EB Navi #3 – Magazin der EB Zürich

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Wege zur Weiterbildung Juni 2015 – #3

EBNAVI

Träumst du und wenn ja, wovon handeln deine Träume im Moment? Glaubst du an eine geistige Welt ausserhalb unserer realen, sichtbaren? Denkst du, dass es ein freien Willen gibt? Dass man selbst über die Wege seines Lebens entscheiden kann? Wie viele Partner in deinem Leben hast du wirklich geliebt? Und mit wie viel warst du insgesamt zusammen? Glaubst du an glückliche Beziehungen und auch daran, dass du sie verdient hast und imstande bist, sie zu verwirklichen? Was bede tet Monogamie für dich? Du hast noch 48 Stunden Zeit zum Leben, was tust du? Was bedauerst du (noch) nicht gemacht zu haben? Wenn du einen Tag ohne Angst ben könntest, was würdest du wagen? Gibt es etwas, das du deinem Partner verheimlichst? Ekelt dich etwas an deinem Partner? Glaubst du an ein Leben nach de Tod? Du hast drei Wünsche offen, was wünschst du dir? Hörst du dein Herz für dich schlagen? Wie geht es dir mit deinem Leben? Wo hättest du dein Lebensskript g ändert, wenn du hättest können dürfen? Wo führt es hin, wenn du dich treiben lässt? Was sind deine schlimmsten Ängste? Könnten deine Ängste auch die von jema anders sein? Wie oder was bleibt übrig, wenn aus Wir wieder Du und Ich wird? Denkst du, dass die Sonne scheint, weil sie keine andere Wahl hat? Erkennst du dich den Morgen im Spiegel? Welches war deine letzte Heldentat? Welches ist deine erste / wichtigste / prägendste / traurigste… Kindheitserinnerung? Wie würdest deinen Platz in der Welt beschreiben? Gibt es einen Lebensauftrag, einen Lebenssinn? Welche Bücher helfen dir weiter? Welche Tageszeit magst du am liebsten? W magst du an deinem Zuhause? Worüber freust du dich im Alltag am meisten? Wohin verreist du am liebsten? Welche Gerichte gelingen dir in der Küche am beste Was sind deine Lieblingsgegenstände? (Gebrauchsgegenstände, Deko, etc.) Wieso gibt es so viele Fragen und so wenige Antworten? Wo möchtest du leben? Wie wo nen? Wie viele Nationen sind in dir vereint? Was lässt dich jeden Tag aufstehen? Wann beginnst du dein Leben zu leben? Woran sieht man das? Was bewegt dich, me über dich zu erfahren? Wofür bist du bereit zu leiden? Woran hast du echte Freude? Wie kannst du deine Lebenserfahrung am wirksamsten nutzen? Wo / wie sieh du dich in 10 Jahren? Was macht dich einzigartig? Wie bist du zu dem / der geworden, die / der du bist? (oder zu sein glaubst?) Hast du gerade ein Lieblingswort? W beschäftigt dich im Moment? Was sind deine Tankstellen? (Wo holst du dir Kraft?) Als was möchtest du im nächsten Leben auf die Welt kommen? Warum? Willst anders als die andern sein? Wieso? Glaubst du an Leben nach dem Tod? Was waren die Highlights in deinem Leben? Was die „Lowlights“? Wer oder was widerstre dir am meisten? Was macht das Leben farben-froh? Wohin geht deine Reise? Was treibt dich an? Bist du glücklich mit deinem Job? Wie lange gibst du dir Zeit für d nächsten Sprung? Was bringt dich zum Lachen? Dein grosses Vorbild? Warum? Wo ist dein Horizont? Wie kannst du frei sein und gleichzeitig in Beziehung leben? W gelingt es dir abzuschalten? Wie unterscheidet man, was man akzeptieren und wofür man kämpfen muss? Kannst du dir vorstellen noch einmal etwas ganz ander zu tun? Was? Warum fängst du immer wieder etwas Neues an? Was bedeutet für dich „ein gutes Leben“? Was war dein bisher allerschönstes Erlebnis? Welche Ro spielt Achtsamkeit in deinem Leben? Was ist dir als Mensch wichtig und wie versuchst du das zu leben? Wie kann man sich und anderen die Angst nehmen? W schlägt dein Herz besonders freudig? Träumst du und wenn ja, wovon handeln deine Träume im Moment? Glaubst du an eine geistige Welt ausserhalb unserer re len, sichtbaren? Denkst du, dass es einen freien Willen gibt? Dass man selbst über die Wege seines Lebens entscheiden kann? Wie viele Partner in deinem Leben ha du wirklich geliebt? Und mit wie vielen warst du insgesamt zusammen? Glaubst du an glückliche Beziehungen und auch daran, dass du sie verdient hast und i stande bist, sie zu verwirklichen? Was bedeutet Monogamie für dich? Du hast noch 48 Stunden Zeit zum Leben, was tust du? Was bedauerst du (noch) nicht gemac zu haben? Wenn du einen Tag ohne Angst leben könntest, was würdest du wagen? Gibt es etwas, das du deinem Partner verheimlichst? Ekelt dich etwas an deine Partner? Glaubst du an ein Leben nach dem Tod? Du hast drei Wünsche offen, was wünschst du dir? Hörst du dein Herz für dich schlagen? Wie geht es dir mit deine Leben? Wo hättest du dein Lebensskript geändert, wenn du hättest können dürfen? Wo führt es hin, wenn du dich treiben lässt? Was sind deine schlimmsten Ängs Könnten deine Ängste auch die von jemand anders sein? Wie oder was bleibt übrig, wenn aus Wir wieder Du und Ich wird? Denkst du, dass die Sonne scheint, weil keine andere Wahl hat? Erkennst du dich jeden Morgen im Spiegel? Welches war deine letzte Heldentat? Welches ist deine erste / wichtigste / prägendste / tra rigste… Kindheitserinnerung? Wie würdest du deinen Platz in der Welt beschreiben? Gibt es einen Lebensauftrag, einen Lebenssinn? Welche Bücher helfen dir w ter? Welche Tageszeit magst du am liebsten? Was magst du an deinem Zuhause? Worüber freust du dich im Alltag am meisten? Wohin verreist du am liebsten? Welc Gerichte gelingen dir in der Küche am besten? Was sind deine Lieblingsgegenstände? (Gebrauchsgegenstände, Deko, etc.) Wieso gibt es so viele Fragen und so weni Antworten? Wo möchtest du leben? Wie wohnen? Wie viele Nationen sind in dir vereint? Was lässt dich jeden Tag aufstehen? Wann beginnst du dein Leben zu lebe Woran sieht man das? Was bewegt dich, mehr über dich zu erfahren? Wofür bist du bereit zu leiden? Woran hast du echte Freude? Wie kannst du deine Lebenserfa rung am wirksamsten nutzen? Wo / wie siehst du dich in 10 Jahren? Was macht dich einzigartig? Wie bist du zu dem / der geworden, die / der du bist? (oder zu se glaubst?) Hast du gerade ein Lieblingswort? Was beschäftigt dich im Moment? Was sind deine Tankstellen? (Wo holst du dir Kraft?) Als was möchtest du im nächst Leben auf die Welt kommen? Warum? Willst du anders als die andern sein? Wieso? Glaubst du an Leben nach dem Tod? Was waren die Highlights in deinem Lebe Was die „Lowlights“? Wer oder was widerstrebt dir am meisten? Was macht das Leben farben-froh? Wohin geht deine Reise? Was treibt dich an? Bist du glücklich m deinem Job? Wie lange gibst du dir Zeit für den nächsten Sprung? Was bringt dich zum Lachen? Dein grosses Vorbild? Warum? Wo ist dein Horizont? Wie kannst frei sein und gleichzeitig in Beziehung leben? Wie gelingt es dir abzuschalten? Wie unterscheidet man, was man akzeptieren und wofür man kämpfen muss? Kann du dir vorstellen noch einmal etwas ganz anderes zu tun? Was? Warum fängst du immer wieder etwas Neues an? Was bedeutet für dich „ein gutes Leben“? Was w dein bisher allerschönstes Erlebnis? Welche Rolle spielt Achtsamkeit in deinem Leben? Was ist dir als Mensch wichtig und wie versuchst du das zu leben? Wie ka man sich und anderen die Angst nehmen? Wo schlägt dein Herz besonders freudig? Träumst du und wenn ja, wovon handeln deine Träume im Moment? Glaubst an eine geistige Welt ausserhalb unserer realen, sichtbaren? Denkst du, dass es einen freien Willen gibt? Dass man selbst über die Wege seines Lebens entscheid kann? Wie viele Partner in deinem Leben hast du wirklich geliebt? Und mit wie vielen warst du insgesamt zusammen? Glaubst du an glückliche Beziehungen u auch daran, dass du sie verdient hast und imstande bist, sie zu verwirklichen? Was bedeutet Monogamie für dich? Du hast noch 48 Stunden Zeit zum Leben, was tu du? Was bedauerst du (noch) nicht gemacht zu haben? Wenn du einen Tag ohne Angst leben könntest, was würdest du wagen? Gibt es etwas, das du deinem Partn verheimlichst? Ekelt dich etwas an deinem Partner? Glaubst du an ein Leben nach dem Tod? Du hast drei Wünsche offen, was wünschst du dir? Hörst du dein Herz f dich schlagen? Wie geht es dir mit deinem Leben? Wo hättest du dein Lebensskript geändert, wenn du hättest können dürfen? Wo führt es hin, wenn du dich treib lässt? Was sind deine schlimmsten Ängste? Könnten deine Ängste auch die von jemand anders sein? Wie oder was bleibt übrig, wenn aus Wir wieder Du und Ich wir Denkst du, dass die Sonne scheint, weil sie keine andere Wahl hat? Erkennst du dich jeden Morgen im Spiegel? Welches war deine letzte Heldentat? Welches ist dei erste / wichtigste / prägendste / traurigste… Kindheitserinnerung? Wie würdest du deinen Platz in der Welt beschreiben? Gibt es einen Lebensauftrag, einen Leben sinn? Welche Bücher helfen dir weiter? Welche Tageszeit magst du am liebsten? Was magst du an deinem Zuhause? Worüber freust du dich im Alltag am meisten? W hin verreist du am liebsten? Welche Gerichte gelingen dir in der Küche am besten? Was sind deine Lieblingsgegenstände? (Gebrauchsgegenstände, Deko, etc.) Wie gibt es so viele Fragen und so wenige Antworten? Wo möchtest du leben? Wie wohnen? Wie viele Nationen sind in dir vereint? Was lässt dich jeden Tag aufstehe Wann beginnst du dein Leben zu leben? Woran sieht man das? Was bewegt dich, mehr über dich zu erfahren? Wofür bist du bereit zu leiden? Woran hast du ech Freude? Wie kannst du deine Lebenserfahrung am wirksamsten nutzen? Wo / wie siehst du dich in 10 Jahren? Was macht dich einzigartig? Wie bist du zu dem / der g worden, die / der du bist? (oder zu sein glaubst?) Hast du gerade ein Lieblingswort? Was beschäftigt dich im Moment? Was sind deine Tankstellen? (Wo holst du d Kraft?) Als was möchtest du im nächsten Leben auf die Welt kommen? Warum? Willst du anders als die andern sein? Wieso? Glaubst du an Leben nach dem Tod? W waren die Highlights in deinem Leben? Was die „Lowlights“? Wer oder was widerstrebt dir am meisten? Was macht das Leben farben-froh? Wohin geht deine Reis Was treibt dich an? 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Wie viele Partner in deinem Leben hast du wirklich geliebt? Und mit wie vielen warst du insgesamt zusammen? Glaubst du glückliche Beziehungen und auch daran, dass du sie verdient hast und imstande bist, sie zu verwirklichen? Was bedeutet Monogamie für dich? Du hast noch 48 Stu den Zeit zum Leben, was tust du? Was bedauerst du (noch) nicht gemacht zu haben? Wenn du einen Tag ohne Angst leben könntest, was würdest du wagen? Gibt es was, das du deinem Partner verheimlichst? Ekelt dich etwas an deinem Partner? Glaubst du an ein Leben nach dem Tod? Du hast drei Wünsche offen, was wünsch du dir? Hörst du dein Herz für dich schlagen? Wie geht es dir mit deinem Leben? Wo hättest du dein Lebensskript geändert, wenn du hättest können dürfen? Wo füh es hin, wenn du dich treiben lässt? Was sind deine schlimmsten Ängste? Könnten deine Ängste auch die von jemand anders sein? Wie oder was bleibt übrig, wenn a Wir wieder Du und Ich wird? Denkst du, dass die Sonne scheint, weil sie keine andere Wahl hat? Erkennst du dich jeden Morgen im Spiegel? Welches war deine letz Heldentat? Welches ist deine erste / wichtigste / prägendste / traurigste… Kindheitserinnerung? Wie würdest du deinen Platz in der Welt beschreiben? Gibt es ein Lebensauftrag, einen Lebenssinn? Welche Bücher helfen dir weiter? Welche Tageszeit magst du am liebsten? Was magst du an deinem Zuhause? Worüber freust dich im Alltag am meisten? Wohin verreist du am liebsten? Welche Gerichte gelingen dir in der Küche am besten? Was sind deine Lieblingsgegenstände? (Gebrauch gegenstände, Deko, etc.) Wieso gibt es so viele Fragen und so wenige Antworten? Wo möchtest du leben? Wie wohnen? Wie viele Nationen sind in dir vereint? Was lä dich jeden Tag aufstehen? Wann beginnst du dein Leben zu leben? Woran sieht man das? Was bewegt dich, mehr über dich zu erfahren? Wofür bist du bereit zu leide

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Sinnfragen

wagen

PQ

THEMA Zeit für grosse Fragen: Was gibt dem Leben Sinn? Und wie lässt sich der Sinn finden?

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LEUTE Lerne, helfe, wachse, tanze. 12 Porträts von Menschen, die ihre Sinn gefunden haben.

SERVICE Ziele setzen, Glücks­ rezepte, Mentaltraining – 12 Seiten Tipps für ein sinnerfülltes Leben.


IMPRESSUM Herausgeber EB Zürich, Kantonale Berufsschule für Weiterbildung, Serge Schwarzenbach Redaktion Christian Kaiser (verantwortlich für diese Nummer), Fritz Keller, Guido Stalder Mitarbeit an dieser Nummer Marc Bodmer, Evi Giannakopoulos, Michael Harth, Amba Kaufmann, Tim Krohn, Kristin Mock, Vera Stavemann Bilder Simon Habegger, Beatrice Künzi, Katharina Lütscher, Susanne Schleyer, Tina Steinauer Illustrationen Eva Kläui, Jan Zablonier Infografik Daniel Röttele Gestaltung Giorgio Chiappa

PQ Kantonale Berufsschule für Weiterbildung Bildungszentrum für Erwachsene BiZE Riesbachstrasse 11 8090 Zürich Telefon 0842 843 844 www.eb-zuerich.ch lernen@eb-zuerich.ch

Auflage 30 000 Exemplare Druck FO-Fotorotar, Egg ISSN 2297-2307 Abonnierung EB Navi: eb-navi@eb-zuerich.ch

PERFOR MANCE

neutral Drucksache No. 01-15-234141 – www.myclimate.org © myclimate – The Climate Protection Partnership


EDITORIAL

Baupläne für Sinn? Gebaute Umwelt = Architektur – dass diese Gleichung nicht stimmt, war uns jungen Studenten klar. Le Corbusier sagt: «Architektur hat einen anderen Sinn und verfolgt andere Ziele, als Bauwerke hervorzuheben und Bedürfnisse zu befriedigen.» Was dieser andere Sinn sein kann, brachte der grosse Mann aus dem Norden, Alvar Aalto, auf den Punkt: «Es gibt nur zwei Dinge in der Architektur: Menschlichkeit und keine.» Die Frage nach dem Sinn unserer Arbeit begleitet uns ein Leben lang – und damit auch die Frage, wie wir sie möglichst menschlich ausführen. «Ein sinnerfülltes Leben ist ein Leben in Beziehung.» Diese Quintessenz hat der Berliner Philosoph Wilhelm Schmid auf den Umschlag seines Buches «Dem Leben Sinn geben» drucken lassen (➝ Interview Seite 14). Sie gilt für unsere Beziehung zum Leben an sich, zu Freunden und Familie, aber auch für die Arbeits­ welt. Menschen erleben ihre Arbeit dann als besonders sinnerfüllt, wenn sie anderen etwas geben können und so zu ihrem Wohl bei­ tragen (➝ Titelgeschichte «Zeit für grosse Fragen» ab Seite 28). Finden lässt sich der Sinn allerdings ebenso gut abseits der klassi­ schen Erwerbsarbeit: zum Beispiel beim Englischunterricht für die Batwa in Ruanda (➝ Seite 22). Auch das Scheitern gehört dazu: Oft ergibt sich der Sinn hinter all den missglückten Versuchen, das Ziel unseres Sehnens zu erreichen, erst im Nachhinein, wie der Schriftsteller Tim Krohn am eigenen Beispiel veranschaulicht (➝ Seite 41). Ich wünsche Ihnen eine erhellende Reise durch unser EB Navi rund um Sinn und Unsinn. Serge Schwarzenbach, Herausgeber

SINNFRAGEN WAGEN   3


INHALT

Leute 22

Bei den Batwa in Ruanda Soziales Engagement ist ein Segen für beide Seiten: Neben erfüllenden Erfahrungen gab’s ein «May God Bless Theresa d’Oliveira» im Goldrahmen für die Kursleiterin. 26

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Der Sinn ist Om Barbara Kündigs Stimme begleitet in den «Schlaf der Yogis». Dort finden sie und die von ihr unterwiesenen Yoginis und Yogis Harmonie und Zugang zu höherem Wissen.

Service 20

Lebensziele auf dem Prüfstand Ein Check-up für die persönlichen Ziele 46

Glückstipps Rezepte aus der positiven Psychologie 52

Mentale Techniken Wie Spitzensportler siegen 60

Aufräumen im inneren Büro Zufriedenheit kommt von Raumpflege nach innen 66

Beratung Antworten der Expertinnen zu Arbeitszufriedenheit

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Sound mit viel Zug Den Kommerzzug lässt sie links liegen, sprang aber wirklich auf einen fahrenden Zug. Evelinn Trouble macht Psychedelic Rock mit Bedeutung. Ein Traum von einem Pfeil im Kopf führte sie zu ihrer neusten Platte. 41

Das Heitere am Scheitern Schriftsteller Tim Krohn wollte raus aus dem Glarnerland. Auf einem Floss wie Huckleberry Finn. Das hat ihn zu dem gemacht, was er heute ist.

Inspiration 12

Serious Games Spielend auf andere Gedanken kommen 30

Comic JanZ malt Sinn 37

Mit Fragen plagen? Fragen wagen mit dem grossen Fragebogen 58

Sinnlose Apps Viel Unsinnanwendung für unterwegs 74

Wer hat das gesagt? Das Zitatequiz rund um Sinn


Thema: Sinnfragen wagen

14 «Es wäre sehr rational, sinnlich zu leben» Der Berliner Philosoph Wilhelm Schmid liebt das Leben. Im Interview empfiehlt er, der Sinnlichkeit, der Liebe und dem Espressotrinken genügend Zeit einzuräumen. Ausserdem sei Erwerbsarbeit nicht alles.

Foto-Porträts Lerne, helfe, tanze! Sie wissen genau, was Sinn macht. Beispielsweise lernen, helfen oder tanzen. Oder sich treu sein, neugierig bleiben. Absolut sinnlos aber ist: mit dem Schicksal hadern, sich für besonders halten, Smalltalk. Das und einiges mehr sagen zwölf Kursteilnehmende der EB Zürich. Die Zürcher Fotografin Beatrice Künzi hat das sinnreiche Dutzend in Szene gesetzt. Die Foto-Porträts sind ab nächster Seite zu sehen, ab Seite 69 erzählen die zwölf genauer, wie sie es mit dem Sinn halten.

