DVM-Nachrichten 62

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Deutscher Verband für Materialforschung und -prüfung e.V.

DVM-N 62 • Herbst 2014

NACHRICHTEN Mitteilungen für DVM-Mitglieder www.dvm-berlin.de

Liebe DVM-Mitglieder und Freunde des Verbandes, vor zwei Jahren hat das Team die Redaktion für die die richtige Auslegung ist die Kenntnis der Lasten unNachrichten übernommen, wir haben uns Ihnen in den abdingbar. Dann folgt die Auslegung und schließlich letzten Ausgaben vorgestellt. Unser wesentliches An- steht für das konstruierte Bauteil die Prüfung an.“ (M. liegen ist es, über DVM-Veranstaltungen zu berichten. Brune). Dies führen wir fort, wobei wir immer über den TellerUm dieses Wissensportfolio möglichst lückenlos im rand schauen und auch auf technikhistorische Museen DVM anzubieten, wurde jüngst der Arbeitskreis „Zuveroder sonstige Highlights lässigkeit tribologischer am Veranstaltungsor t Sy s teme “ gegr ündet . aufmerksam machen. Hierüber haben wir beAuch über DVM-interrichtet. Weitere ArbeitsStrukturintegrität ne Änderungen wird rekreise haben ihre Progelmäßig informiert, so file und Vernetzungen System Bauteil Werkstoff Fertigung als die Geschäftsstelle vorgestellt. Diese Verin das Gutshaus Steglitz netzung zielt auf einen Lasten Umwelt Auslegung Prüfung umgezogen ist. Insbeoptimalen Austausch, sondere sehen wir die was sich auch internavernetzt im DVM Nachrichten als Plat ttional in Kooperationen form für Informationen mit der EIS (UK) und der über das Fortschreiten SF2M (FR) zeigt. Letztere der DVM-Profilschärfung unter dem Leitgedanken der wird im aktuellen Heft näher ausgeführt. „Strukturintegrität“. Wir freuen uns daher, Ihnen jetzt In den Kommentaren werden interessante technidas im Heft Nr. 60 angekündigte „DVM-Haus“ vorstel- sche oder verwandte Themen diskutiert, wie aktuell len zu können. die Rolle von Ingenieuren bei der Absicherung und Es visualisiert die „Strukturintegrität“, indem das Schadensabwicklung technischer Risiken bei einer Zusammenwirken der für zuverlässige Bauteile und Versicherung. Aus dem Ziel des Austauschs zwischen Systeme erforderlichen Disziplinen deutlich wird. Wissenschaft und Industrie entstand die Idee, in loser „Ein System besteht aus Bauteilen, die wiederum aus Folge Forschungsprojekte vorzustellen. Werkstoffen bestehen, wobei man die Einflüsse der Anhand vieler positiver Rückmeldungen sehen wir Fertigung und der Umwelt berücksichtigen muss. Für das besondere Interesse an der Historie. Das Jahr 2014 ist wegen der 100. Todestage von Wöhler und Martens - lesen Sie die Martens-Sonderbeilage in dieser Ausgabe - sowie des 60. Jahrestages der DVM-Neugründung Inhalt 1954 prädestiniert. Für alle, die ausführlicher einstei Profil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 gen möchten, sei das kommende Wöhler-Sonderheft Kommentar „In mehreren Welten zu Hause“ . . . . . . . 3 zur Entwicklung der Schwingfestigkeitsforschung emp Berichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 – 6 fohlen. Praxisrelevante Forschungsprojekte . . . . . . . . . . . 7 Wir hoffen auch weiterhin auf Ihr Interesse. Übrigens Interna/Veranstaltungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 sind die DVM-Nachrichten auch online verfügbar! Aber vielleicht fehlt Ihnen ja ein Thema? Beilage

Das Leben und Wirken von Adolf Martens (1850–1914) – Zum 100. Todestag

Mit besten Grüßen aus der Redaktion Jens Hoffmeyer


Profil/Historisches

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Die DVM-Workshops Ein wichtiges Element im „Strukturintegritäts“-Veranstaltungsportfolio des DVM stellen neben den Tagungen und Fortbildungsseminaren die Workshops dar. Hier wird unter der Leitung von Moderatoren gemeinschaftlich aktiv an aktuellen Themen gearbeitet. Es kommen Experten zusammen, die gemeinsam Strategien entwickeln, Probleme lösen und voneinander lernen wollen. Workshops werden von den DVM-Arbeitskreisen „Fahrradsicherheit“ (Groß), „Zuverlässigkeit mechatronischer und adaptronischer Systeme“ (Nuffer) und „Zuverlässigkeit tribologischer Systeme“ (Scholten)

durchgeführt. Diese Workshops finden 2014/2015 wieder statt, die Termine finden Sie auf Seite 8. Daneben gibt es im Arbeitskreis „Betriebsfestigkeit“ zwei eigenständige, sich jährlich abwechselnde Workshops, die „Prüfmethodik für Betriebsfestigkeitsversuche in der Fahrzeugindustrie“ (Masendorf; findet 2015 wieder statt) und die „Numerische Simulation in der Betriebsfestigkeit“ (Eufinger, 2016). Ergänzend im technischwissenschaftlich branchenübergreifenden DVM-Profil „Strukturintegrität“ sind die arbeitskreis-unabhängigen Workshops „Energietechnik“ (Roos) und „Zuverlässigkeit und Probabilistik“ (Rother, Straub).

