden. Der Dom war bis ins späte 18. Jahrhundert eine be­ sonders beliebte und prominente Begräbnisstätte, was heute nur mehr erahnt werden kann, da von der Fülle der mittelalterlichen und barocken Grab­ denkmäler nur mehr ein Teil im Dom selbst vorhan­ den ist; viele sind im Lauf der Zeit verschwunden, einige befinden sich heute im Dachboden des Domes. Bei den Grabungen im Langhaus und im Chor konnten noch hunderte Bestattungen gefunden werden. Die Überreste wurden exhumiert und in den Katakomben des Domes wieder würdevoll bei­ gesetzt; diese Funktion des Beinhauses für den Dom und den Friedhof um St. Stephan hatten die „Grüfte“, wie sie ursprünglich bezeichnet wurden, schon seit dem Mittelalter. Kleidungsstücke der Bestatteten wurden res­ tauriert und teils vom Bundesdenkmalamt, teils von der Dombauhütte aufbewahrt. Einige der in­ teressantesten ergrabenen Steine konnten auf der Westempore ausgestellt werden. Ergänzend zur klassischen Grabung wurden auch andere, zerstörungsfreie, archäologische Me­ thoden angewendet: Im Bereich des Riesentores wurde nur die nördliche Hälfte der Fundamente freigelegt (nach Abschluss der Arbeiten wurde die Grabungsstelle nicht wieder verfüllt, sondern für weitere Untersuchungen zugänglich gehalten), die südliche wurde mit Geo­Radar untersucht, blieb aber unverändert. Am Riesentor konnte durch die Grabungen nun endgültig die Theorie von Dombaumeister Friedrich von Schmidt widerlegt werden, der den spitzbogigen Vorbau des rundbogigen Riesentores für eine spätere Zutat gehalten hatte und entfernen wollte. Es konnten zwar Fundamente für mehrere Vorgängerbauten gefunden werden, das heutige

Riesentor ist also nicht das erste Portal an dieser Stelle gewesen, es wurde aber in einem Zug ge­ baut, wenn auch während der Planung das Kon­ zept geändert wurde und Steine aus unterschied­ lichen früheren Bauphasen verwendet wurden. Zur großen Überraschung reichten die Funde nicht nur bis in die Bauzeit der romanischen Ste­ phanskirchen zurück, sondern sie umfassten auch frühmittelalterliche Objekte, etwa im Bereich der Kanzel ein Grab aus dem 9. Jahrhundert. Diese Funde widerlegten die bislang weithin anerkannte Ansicht, dass nach dem Mauterner Tauschvertrag von 1137 St. Stephan auf der „grünen Wiese“ gebaut worden wäre. Die neugewonnenen Erkenntnisse aus diesen Grabungen und der Bauforschung sind ein wichti­ ger Schritt im wissenschaftlichen Diskurs über die Baugeschichte von St. Stephan und darüber hinaus sicher auch ein Anstoß für weiterführende For­ schung und Diskussion über St. Stephan.

Wolfgang Zehetner Dombaumeister


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Vorwort Archäologie in der Praxis erschließt stets neue Zeitfenster, fördert Unbekanntes zu Tage, verlän­ gert das ohnehin meist bereits hohe Alter eines Ge­ bäudes und schafft in der Regel neue Erkenntnisse. Dies alles trifft auch auf die Ergebnisse der jüngsten Grabungen des Bundesdenkmalamtes im Wiener Stephansdom zu. Schon Friedrich von Schmidt, dem großen Wiener Ringstraßenarchitekt und Dombaumeister zunächst am Kölner, später am Wiener Dom, gelan­ gen wegweisende Erkenntnisse zur Frühgeschichte von St. Stephan. Zwar fanden unter seiner Ägide keine Grabungen statt, doch legte der profunde Kenner gotischer Architektur im Allgemeinen und des Stephansdoms im Speziellen mit spitzfindigen Analysen die zum Teil noch heute gültigen Grund­ züge der Geschichte des mittelalterlichen Doms fest. Die Forschungen Friedrich von Schmidts gaben in den darauf folgenden Jahrzehnten Anstöße zu Detailstudien, wobei vor allem die Westanlage mit ihrem sogenannten Riesentor in den Vordergrund rückte. Grabungen fanden aber auch in dieser Zeit nicht statt. Es war paradoxerweise die Katastrophe des 2. Weltkriegs mit ihren Zerstörungen am Dom, die diese Möglichkeit erstmals eröffnete. Trotz schwie­ rigster Umstände entschloss man sich, im Rahmen des Wiederaufbaus auch archäologische Grabun­ gen in Teilbereichen der Kirche, vor allem im nördlichen Seitenschiff und mittleren Chor, vorzu­ nehmen. In Teilen konnten die Hypothesen von Schmidt realiter bestätigt werden; darüber hinaus erbrachten die Nachkriegsgrabungen neue und spannende Erkenntnisse, mit denen aber auch ein neues Kapitel mit vielen weiteren Fragen aufge­ schlagen werden musste. Im Rahmen der Restaurierung und Konser­ vierung sowie der umfassenden Erforschung des

Riesentores in den Jahren 1995 bis 1998 fanden im unmittelbaren Umfeld auch archäologische Inter­ ventionen statt. Sie können als Auftakt für die große, wohl größte Grabungskampagne in der Ge­ schichte des Stephansdoms gesehen werden, die in den Jahren 2000 bis 2001 anlässlich des Einbaues einer Heizungsanlage im Kircheninneren vorge­ nommen wurde. Mit dem in diesem Buch nun vor­ liegenden archäologischen Bericht, ergänzt durch Fundkataloge sowie um eine eingehende Interpre­ tation der Ergebnisse, die nun auch Rückschlüsse auf das (über den Fundamenten) aufgehende Mau­ erwerk und seine Ausstattung zulässt, ist ein wich­ tiger Schritt zur erweiterten und differenzierten Kenntnis der frühen, mittelalterlichen Geschichte des Stephansdoms gegeben. In Fortsetzung der bewährt guten und kon­ struktiven Zusammenarbeit zwischen Dombau­ meister und Bundesdenkmalamt mögen auch in Zukunft noch zahlreiche weitere solcher Puzzle­ steine geformt werden, die das Bild von unserem Stephansdom, seiner Spiritualität und künstleri­ schen Erscheinung, verfeinern und vervollständigen werden. Friedrich Dahm Landeskonservator von Wien




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