28 Antworten auf grosse Fragen Sinnforscherinnen, Dichter und Denker haben die grossen Fragen nach dem Sinn im Leben ganz unterschiedlich beantwortet. In gewissen Punkten sind sie sich aber einig. Eine Auswahl an Fährten für Sinnsucher. 48 Infografik – 26 Sinnquellen im Überblick Bedeutend wollen wir sein, Ehe- und Lebenspartner geben Halt, und ab 50 steigt die Stimmung an: Die wichtigsten Resultate aus den Untersuchungen der Sinnforscherin Tatjana Schnell grafisch aufbereitet.

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«Sinn macht, sich treu zu bleiben.»

6  EB NAVI #3

Hannah Brandner ➝ Seite 69


«Sinn macht, an schwierigen Situationen zu wachsen.»  Nicole Fucile ➝ Seite 70

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POR TR ÄT

Erleuchtung im Liegen Barbara Kündig ist eine Yogini. Eine mit Erfolg; sie hat weit über 30 000 Bücher verkauft über eine völlig anstrengungslose Yogatechnik, die hilft, zu sich selbst zu finden. Ihre Botschaft: Der Weg zu Sinn und Sein führt über die Tiefenentspannung im «Schlaf der Yogis». Text Christian Kaiser Bild Tina Steinauer

Sie strahlt eine fast fremdartige Ruhe und Gelassen­ heit aus für eine Frau von 41 Jahren, leuchtet irgend­ wie, nicht nur wegen der Sonne auf ihrer weissen Bluse, das Strahlen kommt von innen, irgendwo aus der Tiefe. Zeit und Raum scheinen keine Rolle zu spielen, wenn man ihr gegenüber sitzt, plötzlich sind zwei Stunden vergangen, ohne Eile und Hast. «Ein­ fach sein», das macht für sie Sinn, und man glaubt es ihr aufs Wort.

gäu und in Stuttgart, die bevorstehen. Regelmässig erteilt sie Kurse für «Schwangerschaftsyoga und Mentaltraining», macht Einzelcoachings in Intuition oder Tiefenentspannung. Daneben hat sie mehrere Fernkurse mit E-Learning- und Selbstlerneinheiten am Laufen, etwa für «Persönlichkeitsentwicklung und Spiritualität» oder «Anwenden der Intuition im Alltag». Mensch und Arbeit sinnvoll kombinieren

Im Ashram der Alltagshektik

Die Welt des Suchens und Planens ist ihre nicht, denn die Aufgaben, die es zu erfüllen gilt, sind ja immer schon da, «sie werden an einen herangetragen». Ihr Mann kommt nachhause, sie hört ihn schon von weitem, er erhält eine herzliche Begrüssung, bald werden sich auch ihre beiden «Racker» Céline (5) und Thies (7) zum Mittagessen einfinden. Es ist ja nicht so, dass Barbara Kündigs Leben ereignislos dahinplätschern würde, nein, ganz und gar nicht. «In einem Ashram kann jede und jeder innerlich ruhig werden, die Kunst besteht darin, es auch in den Aufgaben zu tun, die man hat.» Bei ihr sind das Yoga-Seminare, Workshops und Intensivausbildungen im Südschwarzwald, im All­ 8  EB NAVI #3

Mit 20 hatte Barbara Kündig die Weichen noch ganz auf Karriere gestellt: Sie hat an der Universität St. Gallen Internationale Beziehungen studiert, einen Master in European Management nachgelegt und in Unternehmensberatungsfirmen gearbeitet. Irgend­ wann kam die Einsicht: «Nur dem Geld hinterher­ zurennen, kann’s nicht sein.» Sie begann sich für die Frage zu interessieren, wie sich der Mensch und die Arbeit so kombinieren lassen, «dass es dem Men­ schen gut geht, dass ihm die Arbeit nicht schadet». Der logische nächste Schritt war ein Studium in Arbeits- und Organisationspsychologie. Bald erkannte sie aber auch die Grenzen der Psychologie; mit Psychologie liessen sich nicht alle Schwierigkeiten aufheben, sie genüge nicht. «Der


fehlende Teil ist die Spi­ ritualität», sagt sie bestimmt. Denn die Frage nach unserem Daseinszweck habe immer auch eine spiri­ tuelle Dimension. Die Erfahrung mit ihren Klienten zeige: Ob Bandscheibenvorfall oder unerfüllter Kinder­ wunsch – wenn das Leben aus dem Lot gerate, stecke immer eine Sinnfrage dahinter. Spielerin im Spiel des Lebens

Sich allzu stark über den Job zu definieren, führt für Barbara Kündig ohnehin auf Abwege. Das Leben und die Arbeit seien ein Spiel, solange man da sei, müsse man «etwas mitspielen». Ein letztes Ziel könne das aber nicht sein. Sitzt man ihr gegenüber, hört sich alles ganz einfach an, obwohl in ihren wei­ sen Sätzen ein Gegenentwurf zur Alltagsrealität vie­ ler aufscheint: «Der Mensch neigt dazu, Geld, Macht

und Prestige anzuhäufen. Doch letztlich geht es darum, sich davon zu befreien.» «Einfach sein», das heisst bei Barbara Kündig aber nicht, sich zurückzulehnen. Ganz im Gegenteil. Wenn sie auf Reisen geht, wird ihr schnell langweilig, und sie will etwas Sinnvolles tun: In Kalifornien war sie freiwillige Helferin bei Deepak Chopra, dem amerikanischen Superstar der Weisheitslehrer schlechthin. Und das Auslandjahr in Australien mit der ganzen Familie verbrachte sie nach einer schick­ salshaften Begegnung auf dem Markt zu einem gros­ SINNFRAGEN WAGEN   9


sen Teil damit, auch den Australierinnen und Aust­ raliern Yoga Nidra beizubringen. Entspannende Reise in sich hinein

gedruckt. Inzwischen hat Barbara Kündig diverse weitere Bücher veröffentlicht, im letzten Jahr etwa über Chakra Yoga Nidra und Rückenyoga, ganz neu ist das Buch «Yoga Nidra für Kinder». Ihre Bücher sind praktische Anleitungen, die Übungen dazu gibt’s auf der mitgelieferten CD. Viele ihrer Publika­ tionen sind auch übersetzt, und so hören Menschen auf der ganzen Welt ihre CDs über Kopfhörer, um in die Tiefenentspannung zu kommen und dort Ant­ worten zu hören, zu spüren oder zu riechen (ja!); auch auf die Frage, worum es im Leben allgemein und in ihrem persönlichen Da-Sein im Speziellen eigentlich geht. Für Barbara Kündig besteht der Sinn des Lebens darin, sich durch alle Themen hindurch zu entwi­ ckeln: «Sich bewusst zu werden, was man schon gemacht hat und was man noch tun muss.» Das lasse sich nur im Gewahrsein im Jetzt und in der inneren Harmonie erkennen. Darum sieht sie es als zentrale Aufgabe an, in die innere Ruhe zu gelangen. Dann kann man einfach sein. Akzeptieren, was ist, und kommen lassen, was kommt. Und sagen: Ich bin. Om. «Selbst im grössten Chaos um einen herum.»  n

Yoga Nidra, der «Schlaf der Yogis», ist eine einfache und effektive Technik, um sich in einer halben Stunde völlig zu entspannen – körperlich, emotional und mental. Eine Achtsamkeitsreise durch den Kör­ per und darüber hinaus: Mann oder Frau liegt auf dem Rücken, hört den Anweisungen zu und richtet die Aufmerksamkeit nach innen, auf Gefühle, Bilder, Gedanken. Barbara Kündig hat die Technik in Indien bei einem Schüler des Erfinders Swami Satyananda erlernt. Und gibt sie seither fleissig weiter: Seit sieben Jahren führt sie an der EB Zürich Berufsleute in die Powerpause für Zwischendurch ein, die so erholsam wirkt wie drei Stunden Schlaf. Der eigentliche Nutzen liegt aber nicht in der Erholung: «Yoga Nidra öffnet den Zugang zu Infor­ mationen, die sowieso schon da sind», sagt Barbara Kündig. Ob Jobwechsel oder einfach der nächste Schritt – nur in der Leere und aus der Ruhe heraus kann etwas Konstruktives entstehen. Die meisten Menschen hätten den Zugang zu wichtigen intuiti­ ven Informationen verloren, weil ihr Geist ständig in Unruhe ist. «Man sollte nicht zu viel den­ ken; scheitern, zu wenig Geld, die Suche AUF KURS BLEIBEN nach der grossen Aufgabe – der Stress Tiefenentspannung mit Yoga Nidra entsteht im Kopf. Es ist beängstigend, Frischer, kreativer, gelassener und effizienter mit der Powerpause was Menschen den lieben langen Tag so für Zwischendurch alles denken.» Yoga Nidra zwingt das Autogenes Training Denken zur Ruhe und wird so zum Werk­ Ruhe, Erholung und Gelassenheit durch die eigene Vorstellungskraft zeug der Klärung. Erfolgreiches Stress-Management Stressquellen erkennen und Stress selber regulieren Die Sinne liefern die Antworten Schlagfertig und spontan reagieren Ihr Buch «Yoga Nidra – die Perle der Tie­ Einfache Übungen für mehr Spontaneität und Schlagfertigkeit fenentspannung» von 2010 war das erste deutschsprachige Buch über die relativ Anmelden: eb-zuerich.ch/sinn neue Yogatechnik. Es ist schon wieder ausverkauft, gerade wird die 7. Auflage 10  EB NAVI #3


«Sinn macht, neugierig zu bleiben.»

Nourgwan Khalil ➝ Seite 70

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SERIOUS GAMES

Spielend zu neuen Ideen Manchmal entflieht der Sinn der Arbeit, und man sucht nach neuen Ansätzen – Marc Bodmer, Experte für digitale Medienkompetenz und Kursleiter an der EB Zürich, präsentiert Games, die helfen können, auf andere Gedanken zu kommen.

«Erwachsene greifen häufig auf Spiele zurück, um ihren beruflichen und privaten Alltag besser meistern zu können», sagt Professor Rolf Oerter, Psychologe und Spieleforscher. Im Vergleich zur Arbeit sind Spiele zweckfrei. Sie werden gespielt um ihrer Tätigkeit wegen. Gerade darin besteht ein grosser Wert, sind sie doch in der Lage, den Spielenden zu vereinnahmen und in eine andere Welt zu entführen. Unter diesem Blickwinkel ist die nachfolgende Auswahl zu verstehen. Es sind kleine und kurzweilige Apps für Smartphone oder Tablet, die sich bestens eignen, um zwischendurch den Kopf zu lüften, wenn der Sinn der Arbeit vielleicht nicht gerade offensichtlich ist und frische Ideen gesucht sind. Für 3D-Puzzler

Wortlos zieht die kleine Prinzessin Ida ihre Bahnen. Sie sucht in M.C.-Escher-artigen Konstruktionen den Ausgang. Die Tableaus sind mit einem märchenhaften orientalischen Hauch gestaltet. «Monument Valley» ist von ausnehmender Schönheit und die Kniffligkeit der Rätsel steht ihr in nichts nach. Die Wege der kleinen Figur, die es durch das Labyrinth von verschlungenen Bauten, Brücken und Bögen zu führen gilt, werden laufend kom­ plexer. Durch Drehen und Wenden der Säulen und Pfade bringt man Ida zum Ziel, wenn man räumlichen Paradoxa Glauben schenkt und sich auf die trügerische Darstellungen von drei­ dimensionalen Dingen auf einer Fläche einlässt. Ein ludisches Juwel, das ganz ohne Zeitdruck auskommt. ➝ Monument Valley, Ustwo, iOS/Android 12  EB NAVI #3


AUF KURS BLEIBEN

Für Reaktionsschnelle

Ah, wie wohlig die Scheiben klirren, wenn sie von Stahlkugeln durchschlagen werden. Mit dem Tippen eines Fingers schickt man die Geschosse los und lässt es scheppern. «Smash Hit» fällt in die Kategorie der Geschicklichkeitsspiele. Der Titel hinter dem doppelt gemoppel­ ten Wortspiel verlangt Reaktionsvermö­ gen und Standfestigkeit, denn spätestens wenn sich die Bahnen spiralisierend zu drehen beginnen, kann dies bei manchen Spielenden Schwindel auslösen. Alle an­ deren haben ihren grossen Spass. ➝ Smash Hit, Mediocre, iOS/Android

Games – virtuelle Welten, fremde Welten Wie nützlich oder gefährlich Video-Games sind Round-Table: Gamen – Spass oder Sucht Erfahrungsaustausch für Berufsbildende Mobiles Lernen in der Erwachsenenbildung Mit Smartphones und Tablets unterrichten Soziale Medien gezielt nutzen Individuelles Lernen mit Social Media Anmelden: eb-zuerich.ch/sinn

Für Strategen

Die Hitman-Videospielserie mit Killer Agent 47 ist berühmtberüchtigt. Der junge Schweizer Game-Designer Daniel Lutz, derzeit für das Studio Square Enix tätig, hat sich dem umstritte­ nen Stoff auf unverbrauchte Art genähert und eine brillante Umsetzung für Tablet-PC geschaffen. «Hitman Go» orientiert sich an einer Brettspiel-Ästhetik, was den Gewaltaspekt auf ein «Eile mit Weile»-Niveau reduziert. Trotzdem bleibt er den Grundcharakteristika der Erfolgsserie wie ungesehen anschlei­ chend, geschickt meuchelnd treu. Ein kleines Bijou fürs Büro. ➝ Hitman Go, Square Enix, iOS

Marc Bodmer ist Jurist, Journalist und Experte für digitale Medienkompetenz. Unter anderem berät er Schulen, Eltern und Behörden im Umgang mit digitalen Medien. An der EB Zürich zeigt er im Kurs «Games – virtuelle Welten, fremde Welten» die Chancen und Gefahren für Ausbildende und Erziehende. Bodmer ist verheiratet und Vater eines zehnjährigen Sohnes.

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SINNFR AGEN WAGEN

«Ich liebe das Leben unglaublich» Wieso sollten wir unbedingt sinnlicher leben? Warum ist ein sinnerfülltes Leben ein Leben in Beziehungen? Und was hat die Liebe mit dem Espresso gemeinsam? Ein Gespräch mit dem bekannten Berliner Philosophen Wilhelm Schmid, der einen Wälzer darüber geschrieben hat, wie man dem Leben Sinn gibt. Dass man dem Leben denkend Sinn geben soll und manchmal muss, davon ist er überzeugt. Text Christian Kaiser  Bilder Susanne Schleyer

Herr Schmid, ich möchte Ihnen ein Zitat vorlesen: «Also, nun kommt der Sinn des Lebens. Nun, es ist wirklich nichts Besonderes. Versuch einfach nett zu den Leuten zu sein, vermeide fettes Essen, lese ab und zu ein gutes Buch, lass dich mal besuchen, und versuch mit allen Rassen und Nationen in Frieden und Harmonie zu leben.» Erkannt? Das kann nicht von einem Philosophen sein. Da haben Sie recht, Monty Python, «The Meaning of Life». Gäb’s da allenfalls noch mehr auf Ihrer Liste? Ja, einen Espresso trinken. Und wie wär’s mit Bücher über den Sinn des Lebens schreiben? Das ist nicht zwingend, das brauchen nur diejenigen, die etwas mehr nachdenken als Monty Python. 14  EB NAVI #3

Sie sehen ja das Nachdenken als «Lebenskunst», inwiefern kann die Philosophie von Nutzen sein, um ein Lebenskünstler zu sein, zu werden? Kommt darauf an, was man unter Lebenskunst ver­ steht. Das populäre Verständnis von Lebenskunst geht ja davon aus, man solle im Hier und Jetzt leben und sich keine grossen Gedanken oder Pläne ma­ chen, einfach nur volle Sinnlichkeit leben. Das ist so in Ordnung, aber es gibt Situationen im Leben, in welchen Menschen trotzdem ins Nachdenken ge­ raten. Zum Beispiel, wenn etwas schrecklich schief läuft, weil man nur im Hier und Jetzt gelebt hat. Denn das eröffnet ja keine Perspektive nach vorne und auch nicht nach rückwärts. Lebenskunst im philosophischen Sinne ist darum immer wieder, über das Leben nachzudenken, um sich mit Hilfe des Denkens neu zu orientieren.


In Ihrem Buch über Sinn schreiben Sie, dass unsere Vorstellung vom Sinn des Lebens vor allem davon abhänge, welche Beziehung wir zum Leben wählen. Wie würden Sie Ihre eigene Beziehung zum Leben beschreiben? Meine Beziehung zum Leben ist eine leidenschaftli­ che. Ich liebe das Leben unglaublich. Weil ich Liebe so definiere, dass damit auch einhergeht, die gesam­ ten Gegensätze des Lebens zu akzeptieren. Denn Leben ist niemals nur Freude, sondern immer auch Ärger, niemals nur Lust, sondern auch Schmerz, niemals nur Leben, sondern auch Tod, niemals nur Erfolg, sondern auch Scheitern usw. – eine endlose Kette von Gegensätzen. Moderne Menschen definie­ ren das Leben gern so, dass alles gut gehen soll, dass sie sich wohlfühlen, dass sie glücklich sind. Sie wol­ len alle positiven Seiten des Lebens behalten und die negativen abschaffen. Das möchte ich nicht.

Besteht nicht die Gefahr, dass die Sinnfragen, die Sinnsuche, einen davon abhalten, ins Leben wirklich einzutauchen? Das kommt ganz darauf an, was man als Sinn defi­ niert. Ich definiere Sinn als Zusammenhang. Und Zusammenhang heisst ja Beziehung. Wenn das so ist, gibt es keinen einzigen Menschen, der ohne Sinn lebt. Es gibt nur Menschen, die den Sinn nicht sehen oder nicht sehen wollen. Aber alle Menschen leben in Zusammenhängen und Beziehungen, denn ohne sie können sie nicht leben. Vater, Mutter, das sind mindestens zwei, dann kommen im Lauf des Lebens meistens noch ein paar dazu. Jeder Mensch lebt also in einer Beziehung, auch wenn er die gar nicht haben möchte. Ohne eine Beziehung zur Welt in Form von Sinnlichkeit – sehen, hören, riechen, tasten, schme­ cken – kann er gar nicht existieren. SINNFRAGEN WAGEN   15


Haben wir in unserer rationalen Welt den Bezug zur Sinnlichkeit etwas verloren? Es wäre sehr rational, sinnlich zu leben. Aber viele Menschen ziehen diesen Schluss nicht. Ich bin fest davon überzeugt, dass viele Menschen nur deswegen nach dem Sinn fragen, weil sie zu wenig sinnlich sind. Denn: Wenn der Zusammenhang, den die Sinnlichkeit zur Welt herstellt, wirklich so wichtig ist, wie ich behaupte, dann wirken sich Defizite in diesem Bereich fatal für den Sinn des Lebens aus. Das scheint mir der Fall zu sein: Menschen, die nicht ausreichend um sich schauen, nur ihre Lieblingsmu­ sik hören, für alles andere aber taub sind, Menschen, die nicht genügend andere berühren – die müssen natürlich ein «Nichts» erfahren. Wenn man Ihre Bücher liest, erhält man den Eindruck, dass Sie Ihr Denken je länger je mehr dem Thema der Liebe widmen. Ihr Sinnbuch ist eigentlich eines über die Liebe. Inwiefern ist die Liebe überhaupt ein philosophisches Thema? Das war in der Tat lange Zeit kein philosophisches Thema. Aber in den Anfängen der Philosophie war es ein sehr wichtiges Thema, deshalb hat Platon sein Buch «Symposion» geschrieben. Und die Liebe geht nicht immer gut und wenn sie nicht gut geht, dann geraten die Menschen ins Nachdenken. Das war auch bei mir so. Deshalb habe ich auch Philosophie studiert, um etwas klüger über die Liebe zu werden.