Der DVM-Workshop „Zuverlässigkeit und Probabilistik“ findet am 29. und 30. Oktober 2014 in München statt. Herr Prof. Daniel Straub, TU München, führt im Folgenden für die Obleute in das Thema ein: „Ingenieurinnen und Ingenieure waren wegen ihrer Lösungskompetenz und ihres breiten interdisziplinären Wissens und Könnens schon immer auch außerhalb ihres Kerngebietes sehr gefragt. Ein solches interdisziplinäres Feld ist das Risikomanagement und die Risikoanalyse, wovon auch der Beitrag im „Kommentar“ auf Seite 3 dieser DVM-Nachrichten zeugt. Ob nun bei einer (Rück-)Versicherung oder im klassischen technischen Bereich, Risikomanager haben vielseitige und spannende Aufgaben, welche analytische Fähigkeiten verlangen, kombiniert mit interdisziplinärem Verständ-

nis und Kommunikationsfähigkeiten. Ein erfolgreicher Risikomanager benötigt aber auch Kenntnisse der Probabilistik, Statistik, Zuverlässigkeit und Entscheidungstheorie. In den meisten und insbesondere den sicherheitsrelevanten Gebieten der Technik sind diese Fähigkeiten wesentlich, um zentrale Fragen zur Risikoreduktion und –optimierung quantitativ und belastbar zu beantworten. Genau diese Kenntnisse werden im Workshop „Zuverlässigkeit und Probabilistik“ vermittelt. Dieser Workshop wird nach dem großen Erfolg in 2013 nun schon zum zweiten Mal durchgeführt. Das Ziel dieser DVM-Workshop-Reihe ist es, die modernen Methoden der Probabilistik für die Zuverlässigkeitsanalyse technischer Systeme in ihrer ganzen Breite zu vermitteln.“

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Kommentar

In mehreren Welten zu Hause Ingenieure bei Munich Re sind immer auch Risikomanager und Unternehmer Ingenieure sind eine begehrte Berufsgruppe. Ihr Wissen ist aber beileibe nicht nur gefragt, wenn es um neue Techniken und Konstruktionen geht. Das Fachwissen erfahrener Ingenieure nehmen auch Arbeitgeber wie der Rückversicherer Munich Re gerne in Anspruch. Bei dem Konzern arbeiten weltweit nur etwa 150 Ingenieure. Ohne ihre Expertise würde der Konzern aber wohl so manches Großprojekt nicht begleiten können. Ob es um den Bau neuer Windparks im Meer oder um Solarkraftwerke in der Wüste geht – bei der Absicherung und Schadenabwicklung technischer Risiken spielen Ingenieure eine wichtige Rolle. Um geeignete Fachkräfte zu bekommen, bietet Munich Re für Ingenieure seit einigen Jahren eine zweijährige Ausbildung zum Risikoprüfer (Underwriter) oder Schadenmanager (Claims Manager) an. Das Programm „Engineering Pool“ richtet sich an Ingenieure, die schon fünf oder mehr Jahre Berufserfahrung mitbringen – vorzugsweise im Bereich Maschinenbau, Elektrotechnik, Chemie-/Verfahrenstechnik, Anlagen-/Kraftwerks- oder Tief bau. Die Aufgaben, die auf die Programmteilnehmer warten, sind nicht leicht. So werden die Ingenieure bei Munich Re von Anfang an mit Projekten betraut und verantworten Budgets in Millionenhöhe. Bei Auslandseinsätzen, Fortbildungen und im Austausch mit erfahrenen Kollegen lernen die Ingenieure, etwa Risiken oder Schäden großer Bauprojekte zu identifizieren und zu bewerten sowie entsprechende Versicherungsangebote zu erstellen. „Um bei Großprojekten die Übersicht zu haben, braucht es fundamentales Ingenieurwissen, risiko- und versicherungstechnisches sowie betriebswirtschaftliches Verständnis“, sagt Stephan Lämmle, Referatsleiter für Kraftwerkstechnik beim Rückversicherer Munich Re. Derzeit gehe etwa ein Solarturmkraftwerk in der kalifornischen Wüste in den Testbetrieb, berichtet Lämmle. Die Höhe des Solarturms entspreche der des Kölner Doms – ein Pilotprojekt. Ohne große Versicherungsgesellschaften wie Munich Re kämen solche Projekte gar nicht zustande, glaubt Lämmle. Die Risiken wären für die Bauträger viel zu hoch, um sie alleine stemmen zu können. Für die Versicherer, die daran verdienen, einen möglichen Ausfall abzusichern, ist es jedoch wichtig, die möglichen Gefahren richtig einzuordnen. Wird das Projekt gelingen? Welche Störfaktoren gibt es? Was passiert, wenn es zu einer Betriebsunterbrechung kommt? Die Ingenieure bei Munich Re müssen alle möglichen Gefahren, Naturkatastrophen und sogenannte Worst-Case-Szenarien durchspielen, um mögliche Schäden richtig einschätzen zu können. Wer sich mit erneuerbaren Energien auskennt, hat bei Munich Re Vorteile. Bewerber sollten analytisch denken können, ihr Wissen aber auch auf neue Bereiche und Technologien übertragen können, sagt Lämmle. Denn oftmals müssten die Ingenieure auch Risiken noch unerprobter Technologien bewerten oder wie im Falle des Solarturms in der kalifornischen Wüste Pilotprojekte begleiten, die es in der Weise zuvor noch nie gab. Trotz der schwierigen Aufgaben sind die Ingenieursstellen bei Munich Re begehrt. Mehrere Hundert Bewerber kommen auf die nur sechs bis acht zu besetzenden Stellen je Programm. Bewerbungen können jederzeit eingereicht werden. Die meisten Chancen gebe es bei einer Neuausschreibung. Erwünscht sind auch Bewerbungen von Ingenieurinnen.