BUCHTIPPS

Wilhelm Schmid Dem Leben Sinn geben Von der Lebenskunst im Umgang mit Anderen und der Welt Suhrkamp, Berlin, 2013

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Das Werkzeug der Philosophen ist doch eher der Verstand und das Instrument der Liebe das Herz. Das steht überhaupt nicht fest. Es ist eine moderne Definition, zu sagen: Liebe hat mit dem Herzen zu tun. Ich habe ja nichts dagegen, aber es muss schon noch ein bisschen mehr dazukommen als nur das Herz, sonst wird die Liebe scheitern. Kann man das Wesen der Liebe überhaupt mit dem Verstand erfassen? Es geht nicht um das Wesen der Liebe, es geht nur um die Definition. Was ihr Wesen ist, wissen wir weder bei der Liebe, noch bei der Wissenschaft, noch beim Mond, noch beim Espresso: Espresso ist ein mit Hochdruck und Wasser in hoher Temperatur durch ein Sieb gedrücktes Kaffeepulver, so dass eine Crema entsteht, die bräunlich ist und wunderbar riecht. Man kann Espresso aber auch anders definie­ ren: Espresso ist ein Kaffee, den ich schnell trinke. Sie können definieren, was Sie wollen, aber sie müs­ sen auch die Konsequenzen aushalten: Denn der eine Espresso wird ihnen vielleicht besser schme­ cken als der andere. Genauso ist es mit der Liebe. Was das Wesen der Liebe ist, weiss kein Mensch, wir werden es niemals wissen, vielleicht hat sie auch kein Wesen. Wir müssen aber umgehen mit dem, was wir als Liebe erfahren – und das sind nicht nur gute Gefühle, sondern auch schlechte. Mit den guten kommen die Menschen blendend zurecht, mit den schlechten gar nicht. Körper, Verstand, Intuition – wir haben ja verschiedene Wahrnehmungsorgane. Worauf soll man sich bei der Sinnsuche verlassen? Erst einmal auf die Überlegung, die jeder für sich ausprobieren möge, dass Sinn aus Beziehung resul­ tiert. Da würde ich dazu raten, Beziehungen zu su­ chen und zu pflegen und sich selber zu beobachten, wie man sich in einer Liebesbeziehung fühlt oder in einer guten, engen Freundschaftsbeziehung; ist das etwas, das meinem Leben Sinn gibt oder nicht? Ich bin sehr, sehr sicher, das ist die Sinn-des-Lebens-


Ich definiere Arbeit als Lebensarbeit; alles,

was wir tun, um ein schönes

Erfahrung schlechthin für die allermeis­ ten Menschen. Nur dass in der Moderne sämtliche Beziehungen brüchig gewor­ den sind, es gibt keine Beziehung, die von vornherein bis zum Ende feststeht. Es gibt nur die Möglichkeit, auf Beziehun­ gen aufmerksam zu sein und sie so gut wie möglich zu pflegen und sie solange wie möglich zu bewahren. Dann gewinnt das Leben eines Menschen Sinn. Beziehungen als das Salz in der Suppe des Lebens? Ich glaube noch sehr viel mehr: Das Gestänge, an dem wir uns festhalten können. Die alten Griechen gingen ja davon aus, dass wir mit einer Art Lebensplan, mit einer Aufgabe auf die Welt kommen (etwa: Aristoteles, Platon) und dass es im Leben darum geht, diese Aufgabe zu finden und zu erfüllen. Können Sie dem etwas abgewinnen? Zum Teil ist das so, ja, zum Teil nicht. Ich selber habe das immer und sehr früh gespürt, dass ich eine Aufgabe zu erfüllen habe. Aber ich weiss aus sehr vielen Gesprächen, dass das für viele Menschen nicht so ist. Die müssen deswegen aber nicht be­ nachteiligt sein, denn sie haben die Möglichkeit, sich eine Aufgabe zu suchen und sich eine zu geben. Sicher ist, dass eine solche Aufgabe auch dazu bei­ trägt, eine Beziehung zum Leben aufzubauen und zu festigen, und dass das auch eine mögliche SinnGebung ist. Zum Teil empfinden es Menschen als Überforderung, diese sinnstiftende Aufgabe zu finden. Ein Auswuchs unserer Leistungsgesellschaft im Sinne von «Du bist, was du tust»? Mit der Leistungsgesellschaft hat das nichts zu tun, aber mit der Moderne. Die moderne Zeit hat seit rund 200 Jahren jeden vorgegebenen Sinn, jedes vorgegebene Ziel abgelehnt, wie es durch Religion vermittelt war. Das hat Menschen in die Notwendig­ keit gebracht, sich selber etwas einfallen zu lassen. Die meisten Menschen wollen die Freiheiten der

und bejahenswertes Leben führen zu können, ist Arbeit. wilhelm schmid

Moderne gerne geniessen, aber die wenigsten wollen auch die Konsequenzen tragen, die sich daraus erge­ ben; dass möglicherweise sehr anstrengend nach einer Aufgabenstellung gesucht werden muss. Wer das nicht möchte, kann ja zurück in die Vormoderne gehen. Definieren wir uns also nicht zu sehr über die Arbeit? Arbeit ist eine mögliche Form der Sinngebung, eine von 1000 anderen. Die Frage ist, wie Arbeit definiert wird. In unserer Gesellschaft wird Arbeit als Er­ werbsarbeit definiert. Dem kann ich nicht zustim­ men, denn es gibt deutlich mehr Arbeiten zu tun: Familienarbeit, Haushaltsarbeit usw. Ich definiere Arbeit als Lebensarbeit; alles, was wir tun, um ein schönes und bejahenswertes Leben führen zu kön­ nen, ist Arbeit. Dazu gehört die Arbeit an Freund­ schaft, die Arbeit an der Selbstbeziehung, ja sogar die Musse als Arbeit, damit wir uns gelegentlich auch erholen, sowie die Arbeit am Sinn. Klingt nach einem anstrengenden Leben, wenn all die schönen Seiten des Lebens zur Arbeit werden: der «Work-Out» im Fitnesscenter, die Beziehungsarbeit, die Freiwilligenarbeit usw. Schwingt da nicht immer auch eine unbequeme Pflicht mit? Da kann man auch völlig drauf verzichten. Dann sind wir wieder bei der ersten Auffassung von Le­ benskunst: Mach dir keinen Kopf, bemüh dich um gar nichts, leb in den Tag rein. Ja, das ist möglich, ich akzeptiere, wenn Menschen so wählen. Mir selber wäre das zu langweilig.

SINNFRAGEN WAGEN   17


Spielt also der Sinn der Arbeit nur eine untergeordnete Rolle für den Sinn des Lebens? Nein, eine übergeordnete! Nur Erwerbsarbeit ist auf Dauer nicht sinnerfüllend; Familienarbeit hingegen schon sehr viel mehr, Arbeit an Freundschaft sehr stark, Arbeit am Sinn generell in hohem Masse. Sollten wir also eher arbeiten, um zu leben, als umgekehrt? Oder leben wir doch, um zu arbeiten? Wenn Arbeit als Erwerbsarbeit definiert ist, dann leben wir ganz bestimmt nicht, um zu arbeiten. Wenn die Definition aber Lebensarbeit ist, dann leben wir ganz sicher, um zu arbeiten. Es wird ja gern kritisiert, dass den Philosophen – auch den Psychologen – eine wichtige Dimension fehle, um den Sinn des Lebens zu finden: die spirituelle. Sind sie ein spiritueller Mensch? Ja, absolut, diese Dimension fehlt mir ganz bestimmt nicht. Aber ich bin als Philosoph natürlich besonders vorsichtig mit dieser Dimension. Ich beobachte, dass

Wilhelm Schmid ist einer der erfolgreichsten philosophischen Publizisten im deutschsprachigen Raum. Bekannt wurde er mit seiner «Philosophie der Lebenskunst», in welcher er philosophische Erkenntnisse populär in praktische, alltagstaugliche Rezepte für Jedermann und Jedefrau übersetzt. Er widmet sein philosophisches Denken den Themen Glück, Sinn, Liebe, dem Umgang mit sich selbst und der Gelassenheit und hat dazu zahlreiche Bücher verfasst. Sein Anliegen ist, dass die Stärkung des Individuums auch zur Stärkung der Gesellschaft führt: «Die entscheidende Frage ist, ob die Individuen die Stärkung ihrer selbst dazu nutzen, sich aus reinem Eigeninteresse

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viele Menschen «die Wahrheit» dieser Dimension kennen, das kann ich für mich nicht in Anspruch nehmen. Ich stelle nur Überlegungen an: Wenn alles auf Gegensätzlichkeiten aufgebaut ist, muss es zur Endlichkeit noch eine Un-Endlichkeit geben, zur Gewöhnlichkeit noch eine Ausser-Gewöhnlichkeit. Und ich nehme an, dass mit der transzendenten Dimension genau das gemeint ist: Etwas Ausserge­ wöhnliches, das über die Endlichkeit weit hinausgeht. Es scheint mir auch, dass alle Menschen trans­ zendente Erfahrungen machen – völlig unabhängig davon, ob jemand spirituell oder religiös ist; sie nehmen bei bestimmten Gelegenheiten ihr Ich und die Zeit nicht mehr wahr und erleben eine hohe energetische Intensität. Zum Beispiel, wenn sie mit einem anderen Menschen eine Nacht im Bett liegen. Oder wenn sie tief in ihre Lieblingsarbeit eintau­ chen. Oder in ihr Lieblingshobby. Oder wenn sie einen Abend lang mit ihrem besten Freund oder ihrer besten Freundin tiefe Gespräche führen. Da rühren wir an diese transzendente Dimension.  n

auch mehr um die Gesellschaft, in der sie leben, sich zu bekümmern.» Sein bei Suhrkamp 2013 erschienenes Buch «Dem Leben Sinn geben» ist sein vorletztes. Er sagt von sich selbst: «Ich gebe zu, dass die Publikations­ geschwindigkeit so hoch ist, dass die Leser nicht mehr hinterherkommen.» 2012 wurde ihm der Meckatzer-Preis für besondere Verdienste bei der Vermittlung von Philosophie verliehen. Er studierte Philosophie und Geschichte in Berlin, Paris und Tübingen und lehrt als Ausserordentlicher Professor an der Universität Erfurt. Von 1998 bis 2007 arbeitete er in der Schweiz als «philosophischer Seelsorger» am Spital

Affoltern am Albis. Er ist 1953 in Bayerisch-Schwaben geboren und lebt mit seiner Familie in Berlin.


«Sinn macht, mit Kindern zu spielen.»  Anne Maria Schmid ➝ Seite 70

SINNFRAGEN WAGEN   19


SERVICE

Ein Check-up für Lebensziele Viele Menschen fragen sich von Zeit zu Zeit, ob sie – privat oder beruflich – noch auf «dem richtigen Gleis» sind. Das ist der Moment, seine Ziele zu überdenken und allenfalls anzupassen. Einmal gesetzte Ziele sollten aber auch auf ihre Erreichbarkeit durchgecheckt werden. Eine Kurzanleitung in drei Schritten von Kursleiterin Vera Stavemann.

Stimmt das, was ich tue oder lasse, so für mich? Die Antwort auf diese Frage kann uns niemand abneh­ men, wir kommen nicht darum herum, unsere Ziele eigenverantwortlich festzulegen. Und Ziele brau­ chen wir, denn Ziele geben dem Leben Sinn und Zweck; selbst wenn wir sie am Ende nicht erreichen, erhält unser Denken und Handeln durch Ziele eine Richtung. Zielvorgaben helfen uns, unser Bestes zu geben – für uns und für andere. Das Erstrebenswerte festlegen

Lebensziele tragen massgeblich dazu bei, die eigene Lebenszufriedenheit zu maximieren. Denn zufrie­ den sind wir nur dann, wenn wir uns in einem Zu­ stand befinden, den wir positiv bewerten. Und um solche Zustände möglichst häufig zu erreichen, brau­ chen wir eine Vorstellung davon, was wir gut oder erstrebenswert finden. Sinnvollerweise orientieren wir uns dabei an unseren persönlichen Moralvorstel­ lungen, Normen und Glaubenssystemen. Für sämtliche Lebensbereiche

Ziele können in jeder Lebensphase bestimmt wer­ den, egal ob man sich beruflich oder privat neu ori­ entieren möchte, in einer Midlife-Crisis steckt oder nicht weiss, für welchen nächsten Schritt man sich entscheiden soll. Private oder berufliche Ziele lassen sich dabei nicht sinnvoll getrennt voneinander fest­ legen: Beide Ebenen hängen voneinander ab, beein­ flussen sich gegenseitig oder können in Konflikt zu­ einander treten. Zum Beispiel, wenn wir entscheiden müssen, wie viel Zeit und Energie wir dem Beruf oder einer Weiterbildung widmen wollen und wie viel für Freunde oder Familie zur Verfügung stehen soll. 20  EB NAVI #3

Bei der Zielplanung bezieht man darum am bes­ ten sämtliche Lebensbereiche mit ein und nähert sich vom langen dem kürzeren Planungshorizont an. Eine einfache Zielplanung und -klärung beinhaltet die folgenden drei Schritte: 1. Die lange Sicht: Wir bestimmen zu den verschie­ denen Bereichen zuerst unsere Langfristziele und beantworten dafür die Frage: «Was will ich errei­ chen, dass ich nach heutigem Wissen später sagen kann, das war gut so?» 2. Die nächsten Schritte: Zusätzlich benötigen wir sinnvolle, aus eigener Kraft erreichbare Etappen­ ziele, die uns zu unseren wichtigen Langfrist- oder Lebenszielen führen: «Wie müssen meine Mittelund Kurzfristziele aussehen, damit ich meine Langfristziele erreichen kann?» Bereich

Langfristziele: 20–30 Jahre

Mittelfristziele: Kurzfristziele: In 10 Jahren In 1 Jahr

Familie Partnerschaft Soziale Kontakte Beruf Karriere Geldmittel Freizeit Wohnen Hobbys Anderes

3. Überprüfung des Zielkatologs: In einem letz­ ten Schritt sollten die formulierten Ziele anhand der folgenden Checkliste auf Erreichbarkeit, Überschaubarkeit, Widerspruchsfreiheit und Realisierbarkeit geprüft werden.


Checkliste: Setze ich mir die richtigen, erreichbaren Ziele? 1. Konkrete, erreichbare Ziele setzen

■■ Vermeide ich allgemeine Äusserungen wie:

«Ich möchte glücklich sein» oder «Ich will nur das machen, das absolut sicher ist!» ■■ Vermeide ich Wunschziele wie «Ich möchte nie krank werden!» oder «Ich will unbedingt von meinem Lieblingshobby leben können!» ■■ Kann ich meine Ziele aus eigener Kraft errei­ chen? ■■ Welche Mittel habe ich zur Verfügung, um meine Ziele zu erreichen? ■■ Reichen meine Zeit- und Energiereserven, um diese Ziele zu erreichen? ■■ Vermeide ich Ausreden wie «Das machen alle so»?

2. Zielhierarchie erstellen und Prioritäten setzen

■■ Welches sind die wichtigen, welches die weni­ ger wichtigen Ziele?

■■ Wie sortiere ich die Ziele nach Prioritäten, und wie sieht meine Zielhierarchie aus?

■■ Habe ich darauf geachtet, dass sich meine Ziele nicht gegenseitig blockieren?

■■ Sind meine Lebensziele mit meinen Normen und Werten kompatibel?

■■ Entspricht es meiner moralischen Vorstellung, wenn ich Ziele zulasse, die andere von mir er­ warten?

Alter noch erreichen kann?

■■ Wie wahrscheinlich ist es, dass ich dieses Ziel erreiche?

■■ Habe ich meine Fähigkeiten richtig einge­ schätzt?

■■ Habe ich meine Messlatte zu hoch oder zu niedrig gesetzt?

■■ Bin ich bereit, den Aufwand zu leisten, den ich für die Zielerreichung benötige?

■■ Bin ich bereit, mein Ziel so zu verändern, dass

es mit dem Aufwand, den ich zu leisten gewillt bin, erreichbar ist? ■■ Reichen meine finanziellen Mittel, um dieses Ziel zu erreichen?

3. Überschaubare Menge von Zielen festlegen ■■ Ist mein Zielekatalog zu umfangreich, wo könnte ich Abstriche machen, um mich auf das Wesentliche zu fokussieren? ■■ Achte ich darauf, dass ich mich vor lauter Zielen nicht verzettle? ■■ Habe ich meine Fähigkeiten richtig einge­ schätzt, um die Menge der Ziele, die ich mir vorgenommen habe, zu schaffen? ■■ Habe ich bei meiner Zielmenge genügend Schlaf- und Ruhephasen eingeplant?

4. Widerspruchsfreie Ziele setzen

■■ Vermeide ich widersprüchliche Ziele wie «Ich

möchte unabhängig sein und in einer festen Partnerschaft leben!» ■■ Achte ich darauf, dass sich meine Ziele nicht gegenseitig sabotieren? «Ich möchte selbstän­ dig arbeiten und ein regelmässiges, geregeltes Einkommen haben.» ■■ Auf welches Ziel will ich (gemäss meiner Ziel­ hierarchie) zugunsten anderer verzichten? ■■ Habe ich sabotierende Gedanken wie «Das gelingt mir sowieso nicht» vermieden?

5. Ziele auf Realisierbarkeit prüfen

■■ Ist es realistisch, dass ich dieses Ziel in meinem

6. Konsequenzen in die Zielplanung einbeziehen

■■ Habe ich einen Plan B in der Tasche, wenn Plan A nicht funktioniert?

■■ Habe ich eingeplant, dass der Entscheid für ein Ziel bedeutet, dass ich auf anderes verzichten muss? ■■ Gehe ich davon aus, dass es mir mit meinen neuen Zielen wirklich besser geht, selbst wenn ich sie nicht wirklich erreichen sollte? ■■ Ist mir klar, dass ein Nicht-Festlegen oder das Verschieben eines Entscheids auf den SanktNimmerleins-Tag bedeuten kann, dass ich un­ genutzte Chancen an mir vorbeiziehen lasse? ■■ Habe ich berücksichtigt, dass ich mir mit Vor­ sätzen wie «Im neuen Jahr fange ich an, mehr Sport zu treiben» kurzfristig Lustgewinn ver­ schaffe, indem ich die Verhaltensänderung aufschiebe (zum Beispiel: vorläufig weiterhin gemütlich auf dem Sofa sitzen bleiben und Chips in mich hineinstopfen)?

SINNFRAGEN WAGEN   21


POR TR ÄT

Per Zufall kam Theresa d’Oliveira zu einem sozialen Engagement in Ruanda. Die Kursleiterin der EB Zürich sollte einige Hilfswerkvertreter in Englisch schulen. Sie kam ein zweites Mal, packte gleich selber bei der Feldarbeit mit an, finanzierte eine neue Lagerhalle – und hat definitiv eine Aufgabe gefunden, die für sie Sinn macht.

Im Einsatz für Englisch, Lehmöfen und Kartoffeln

Als Theresa d’Oliveira kurz vor Weihnach­ ten bei Kigali aus dem Flugzeug steigt, ist es angenehme zwanzig Grad. Zwei wei­ tere kleine Flugzeuge stehen verloren auf der Anlage in der hügeligen Landschaft, eine Buslinie führt in die Stadt. Bloss gibt es keine Bushaltestelle und schon gar kei­ nen Fahrplan. «Man wartet einfach, passt auf», erzählt sie, «und rennt dann mit schwingenden Armen auf die Strasse, um den Bus anzuhalten.» Irgendwann kommt er, Richtung Kigali, der Hauptstadt von Ruanda. Hin­ ten hat er Säcke mit Zwiebeln und Kanis­ ter voller Milch gestaut, vorne gibt es Platz für zwei Dutzend Leute. Wer am weitesten fährt, geht ganz nach hinten. Dazu müssen jeweils alle in der Mitte aussteigen und ihre Klappsitze aus dem Weg räumen. Der Bus fährt eine eigen­ tümliche Route, hält an den unterschied­ lichsten Orten und landet schliesslich auf dem Marktplatz von Kigali. Von da geht es weiter zum christlichen Saint-PaulBildungscenter, wo Theresa d’Oliveira die nächsten drei Wochen wohnt und ihren Englisch-Unterricht durchführt. Alles aus der eigenen Tasche

Text Guido Stalder  Bilder zVg 22  EB NAVI #3

Bloss zwei Monate vorher hat sie ein Be­ kannter angesprochen, der als europäi­ scher Consultant für AIMPO arbeitet (African Initiative for Mankind Progress Organization): Ob sie jemanden kenne, der Vertreter dieses Hilfswerks in Eng­ lisch schulen könne. AIMPO kämpft für bessere Lebensbedingungen der Batwa, einer indigenen Bevölkerungsgruppe, die am Rand der Gesellschaft in Ruanda lebt. Geld bekomme man dafür nicht,


sondern müsse den Flug und die Unter­ kunft selber bezahlen. Sie kennt jemanden für diesen Job: sich selber. Kurzerhand stellt sie ein flexibles Programm auf und packt ein paar Bücher und etwas Modera­ tionsmaterial aus der EB Zürich ein, «was eben in dreissig Kilo Reisegepäck gepasst hat». Im Saint-Paul-Bildungscenter in Kigali wird dann didaktisch improvisiert. Fünf Männer und zwei Frauen erschei­ nen morgens um neun zum Unterricht, üben bis zum Mittag die englischen Zeit­ formen und Grammatik. Die Wände fül­ len sich mit Flip-Blättern voller Tabellen und Zeichnungen. Am Nachmittag gibt es jeweils Konversation mit Themen wie Umwelt oder Erziehung. Ein königliches Fest

Mit dabei in der Gruppe ist Richard Ntakirutimana, selber Batwa, Student

der Menschrechte und neuer Direktor der AIMPO. Er will der Lehrerin aus der Schweiz sein Dorf zeigen und lädt sie zu Weihnachten ein. Das ganze Dorf ist auf den Beinen: «Wir wurden wie Könige empfangen.» Sie bringt das Essen mit, auch Fleisch, damit es ein Festtagsmenu wird. Dazu gibt es Kochbananen und lange grüne Blätter als Gemüse. Die Leute sitzen in der kleinen Lehmhütte auf dem Boden, plaudern, lachen viel, nach dem Essen wird Musik gemacht und getanzt. Die Leute im Dorf arbeiten als Töpfer. Lehm muss man selber liefern, daraus fabrizieren die Töpfer Tongefässe, die sie zum Brennen in einen selber gebauten Ofen schieben. Theresa d’Oliveira spen­ det auch etwas Geld, um einen weiteren Ofen zu bauen und den Lagerschuppen zu erweitern. Die Dankbarkeit und die Herzlichkeit dafür seien überwältigend gewesen. Dabei seien es eigentlich eher

«Eher sanfte und scheue Leute»: Theresa d’Oliveira in einem Dorf im Norden Ruandas.

SINNFRAGEN WAGEN   23


scheue und sanfte Leute. Die Kinder hät­ ten ihr jeweils von weitem zugerufen: «Good morning!» und «How are you?» Dem Boden Früchte abtrotzen

Einige Tage später besucht Theresa d’Oliveira ein zweites Dorf der Batwa. Dort lebt die Bevölkerung in ärmsten Ver­ hältnissen. Die Gegend ist sehr hügelig und der Boden wenig fruchtbar. Deshalb reicht es bloss für etwas Maniok- und Bananenanbau. Die Batwa haben früher mehrheitlich im Dschungel oder im Wald gelebt und sind vor allem wegen des Tou­ rismus von dort verdrängt worden. Sie bleiben unter sich, teilweise verachtet von der anderen Bevölkerung, in den Städten leben sie wie Slum-Bewohner. D’Oliveira packt selber bei der Feldarbeit mit an. Das Dorf hat neulich dank der AIMPO ein bisschen Land kaufen kön­ nen, um dort Kartoffelsaat zu pflanzen. Ein Segen für beide Seiten

Zwischen den Ausflügen läuft in Kigali die Englisch-Schulung weiter. Theresa d’Oliveira macht sogar mündliche Zwi­ schenprüfungen, mit individuellen Be­ wertungen. Zum Abschluss der zwölf Tage Unterricht gibt es ein Diplom, «so richtig schön gestaltet und mit Unter­ schrift», das die Teilnehmenden stolz entgegennehmen. Sie können ihr verbes­ sertes Englisch gut gebrauchen: um mit anderen Hilfswerken zu kommunizieren, Öffentlichkeitsarbeit zu machen und Be­ richte an die UNO zu schreiben, damit sie Fördergelder erhalten. Die Klasse schenkt ihrer Lehrerin zum Abschied ein grosses Foto, auf dem sie fein herausgeputzt im 24  EB NAVI #3

Garten des Schulungscenters posiert. Das Bild ist dick golden eingerahmt und überschrieben mit «May God Bless Theresa d’Oliveira». Engagiert fürs Selbst-Engagement

«Natürlich habe ich ein soziales Flair», sagt Theresa d’Oliveira. Sie hat schon in England, wo sie herkommt, mit autisti­ schen Kindern gearbeitet, war dort auch in der Sozialarbeit und der Theaterpädagogik tätig. Das Gefühl, in Ruanda einen Bei­ trag zur Selbsthilfe zu leisten, sei für sie sehr erfüllend. Sie geniesse die wertvol­ len Begegnungen und freue sich, welchen Drive die Leute entwickelten. Es sei auch erstaunlich, was man mit einigen Hun­ dert Franken und etwas persönlichem Engagement bewegen könne. Ruanda hat Theresa d’Oliveira wohl fest im Griff. Inzwischen ist sie nochmals dort gewesen und hat eine zweite Gruppe geschult. Dazu arbeitet sie bereits an einem neuen Projekt mit: Ein Frauen­ parlament der Batwa ist am Entstehen. Einfache Frauen aus ihren Dörfern sollen sich zweimal im Jahr in Kigali treffen und ihre Anliegen besprechen, in einem offiziell gewählten Rat der AIMPO – «eine richtig grosse Sache». Wie alles vorangeht, erfährt sie regel­ mässig durch Mails aus Kigali. Geschrie­ ben in bemerkenswert gutem Eng­ lisch.  n

Theresa d’Oliveira packt bei der Arbeit auf den hügeligen und kargen Feldern selber mit an.


FREIW ILLIGENARBEIT

Anerkennung statt Lohn Wer neben dem Beruf ehrenamtlich arbeitet, ist gesünder, zufriedener und selbstbewusster. Und die Freiwilligen schaffen in der Schweiz über 30 Milliarden Franken Mehrwert pro Jahr. Text Guido Stalder

Die Schweiz ist ein Land der Vereine und der Freiwilligen: Sie pflegen die Natur mit dem WWF, sind in der freiwilligen Feuer­ wehr, lesen alten Leuten im Pflegeheim aus der Zeitung vor, arbeiten als Traine­ rin in einem Sportclub, engagieren sich in der Kirche. Oder sie helfen unkompli­ ziert ohne formelle Organisation und er­ ledigen die Einkäufe für die Nachbarin, die nicht mehr gut zu Fuss ist. Dazu kom­ men die unzähligen Funktionen in Schul­ pflegen, politischen Kommissionen, Ver­ einsvorständen – Arbeit, die gar nicht oder nur symbolisch entlöhnt wird. 30,5 Milliarden Franken wert war die­ ses Engagement im Jahr 2013, hat das Bundesamt für Statistik berechnet. Und das ohne die Gratisarbeit innerhalb der Familie oder des eigenen Haushalts. Ohne unbezahlte Arbeit stünde vieles still. Investition in den Selbstwert

Die Engagierten tun auch etwas für sich selber. Die Studie «Freiwillig 2011» der beiden Arbeits- und Organisationspsycho­ logen und Professoren der ETH Zürich, Stefan Tomas Güntert und Theo Wehner, zeigt die Motive der Freiwilligen. An erster Stelle stehen Wertvorstel­ lungen, zum Beispiel das uneigennützige Helfen. Dies wird teilweise verstärkt dadurch, dass Bekannte und Freunde ebenfalls Freiwilligenarbeit leisten. Das Engagement hebt zudem den Selbstwert – es gibt das Gefühl, wichtig zu sein, und ermöglicht, die eigenen Stärken kennen­ zulernen.

Für Karriere, gegen Einsamkeit

Jüngere Engagierte schielen manchmal auch auf ihre Karriere. Die Hilfsorgani­ sation Caritas hat festgestellt, die «indi­ viduelle Nutzenoptimierung» spiele für einen freiwilligen Einsatz eine zuneh­ mend grosse Rolle, etwa als Vorbereitung auf ein Studium. Es werde auch konse­ quenter als früher nach Arbeitsbestäti­ gungen für Bewerbungsdossiers gefragt. Die ETH-Studie bestätigt: «Erfahrungen in der Freiwilligenarbeit machen sich gut im Lebenslauf.» Anders liegt der Schwerpunkt bei älteren, meist pensionierten Freiwilligen. Sie schätzen die Erfahrung, gebraucht zu werden, etwas Sinnvolles zu machen und eine aktive Rolle in der Gesellschaft aus­ zuüben. Für sie ist ihr Engagement oft gleichzeitig ein geistiges und soziales Fit­ ness-Programm – und eine Versicherung gegen Vereinsamung.

AUF KURS BLEIBEN Bildungsgang «Management in Nonprofit-Organisationen» Führungsaufgaben in sozialen Unternehmen ausüben Einfluss nehmen in Politik und Gesellschaft Sich als Frau öffentlich einbringen Mentaltraining in Beruf und Alltag Erfolgsorientiert mentale Strategien umsetzen Öffentlichkeitsarbeit für Kulturorganisationen Kulturprojekte in die Medien bringen Anmelden: eb-zuerich.ch/sinn

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15 MINUTEN, DIE MEIN LEBEN VER ÄNDERTEN

Evelinn Trouble

«Keine halbherzigen Sachen mehr» Aufgezeichnet von Fritz Keller  Bild Simon Habegger

«Fünfzehn Minuten oder auch fünfzehn Sekunden, die mein Leben in eine andere Richtung brachten, gab es verschiedene. Aussergewöhnliche Begegnun­ gen mit Musikern, zum Beispiel als ich im Winter 2007 den Bassisten Florian Götte kennenlernte, der so etwas wie ein Seelenverwandter von mir ist. Wir wurden erst ein Paar und danach gründeten wir gemeinsam eine Band. Mittlerweile sind wir nicht mehr zusammen, aber spielen nach wie vor zusam­ men Musik. Oder vor einem Jahr, als wir das erste Mal mit dem Schlagzeuger Domi Chansorn gespielt haben. Er ist an jenem Abend nur eingesprungen, aber er konnte alle meine Songs, ohne dass wir davor wirklich geprobt hätten. Seitdem ist er festes Mit­ glied meiner Band. Aber klar, ein Ereignis, das mich geprägt hat, war mein Sprung auf einen fahrenden Zug von der Hard­ brücke. Das war im Sommer 2012. Ich weiss heute noch nicht, warum ich das getan habe, ich fühlte mich an jenem Morgen unverletzbar und abenteuer­ lustig, wie Spiderman. Ich hatte Glück, dass ich über­ lebte, kam mit schweren Verbrennungen davon, verursacht durch den Stromschlag. Die körperlichen Folgen spüre ich zum Teil bis heute, wenn ich in ge­ wissen Bewegungen nicht mehr so schnell bin. Aber auch in meinem Kopf ist vieles passiert. Nach diesem Ereignis – ich nenne es heute für mich High Voltage MMXII – wurde ich fokussierter, zielgerichteter. Ich realisierte, dass ich keine Zeit habe, halbherzige Sachen zu machen oder halbherzig zu sein im Um­ 26  EB NAVI #3

gang mit Menschen oder mit mir selbst, weil alles in jedem Moment vorbei sein kann. Ende 2013 zog ich nach London. Ich wollte weg aus der Komfortzone Schweiz. London ist tatsächlich ein hartes Pflaster, nur schon bis man eine lebbare Wohnsituation gefunden hat. Auch künstlerisch ist es nicht einfach, Fuss zu fassen, und ich bin auch nicht der Typ, der sich gerne selber verkauft. Manch­ mal frage ich mich, warum ich mir das antue, aber dann packt mich wieder das Gefühl, dass ich mich dieser Herausforderung stellen will. London kann sehr gemein sein, aber es stachelt mich auch an, bes­ ser zu werden, in dem was ich mache. Im Winter war ich zwei Monate in der Schweiz, als ich zurückkam, war mein Zimmer, das ich untervermietet hatte, ab­ gebrannt. Jetzt habe ich etwas weniger Besitz, und das ist auch nicht schlecht. Hauptsache ich kann tun, was mir wichtig ist, wo auch immer: meine Musik. Musikalisch ist einiges gelaufen in den vergangenen Monaten. Im letzten Sommer sind Flo und Domi nach England gekommen und wir haben in Bristol ein neues Album aufgenommen, «Arrowhead». Der Titel, respektive das Sinnbild dazu ist mir in einem Traum zugefallen. Inhaltlich geht es darum, wie man mit Dingen umgeht, die man nicht los­werden kann. Im Traum werde ich von einem Pfeil im Kopf getroffen, aber ich sterbe nicht, kann den Pfeil aber auch nicht entfernen. Musikalisch knüpft «Arrow­ head» an den Vorgänger «The Great Big Heavy» an.


Aber dieses Mal sind die Songs mehr ineinander verwoben, wie eine klassische Suite. Textliche und melodische Motive wiederholen sich über das ganze Album. Die Aufnahmen klingen sehr organisch, wir haben die Grundstruktur der Songs zu dritt live ein­ gespielt. Bei der Nachbearbeitung habe ich dieses Mal wieder vieles selber gemacht und bin sehr ins Detail gegangen. Das war zwar sauanstrengend, doch ich finde es hat sich gelohnt, denn es hat dem Ganzen noch eine weitere Dimension gegeben. Ich habe in letzter Zeit immer mal wieder über die Relevanz meiner Arbeit nachgedacht. Hat das, was ich mache auch eine Bedeutung für andere? So frage ich und nicht etwa: Wie kann man ein Musik­ stück schreiben, das für mög­ lichst viele eine Bedeutung hat. Dann wären wir beim Hit, und Hits finde ich immer wieder er­ nüchternd banal. Massenphäno­ mene sind mir im Allgemeinen unheimlich, doch auch was einem Angst macht, muss man erfor­ schen. So habe ich auch nicht Nein gesagt, als mich Rapper Stress angefragt hat, ob ich mit ihm spielen wolle. Ich habe dabei viel über kommerzielle Musik ge­ lernt. Sie ist nicht nur schlecht,

sie scheint den Leuten etwas zu geben. Aber ich will sie mir nach wie vor nicht anhören müssen. Was die Zukunft bringt, weiss ich nicht, ich will of­ fen bleiben. Ich würde mich freuen, wenn mal etwas passiert, das ich nicht kontrollieren kann, egal was es ist. Natürlich lieber etwas Positives, etwas, das ohne mein Zutun geschieht und mein Leben noch­ mals verändert. 15 Sekunden, die meine Zukunft ändern könnten? Ein Traum, den ich hege, wäre mal in einem Sketch von «Saturday Night Live» mitzu­ spielen, oder darin einen Auftritt als ‹Musical Guest› zu haben, das wärs.»  n

Evelinn Trouble, geboren 1989 in Zürich, begann ihre musikalische Karriere als Frontfrau des Punk-Trios «Lorry». Sie spielt Gitarre und Keyboards. Als Evelinn Trouble entwickelte die Musikerin danach ihren eigenen Sound, den sie selber am ehesten als Psychedelic Rock bezeichnet. Bisher sind von ihr zwei EPs und drei Alben erschienen. Dazu kommt seit kurzem die neueste CD «Arrowhead». Auf der Website www.evelinntrouble.com finden sich viele musikalische Beispiele, auch solche, die nicht offiziell erschienen sind. Der Musiker Stress sagte kürzlich in einem Interview über Evelinn Trouble: «Wie sie singen kann, wie sie verschiedene Gefühlsnuancen transportieren kann, ist erstaunlich. Ich bewundere das.»

SINNFRAGEN WAGEN   27


SINNFR AGEN WAGEN

Die Überfragen wagen, ohne sich dabei zu überfragen: die nach dem Sinn. Was ist der Sinn des Lebens? Was der Sinn Ihres eigenen? Warum sind wir hier und wozu? Gibt es einen Sinn der Arbeit? Was ist Sinn eigentlich? Und Arbeit? Fragen über Fragen. Und ein paar mögliche Antworten.

Text Christian Kaiser 28  EB NAVI #3

Zeit für grosse Fragen?


DIE ANT WORTEN DER PHILOSOPHEN

Wer sucht, der findet? Eine Warnung vorweg: Der Sinn des Lebens lässt sich schlecht auf einen gemeinsamen Nenner bringen. «Sinn ist eine typisch menschli­ che Konstruktion», schreibt der Philosoph Richard David Prech, «ein Bedürfnis und eine Idee unserer Wirbeltiergehirne. So gesehen kann es nicht darum gehen, einen Sinn in der Welt zu finden, sondern wir müssen ihn uns geben.» Es gilt also vom Sinnsucher zum Sinngeber des eige­ nen Lebens zu werden. Und geben können wir uns dabei «maximal unseren eigenen Lebenssinn». Die dazugehörige Über­ frage muss lauten: Welchen Sinn sehe ich in meinem Leben? Worin finden andere Sinn?

Selbst die Profis im Fragenstellen und Antwortenfinden, die Philosophen, hel­ fen uns da nur bedingt weiter. Denn auch sie haben nur ihre ganz persönlichen Schlüsse gezogen und uns eine Auswahl­ sendung möglicher Antworten überlie­ fert (➝ Kasten rechts) Ein paar allgemein­ gültige Antworten können wir aber von jenen bekommen, die den Sinn in ihrem Leben gesehen haben. Angesichts der Endlichkeit des irdischen Daseins. Oder im Rückblick auf ein erfülltes Leben. Der amerikanische Fernsehmoderator John B. Izzo hat 235 Personen zwischen 59 und 105 befragt, die «Glück und Sinn gefun­ den haben». Er hat aus ihren Aussagen fünf Lebensweisheiten destilliert, welche die Befragten bestätigten, und sie zwi­ schen Buchdeckel gepackt. Die im Titel angekündigten «Fünf Geheimnisse, die Sie entdecken müssen, bevor sie sterben» lauten: 1. Bleib dir selber treu. Finde die Sehn­ sucht deines Herzens. 2. Lebe ohne Bedauern. Akzeptiere was ist.