Im derzeit noch laufenden Programm seien beispielsweise zwei Frauen dabei. Singapur, Madrid, London – viele der Bewerber reizt die Aussicht auf zahlreiche Auslandsaufenthalte und ein äußerst abwechslungsreiches Programm. Die Bereitschaft zu einer mehrjährigen Auslandstätigkeit werde zwar von Munich Re gewünscht. Auslandseinsätze seien aber keine Pflicht, sagt Lämmle. Die Ausbildung selbst läuft nach einem Rotationsprinzip. Die ersten sechs Monate bleiben die Ingenieure in der Stammabteilung von Munich Re. Danach wechseln sie alle drei Monate die Abteilung. Während der gesamten Ausbildung betreut sie ein Mentor, der laut Lämmle auch versucht, auf Standortwünsche und Urlaubspläne der Ingenieure einzugehen. Von Anfang an erhalten die Ingenieure einen festen Arbeitsvertrag und ein Gehalt, das – entsprechend ihrer Vorerfahrung – mit den üblichen Tarifen in der Industrie vergleichbar sei oder sogar darüber liege. „Die Ausbildung ist ein gelungenes Angebot, das Unternehmen rasch kennenzulernen und dabei viele Kontakte zu knüpfen“, sagt Wolfgang Voelcker, der am Engineering Pool teilgenommen hat und als Risikoprüfer im Bereich Energie bei Munich Re arbeitet. Anfangs sei die Arbeit für ihn eine Umstellung gewesen. Ingenieure sind das Baustellenleben gewohnt und weniger die enge Zusammenarbeit mit Juristen, Versicherungsmathematikern und Betriebswirtschaftlern. „Ingenieure bringen die Dinge oft schneller auf den Punkt“, meint Voelcker. Wichtig sei aber, dass man offen und kommunikativ sei. Ingenieure hätten bei Munich Re gute Aufstiegschancen. Als Exot werde man nicht betrachtet. „Man wird von den anderen Kollegen geschätzt“, sagt Voelcker. Auch Verhandlungsgeschick ist gefragt. „Die Ingenieure müssen auf Baustellen gegenüber Kunden professionell auftreten können“, sagt Lämmle. Gerade im Gespräch mit Finanzexperten könnten noch unerfahrene Ingenieure bei Verhandlungen leicht aus dem Konzept gebracht werden, meint Voelcker. Eine mehrjährige Berufserfahrung sei daher schon eine gute Grundlage. Wer in Sachen Kommunikation Nachholbedarf habe, könne dies aber auch noch auf Seminaren lernen. Die Ingenieure bei Munich Re müssen oft schnell Entscheidungen treffen können. „Eine Herausforderung besteht darin, auf der Baustelle zu erkennen, wo es Probleme geben könnte. Das gibt auch Punkte beim Kunden“, erklärt Voelcker. Lämmle ergänzt: „Die Verantwortung der Ingenieure bei Munich Re ist sehr hoch. Das Niveau ist durchaus vergleichbar mit dem Geschäftsführer eines mittelständischen Unternehmens.“ Die Ingenieure bei Munich Re sind wie Grenzgänger – immer in verschiedenen Welten zu Hause. „Man ist nicht mehr so tief im Ingenieurwissen drin. Nach ein paar Jahren ist es nicht so einfach, zum Beispiel wieder als Konstruktionsingenieur in die Industrie zu wechseln“, gibt Lämmle zu bedenken. Dafür eröffneten sich aber auch neue Berufschancen, etwa im Bereich Risikomanagement.

Katharina Wetzel in: Süddeutsche Zeitung, Beilage, 26.10.2013 Seite 3


Bericht

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Fortbildungsseminar „Thermomechanische Ermüdung“ Hochtemperaturbeanspruchte Bauteile der Energie-, Motoren- und Anlagentechnik, aber auch elektronische Komponenten unterliegen An- und Abfahrvorgängen, die zyklische mechanische und thermische Beanspruchungen verursachen. Solche thermomechanischen Lastzyklen führen zu einem komplexen Werkstoff- und Schädigungsverhalten, dessen Beschreibung und Verständnis Voraussetzung für die zuverlässige Auslegung und Lebensdauerberechnung ist.

Obmann T. Beck, TU Kaiserslautern

auf die Bauteillebensdauer vertraut zu machen. Aufbauend auf diese grundlegenden Aspekte werden Modelle zur FEM-Simulation und Lebensdauerbewertung unter thermomechanischer Belastung dargestellt und diskutiert sowie Anwendungsbeispiele betrachtet. Das Fortbildungsseminar umfasst Grundlagen der thermomechanischen Ermüdung, aktuelle TMF Norm ISO 12111, überlagerte TMF und hochfrequente mechanische Ermüdung, Verformungs- und Schädi-

R. Mohrmann, RWE Technology GmbH, Essen

Obmann T. Beck führt die Teilnehmer mit sachkundiger Unterstützung ins Karlsruher Schloss Hausherr K.-H. Lang, KIT, Karlsruhe

C. Schweizer, Fraunhofer IWM, Freiburg

Das Seminar des DVM-Arbeitskreises „Bauteilverhalten bei thermomechanischer Ermüdung“ fand unter der Leitung von Obmann Prof. Tilmann Beck, TU Kaiserslautern, und mit drei weiteren fachkundigen Experten am 9. und 10. April 2014 in Karlsruhe statt. Ziel der Veranstaltung ist es, die Teilnehmer mit den Grundlagen der thermomechanischen Ermüdung (Thermo-Mechanical-Fatigue/TMF), deren experimenteller Analyse und Beschreibung, den wesentlichen Schädigungsmechanismen und deren Auswirkungen

gungsmechanismen, Lebensdauerkonzepte für TMFBeanspruchung sowie Anwendungsbeispiele und Besichtigungen von Prüfeinrichtungen. Das Seminar hatte 35 Teilnehmer, zu drei Vierteln aus der Industrie von Fahrzeugherstellern und Zulieferern, ein Viertel waren Teilnehmer von Universitäten und Forschungsinstituten. Das Fachprogramm war wiederum eingebettet in eine Erkundung örtlicher Sightseeing-Highlights und beim kommunikativen Abend konnten mit neu gewonnenen Fachkollegen neu gewonnene Erkenntnisse erfolgreich in lockerem Rahmen ausgetauscht werden.

Impressum Die DVM-Nachrichten sind die Verbandsmitteilungen des Deutschen Verbandes für Materialforschung und -prüfung e. V. DVM-Redaktion: Dr.-Ing. Jens Hoffmeyer Volkswagen AG, EGDB/4 Brieffach 1712, 38436 Wolfsburg jens.hoffmeyer@volkswagen.de Prof. Dr.-Ing. Manuela Sander Universität Rostock / Fakultät für Maschinenbau und Schiffstechnik / Lehrstuhl für Strukturmechanik Albert-Einstein-Str. 2, 18051 Rostock manuela.sander@uni-rostock.de Dr.-Ing. Andreas Müller Dr.-Ing. h.c. F. Porsche AG Werkstofftechnik Betriebsfestigkeit Porschestrasse, 71287 Weissach andreas.mueller@porsche.de

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Susanne Bachofer, MA(Berlin) DVM-Geschäftsstelle office@dvm-berlin.de Geschäftsführung: Dipl.-Kfm. Kathrin-Luise Leers k.leers@dvm-berlin.de DVM-Geschäftsstelle: Schloßstr. 48, 12165 Berlin Tel. (030)8113066 / Fax (030) 8119359 office@dvm-berlin.de www.dvm-berlin.de Vorsitzender: Dipl.-Ing. Lothar Krüger l.krueger@dvm-berlin.de

Stellvertretender Vorsitzender: Prof. Dr.-Ing. H. A. Richard Fachgruppe Angewandte Mechanik Universität Paderborn Pohlweg 47-49, 33098 Paderborn richard@fam.upb.de Redaktionell begründete Kürzungen und Änderungen von Beiträgen sind ausdrücklich vorbehalten. Namentlich gekennzeichnete Beiträge müssen nicht die Meinung der Redaktion widerspiegeln. Alle Angaben sind ohne Gewähr.