Worin könnte die sinnhafte Bestimmung des Lebens liegen? Nehmen wir ein paar herausragende Dichter und Denker und lassen wir uns ein paar Vorschläge machen. Für Kant war es die moralische Pflicht, die es zu erfüllen galt. Nicht sehr sexy für das 21. Jahrhundert. Rousseau? Er sah unsere Bestimmung darin, gemäss unserer eigenen Natur leben zu können und zu dürfen: Wir sollten nie tun müssen, was wir nicht tun wollen. Er führte am Ende ein ziemlich einsames, verbittertes Leben. Tolstoi dreht das Ganze um, denn ab und zu wollen ja auch andere etwas von uns: «Das Glück besteht nicht darin, dass du tun kannst, was du willst, sondern darin, dass du immer willst, was du tust.» Für Jean-Paul Sartre besteht der Sinn des Lebens hingegen darin, sich durch sein Tun selbst zu verwirklichen. Der Sinn kann nicht von aussen kommen, denn die Welt um uns hat keinen Sinn, also sind wir dazu aufgefordert, unseren eigenen Sinn zu stiften. Daran arbeiten wir und mit unserer Existenz vergeht auch der Sinn, den wir ihr gegeben haben. Das geht anderen zu wenig weit, sie vermuten hinter diesem Selbstbezug eine Verweigerung des Dienstes an der Gemeinschaft. Peter Singer hält die Sinnstiftung der Existenzialisten um Sartre gar für asozial, es gehe darum, das Gute voranzubringen, die Welt «zu einem besseren Ort» zu machen. Für den Soziologen Niklas Luhmann entsteht Sinn erst, indem soziale Wesen miteinander kommunizieren. Was lernen wir daraus? Die Frage nach dem Sinn des Lebens kann jeder nur für sich selbst beantworten: kommunizierend, fragend, in uns selbst eintauchend und nach Werten und Idealen suchend.

3. Werde die Liebe. Liebe ist eine Wahl, ein Weg zu sein. 4. Lebe den Moment und freue dich an ihm. 5. Gib mehr, als du nimmst. Was ergibt im Nachhinein keinen Sinn?

Es sind unsere persönlichen Erfahrun­ gen, die uns helfen, unseren eigenen Sinn zu sehen. Rückblickend und voraus­ schauend. «Was wirklich zählt, ist das ge­ lebte Leben» heisst die Formel dafür bei Verena Kast, der Zürcher Grande Dame der Psychologie; ihr Buch über die «Kraft des Lebensrückblicks» trägt diesen Titel. Wirklich bereuen können wir nur das Leben, das wir nicht gelebt haben. Und das kann sehr schmerzhaft sein, wie die australische Krankenschwester Bonnie Ware in ihrem Bestseller «5 Dinge, die Sterbende am meisten bereuen» be­ schreibt. Todkranke Menschen bedauern SINNFRAGEN WAGEN   29


SCHLÜSSELMOMENT

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nichts häufiger und heftiger, als gegen die eigenen Wünsche gelebt zu haben. Bei Wares Patienten waren das: 1. «Ich wünschte, ich hätte den Mut ge­ habt, mir selbst treu zu bleiben, statt so zu leben, wie andere es von mir erwar­ teten.» 2. «Ich wünschte, ich hätte nicht so viel gearbeitet.» 3. «Ich wünschte, ich hätte den Mut ge­ habt, meinen Gefühlen Ausdruck zu verleihen.» 4. «Ich wünschte, ich hätte den Kontakt zu meinen Freunden gehalten.» 5. «Ich wünschte, ich hätte mir mehr Freude gegönnt.» Damit es nichts zu bedauern gibt, müs­ sen wir herausfinden, was wir wirklich mit unserem Leben anfangen wollen. Und das dann auch tun. Was wir letztlich alle suchten, sei unser Leben und Han­ deln mit dem eigenen Wesen in Einklang zu bringen, schreibt Verena Kast: «Das vermittelt Sinnerleben und ein gutes Selbstwertgefühl.» Was ist überhaupt Sinn?

«Gehen, reisen, fahren, eine Fährte su­ chen, eine Richtung nehmen» – diese Bedeutungsebenen stecken im indoger­ manischen Wort «sent», in welchem «Sinn» wurzelt. Wer nach dem Sinn fragt, gleicht einem Spürhund auf Fähr­ tensuche. Die verfolgte Spur: «Beim Sinn geht es um das Richtige und Wertvolle», sagt die Sinnforscherin Tatjana Schnell von der Universität Innsbruck. Hierin liege der wesentliche Unterschied zum Glück, bei welchem es primär um die an­ genehmen Gefühle geht. Die richtige, wichtige Richtung einzuschlagen sei oft auch anstrengend und unbequem und fühle sich nicht immer gut an. «Das Sinnvolle hat Vorrang vor dem Angeneh­

men», so Schnell. «Das bedeutet auch, nein sagen zu können oder wichtige Ziele engagiert zu verfolgen.» Aus welchen Sinnquellen schöpfen wir?

Das «Sinnfindding» ist also kein leichtes. Die Psychologin Schnell hat auf der Basis ihrer Forschung vier Kriterien definiert, wie man den Sinn dennoch im Auge be­ halten kann: 1. Man sollte mit gutem Gewissen sagen können: «Was ich tue, ist mir wirklich wichtig.» 2. Zu wissen, wohin die Reise gehen soll, ermöglicht eine klare Orientierung. 3. Wichtig ist das Zugehörigkeitsgefühl: Das Eingebettetsein in Familie, Freun­ deskreis erhöht die Lebenszufrieden­ heit. 4. Menschen, die für ihre Werte kämpfen und ihnen treu bleiben, empfinden das als sinnstiftend. Schnell hat zudem fünf Sinndimensionen und 26 Sinnquellen ausgemacht, wie Sinnsuchende auf die richtige Fährte kommen: Unser Verhältnis zu Spiritualität, Verantwortung, Selbstverwirklichung, Wir- und Wohlgefühl sowie das Ver­ ständnis von Ordnung fliessen gemein­ sam in unser Sinnerleben ein, haben aber unterschiedlich starke Wirkung darauf (alle 26 Quellen und ihr Einfluss finden sich auf der Infografik, Seite 48). Grossen Einfluss haben etwa Rituale oder die Generativität, also das Gefühl, etwas von bleibendem Wert zu hinterlassen. Arbeit = Sinn?

Die Experten in Sachen Sinn scheinen unserer modernen Arbeitswelt gegenüber sehr kritisch eingestellt zu sein. Philoso­ phen wie Wilhelm Schmid fordern eine umfassende Neudefinition der Arbeit im SINNFRAGEN WAGEN   31


Sinne von «Lebensarbeit» (➝ Interview Seite 14). Auch sein Wiener Kollege Kon­ rad Paul Liessmann stösst sich an dem Umstand, dass wir die Sinnhaftigkeit un­ seres Daseins vor allem an die Erwerbs­ arbeit knüpfen, dass wir unser Wesen als Mensch seit der Industrialisierung vor allem als Arbeiter sehen. Für Liessmann bestimmt die Erwerbsarbeit praktisch ausschliesslich, wer wir in unseren eige­ nen Augen und denen der anderen sind: «Erst wenn es uns gelingt, unsere unter­ schiedlichsten Tätigkeiten des Lebens vor uns und vor den anderen als Arbeit zu klassifizieren, scheinen wir etwas Wertvolles und Sinvolles zu tun.» Bist du, was du tust, oder tust du, was du bist?

Die simple Gleichung Arbeit gleich Sinn führt zu so abstrusen Wortkreationen wie Beziehungsarbeit, Erziehungsarbeit, Betreuungsarbeit, Regenerationsarbeit, Arbeit an sich selbst, Körperarbeit, Erho­ lungsarbeit usw. Sogar wenn wir nicht müssen, «arbeiten» wir, damit es nicht nach sinnloser Musse aussieht. Liess­ mann: «Fast alles, was wir tun, ist irgend­ wie Arbeit, und wenn es keine Arbeit ist, dann tun wir offensichtlich nicht wirklich etwas.» In der Antike waren das künstleri­ sche Herstellen, das soziale und politische Handeln sowie die Musse Tätigkeitsfel­ der, welche auf der gleichen Stufe standen wie die Arbeit. «Heute ist die Arbeit längst zur einzigen relevanten Quelle und zum einzig gültigen Massstab für die Wertschätzung unserer Tätigkeiten ge­ worden», schreibt Liessmann in seinem Buch «Das Universum der Dinge». Wer nach dem Sinn fragt, darf auch danach fragen, ob das wirklich so sein soll und so bleiben muss.

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Was erlebe ich als sinnvoll und authentisch?

Sinnforscherin Tatjana Schnell geht sogar noch einen Schritt weiter: Sie spricht von unserer modernen Arbeitsrealität als «sinnblinder, reflexionsverhindernder Tretmühle», welche es vielen Menschen verunmögliche, sich die für sie so wich­ tige Sinnfrage überhaupt zu stellen. Die Ursachen dafür sieht Schnell in Leis­ tungs- und Konkurrenzdruck, Kampf um Job und Karriere sowie dem Funktionie­ renmüssen. Es gebe immer weniger Mög­ lichkeiten, für sich auszuprobieren oder zu hinterfragen, was man selbst als sinn­ voll und authentisch erlebe. Aber die Sehnsucht der Menschen nach Sinn ist stark – und so wird sich die Arbeitswelt vielleicht bald an ihr orientieren müssen, nicht umgekehrt: «In Zukunft wird es in der Berufswelt nicht mehr allein oder pri­ mär um monetäre Entlöhnung gehen, sondern um den grösseren Zusammen­ hang der Partizipation, gesellschaftlichen Verantwortung und Sinnhaftigkeit des beruflichen Tuns», sagte Schnell in einem Interview mit der Zeitschrift «Psychologie heute». Dieser Trend werde auch Schule und Ausbildung erfassen: «Förderung von Persönlichkeitsentwicklung, Glücks­ erleben und Gemeinschaftssinn» wür­ den künftig gleichberechtigt neben der Wissensvermittlung stehen, so Schnell. Warum tue ich das? Warum will ich das tun?

Wer Jugendliche unterrichtet und ihnen Aufgaben stellt, bekommt oft die Frage nach dem Warum zu hören: «Warum soll ich das tun?» Nach einer kurzen Erklä­ rung wird es entweder heissen: «Ja, das macht Sinn» oder: «Das ist doch völlig sinnlos!» Die Frage nach dem Sinn ist die Frage nach dem Warum. In seinem Bestseller «Start with Why» zeigt Simon


4 2 AL S DIE WAHRE ANT WORT Kennt die Literatur oder die Kunst den Sinn? «Vielleicht kennen tatsächlich nur die Schriftsteller und die Aphoristiker die Wahrheit.» Das schreibt der Philosoph Richard David Precht («Wer bin ich – und wenn ja, wie viele?») zum Thema Sinnkonstruktion. Vielleicht. Aber welcher in der Literatur beschriebene Sinn gilt dann und wenn ja, für wen? Der Grieche Solon etwa hatte ein Gedicht geschrieben, in welchem er beschreibt, welche Aufgaben und Entwicklungen im Siebenjahreszyklus des Lebens anstehen. Von 28 bis 42 sind das: «Im fünften Jahrsiebt trachtet der Mann nach Vermählung, dass in Zukunft hinaus wachse ein blühend Geschlecht. Darauf im sechsten reift des Mannes Gesinnung und stählt sich, künftig mag er nicht mehr wirken an nichtigem Werk.» Rund um 42 steht dann ein weiterer Wendepunkt an: «Vierzehn Jahre hindurch, im siebten und achten Jahrsiebt, blühen in Fülle und Kraft Rede ihm und der Geist.» Die zum Sprichwort gewordene Maxime für Sinnsuchende hat der Dichter Rainer Maria Rilke in einem Sonett geprägt: «Du musst dein Leben ändern.» Zu diesem Schluss gekommen ist er 1908, während er in die Betrachtung einer Skulp-

Sinek, dass erfolgreiche Persönlichkeiten wie Martin Luther King Jr. oder Steve Jobs alle nach demselben Muster dach­ ten, handelten und kommunizierten. Eines, das wir schon aus unserer frühes­ ten Kindheit kennen, aber irgendwann verlernt haben; die Frage nach dem Wa­ rum zu stellen und ständig zu wiederho­ len. Mit diesem Ansatz schafften die Leader es besipielhaft, bedeutende Dinge zu vollbringen und vor allem auch: ihre Mitstreiter zu inspirieren. Das Warum kann auch eine wirksame Methode der Mitarbeiterführung sein; wer den Sinn des eigenen Handelns sieht, geht moti­ vierter ans Werk. Was macht sinnerfüllte Arbeit aus?

Dieser Frage widmen sich die drei renommierten Psychologen Howard Gardner, William Damon und Mihaly Csikszentmihalyi seit Anfang der Neun­ zigerjahre in ihrem «Good Work Project» (thegoodproject.org). Sie haben über die Jahre ein «Toolkit» und ein «Guide­

tur des Gottes Apoll versunken war. Dem Gott der Kunst war in der Antike auch das Orakel von Delphi gewidmet, über dessen Eingang steht: «Erkenne dich selbst.» Literatur und Kunst nehmen aber die Sinnfragerei auch gern auf die Schippe und belächeln die Suche nach einer Antwort als sinnloses Unterfangen. Die englische Blödeltruppe Monty Python hat den Irrfahrten der Sinnsuchenden 1983 einen ganzen Film gewidmet. Denn eigentlich sei «The Meaning of Life» ja überhaupt nichts Besonderes: ein bisschen nett sein, auf fettes Essen verzichten, in Frieden und Harmonie zu leben versuchen, ab und zu Besuch empfangen und ein gutes Buch lesen. Eines wie das von Douglas Adams etwa: In «the Hitchhikers Guide to the Galaxy» errechnet ein Computer die letzte Antwort auf die «ultimative Frage des Lebens, des Universums und dem ganzen Rest». Das Resultat ist die Zahl 42. Das Problem ist nur, dass mit dieser Antwort niemand etwas anfangen kann, weil niemand weiss, was genau die ultimative Frage war. Um das herauszufinden, wird aus organischem Material ein Supercomputer gebaut: die Erde. Vielleicht ist auch das wahr; es ist das Leben dieses Planeten, das für uns die ultimative Frage errechnet. Leider wird sie – wie im Hitchhikers Guide – nie damit fertig. Und so rätseln wir weiter ins Blaue.

book» kreiert, mit welchem junge Be­ rufsleute für sich klären können, was für sie gute und erfüllende Arbeit ausmacht. Für ihre Forschung haben sie über 1200 Interviews mit Berufsleuten aus neun verschiedenen Berufen geführt und in Fallstudien («Narratives») publiziert. Die wichtigsten Ergebnisse dieser jahrzehn­ telangen Forschungsarbeit beschreibt Howard Gardner in drei Punkten: 1. «Good Work» zeichnet sich durch die drei E aus: Exzellenz im Sinne von herausragender Qualität, Engagement im Sinne von persönlicher Leistungs­ bereitschaft und Ethik im Sinne einer Ausführung, die sich an ethischen Kri­ terien orientiert. 2. Gute Arbeit lässt sich einfacher ver­ wirklichen, wenn alle Beteiligten das­ selbe wollen: Gardner spricht von «alignment», was so viel wie «gleich­ gerichtete Interessen» bedeutet. In zahlreichen Fallstudien hatte sich ge­ zeigt, dass die Unzufriedenheit bei der Arbeit daher rührte, dass die Beteilig­ SINNFRAGEN WAGEN   33


DIE ANT WOR T DER PSYCHOTHER APIE Macht Sinnlosigkeit krank? «Die Frage ist falsch gestellt, wenn wir nach dem Sinn des Lebens fragen. Das Leben selbst ist es, das dem Menschen Fragen stellt.» Diese Erkenntnis stammt von Viktor E. Frankl, dem grossen österreichischen Psychiater und Sinnforscher. Für ihn werden die Fragen an einen herangetragen, nicht selten durch eine existenzielle, lebensbedrohende Krise. Frankl selbst überlebte die KZs der Nazis nur knapp: Auschwitz, Dachau, Türkheim. Solch übergrosses Leid durchstehen kann nur jemand, der um einen Sinn weiss, den er in der Zukunft verwirklichen will. Sigmund Freud beschäftigte sich mit dem «Willen zur Lust», Alfred Adler mit dem «Willen zur Macht» und Viktor Frankl mit dem «Willen zum Sinn» als Hauptmotivation des Menschen. Alle drei begründeten wichtige Schulen der Psychotherapie: Frankl ist Begründer der Logotherapie, welche den Sinn in den Mittelpunkt der menschlichen Existenz stellt. Der Sinn ist für ihn nichts weniger als die Voraussetzung für menschliches Glücksempfinden. «Glück stellt sich spontan ein, wenn wir einen Sinn in unserem Leben entdecken. Anders gesagt: Wenn wir unsere eigenen Antworten auf die grossen Fragen gefunden haben.» Frankl ist davon überzeugt, dass es diesen Sinn im Leben gibt: Wenn Durst beweist, dass es Wasser gibt, dann

ten nicht auf dieselben Ziele ausgerich­ tet waren. Allerdings kann man auch in einem solchen Umfeld gute Arbeit verrichten. Gardner dazu: «Die Ent­ scheidung, gute Arbeit anzustreben, ist eine persönliche.» 3. Eine viel versprechende Art, sich der guten Arbeit anzunähern, ist sich immer wieder die Frage zu stellen: «Für wen oder was fühle ich mich ver­ antwortlich?» Oder: «Soll ich mich verantwortlich fühlen?» Natürlich gibt es auf diese Frage nicht eine einzige korrekte Antwort. Wer die Verantwor­ tung jedoch regelmässig hinterfragt und diskutiert und seine Entscheidun­ gen darauf abstellt, wird in Zukunft eher gute Arbeit abliefern. Wann ist eine Arbeit gut?

Das erklärte Ziel des grossangelegten «Good Work Projects»: Individuen welt­ weit zu ermutigen, sich damit zu beschäfti­ gen, was sinnerfüllte Arbeit ausmacht, und sie dann auch auszuführen. Ein Fragen­ 34  EB NAVI #3

beweist das Bedürfnis der Menschen nach Sinn auch, dass es einen solchen zu entdecken gilt. Kann der Mensch jedoch seinen Willen zum Sinn in der Lebenspraxis nicht zur Geltung bringen, können bedrückende Sinn- und Wertlosigkeitsgefühle entstehen. Das kann psychische Erkrankungen auslösen oder verstärken. Hier setzen die Logotherapeuten an: Sie helfen, die individuellen und einzigartigen Sinnmöglichkeiten, die in jeder Situation verborgen liegen, aufzuspüren und den Gestaltungsfreiraum zurückzugewinnen. Frankl geht davon aus, dass für jeden Menschen jederzeit eine sinnvolle Aufgabe bereitliegt. Eine Möglichkeit, sich selbst oder die Welt im Positiven zu verändern. Das Sinnfindungsorgan ist das Gewissen: Die Ansprüche des Gewissens lassen einen die konkreten Aufgaben erkennen, die das Leben stellt. «Sinn kann nicht gegeben, sondern muss gefunden werden.» Die Grundfragen dazu fanden sich für Frankl in einem Aus­ spruch des jüdischen Rabbi Hillel: «Wenn nicht ich – wer dann? Wenn nicht jetzt – wann dann? Wenn nur für mich – was bin ich?»

katalog mit acht zentralen Fragefeldern soll dazu beitragen, exzellente, enga­ gierte und ethisch fundierte Arbeit zu leisten: 1. Wie definiere ich für mich «gute Ar­ beit»? Wie definieren sie andere? 2. Was braucht es, um gute Arbeit auszu­ führen? 3. Was sind meine eigenen Anforderun­ gen? Was sind die professionellen Ansprüche an Exzellenz und Ethik in meinem Berufsfeld? Wie kann ich die unterschiedlichen Bedürfnisse der verschiedenen Anspruchsgruppen un­ ter einen Hut bringen? 4. Welches sind die Faktoren, die es für mich schwierig machen, meine beste Arbeit zu leisten? Wie kann ich mich auf diese Herausforderungen vorbereiten? 5. Wie kann meine Organisation, mein Netzwerk exzellente, engagierte und ethische Arbeit unterstützen? 6. Warum ist gute Arbeit für die Gesell­ schaft wichtig? Für meine Organisa­ tion, für meinen Beruf?


7. Inwiefern ist meine Arbeit sinn-voll, sinn-stiftend für mich? Was sind meine Ziele? Was möchte ich von mei­ ner Arbeit zurückerhalten? 8. Weshalb ist gute Arbeit für mich als Individuum wichtig? Welches sind die sinnstiftendsten Jobs?

Ende 2014 hat das Wirtschaftsmagazin «Bilanz» eine interessante Umfrage zur Sinnhaftigkeit von Berufsfeldern durch­ führen lassen. Das wenig überraschende Resultat: Als mit Abstand am sinnstif­ tendsten erachten jene Menschen ihre Ar­ beit, welche in sozialen Institutionen oder Heimen arbeiten (Sinnfaktor 8.6 auf einer 10-stufigen Skala). Dahinter folgen Jobs in Gastgewerbe / Hotellerie (7.8) und in Spitälern / Kliniken (7.4). Abgeschlagen auf dem letzten Platz stufen sich Banker und Versicherungsangestellte ein (Platz 13, Sinnfaktor 5.2), nur unwesentlich besser DIE PERSPEK TIVE DER NEUROWISSENSCHAF T Was ist Arbeit und warum macht Musse Sinn? Der Göttinger Professor und Neurobiologe Gerald Hüther sagt: «Das menschliche Gehirn ist nicht für die Durchführung bezahlter Dienstleistungen, sondern für das Lösen von Problemen optimiert.» In diesem Sinne können wir also eine bezahlte Tätigkeit noch so hervorragend und engagiert ausführen, wenn sie nicht Probleme aus der Welt schafft oder für jemanden von konkretem Nutzen ist, wird es keine hirn- und menschengerechte Arbeit sein. «Jede körperliche oder geistige Anstrengung, um eine Bedrohung abzuwenden oder eine Herausforderung zu meistern, neues Wissen zu erwerben oder neue Fähigkeiten zu entwickeln ist Arbeit in einem, nicht entfremdeten, dem Menschen gemässen Sinn», schreibt Hüther in seinem Buch «Was wir sind und was wir sein könnten». Das Ergebnis dieser Arbeit ist die eigene Weiterentwicklung, die Vervollkommnung, die Entfaltung von bis dahin nicht sichtbaren oder noch nicht entwickelten Potenzialen. Wenn wir uns also fragen, in welche Art von Arbeit wir unsere Talente und Energie einfliessen lassen sollen, dann sollten wir den Arbeitsbegriff möglichst weit fassen. Und vor allem die Quellen nicht vergessen, die wir brauchen, um für diese Arbeit aufzutanken.

dran sehen sich Angestellte der öffentli­ chen Verwaltung (5.3) und in der Infor­ matik / IT Tätige (5.6.) Auf den hinteren Plätzen der Sinnskala wird der Sinn des eigenen Tuns weniger klar durch einen direkten Nutzen für die anderen gespie­ gelt, ist weniger erfass- und erlebbar. Wie hoch ist meine Sinnintelligenz?

In der künftigen Berufswelt wird unser MQ gleich wichtig sein wie der IQ. MQ steht für die Intelligenz der Sinnstiftung (Meaning) und des intuitiven Gefühls: «Sinn für Sinn», Sinnhaftigkeit, Ethik, Bedeutung, Moral, Engagement gehören zu ihr. Sie geht von einem positiven Men­ schenbild aus und liebt weltrettende Konzepte. M-Intelligente arbeiten oft ehrenamtlich und bewegen Menschen zur Mithilfe (NGOs wie Greenpeace). Sie streben nach der Verwirklichung von Ide­ alen und können oft viel für die Gemein­ schaft bewegen (z.B. in sozialen Netz­ werken wie Wikipedia). Gunter Dueck, Mathematiker und Vordenker ist davon überzeugt, dass der MQ eine Schlüsselin­ telligenz ist für Exzellenz im Beruf. In der Realität mangelt es Dueck aber noch an MQ; die Menschen hätten oft Mühe, sich von der im Business grassie­ renden Untugend abzukoppeln, schreibt Dueck auf seinem Blog (omnisophie. com). Daher mögen auch viele Sinnfra­ gen herrühren. Der Schlusssatz von Gun­ ter Duecks Buch «Topothesie» lautet: «Der Sinn des Lebens ist, dass Menschen voller Sinn das niemals wissen müssen.» Topothesie bedeutet frei übersetzt eine «lebhafte Schilderung einer wunder­ schön vorgestellten Welt». Vielleicht ist genau das der Trick: Dort, wo wir uns die Welt wunderschön vorstellen, liegt der Sinn, dahin sollen wir reisen. Um irgend­ wann anzukommen.  n SINNFRAGEN WAGEN   35


«Sinn macht, immer Neues zu lernen.» Vital Seeholzer ➝ Seite 71

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SINNFR AGEN WAGEN

Sinnfragen: Der Sinn des Lebens? Fragen wagen. Was macht für mich Sinn? Wer Sinn sucht, sich eine sinnstiftende Tätigkeit oder eine sinnvolle Aufgabe wünscht, sollte sich ein paar Gedanken darüber machen, was Sinn überhaupt für sie oder ihn bedeutet. Worin also könnte die sinnhafte Bestimmung des eigenen Lebens liegen? In unserem Fragebogen auf den nächsten Seiten sehen Sie, welche Sinnfragen Kursteilnehmende der EB Zürich sich und anderen gestellt haben. Text Christian Kaiser Illustrationen Jan Zablonier

Die grosse Frage stellen

gut erview: «Ob die Fragen te einmal in einem Int gen.» sag g Fra sch ren Mu sse olf grö Ad r zu elle rten führen, sondern two Der Schweizer Schriftst An zu n nie ma sie lte s n nur daran, das agen? Vielleicht sol gestellt sind, merkt ma n als die grossen Sinnfr sei r gen sse Fra e grö h ohn n noc n ma könnte ist nur, dass Huch, welche Fragen ... Das Problem dabei n doch besser lassen das Fragenstellen dan rten erhält. garantiert keine Antwo

Was ist fragwürdig und was fraglos? Jeder Erkenntniszuwachs beginnt doch mit einer Fragestellung, die Lösung eines Problems setzt beim Formulieren der Frage an. Für die Philosophen ist erst der Augenblick, in dem die gängigen Überzeugungen, in dem das bisher fraglos Hingenommene fragwürdig wird, der Geburtsmoment der Philosophie. Menschen, denen nichts fragwürdig erscheint, die nichts in Frage stellen, werden garantiert nie Philosophie betreiben. Alle anderen schon.

Fragen heisst lernen Philosophie – und das Lernen ganz allgemein – zielen auf Erkenntnisgewinn, und der Weg dorthin führt nun mal über die (richtige) Fragestellung. Drum: Wer etwas über sich selber lernen möchte, kommt um das Fragenstellen nicht herum: Wie würden Sie die Frage formulieren, die Sie im Moment am meisten beschäftigt? Worauf hätten Sie im Moment gern eine Antwort? Weshalb? Was verbinden Sie alles mit diesen Fragen?

Fragekatalog aus X Fragen

Neben den Fragen, die man sich selbst stellt, können für einen persönlich wichtige Fragen auch von aussen an einen herangetragen werden. Auf den nächsten drei Seiten sehen Sie, welche Fragen Teilnehmende in Kursen der EB Zürich sich selbst und anderen rund um Sinn gestellt haben. Wir haben insgesamt 72 Fragen ausgewählt. Wählen Sie intuitiv eine Zahl zwischen 1 und 72, lesen Sie die Frage und überlegen Sie sich, wie Sie antworten würden und was diese Frage mit Ihrem Leben zu tun haben könnte. Und vergessen Sie vor lauter Fragen nicht, sich auf die Antworten, die Sie kennen, SINNFRAGEN WAGEN   37 zu verlassen!


Fragebogen: Fragen wagen! Träumst du und wenn ja, wovon handeln deine Träume im Moment? Glaubst du an eine geistige Welt ausserhalb unserer realen, sichtbaren? Denkst du, dass es einen freien Willen gibt? Dass man selbst über die Wege seines Lebens entscheiden kann? Wie viele Partner in deinem Leben hast du wirklich geliebt? Und mit wie vielen warst du insgesamt zusammen? Glaubst du an glückliche Beziehungen und auch daran, dass du sie verdient hast und imstande bist, sie zu verwirklichen? Was bedeutet Monogamie für dich? Du hast noch 48 Stunden Zeit zum Leben, was tust du? Was bedauerst du, (noch) nicht gemacht zu haben? Wenn du einen Tag ohne Angst leben könntest, was würdest du wagen? Gibt es etwas, das du deinem Partner verheimlichst? Ekelt dich etwas an deinem Partner? Glaubst du an ein Leben nach dem Tod? Du hast drei Wünsche offen, was wünschst du dir? Hörst du, dein Herz für dich schlagen? Wie geht es dir mit deinem Leben? Wo hättest du dein Lebensskript geändert, wenn du hättest können dürfen? Wo führt es hin, wenn du dich treiben lässt? Was sind deine schlimmsten Ängste? Könnten deine Ängste auch die von jemand anders sein? Wie oder was bleibt übrig, wenn aus Wir wieder du und Ich wird? Denkst du, dass die Sonne scheint, weil sie keine andere Wahl hat? Erkennst du dich jeden Morgen im Spiegel? Welches war deine letzte Heldentat? Welches ist deine erste / wichtigste / prägendste / traurigste… Kindheitserinnerung? Wie würdest du deinen Platz in der Welt beschreiben? Gibt es einen Lebensauftrag, einen Lebenssinn? 38  EB NAVI #3


Welche Bücher helfen dir weiter? Welche Tageszeit magst du am liebsten? Was magst du an deinem Zuhause? Worüber freust du dich im Alltag am meisten? Wohin verreist du am liebsten? Welche Gerichte gelingen dir in der Küche am besten? Was sind deine Lieblingsgegenstände? (Gebrauchsgegenstände, Deko etc.) Wieso gibt es so viele Fragen und so wenige Antworten? Wo möchtest du leben? Wie wohnen? Wie viele Nationen sind in dir vereint? Was lässt dich jeden Tag aufstehen? Wann beginnst du dein Leben zu leben? Woran sieht man das? Was bewegt dich, mehr über dich zu erfahren? Wofür bist du bereit zu leiden? Woran hast du echte Freude? Wie kannst du deine Lebenserfahrung am wirksamsten nutzen? Wo / wie siehst du dich in 10 Jahren? Was macht dich einzigartig? Wie bist du zu dem / der geworden, die / der du bist? (oder zu sein glaubst?) Hast du gerade ein Lieblingswort? Was beschäftigt dich im Moment? Was sind deine Tankstellen? (Wo holst du dir Kraft?) Als was möchtest du im nächsten Leben auf die Welt kommen? Warum? Willst du anders als die andern sein? Wieso? Glaubst du an Leben nach dem Tod? Was waren die Highlights in deinem Leben? Was die „Lowlights“? Wer oder was widerstrebt dir am meisten?

SINNFRAGEN WAGEN   39


Was macht das Leben farben-froh? Wohin geht deine Reise? Was treibt dich an? Bist du glücklich mit deinem Job? Wie lange gibst du dir Zeit für den nächsten Sprung? Was bringt dich zum Lachen? Dein grosses Vorbild? Warum? Wo ist dein Horizont? Wie kannst du frei sein und gleichzeitig in Beziehung leben? Wie gelingt es dir, abzuschalten? Wie unterscheidet man, was man akzeptieren und wofür man kämpfen muss? Kannst du dir vorstellen noch einmal etwas ganz anderes zu tun? Was? Warum fängst du immer wieder etwas Neues an? Was bedeutet für dich „ein gutes Leben“? Was war dein bisher allerschönstes Erlebnis? Welche Rolle spielt Achtsamkeit in deinem Leben? Was ist dir als Mensch wichtig und wie versuchst du das zu leben? Wie kann man sich und anderen die Angst nehmen? Wo schlägt dein Herz besonders freudig? AUF KURS BLEIBEN Schreiben zur Selbsterkenntnis Sich selbst auf die Spur kommen und in eine veränderte Realität hineinschreiben Round-Table «Schreiben über mich selbst» Biografische Aufzeichnungen als Grundlage für literarische Texte Schreibdenken: Schreiben als Denkwerkzeug nutzen Die eigene «Schreibstimme» zur Reflexion von Lernprozessen nutzen Scharf denken – Ethik aktuell Philosophisches Denken für mehr Verantwortung im Alltag Anmelden: eb-zuerich.ch/sinn

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CAR TE BL ANCHE

Das Ziel, das Scheitern daran und der Sinn dahinter Text Tim Krohn

Auf dem Unterarm des Tennisstars Stan Wawrinka ist das berühmte Zitat mit schwarzer Tinte unter der Haut eingraviert, das von Samuel Beckett stammt: «Immer versucht. Immer gescheitert. Egal. Versuch es wieder. Scheitere wieder. Scheitere besser.» Tim Krohn schreibt in seinem Text, dass er erst durchs Scheitern zu dem geworden ist, was er (heute) ist. Scheitern sei sinnvoll. Ein Hausboot hat er nicht zusammenbauen können, dafür schreibt er lesenswerte Texte.

Wenn ich zwei Punkte und einen Strich male, sehen fast alle darin ein Gesicht, warum? Es bleiben doch zwei Punkte und ein Strich. Aber das ist das Wesen des Menschen (vielleicht nicht aller Menschen): Wo zwei Dinge sind, setzen wir sie in Beziehung zueinander. Wo ein Mensch und ein Ereignis auf­ einanderprallen, suchen wir dahinter nach einem Sinn. Das ist auch der Unterschied zwischen einem Roman und einer lückenlosen Chronologie von Ereignissen: Meine Aufgabe als Schriftsteller ist es, für die blosse Reihung von Ereignis­ sen, die ein menschliches Leben ausmachen mag, eine ver­ borgene Ordnung zu finden, ein Thema zu behaupten, das in dieser Reihung durchdekliniert werde, eine Lösung – oder Erlösung – zu erkennen und so dem Leben Sinn zu geben. Nun ist es – beim Schreiben wie im Leben – so, dass ein Ziel meist früh gesteckt wird, der wahre Sinn des Ganzen jedoch meist bis zuletzt verborgen bleibt: Ich erinnere mich, dass ich als Kind «Huckleberry Finns Abenteuer» las und seither davon träumte, auf einem Floss das Glarnerland zu verlassen und die Welt zu bereisen. Und obwohl ich wusste, dass die Linth, die ich von meinem Schlafzimmer aus rauschen hörte, kein schiffbares Gewässer ist, konnte ich an keinem gefällten Baumstamm vorbeigehen, ohne ihn abzutasten, zu beklop­ fen und daraufhin zu untersuchen, ob er zum Floss tauge. Kaum hatte mein Vater sich eine kleine Axt gekauft, um aus dem Schnittholz, das in unserem Garten anfiel, Späne für den Grill zu schlagen, versuchte ich, im Wald einen frisch gefällten Baum auszuhöhlen und mir – so weit hatte sich meine Idee inzwischen verändert – ein Kanu zu bauen. SINNFRAGEN WAGEN   41


Doch ich kam nicht weit, und auch der Versuch, den Stamm zu Brettern zu zersägen, scheiterte. Im Jahr davor hatte ich mir nämlich vorgenommen, das Forsythiendickicht am Ende des Gartens von innen her auszudünnen, um mir einen Unterschlupf vor den Nachbarskindern zu bauen, vor denen ich stets auf der Flucht war. Dazu hatte ich Vaters alten Fuchsschwanz mit dem schön geschwungenen Holz­ griff verwendet, den ich leider zurücklassen musste, als ich vor den Kreuzspinnen im Dickicht floh, und bis mein Vater den Fuchsschwanz vermisste und mich zwang, ihn zu holen, war das Sägeblatt schon rostzerfressen. So blieb ich, als ich den Stamm zerteilen wollte, damit im noch feuchten Holz stecken – und ohnehin, lernte ich, war der Fuchs­ schwanz viel zu kurz, um damit einen Stamm zu zersägen. Aus einem Schalbrett, das ich von einer Baustelle stahl, wollte ich nun Leisten sägen, denn inzwischen plante ich, ein Hausboot zu bauen. Obwohl ich krumm sägte, was gerade werden sollte, und umgekehrt, war meine Begeiste­ rung ungebrochen, zum Gespött meiner Familie und der Nachbarskinder. Ich hatte schon ein Baumhaus bauen wol­ len, eine «Seifenkiste» und eine Schatztruhe, geglückt war mir nichts davon. Deshalb glaubte nur noch ich selbst an mich. Umso unermesslicher malte ich mir den Triumph aus, wenn ich dereinst dem Meer zutrieb und Glarus für immer den Rücken kehrte. Für den Aufbau des Bootes brauchte ich gebogene Leisten, über die ich Zelttuch spannen wollte, so hatten Jim und Huckleberry Finn den Mississippi befahren. Da es mir nicht gelang, die Krümmung zu sägen, beschloss ich, Dach­ leisten zu biegen. Mit meinem gesamten Taschengeld kaufte ich dem Dachdecker zwei Leisten ab. Ich hatte noch kein Tuch und keine Nägel, und auch die Latten zerbrachen gleich, als ich sie biegen wollte. So sägte ich sie in armlange Stücke und kochte sie im hohen, mit veilchenfarbener Emaille überzogenen Windeleimer, den meine Mutter benutzt hatte, bevor sie eine elektrische Waschmaschine bekam. 42  EB NAVI #3


Tatsächlich gelang es mir nach zweistündigem Kochen und einer verbrühten Hand, den durchweichten Knebeln eine immerhin leichte Krümmung zu geben, indem ich sie auf die geschwungenen Stuhllehnen im Esszimmer klammerte, zurrte und nagelte. Nur rissen sie, als ich sie miteinander verschrauben wollte. Zudem hatten die Stuhllehnen gelitten, und so war alles, was ich aus meinen Bemühungen gewann, ein Donnerwetter meines Vaters und das kategorische Ver­ bot, weiter für mein Hausboot zu forschen. Ich versuchte noch, aus den Lattenstücken neue Stuhllehnen zu schnitzen, doch nicht einmal das wollte mir gelingen, und leider hatte ich die alten Lehnen bereits aus den Stühlen herausgesägt.

Foto Katharina Lütscher

Mein Scheitern plagte mich sehr, denn die Sommer im Glarnerland waren leer und trüb. Denn Sinn des Ganzen erkenne ich erst heute: Mein unerfülltes Sehnen schärfte meine Fantasie, das ewige Scheitern mein Durchhaltever­ mögen. Beides ist unerlässlich, wenn ich mich über Jahre in einen Romanstoff hingebe, nie wissend, ob ich wieder scheitern werde (und ich scheitere auch heute noch oft), in all der Einsamkeit des kleinen Jungen von damals, der allein an sich glaubt, und niemanden hat, der nachvollzie­ hen könnte, was das Kind da treibt. So konnte ich nur durch mein Scheitern der werden, der ich heute bin, die Sache war so gesehen höchst sinnvoll. Was allerdings wiederum der Sinn davon ist, dass ich bin, wer ich bin, und kein ande­ rer, wüsste ich auch noch nicht zu sagen ...