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Bericht

DVM-Tag 2014 „Erneuerbare Energien – Herausforderungen für die Werkstofftechnik“ In Anbetracht weltweit steigender Nachfrage nach Energie und Verknappung von Rohstoffen vollzieht sich - insbesondere in der jüngsten Vergangenheit - in den westlichen Industrienationen ein tiefgreifender Meinungswandel zu den Energiequellen der Zukunft. Spätestens seit der Reaktorkatastrophe von Fukushima muss sich unsere Generation der vordringlichen

DVM-Tag am Standort der DVM-Geschäftsstelle im Gutshaus Steglitz in Berlin

Suche und Herausforderungen einer effizienten Nutzung regenerativer Energieformen stellen. Industrie, Wissenschaft und Gesellschaft sind aufgefordert alle Möglichkeiten zur Energiewandlung zu nutzen. Neben einem hohen Wirkungsgrad sind weitere wesentliche Anforderungen eine hohe Verfügbarkeit, Sicherheit und Zuverlässigkeit der Energieversorgung, d. h. der Erzeugung, Leitung und Speicherung bevorzugt elektrischer Energie. In diesem Zusammenhang kommt

der Werkstofftechnologie eine herausragende Rolle zur Lösung der Aufgaben zu. Dieses sehr umfassende und komplexe Thema wurde im Rahmen des DVM-Tages 2014, der am 08. und 09. Mai 2014 unter der Leitung von Herrn Dr.-Ing. Peter Klose, MBtech Group, Sindelfingen, in Berlin stattfand, übergreifend behandelt. Das Programm erstreckte sich dabei von den regenerativen, klassischen Energieträgern Wind und Wasser über die Solarthermie bis hin zu den Technologien der Speicherung oder dem „Energy Harvesting“. Dabei wurden grundlegende Probleme aufgezeigt, die die geforderte hohe Zuverlässigkeit, Versorgungssicherheit, Wirtschaftlichkeit und hohen Wirkungsgrade an die Werkstofftechnik stellen. In weiterführenden Fachvorträgen wurden neuentwickelte Methoden der Integritätsanalyse und Lebensdauervorhersage, der Werkstoffbehandlung zur Eigenschaftsverbesserung, aber auch angepasste Konzepte zur Qualitätssicherung und Betriebsüberwachung diskutiert. Auf Grund des großen Interesses der Tagungsteilnehmer und des hohen Diskussionsbedarfs, der den Beginn der abendlichen Grillparty im Hof des Gutshauses deutlich nach hinten verschob, wird überlegt, das Thema „Energietechnik“ in einem Workshopformat im DVM weiterzuführen. Der DVM-Tag 2015 findet vom 22. bis 24. April 2015 in Berlin mit dem Thema „Federn im Fahrzeugbau“ statt. Mehr auf der DVM-Website www.dvm-berlin.de.

25 Jahre Mauerfall 1989 – 2014 An dieses historische Datum möchten wir mit einem Artikel zum DVM-Tag 1990 aus dem Berliner Tagesspiegel vom 17.05.1990 erinnern – und weiter nicht viele Worte machen, lesen Sie selbst … Anm.: Aus dem Bundespresseamt wurde uns die Website www.freiheit-und-einheit.de empfohlen. Hier gibt es eine Chronik der Ereignisse sowie viele Erinnerungsfotos mit erläuternden Texten und vieles mehr!

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Bericht

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Die Kooperation des DVM mit dem SF2M macht Fortschritte Vor nunmehr drei Jahren wurde ein Anlauf unternommen, um die Zusammenarbeit zwischen dem DVM und dem französischen Verband „Société Francaise de Métallurgie et de Matériaux“, kurz SF2M, zu konkretisieren und zu festigen. Insbesondere Herr Prof. Cetin M. Sonsino hat sich für eine Internationalisierung des DVM stets eingesetzt. So hatte er auch einen maßgeblichen Anteil bei den Vereinbarungen, die während eines Treffens in Paris im Oktober 2011 mit den Beteiligten M. Bacher-Höchst, C.M. Sonsino und M. Brune seitens des DVM und den Herren J.-H. Schmitt, H.-P. Lieurade, L. Remy und R. Alberny seitens des SF2M getroffen wurden. M. Bacher-Höchst als damaliger DVM-Vorsitzender hatte die Rolle des DVMMentors für die Zusammenarbeit der beiden Verbände übernommen. Mittlerweile haben schon einige gemeinsame Aktivitäten stattgefunden. Eine der initialen Veranstaltungen war der DVM/SF2M-Workshop im Januar 2013 in Darmstadt, wo in den Räumen des Fraunhofer-Instituts für Betriebsfestigkeit und Systemzuverlässigkeit, LBF, getagt wurde. Das Motto lautete: „Automotive Applications for Structural Durability – Best Practice“. Dieser Workshop wurde von den Obleuten der Betriebsfestigkeitsarbeitskreise, M.Brune (DVM) und H.-P. Lieurade (SF2M) organisiert. Da die Resonanz zu dieser Veranstaltung sehr positiv war, wurde der Beschluss gefasst, einen derartigen Workshop zu wiederholen. So wurde im April 2014 wieder unter der Regie von M. Brune und H.-P. Lieurade der zweite Workshop durchgeführt. Gastgeber war das CETIM-Institut in Senlis nahe Paris. Diesmal lautete das Motto “The Reliability of Fatigue Lifetime Assessment for Ground Transportation” und beinhaltete insgesamt 6 hervorragende Fachvorträge, die ausgiebig diskutiert wurden. Aufgrund der wiederum sehr positiven Resonanz der Teilnehmer stand der Beschluss fest, einen dritten Workshop im April 2015 durchzuführen, diesmal wieder auf deutschem Boden. Klaus Dreßler vom Fraunhofer-Institut für Techno- und Wirtschaftsmathematik, ITWM, hat sich bereiterklärt, die Veranstaltung am Institut in Kaiserslautern zu organisieren und durchzuführen. Neben der Organisation der Workshops hat sich M. Brune als Obmann des DVM-Arbeitskreises „Betriebsfestigkeit “ auch auf den SF2M-Springmeetings in Paris für den DVM engagiert. So trat er beim 13. Internationalen Springmeeting des SF2M im Jahr 2013 als Keynote-Lecturer auf und organisierte auf der SF2M-Konferenz „Fatigue Design & Material Defects“ im Juni 2014 eine Session mit dem Titel Seite 6

„Evaluation of Constructural Manufacturing Defects with Regard to Structural Fatigue“.

Teilnehmer des zweiten DVM/SF2M-Workshops in Senlis bei Paris

Die Zusammenarbeit des DVM mit dem SF2M hat sich auf diese Weise mittlerweile sehr gut etabliert. Im September fand wieder ein Meeting mit den jeweiligen Vorsitzenden L. Krüger (DVM) und J.-M. Chaix (SF2M) und weiteren Vertretern der jeweiligen Verbände in Paris statt, um sich auszutauschen und die nächsten Aktivitäten festzulegen. Dr.-Ing. Martin Brune BMW Group München Informationen zu SF2M finden Sie auf der Website sf2m.asso.fr und zum „SF2M-Betriebsfestigkeitsarbeitskreis“ unter sf2m.asso.fr/Fatigue/default.htm. Einen Auszug haben wir hier aus dem Französischen übersetzt: Der Ausschuss „Ermüdung“ des SF2M wurde 1956 von Jacques Pomey, Wiss. Direktor der Renault -Fabriken und Mitglied der Akademie der Wissenschaften, gegründet und bis 1972 geleitet. Gilles Pomey (1972-1980), Paul Rabbe (1981 bis 2006) und Henri-Paul Lieurade (ab 2007) haben den Ausschuss dann weiterentwickelt. Dies spiegelt sich in der heutigen Bezeichnung „Ermüdung von Materialien und Strukturen“ wider. Von Anfang an war das erklärte Ziel, den Austausch von Wissen im Bereich der Ermüdung zwischen Forschungseinrichtungen und Industrie zu fördern, um an der Verbesserung der Kenntnisse und Herangehensweisen sowie zugehöriger Verfahrensweisen teilzuhaben. Diese Zielsetzung spiegeln die Themen der jährlich stattfindenden Veranstaltung „Journées de Printemps“, die sich jedes Jahr mit einer aktuellen Frage zur „Ermüdung“ beschäftigt. Darüber hinaus hat die Kommission mehrere Arbeitsgruppen, die sich mit Ermüdungsversuchen und Entwicklungsmethoden beschäftigen. Diese Arbeiten beinhalten konkret Ausarbeitungen von Empfehlungen bestimmter Handlungsweisen, Normierungsdokumente und die Initiierung von Fortbildungsmaßnahmen.


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Praxisrelevante Forschungsprojekte

„Festlegung von Inspektionsintervallen mittels bruchmechanischer Methoden“ gestartet In der Vergangenheit kam es trotz einer dauerfesten Auslegung von Radsatzwellen im Nah-, Fern- und Güterverkehr zu unvorhergesehenen Schadensfällen, wie z. B. der Radsatzwellenbruch eines Güterwagens im Juni 2009 in Viareggio (Italien) zeigt. Um derartige Schadensfälle zu verhindern, sind somit regelmäßige Inspektionen mit zerstörungsfreien Prüfverfahren durchzuführen, deren Ziel es ist, einen potentiellen Riss zu detektieren, bevor er eine kritische Größe erreicht. Die entsprechenden Inspektionsintervalle wurden in der bisherigen Praxis sehr häufig auf der Basis von empirischen Erkenntnissen oder Erfahrungswerten festgelegt. Im Rahmen des von der Karl-Vossloh-Stiftung geförderten Projekts soll daher eine Berechnungsmethodik entwickelt werden, mit der eine auf abgesicherten Intervallen basierende Inspektionsstrategie sowie eine sichere Dimensionierung von neuen Radsatzwellen gewährleistet werden kann. Abbildung 1: Bestimmung des Inspektionsintervalls mittels der Restlebensdauer in Form einer Risslängen-Laufleistungs-Kurve

Die theoretisch fundierte Festlegung von Inspektionsintervallen ist mittels bruchmechanischer Betrachtungen in Form von Restlebensdauerberechnungen grundlegend möglich (Abbildung 1). Jedoch befinden sich die Modelle zur Restlebensdauerberechnung dickwandiger Wellenstrukturen mit nichtlinearen Kerb- und Pressspannungsverteilungen im Gegensatz zu den Rissausbreitungsmodellen dünner Blechstrukturen der Luft- und Raumfahrt noch im Forschungsstadium. Im Rahmen dieses Forschungsvorhabens sollen deshalb entsprechende experimentelle, analytische und numerische Untersuchungen zur abgesicherten Restlebensdauervorhersage durchgeführt werden. Um den Einfluss unterschiedlicher Strukturdetails einer Radsatzwelle, wie z.B. bei Korbbögen, Mulden und Presssitzen auf die Restlebensdauer zu prüfen, sollen Versuche an skalierten Bauteilproben unter Variation geometrischer und mechanischer Parameter bei konstanter Umlaufbiegebelastung getestet werden. Zur