Tim Krohn wurde 1965 in Deutschland geboren. Aufgewachsen ist er in Glarus, heute lebt er als freischaffen-

der Schriftsteller mit seiner Familie in Santa Maria im Val Müstair. Einem breiteren Publikum ist er mit seinen Romanen «Quatemberkinder» und «Vrenelis Gärtli» bekannt geworden. Charakteristisch für beide Werke ist, dass Krohn darin Hochsprache mit mundartlichen Passagen verschmilzt. Auch für seinen neusten Roman «Aus dem Leben einer Matratze bester Machart» erhielt der Schriftsteller

beste Kritiken. «So absurd die Grundkonstellation […] auch klingen mag, was Tim Krohn hier zusammenschnürt, ist schier brillant und mithin das unbedingte Gegenteil zu Heerscharen beliebiger Episodenromane», stand zum Beispiel in «Zeit online». Sein neustes Projekt besteht darin, über 777 menschliche Regungen und Charakterzüge eine Geschichte zu schreiben.

SINNFRAGEN WAGEN   43


«Sinn macht, etwas Konstruktives zu machen.» Ursula Kubicek ➝ Seite 71

44  EB NAVI #3


«Sinn macht, einen klaren Weg zu gehen.»

Ivan Novakovic ➝ Seite 71

SINNFRAGEN WAGEN   45


SERVICE

Eine Formel fürs Glück? Menschen wollen glücklich sein. Können wir überhaupt beeinflussen, ob wir mit einem glücklichen, sorgenfreien Leben gesegnet sind oder ob das Leben uns eher seine Schatten­ seiten präsentiert? Die Glücksforschung sagt ja: sechs wichtige Glückstipps. Text Kristin Mock

Was es für ein erfüllendes Leben braucht, das er­ forscht seit einiger Zeit die «positive Psychologie». Ein Pionier auf diesem Gebiet ist der amerikanische Psychologe Martin Seligman. Er kommt zum Schluss, dass Glück nicht einfach schicksalhaft gegeben ist oder nicht; um im Privatleben oder im Beruf zufrieden(er) zu werden, kann man an sich arbeiten. Statt uns zu fragen, ob wir glücklich sind, sollten wir uns viel eher die Frage stellen: «Wie kann ich glücklich werden?» Diese Fragestellung bringt zum Ausdruck, dass wir unser Glück selber schmieden – in einem Prozess, der nicht an einem bestimmten handgeschmiedeten Glückstor endet. Glücklicher zu werden ist eine lebenslange Aufgabe. Glück steht in der Hierarchie der Ziele ganz oben; alle anderen Ziele führen zu diesem einen Ziel. Nun hat jeder Mensch seine persönliche Glücksformel: Den einen macht es glücklich, wenn er alleine in der Natur spaziert – den anderen, wenn er gemeinsam mit anderen Menschen ein Fest feiert. Dennoch hat die Glücksforschung einige allgemein­ gültige Empfehlungen ausgemacht: 1. Beziehungen zu anderen Menschen haben oberste Priorität Menschen fühlen sich am häufigsten und intensivs­ ten glücklich, wenn sie mit anderen zusammen sind. Liebe, Freundschaft, Geselligkeit, Kameradschaft sind auch im Zeitalter des Individualismus das beste Mittel für Glück.

46  EB NAVI #3


2. Tue so, als ob du glücklich wärst, und du wirst es sein Z.B. verändert Lächeln unsere Stimmung, egal ob es ein echtes Lächeln ist oder nicht. Unsere Körper­ sprache signalisiert somit nicht nur gegen aussen, wie wir uns fühlen, sondern beeinflusst auch unseren Gemütszustand. Der Glücksforscher David Myers sagt dazu: «Going through the motions triggers the emotions.» 3. Setze dir lohnenswerte Ziele Ziele zu haben, trägt massgeblich zum Glücklichsein bei. Sie hingegen zu erreichen, ist eher nebensäch­ lich. Wichtig ist hingegen, dass es Ziele sind, die lohnenswert sind. Das ist dann der Fall, wenn sie dem Leben Sinn und Zweck geben. Wenn wir ein Ziel vor Augen haben, dann konzentrieren wir uns mehr darauf, Freude zu erlangen, als Schmerzen zu vermeiden. Ziele sind ein Grund, morgens aufzu­ stehen. Sie machen auch schwere Zeiten erträglicher und gute Zeiten besser.

4. Sei dankbar Dankbarkeit aktiv zu spüren, macht Menschen nach­ weislich glücklich. Dabei ist es nebensächlich, wofür und für wie viele Dinge wir dankbar sind. Sich aktiv zu überlegen, was man bisher im Leben erlebt hat, wofür man dankbar ist, erzeugt ein positives Gefühl und macht es oftmals auch möglich, Ereignisse, die weniger schön waren, in den Hintergrund treten zu lassen. 5. Konzentriere dich auf das Wesentliche Für viele in den westlichen Industrieländern sind die Möglichkeiten, das Leben zu gestalten, fast un­ begrenzt, sofortige Bedürfnisbefriedigung ist garan­ tiert. Der ungebremste Leben nach dem Genuss kippt dann teilweise in die Unfähigkeit, Freude zu empfinden oder geniessen zu können. Deshalb soll­ ten wir die Bedingungen des Geniessens kontrollie­ ren, uns auf das Wesentliche konzentrieren und uns der Dauerberieselung und Überfütterung entziehen. 6. Geniesse den Augenblick Achtsamkeit und volle Konzentration auf das, was gerade passiert, ganz bei der Sache bleiben, ohne dabei an etwas anderes zu denken, erzeugt das woh­ lige Gefühl von Glück.

Kristin Mock leitet als Arbeits- und Organisationspsychologin Change-Projekte im Personalwesen. An der EB Zürich bietet sie Kurse zum Thema Glückskompetenz, Nein-Sagen und Persönlichkeitstypologie an. Die Arbeit rund ums Thema Glück macht sie selber sehr zufrieden. In ihrem Mutterschaftsurlaub beschäftigt sie sich auch intensiv mit der Frage, wie sie ihren Sohn glücklich machen kann.

SINNFRAGEN WAGEN   47


Sinn, Zufriedenheit und Hoffnung «Beim Sinn geht es nicht um Glück, sondern um das Richtige und Wertvolle.» Das sagt die Sinnforscherin Tatjana Schnell von der Universität Innsbruck und unterlegt ihre Aussagen mit einer Studie. Text Fritz Keller Infografik Daniel Röttele

1

Bedeutsamkeit, Richtung und Orientierung, Zugehörigkeit sowie Stimmigkeit sind laut Schnell zusammengefasst die wesentlichen sinngebenden Merkmale in unserem Leben. Was wir tun, wie wir handeln, das muss bedeutungsvoll sein, für uns und vor allem auch für andere. Dann sollten wir wissen, wohin die Reise im Leben geht, dem inneren Sinnkompass folgend. Und wir sollten uns aufgehoben fühlen in Familie, Freundeskreis, in Gruppen mit Arbeitskollegen und Gleichgesinnten. Wenn das alles zusammenpasst und wir unseren fundamentalen Lebenszielen treu bleiben, dann fällt das Antworten auf die Sinnfrage um einiges leichter.

Welche Bereiche dem Leben einen Sinn geben

Eine repräsentative Studie der Universität Innsbruck untersuchte den durchschnittlichen Einfluss von 26 Lebensbereichen auf das Sinnempfinden. Die Studie wurde in Deutschland durchgeführt, gilt aber auch für die Schweiz. Je mehr der 26 «Sinnquellen» bei einem Menschen eine Rolle spielen, desto grösser das Sinnempfinden. Die untersuchten Lebensbereiche lassen sich in fünf Gruppen einordnen: horizontale Selbsttranszendenz* vertikale Selbsttranszendenz** Selbstverwirklichung Wir- und Wohlgefühl Ordnung

0,31

0,32

0,33

0,33

0,29

0,26

0,23

0,16

0,17

0,23

0,24

0,17

* Überschreiten eigener Bedürfnisse und Orientierung an einem grösseren Ganzen – an diesseitigen Zusammenhängen ** Überschreiten eigener Bedürfnisse und Orientierung an einem grösseren Ganzen – an einer jenseitigen Macht

04 48  EB NAVI #3

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0,14


0,7

0,67

0,6 grosser Einfluss

0,52 0,5

0,44

0,45

0,42 0,4

0,4

0,4

0,5

0,4

0,4

0,38 0,35

0,35 0,3

Lesebeispiel: Die Sinnquelle «Harmonie» – mit sich und mit andern in Frieden sein – hat durchschnittlich einen starken Einfluss auf die Sinnerfüllung im Leben (in der Grafik steht Harmonie auf dem dritten Platz mit einem Wert von 0,5).

0,2

kleiner Einfluss

Ein Wert von 0 auf der Skala bedeutet «keinen Einfluss». Ein Wert von 1 bedeutet 100%-igen Einfluss auf das Sinnempfinden.

0,1

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0

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mittelstarker Einfluss

Quelle: Tatjana Schnell: «Individual differences in meaning-making: Considering the variety of sources of meaning, their density and diversity», Universität Innsbruck

SINNFRAGEN STICHWORT WAGEN   05 49


2

Ehe- und Lebenspartner sorgen für Stabilität

Wie wichtig sind die folgenden Personen, wenn es darum geht, in schwierigen Zeiten Hoffnung zu vermitteln? Befragt wurden Schweizerinnen und Schweizer im Jahr 2014 Die Skala geht von 0 (= nicht wichtige Personen) bis 3 (= sehr wichtige Personen) Ehepartner/in bzw. Lebenspartner/in ich selbst Freunde und Freundinnen Eltern, Grosseltern eigene Kinder, Enkelkinder die vielen «Helden des Alltags» ohne Namen Ärzte, Psychologen, Therapeuten Arbeitskollegen, Geschäftspartner Lehrpersonen, Erzieher, Professoren, Betreuer Vorgesetzte, Führungspersonen, Chef Experten/innen, Wissenschaftler, Forscher/innen Politiker/innen, die Regierung Unternehmer/innen, Geschäftsleute, Manager Gott Banker, Finanz- und Versicherungsfachleute

Pfarrer/innen, Priester, Geistliche, Mönche, Nonnen 0

1

2

4

Ein Ehrenamt macht Sinn

Stärke von Sinnempfinden, Lebenszufriedenheit und Glücksgefühl in der Schweizer Bevölkerung. Die Skala geht von 0 (= gar nicht) bis 6 (= sehr stark)

4,5 4 3,5 3 2,5 2

Zufriedenheit nimmt ab 50 wieder zu

bei Personen ohne ehrenamtliche Tätigkeit

80%

bei Personen mit ehrenamtlicher Tätigkeit

50%

70% 60%

40% 30%

re Jah > 64

ahre

ahre

64 J 50–

Glücksgefühl

49 J

Zufriedenheit

17 J

Sinnempfinden

25–

0%

24 J

0,5

ahre

10%

18–

1

ahre

20%

1,5

0

2,5

Anteil der Bevölkerung ab 16 Jahren mit hoher Zufriedenheit in Bezug auf ihr Leben, in %, Jahr 2013

5

50  EB NAVI #3

1,5

16–

3

0,5

Quellen: swissfuture Hoffnungsbarometer Schweiz 2015 (2, 3), Bundesamt für Statistik (4)


«Sinn macht, Menschen zu begegnen.»

Sonja Schenker ➝ Seite 72

SINNFRAGEN WAGEN   51


SERVICE

Der Kopf entscheidet über Sieg oder Niederlage. Spitzensportler trainieren schon seit Jahrzehnten nicht nur den Körper, sondern auch ihre mentale Einstellung. Auch im Berufsleben können wir uns die Erfolgstechniken aus dem Sport zunutze machen: Fokussieren der Aufmerksamkeit, Visualisieren und das Einüben positiver innerer Dialoge führen ans Ziel.

Mentaltraining: Erfolgsrezepte aus dem Sport beherzigen Text Michael Harth

52  EB NAVI #3

Wie oft passiert es Ihnen, dass Sie an ei­ ner Arbeit sitzen und gleichzeitig kreisen die Gedanken schon um die nächsten Aufgaben, die es zu erledigen gilt? Wenn äussere Reize wie Social Media, neue E-Mails, Werbung und Informationen auf uns einprasseln, ist die Gefahr recht gross, dass wir den Überblick verlieren und uns nicht auf das Wesentliche kon­ zentrieren können. Die Folge: Wir fühlen uns verloren und erledigen nicht das, was wir geplant hatten. In der Fokussierung liegt die Kraft

Hier bietet sich eine Technik aus dem Sport als Anti-Verzettelungs-Medizin: Den Fokus der Aufmerksamkeit bewusst zu steuern, ist eines der Schlüsselrezepte des Mentaltrainings. Die Aufmerksam­ keit gleicht dabei dem Lichtstrahl einer Taschenlampe, deren Streuung oder Bün­ delung man je nach zu erledigender Auf­ gabe verstellt. Wenn der Fokus der Aufmerksamkeit eng gehalten wird und auf eine einzige Sache oder eine Handlung ausgerichtet ist, spricht man von Konzentration. Der Fokus kann hierbei nach aussen gerichtet sein wie bei der Arbeit oder einer sportli­ chen Leistung oder nach innen wie bei Yoga (Atmung) oder bei der Meditation. Tennisspieler etwa haben einen engen äusseren Fokus, wenn sie beim Schlag nur den Ball anschauen und alles andere ausblenden.


Auf- und Abblenden je nach Bedarf

Einen weiten Fokus haben wir beim Dis­ tribuieren; es kommt zum Zug, wenn der Fokus der Aufmerksamkeit weit ist, wenn ich mir einen Überblick verschaf­ fen will. So wie ein Spielmacher, der das ganze Spielfeld überschauen muss, um den entscheidenden Pass spielen zu können. Wir sind es uns gewohnt, den Fokus blitzschnell zwischen weit und eng zu wechseln, die Kunst besteht aber darin, den Fokus im richtigen Moment und für die nötige Dauer bewusst so auszurichten, dass wir unser Ziel errei­ chen. Diese Fähigkeit lässt sich mit einer kleinen Übung schulen. Stellen Sie sich mehrmals täglich innerlich die Frage: «Worauf richte ich gerade die Aufmerk­ samkeit?» Das schärft innert kürzester Zeit die bewusste Wahrnehmung für

AUF KURS BLEIBEN Mentaltraining in Beruf und Alltag Mentale Strategien erfolgsorientiert anwenden Entscheidungen treffen Rasch die richtigen Entscheide fällen lernen Coaching für Führungsfachleute Ziel- und ressourcenorientiertes Einzelcoaching Anmelden: eb-zuerich.ch/sinn

Ihren Fokus und schon haben Sie mit dem Mentaltraining für die Aufmerk­ samkeitsregulation begonnen. Den Fokus auf das Gute legen

Eine weitere nützliche Übung besteht da­ rin, mit einer Aufmerksamkeitsfokussie­ rung am Morgen in den Tag zu starten: –– Fokussiere dich auf deine Atmung. –– Stelle dir die Frage: «Was ist gut in mei­ nem Leben?» –– Was ist gut in meinem Leben? Verbinde diese Frage mit der Atmung. Beim Ein­ atmen die Frage stellen, mit dem Aus­ atmen den eigenen Namen sagen. –– Was möchtest du von diesem Tag? Möchtest du ruhig, voller Vertrauen, selbstsicher sein oder etwas anderes? Sage dir, was du möchtest: «Ich möchte heute (z.B. voller Energie sein) sein» –– Fokussiere dich auf dein Ziel, das was du heute möchtest mit dem Einatmen, mit dem Ausatmen sage deinen Na­ men. Ein zweites Schlüsselelement im Mental­ training sind Visualisierungstechniken: Sowohl das Ziel, das ich erreichen möchte, als auch der Weg dorthin lassen sich visualisieren. Bei Skirennen zeigt sich das wunderbar, wenn sich die Renn­ läufer kurz vor dem Start aufwärmen. Mit geschlossenen Augen fahren sie vor ihrem inneren Auge die Ideallinie der Strecke ab. Indem Sie gleichzeitig auch SINNFRAGEN WAGEN   53


die dazu nötigen Körperbewegungen ausführen, wird der Effekt des Visualisie­ rens nochmals deutlich verstärkt. Die beste Version vor Augen haben

Bei der nachfolgenden Übung von Paul McKenna dient die beste Version unseres Selbst als Vor-Bild. Dieses zu visualisie­ ren hilft, Handlungen vor dem inneren Auge immer weiter zu optimieren, gleichzeitig wird das Selbstbewusstsein gestärkt. Indem ich in Kontakt trete mit meinem authentischen Selbst, verbes­ sern sich mein Selbstbild und mein Selbstwertgefühl. Das kann sich dann so anfühlen, als wären wir nach längerer Abwesenheit endlich nach Hause gekom­ men. Die Übung lässt sich bequem im Sitzen durchführen, zum Beispiel am Ar­ beitsplatz: –– Tiefes Ein- und Ausatmen ermöglichen es dir, dich mehr und mehr zu entspan­ nen. Das erlaubt dir, deine Muskeln zu

lockern und deiner Phantasie freien Lauf zu lassen. –– Stell dir nun vor, dass du dir selbst direkt gegenüberstehst. Es ist die schönste, grossartigste Version von dir, die du dir überhaupt vorstellen kannst: dein authentisches Selbst. –– Schaue dich als Gegenüber an und er­ laube dir, dich mit deinem authenti­ schen Selbst sehr glücklich zu fühlen. Schau dir genau an, wie dein authenti­ sches Selbst steht und geht, atmet, lächelt und redet. Nimm wahr, wie es mit anderen Menschen spricht. Achte darauf, wie das authentische Selbst Probleme löst und sich Ziele setzt. –– Gehe nun in dein authentisches Selbst hinein und verbinde dich mit ihm (manche schlüpfen von hinten in ihr authentisches Selbst wie in einen Tau­ cheranzug, andere lassen sich einsau­ gen oder sich wie bei Raumschiff Enterprise hineinbeamen). Sieh mit den Augen des authentischen Selbst,

Michael Harth coacht an der EB Zürich Führungsfachleute und erteilt Kurse für Mentaltraining, Laufbahnplanung sowie Entscheidfindung. Der ehemalige Rechtsanwalt für internationale Vertragsverhandlungen bei einer Grossbank zählt heute zu den Top-100-Trainern im deutschsprachigen Raum. Als ausgebildeter Coach und Organisationsberater begleitet er Unternehmen und Persönlichkeiten aus der Wirtschaft dabei, Erfolgsstrategien zu entwickeln. Mit den Methoden des Mentaltrainings kam er erstmals als Karatesportler in Kontakt.

54  EB NAVI #3


DIE MOTIVATION ZU EINEM ZIEL STÄRKEN hör durch seine Ohren und nimm wahr, wie gut es sich anfühlt, als dein authen­ tisches Selbst zu leben! –– Beende die Neugestaltung deines Selbstbildes, indem du dir eine Minute lang vorstellst, wie sehr sich dein Le­ ben verändern wird, wenn du immer mehr auf der Grundlage des authenti­ schen Selbst lebst. Schliesslich ist auch die Art und Weise, wie ich mit mir selber spreche und was ich von mir denke, massgebend dafür, wie gut ich ein Ziel erreiche – oder dafür, wie lange ich dranbleibe, wenn mehrere Versuche nötig sind. Kritische und dest­ ruktive Selbstgespräche – man spricht auch von inneren Dialogen – sind da nur bedingt hilfreich. Schon allein Sätze, die ich mir innerlich sage wie «Das klappt doch nicht. Das habe ich in der Schule schon nicht gekonnt. Du Versager!» ha­ ben eine ganz andere Wirkung als unter­ stützende Selbstgespräche: «Ich schaffe das! Ich bleibe dran. Es wird mir gelin­ gen.» Die Übung «Motivation zu einem Ziel stärken» widmet sich dem «Warum» der Zielerreichung. Sie hilft, durch das Einüben positiver innerer Dialoge allfäl­ lige Blockade zu überwinden. Sie wird am besten schriftlich durchgeführt und liefert eine Menge guter Gründe, weshalb es sich lohnt, auf ein bestimmtes Ziel hinzuarbeiten:

Ich habe die notwendigen Fähigkeiten, das Ziel zu erreichen,

weil ich

weshalb ich

nachdem ich

während ich

immer wenn ich

so dass ich

wenn ich

obwohl ich

genau so wie ich

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«Sinn macht, eine positive Grundhaltung zu pflegen.»