Untersuchung einerseits der Reihenfolgeeffekte durch Betriebsbelastungen und andererseits der Sequenzeinflüsse durch Bemessungskollektive auf die Restlebensdauer und den Rissfortschritt werden bauteilnahe Kleinproben unter variabler Umlaufbiegebelastung getestet. Zusätzlich wird das Betriebslastspektrum systematisch manipuliert, um zu überprüfen, ob dadurch eine Versuchszeitverkürzung von Bauteilprüfungen möglich ist, ohne die Restlebensdauer zu beeinflussen. Bei besonderen Rad-Schiene-Bedingungen können zusätzlich zur Biegebeanspruchung auch Torsionsbeanspruchungen in Radsatzwellen entstehen, die phasengleich (in-phase) oder phasenverschoben (out-of-phase) auftreten. Da bei einer phasenverschobenen Beanspruchung bislang nur wenige Untersuchungen hinsichtlich des Risswachstums existieren, soll der Einfluss einer überlagerten Biege- und Torsionsbeanspruchung auf den Rissfortschritt und damit die Restlebensdauer in einer Radsatzwelle untersucht werden. Zur Berücksichtigung einer phasenverschobenen Beanspruchung wird ein Versuchsstand inklusive der zu verwendenden größeren Proben konzipiert. Als ein Teilaspekt dieser Untersuchung wird analysiert, ob die Konzepte zur inphase Mixed-Mode-Beanspruchung auch auf die outof-phase-Belastung übertragen werden können. Aufbauend auf den experimentellen und numerischen Untersuchungen sollen unterschiedliche analytische Restlebensdauerkonzepte bei variabler Amplitudenbelastung und bei Mixed-Mode-Beanspruchung bewertet und modifiziert werden. Die erarbeiteten, allgemeingültigen Konzepte, sowie die abgesicherten Spannungsintensitätsfaktorlösungen werden dann in ein Rissfortschrittstool integriert und durch die experimentellen Untersuchungen validiert. Unter Berücksichtigung der Streuung bruchmechanischer Kennwerte und verschiedener Einflussfaktoren können stochastische Simulationen der Restlebensdauer von Radsatzwellen durchgeführt werden. Gegenüber deterministischen Risswachstumssimulationen ist dadurch die Angabe von Überlebenswahrscheinlichkeiten der berechneten Restlebensdauer möglich. Aus diesen statistisch abgesicherten Restlebensdauern können Inspektionszeiträume definiert, darauf aufbauend Inspektionsintervalle abgeleitet und Inspektionsstrategien formuliert werden. M. Sc. Robert Hannemann M. Sc. Paul Söllig Lehrstuhl für Strukturmechanik Fakultät für Maschinenbau und Schiffstechnik Universität Rostock Seite 7


Intern/Veranstaltungen

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Nachruf Anfang August 2014 verstarb unser DVM-Ehrenmitglied

Professor Dr.-Ing. habil. Ewald Macha Technische Universität Opole, Polen Herr Professor Macha, geb. 1940, langchanik und Maschinenkonstruktionen der Technischen Universität Opole, Polen, wurde 2009 während der Tagung „Material and Component Performance under stadt mit der DVM-Ehrenmitgliedschaft ausgezeichnet. Mit dieser Ehrung hat der DVM seine fachlichen Verdienste in der -

Veranstaltungen 2014 / 2015 29. und 30.10.2014, München Workshop „Zuverlässigkeit und Probabilistik“

05.11.2014, Dresden Arbeitskreises „Zuverlässigkeit von Implantaten und Biostrukturen“

C.M. Sonsino, Darmstadt

Veranstaltungen 2014 / 2015 28. und 29.01.2015, Zwickau Workshop „Prüfmethodik für Betriebsfestigkeitsversuche in der Fahrzeugindustrie“

09., 10. und 11.02.2015, Freiberg Fortbildungsseminar und Tagung des DVM-Arbeitskreises „Bruchvorgänge“

02. und 03.12.2014, Berlin Workshop des DVM-Arbeitskreises „Fahrradsicherheit“ „S-Pedelecs“

25. und 26.02.2015, Dresden Workshop des DVM-Arbeitskreises „Zuverlässigkeit mechatronischer und adaptronischer Systeme“

04. und 05.12.2014, Berlin Vortrags- und Diskussionsveranstaltung des Gemeinschaftsgremiums DVM, DGM und Stahlinstitut VDEh

17. und 18.03.2015, Freiburg Fortbildungseminar „Bruchmechanische Prüfverfahren“

Forschung und Technik“

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tischen multiaxialen Belastungen durch Entwicklung von Energiekonzepten sowie spektralen Methoden gewürdigt, ebenso seine Bemühungen um internationale Kooperationen. Der DVM und die deutsche Fachcommunity verlieren mit Ewald Macha einen international angesehenen renommierten Experten. Der Verband wird Herrn Professor Macha ein ehrendes Angedenken bewahren.


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Beilage

Das Leben und Wirken von Adolf Martens – Zum 100. Todestag Adolf Martens (1850 – 1914) Adolf Martens wurde am 6. März 1850 in Backendorf im Raum Mecklenburg geboren und erhielt seine Ingenieursausbildung an der Königlichen Gewerbeakademie in Berlin und trat 1871 dem Konstruktionspersonal der Königlich-Preußischen Eisenbahn bei. Hier arbeitete er auf den Gebieten des Eisen- und Stahlbaues und der Gütesicherung von Eisenbahnteilen. Ab 1880 war er Assistent von Professor Consentius an der Technischen Hochschule (TH) Berlin und wurde im Jahre 1884 zum Direktor der kleinen Königliche Mechanisch-Technische Versuchsanstalt an der TH ernannt. Adolf Martens war eine starke Persönlichkeit mit einem enormen Arbeits- und Leitungs­vermögen, breitem technischen Interesse, soliden ingenieurtechnischen Fertigkeiten und wissenschaftlicher Kreativität. Mit diesen Talenten erweiterte er in den folgenden 20 Jahren sein Institut kontinuierlich durch Eröffnung neuer Arbeitsfelder, einschließlich einem chemischen Prüfinstitut und einer Prüfanstalt für Baustoffe als neue Abteilungen und schließlich wurde im Jahre 1904 das Königliche Materialprüfungsamt gegründet, dem er als Direktor vorstand. Martens wurde 1889 zum Professor berufen, 1904 Mitglied der Preußischen Akademie der Wissenschaften und erhielt 1905 die Ehrendoktorwürde der Technischen Hochschule Dresden. Er starb am 24. Juli 1914 nach einem von wissenschaftlich-technischer Arbeit erfüllten Leben [1,2]. Zum Hauptarbeitsgebiet von Adolf Martens gehörten Metalluntersuchungen, besonders von Eisen und Stahl. In den Anfangsjahren, in denen er für die Königlich-Preußische Eisenbahn arbeitete, konnte er seine metallografischen Arbeiten nur in seiner Freizeit und auf eigene Kosten durchführen. Er untersuchte Bruchflächen sowie polierte Oberflächen und entwickelte spezielle Ätzverfahren, um die spezifischen Merkmale des Mikrogefüges sichtbar zu machen. Martens‘ Forschungsergebnisse und Veröffentlichungen wurden mit großem Interesse von seinen Kollegen aufgenommen und Osmond [3] benannte das „martensitische“ Gefüge des Stahles nach ihm. Neben den metallografischen Untersuchungen und der Entwicklung von zugehörigen Apparaturen und

Verfahren, konstruierte und entwickelte er Geräte und Verfahren für andere Gebiete der Materialforschung und –prüfung, beispielsweise die Martens-Zugprüfmaschine (50 000 kg), den Martens-Schmierölprüfstand und das Martens-Spiegelgerät (Dehnungs­m esser), um nur einige zu nennen. Martens veröffentlichte seine umfangreichen Kenntnisse und Erfahrungen zur Werkstoffkunde und –prüfung im „Handbuch der Materialienkunde“ [4]. Ein weiterer Verdienst von Adolf Martens sind die Bemühungen um die Vereinheitlichung von Prüfverfahren. Diese begannen bereits in den achtziger Jahren des neunzehnten Jahrhunderts und führen über die so genannten Bauschinger-Konferenzen zur Gründung des Internationalen Verbandes für die Materialprüfung in der Technik (IVM) im Jahre 1885 und zur Koordinierung der deutschen Mitarbeit 1896 im Deutschen Verband für die Materialprüfung der Technik (DVM). Mitbegründer und Obmann war Adolf Martens. In den Händen des DVM lag praktisch die gesamte Normung auf dem Gebiet der Materialprüfung in Deutschland bis zum Ende des zweiten Weltkrieges, obwohl es das DIN schon seit 1917 gab. Die A r bei t ser gebnis se des DV M w urden zu nächst in Form nummerier ter Schrif ten herausgegeben. So erschien bereits im Jahre 1900 die Schrif t Nr. 1 „G r unds ät ze f ür ein heitliche Materialprüfungen“, deren Inhalt w i e a u c h d i e U n te rgliederung der Mate r ia lp r ü f un g , n o c h bis in die heutige Zeit n a c h w i r ke n . B e m e rkenswert ist der Text, der am Fuß der ersten DVM-Schrift Nr. 1 „Grundsätze für einheitliche Materialprüfungen“


Beilage Seite abgedruckt ist, siehe Bild 1: „Der deutsche Verband für die Materialprüfung der Technik will nicht Vorschriften erlassen, sondern aufgrund der Sachkenntnis seiner Mitglieder feststellen, in welcher Weise nach dem gegenwärtigen Stande der Technik in Wissenschaft und Praxis die Materialprüfungen am besten ausgeführt werden.“ Diese Aussage stimmt im Kern mit der heutigen Auffassung über Normung überein. Man kann die alte Schrift des DVM als die Urahnin der Materialprüfungen auffassen. In dieser Schrif t des Ausschusses 1 (Obmann: Adolf Martens) sind zum Beispiel dem Zugversuch drei Seiten gewidmet. Die 5 Jahre später erschienene DVM -Schrift Nr. 13 „Zugversuche mit eingekerbten Probekörpern“ war eine 21 Seiten umfassende Zusammenfassung vorliegender Erfahrungen. Folgendes Beispiel zeigt, wie auf der Basis des DVMBlattes 125 die spätere DIN 50125 für Zugproben entstand (siehe Bild 2), die in überarbeiteter Form bis heute angewendet wird. Eine sehr informative Darstellung der geschichtlichen Entwicklung der Materialprüfung ist in der Chronik von 1996 enthalten, die anlässlich des 125jährigen Bestehens der heutigen Bundesanstalt für Materialforschung und – prüfung (BAM) herausgegeben wurde [5].

Bild 2: Vom DVM-Blatt 125 zur DIN 50125

Auch für das Gebiet der Härteprüfung sind Martens’ Erfahrungen und Geräteentwicklungen nachhaltig bis in die heutige Zeit. So ist mit der von ihm entwickelten mechanisch-hydraulischen Tiefenmesseinrichtung die Messung der Eindringtiefe unter Prüfkraft möglich. Deshalb kann dieses Gerät als frühe Ausführung einer „Instrumentierten Härteprüfmaschine“ angesehen werden (Bild 3). Die Werkstoffeigenschaft „Härte“ wird seit mehr als 100 Jahren durch Eindringprüfung ermittelt. Das

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B Brinellkugel, in L gelagert, F Fühlstifte, deren Bewegung über Ü auf den Kolben K über tragen wird, S Einstellkolben zur Justierung des Quecksilbermeniskus R, T Skala

Bild 3: Mechanisch-hydraulische Tiefenmesseinrichtung nach MARTENS, Fabrikat Schopper

elastisch-plastische Deformationsverhalten unter dem Eindringkörper ist dabei so komplex, dass zur Charakterisierung des Kontaktverhaltens je nach Werkstoffklasse und Aufgabenstellung unterschiedliche Methoden der Här tebestimmung in die Laborpraxis eingegangen sind. Auf Grund der großen Bedeutung der Härte als technologischer Werkstoffkennwert waren die Aktivitäten der Fachwelt schon immer auf eine Verbesserung der Vergleichbarkeit der Prüfergebnisse gerichtet. Die nationalen und internationalen Bestrebungen führten zur Vereinbarung einer Härteprüfung, die für alle Werkstoffklassen einschließlich dünner Schichten universell einsetzbar ist und allein auf Messaufzeichnungen ohne den subjektiven Einfluss eines Beobachters beruht (auch als Härte nach dem Kraft– Eindringtiefe–Verfahren bezeichnet). So konnte im Zeitraum von 1988 bis 2002 auf deutsche Initiative im Internationalen Normungsgremium ISO/TC 164/ SC 3 die Norm ISO 14577 erarbeitet werden, die den Anwendern die Bewertung von Härteeindrücken an Hand der bleibenden und elastischen Verformung ermöglicht. Mit der Aufzeichnung von Kraft und Weg während des gesamten Zyklusses von ansteigender Prüfkraft und Entlastung können sowohl die traditionellen Härtewerte als auch ergänzende Eigenschaften des Werkstoffes, wie Eindringmodul, Kriechen, Relaxation sowie elastische und plastische Eindringarbeit bestimmt werden. Einer dieser Parameter, der mit der


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instrumentierten Eindringprüfung ermittelt werden kann, ist die „Härte unter Prüfkraft“, bisher als „Universalhärte HU“ bezeichnet. Diese Bezeichnung wird hauptsächlich in Mitteleuropa verwendet, während in den Englisch sprechenden Ländern die Bezeichnung „Vickershärte unter Prüfkraft“ gebräuchlicher ist. In diesen Ländern hat „Universalhärte“ eine vollkommen andere Bedeutung und deren Gebrauch im Titel einer Internationalen Norm würde für den englischen Sprachraum sehr irreführend sein. Das für die Erarbeitung von Normen für Härteprüfungen verantwortliche Technische Komitee ISO/TC 164/ SC 3, hatte – neben vielen technischen Einzelheiten – auch über eine neue Bezeichnung für dieses Härteprüfprinzip zu entscheiden. Auf der Beratung am 21./22. Juni 2000 in Berlin haben die Delegierten des ISO/TC 164/SC3 nach der Diskussion von mehreren Möglichkeiten beschlossen, die „Härte unter Prüfkraft“ in dieser Norm und in Zukunft als „Martenshärte HM“ zu bezeichnen, in Ge-

denken an Adolf Martens, einem der um die Wende zum 20. Jahrhundert führenden Fachmann auf dem Gebiet der Werkstoffprüfung von Metallen und besonders der Härteprüfung. Dr. sc. techn. Alois Wehrstedt war bis 2009 Geschäftsführer des Normenausschusses Materialprüfung (NMP) im DIN, Deutsches Institut für Normung e.V. und Sekretär des Internationalen Normungsgremium ISO/TC 164/ SC 3 „Härteprüfung von Metallen“. Literaturverzeichnis [1] E. Heyn, Adolf Martens, Stahl und Eisen 34 (1914), p. 1393 [2] H. Czichos, In memoriam Adolf Martens, Materialprüfung 31 (1989), p. 215 [3] M. F. Osmond, Methode generale pour l´analyse micrographique des aciers au carbone, Arts Chimiques 94 (1895), p. 480 [4] A. Martens, Handbuch der Materialienkunde für den Maschinenbau, Springer Verlag, Berlin 1898 [5] 125 Jahre Forschung und Entwicklung - Prüfung, Analyse, Zulassung - Beratung und Information in Chemie und Materialtechnik – Die Chronik der BAM, Wirtschaftsverlag NW, 1996, ISBN 3-89429-714-X

Tipps zum Weiterlesen Sonderheft unter dem Titel “A Tribute to Prof. A. Martens” veröffentlicht. Diese Ausgabe gibt mit 17 bedeutenden Schadensuntersuchungen der BAM und ihren Vorgängerinstitutionen, wissenschaftlich aufbereitet Engineering failure analysis / Materials Structures von 25 Autoren, einen Überblick über fast 120 Jahre interdisziplinäre Schadensanalyse beginnend mit einer Components Reliability Design Original-Untersuchung von A. Martens aus dem Jahr Special Issue A Tribute to Prof. A. Martens 1896 bis hin zu aktuellen Fällen. Volume 43, August 2014, ISSN 1350-6307, Elsevier Als ein Beispiel wird auf die nun erstmals international Adolf Martens war einer der Pioniere der Werkstoff- veröffentlichte Untersuchung der BAM an Prüfstücken technik und Schadensanalyse im Europa des 19. Jhds. der Ostseefähre MS ESTONIA verwiesen, deren Unter1884 übernahm er die Leitung der Königlichen Mechani- gang sich am 28.9.2014 zum 20sten Mal jährt. schen Versuchsanstalt, aus der später die heutige BAM hervorging. Martens beschäftigte sich mit zahlreichen Auf das o.g. Sonderheft kann bis Ende Nov. 2014 unter für die Schadensanalyse erforderlichen Methoden der folgender Adresse kostenfrei zugegriffen werden: Werkstoffprüfung wie Makrofotographie, Fraktographie, www.sciencedirect.com/science/journal/13506307/43 Metallographie und Härtemessung und verbesserte sie entscheidend. Obwohl die Methoden der Materialprü- Für Rückfragen wenden Sie sich an fung und Schadensanalyse seit dem 19. Jhd. weiterent- Christian.Klinger@bam.de wickelt und neue Verfahren der chemischen Analyse und zerstörungsfreien Prüfung eingeführt wurden, hat sich die interdisziplinäre Vorgehensweise bei der Scha- Weiter hat uns Herr Prof. Klaus Hentschel, Universität densanalyse seit Martens´ Tagen bewährt: Gründliche Stuttgart, Historisches Institut, Abt. für Geschichte der Vor-Ort-Bestandsaufnahme, eingehende visuell-zerstö- Naturwissenschaften und Technik, folgende Lektüre rungsfreie Anfangsuntersuchung, Entwicklung eines empfohlen: Grundverständnis für die Betriebsweise und -geschichte, Materialprüfungen und Belastungsanalysen sowie Wolfgang Piersig Aufstellen einer widerspruchsfreien Hypothese zu den Henry Clifton Sorby - Adolf Martens - Emil Heyn: Die Schadensursachen und –abläufen. Nestoren der Technikwissenschaft Metallographie Anlässlich seines 100. Todestages wurde in der Zeit- Grin Verlag, Januar 2010, ISBN-10: 3640509625, schrift Engineering Failure Analysis mit Band 43 ein ISBN-13: 978-3640509621 In der BAM Bundesanstalt für Materialforschung und –prüfung wurde aus Anlass des 100. Todestages von Adolf Martens eine Publikation erstellt:


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Impressionen – Spuren des DVM-Gründungsvorsitzenden Prof. Adolf Martens

DVM-Satzung und -Mitgliederverzeichnis 1898 (ältestes erhaltenes DVM- Dokument)

Büste von Adolf Martens am Stammsitz der BAM Bundesanstalt für Materialforschung und –prüfung in Berlin

DVM-Vorstand 1898 (Originaldokument)

DVM-Huldigung anlässlich des 100. Todestages am Ehrengrab von Prof. Adolf Martens auf dem Friedhof Dahlem in Berlin

Adolf-Martens-Straße in Berlin ...

… an der Ecke BAM/Unter-den-Eichen

Adolf-Martens-Haus, Foyer des Hauptgebäudes am Stammsitz der BAM, Berlin


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