56  EB NAVI #3

Nicolas Samter ➝ Seite 72


«Sinn macht, mit meinen Worten Leute zu erreichen.»

Jean Pierre Cotti ➝ Seite 72

SINNFRAGEN WAGEN   57


APPS

Sinn oder Unsinn? Keine Frage Text Fritz Keller

Laut der Website de.statista.com gab es am Ende des letzten Jahres im Google Play Store 1,3 Millionen Apps zu kaufen, im Apple App Store waren es 1,2 Millionen. Bei dieser Menge erstaunt es nicht weiter, dass man hier wie dort auf Angebote stösst, auf die man gut verzichten kann, da sie für nichts taugen, was uns in der täglichen Praxis helfen könnte. Aber vielleicht besteht ihr Sinn ja gerade darin, uns vor Augen zu führen, dass nicht alles Sinn machen muss. Oder anders gesagt, dass auch Unsinn Sinn machen kann. Einmal mehr eine Frage der Perspektive. Fünf Beispiele.

Random Word Machine

Diese App generiert Wörter, die es nicht gibt, in Eng­ lisch, Holländisch und Deutsch. Der Algorhythmus dahinter basiere auf neurolinguistischen Theorien, schreiben die Entwickler auf ihrer Website (random­ wordmachine.com), was auch immer das heissen mag. Immer aber sind die entstehenden Wörter aus­ sprechbar, den Sinn kann man ihnen selbst ein­ flössen. Was meint «keitere», ist es ein Synonym für geschmackvoll? Was für eine Tätigkeit beschreibt «meldbakbreiben»? Den Garten besorgen? Fantasie ist gefragt. Einen kleinen Nutzen sehen die Entwick­ ler bei der Namenssuche im Branding. Vielleicht wollen Sie Ihr neues Unternehmen «zkliibren» taufen. ➝ Für iOS (Die Applikation kann auch über den Browser betätigt werden)

58  EB NAVI #3

Corte de Pelo Real (Broma)

Da meinen es die Entwickler gut mit uns und fügen in Klammern gleich an, dass alles nur ein Witz sei. Diese Rasierapparat-Simula­ tor-App, dient allenfalls dazu, den Kollegen dazu zu animieren, sich doch mal wieder zu rasieren, in­ dem man ihm das entsprechend nervige Geräusch vorspielt. Als Zusatzfeatures kann Mann zum Beispiel noch die Farbe der fallen­ den Barthaare wählen, das hilft dann allenfalls zur Realitätsbe­ wältigung. In diesem Sinn wäre doch ein gewisser Sinn auszuma­ chen. Graue Barthaare, das ist kein Scherz mehr, nein, das ist ein untrügliches Kennzeichen des Älterwerdens. ➝ Für Android, Grundversion gratis (Ähnliche Apps gibt es auch für iOS)


Absurd Railways

Da kommt man mindestens ins Nachdenken. Das allein generiert na­ türlich noch keinen Sinn. Was mag der Programmierer Rolf Bertram sich gedacht haben, als er seine Zugsbilder entwickelte? Kann man sich fragen, kann man aber auch lassen. Und einfach diese Bilder in Grau-Schwarz betrachten, die sich so merkwürdig auf dem Bildschirm präsentieren. Vielleicht ist das gar Kunst. Die Dadaisten erklärten diese ja als sinnlos. Noch ein Detail: Neben Lokomotiven gibt es auf Absurd Railways mindestens ebenso viele Kloschüsseln zu sehen. ➝ Für iOS, gratis

Unnütze Fakten

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Diese App gibt es nicht mehr. Sie wurde kurz nach ihrem Erscheinen von Apple aus dem Store entfernt. Sie war auch speziell: Für den möglichen Höchstpreis von 999,99 Dollar erhielten Käuferinnen und Käufer einen schimmernden Edelstein auf Ihr Handy-Display geliefert, ohne Zusatzfunktionen, einfach so. Damit konnten sie zeigen, wie reich sie waren. Sinnvoll? Sinnlos? Der Programmierer Armin Heinrich löste mit seiner App eine Debatte über diese Frage aus. Und: Er soll in der kurzen Zeit des Angebots immerhin acht Käufer gefunden haben.

Der Name dieser App ist schon mal ein Versprechen. Und ja, es wird eingelöst. Unter 18 Stichwörtern (Sport, Sprache, Der menschliche Körper, Liebe und Sex, Promis u.a.m.) werden so tolle Fakten auf­ geführt wie zum Beispiel «In Texas heisst ein Ort Fisher, genau wie all seine Einwohner» oder «Es sterben jährlich mehr Menschen durch Esel als durch Flugzeugabstürze». Jammerschade, hätte man das nicht gewusst. Speziell Beeindruckendes kann man unter dem Stichwort Favoriten sammeln. Ansonsten lassen sich die Fakten einfach wegwischen und durch neue ersetzen. ➝ Für iOS und Android, Grundversion gratis

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SERVICE

Sein inneres Büro in Ordnung halten Das gesunde Büro sitzt in uns selbst: Wir nehmen es während der ganzen beruflichen Laufbahn mit. Pflegen wir dieses «persönliche Büro», spielt es keine Rolle, in welchem «physischen» Büro man gerade sitzt. Es bereitet Freude in einem gesunden Büro unterwegs zu sein – besonders in Zeiten zunehmend mobiler und hektischer Arbeit. Eine Pflegeanleitung. Text Evi Giannakopoulos

Durch Reorganisationen oder Personal­ wechsel wandeln sich Bürowelten stetig. Oft haben Angestellte keine Möglichkeit, auf solche äusseren Einflüsse einzuwir­ ken. Unabhängig davon, wie sich die äus­seren Bürowelten verändern, können wir aber unser «inneres Büro» im Griff behalten. Dabei ist es hilfreich, sich den äusseren Veränderungen aufgeschlossen zu nähern, ansonsten erzeugt dies zu­ sätzlichen Stress bei der Arbeit. Diese Fähigkeit, sich wandelnden Gegebenhei­ ten anzupassen, fördert die Selbst- und

AUF KURS BLEIBEN Endlich Ordnung am Arbeitsplatz Die Arbeitsorganisation rund um den Schreibtisch optimieren Gesunde Ernährung im Berufsalltag Nahrung auch in hektischen Zeiten als Kraftquelle nutzen Zeitmanagement und Arbeitsorganisation mit Outlook Outlook als nützliches Planungstool einsetzen Das perfekte Mac-Büro Wissenswertes für das effiziente digitale Büro Anmelden: eb-zuerich.ch/sinn

60  EB NAVI #3

die Stresskompetenz und ermöglicht ein nachhaltig gesundes Arbeiten. Da wir unser «inneres Büro» stets dabei haben, sollten wir es regelmässig pflegen, um uns darin wohl zu fühlen. Und für ein gesundes persönliches Büro können wir einiges tun, etwa indem wir auf eine rundum gesunde Arbeitsweise achten. Zentral dabei ist unsere innere Haltung; wir können einer für uns Sinn stiftenden Arbeit mit Freude nachgehen, indem wir uns diesen Sinn immer wieder vor Augen halten, uns eine positive innere Einstellung zu unserer Tätigkeit bewahren. Weiter: Wir können uns eine gute und effiziente Arbeitsorganisation zurecht legen, auf gutes Zeitmanagement achten, angenehme Zusammenarbeit mit Kolleginnen, Vorge­ setzten und Kunden pflegen. Versuchen auch in hektischen Zeiten innerlich ausge­ glichen zu bleiben. Eine gute Sitzhaltung am Schreibtisch einnehmen, Bewegung zwischen der Arbeit und kurze Pausen ein­ bauen, genügend Wasser trinken und uns gesund und abwechslungsreich ernähren. Mit folgenden drei Tipps gelingt es Berufstätigen, ein gesundes persönliches Büroambiente zu verwirklichen:


Tipp 1: Das persönliche Büro gegen aussen verschönern Hier geht es darum, dass man äussere Einflüsse (Arbeitsbelastungen, Stress, Probleme) so weit wie möglich verändert, verringert oder falls möglich ganz ab­ baut. Das Ziel besteht darin, den eigenen Alltag selbstbestimmter und gut organi­ siert zu gestalten. So kann die Entste­ hung von Stress vermieden werden. Das stärkt unsere Arbeitsweise und hält uns gesund: –– Fachliche Kompetenzen einsetzen und erweitern (Information, Weiterbildung, kollegialer Austausch). –– Organisatorische Verbesserungen (Aufgabenverteilung, Ablaufplanung, Ablagesysteme, …). –– Persönliche Arbeitsorganisation effizi­ ent gestalten (klare Definition von Prioritäten, realistische Zeitplanung, Delegation, Arbeitsweise). –– Probleme und Konflikte lösungsorien­ tiert angehen. Dabei die sozialkommu­ nikativen Kompetenzen erweitern. –– Sich nicht im alltäglichen Kleinkram verlieren bzw. ablenken lassen. Den Blick auf das Wesentliche bewahren. Tipp 2: Das persönliche Büro nach innen pflegen Hier geht es darum, dass man sich selbst­ kritisch eigener stresserzeugender Ein­ stellungen und Verhaltensmuster bewusst wird. Erkennt man diese, kann man sie verändern und in förderliche Einstellun­ gen und Denkweisen weiterentwickeln. Zum Beispiel: «Ich finde bestimmt eine gute Lösung. Ich schaffe das.» – «Ich ver­ traue darauf, dass die Reorganisation auch gute Seiten für mich zeigen wird.» – «In unserem Büro ist es oft lärmig, aber

dafür habe ich einen Tag Home Office, wo ich Dinge bearbeite, die Ruhe benötigen.» Mit solchen Haltungen erlebt man den Alltag gelassener und zufriedener. Die mentalen Denkmuster und die emotiona­ len Fähigkeiten lassen sich so verbessern: –– Perfektionistische Leistungsansprü­ che kritisch überprüfen und eigene Leistungsgrenzen akzeptieren. –– Schwierigkeiten nicht als Bedrohung, sondern als Herausforderung sehen. –– Sich mit alltäglichen Aufgaben weniger persönlich identifizieren, mehr innere Distanz wahren. –– Sich des Positiven, Erfreulichen, Ge­ lungenen bewusst werden und dafür Dankbarkeit empfinden. –– An unangenehmen Gefühlen von Ver­ letzungen oder Ärger nicht festkleben, sondern diese loslassen und vergeben lernen. –– Weniger feste Vorstellungen und Er­ wartungen an andere und an sich haben, die Realität akzeptieren. Tipp 3: Das persönliche Büro nach Feierabend gebührend würdigen Hier geht es darum, sich Entspannung nach einem Alltag zu gönnen, um zu regenerieren und die inneren Batterien wieder aufzuladen. Dies kann in ver­ schiedenen Formen geschehen, je nach individuellen Vorlieben. Hauptsache, es macht Spass und gleicht die körperli­ chen und geistigen Anspannungen des Arbeits­tages aus: Bewegung, Entspan­ nung, Ernährung, Genuss, soziale Kon­ takte pflegen, sinnvolle Freizeitgestaltung, die kleinen Dinge des Alltags geniessen, ausreichender Schlaf. Ein ausgewogener Mix ist auch in diesem Bereich gesund­ heitsfördernd.  n

Evi Giannakopoulos erteilt an der EB Zürich Kurse für Stressmanagement, gesunde Ernährung und Achtsamkeit. Die dipl. Stressregulationstrainerin und Ausbilderin mit eidg. Fach­ ausweis, mit langjähriger Berufserfahrung und Spezialisierung auf Stress­bewältigung und Burnout-Prävention, ist Inhaberin der Firma «stress away» in Zürich.

SINNFRAGEN WAGEN   61


Schreibwerkstatt Deutsch als Zweitsprache A2/B Outlook Ist meine Realität «die Realität»? Fit in «Nein» sagen – ein Kurs für Frauen Schreiben zu Facebook, Twitter & Co. Ein Mehr an Zeit – mi Round-Table «Gamen – Spass oder Sucht?» Glü Führun Aufbau ziele be Zettelwirtschaft Das MAG sozialkompetent führ Englisch A1 Windows Store Apps mit HTML 5 Nonprofit-Organisationen» Tiefenentspannung System Drehbuchschreiben: Grundlagen Schlag at C1 Endlich Ordnung am Arbeitsplatz Das bildung im Validierungsverfahren Deutsch B2 In Konflikt und Kommunikation Gesunde Ernährung (CAE) C1 Erfolgreiches Stress-Management SQ Training Erfolgreich verhandeln Basiskurs für Ber Schnitt: Final Cut Pro X Entscheidungen treffen Welten – Fremde Welten Mit E-Portfolio potenz tion for Lawyers C1 Attraktiv und verständlic Politik und Gesellschaft (für Frauen) Pfiffige Form Filmsprache Mentaltraining in Beruf und Alltag Öffentlichkeitsarbeit für Kulturorganisationen Z

56 sinnvolle Angebote für Weiterbildung


B1 Zeitmanagement und Arbeitsorganisation mit Grammatik und Stil: Knacknüsse Selbstbewusst ur Selbsterkenntnis SVEB-Zertifikat Social Media: it Zeitmanagement Digitale Fotografie: Einstieg ückskompetenz in Alltag und Beruf Coaching für ®: ngsfachleute Zürcher Ressourcenmodell ZRM® u I English Conversation B2 Berufliche Lebensestimmen und planen OneNote – die Onlineren Italienisch A2 Probleme sind zum Lösen da und JavaScript Bildungsgang «Management in mit Yoga Nidra Tastaturschreiben im 10-Fingergfertig und spontan reagieren English Move up perfekte Mac-Büro Stimmtraining Allgemeinntensiv Google Business Apps erfolgreich nutzen g im Berufsalltag Certificate in Advanced English QL Server Administration: Aufbau Autogenes rufsbildner/innen (kaufmännische Berufe) VideoKonfliktmanagement im Beruf Games: Virtuelle zielle Arbeitgeber überzeugen English Conversach schreiben Einfluss nehmen in mulare mit Excel Video: Kamera und g Wortschatzkiste Deutsch B2/C1 Zürcher Ressourcenmodell ZRM® ®

PQ


«Sinn macht, das Leben zu leben.»

64  EB NAVI #3

Ilona Kannewurf ➝ Seite 73


«Sinn macht, meine Hürden trotz Handicap zu nehmen.»

Peter Haenggi ➝ Seite 73

SINNFRAGEN WAGEN   65


BER ATUNG

Zufrieden im Beruf Wo gearbeitet wird, kommt es zu Reibungen und Konflikten. Wichtig ist, sich diesen Schwierigkeiten zu stellen, damit die Arbeitszufriedenheit trotzdem auf einem gut lebbaren Niveau bleibt.

In unserer Autowerkstatt sind wir ein Team von fünf Mitarbeitenden. Momentan ist schlechte Stimmung, jeder wurstelt vor sich hin und hält sich kaum an Abmachungen. Der Chef hat es schon mit einer Aussprache versucht, aber es hat nichts genützt. Gibt es da einen Ausweg? Tobias M., Wetzikon

Die schlechte Stimmung und die Tatsache, dass Sie und Ihre Kollegen sich nicht an Abmachungen halten, können verschiedene Gründe haben: fehlender Teamgeist, Konkurrenzgebaren, unstrukturierte Arbeitsab­ läufe, stark auseinanderdriftende Vorstellungen von Arbeitszielen und das Nichtwahrnehmen der Führungsaufgaben Ihres Chefs. Es sieht in Ihrem Fall so aus, dass dieser sich bei seinem Team offensichtlich nicht durchsetzen kann oder will. Dagegen könnten Sie direkt nichts ausrich­ ten, sondern sich allenfalls um Folgendes bemühen: –– Sie bitten Ihren Chef, sich besser durchzusetzen. –– Sie und Ihre Kollegen suchen gemeinsam nach den Ursachen der schlechten Stimmung und dem Nichteinhalten der Abmachungen. Danach erarbeiten Sie gemeinsam Lösungsvorschläge, wie Sie das künftig verbessern können. –– Sie suchen einen externen Coach, der mit dem ganzen Team (inkl. Chef) das Prozedere der Teamentwicklung durcharbeitet. Für alle Punkte ist jedoch die Zustimmung des Chefs und/oder der Kol­ legen unerlässlich.

AUF KURS BLEIBEN Konfliktmanagement im Beruf Spannungen und Missverständnisse ruhig klären Berufliche Lebensziele bestimmen und planen Mit einem Zielplan zur Lebenszufriedenheit Probleme sind zum Lösen da Neue Strategien beim Überwinden von Hindernissen Anmelden: eb-zuerich.ch/sinn

66  EB NAVI #3


Ich stehe ich in der Mitte meines beruflichen Lebens. Ich arbeite in einer internationalen Handelsfirma und bin eigentlich mit meinem Job ganz zufrieden. Trotzdem beschleicht mich immer mal wieder das diffuse Gefühl, dass ich so nicht ewig weitermachen will. Was kann ich tun, um zu mehr Klarheit zu kommen? Régine B., Schlieren

Ich arbeite zu hundert Prozent in einer Computerfirma. Dazu kommen immer wieder Überstunden, meine Freizeit kommt völlig zu kurz. Ist es ein Luxusproblem, wenn ich mir darüber Gedanken mache, einfach nur noch so viel zu arbeiten, dass es zum Leben reicht? Marco T., Zürich

Um diese Frage zu klären, sollten Sie zunächst überlegen, wovon Sie Ihre Lebenszufriedenheit abhängig machen: Welche moralischen, privaten oder beruflichen Ziele und Lebensinhalte sind Ihnen wichtig? Wie stellen Sie sich Ihre Zukunft in etwa 20 Jahren vor? Was müssen Sie getan haben, um dann von sich behaupten zu können: «So habe ich richtig gelebt»? Welchen Stellenwert hat dabei Ihr Beruf und welche Kriterien muss er erfüllen, um damit zufrieden zu sein? Sammeln Sie Argumente, die für oder gegen Ihren jetzigen Job spre­ chen. Prüfen Sie dann gemeinsam mit einer aussenstehenden Person, ob diese Argumente im Hinblick auf Ihre Langfristziele realistisch und entscheidungsrelevant sind. Nach dem Gewichten und Abwägen der Aspekte entscheiden Sie, ob Sie Ihren Job so weiterführen oder die Wei­ chen anders stellen möchten. Anschliessend können Sie prüfen, welchen Einsatz Ihre Ziele erfor­ dern und ob Sie diesen zu leisten bereit sind, oder ob Sie lieber Ihre Ziele so umstellen, dass diese mit dem Aufwand, den Sie investieren wollen, auch zu erreichen sind.

Für die Tatsache, dass Ihre Freizeit zu kurz kommt und dass Sie daran etwas ändern könnten, haben Sie ja bereits eine Lösung gefunden: weniger zu arbeiten. Und trotzdem scheint Sie etwas anderes daran zu hindern, diesen Schritt zu tun: Ihre innere Einstellung. Beantworten Sie folgende Fragen, um zu entscheiden, ob eine Arbeitsreduzierung für Sie sinnvoll ist. –– Habe ich die Möglichkeit zu entscheiden, weniger zu arbeiten? Wenn ja: Wo ist das Problem? –– Welches sind die Vorteile, die ich in meiner jetzigen Situation habe? –– Mache ich meinen Selbstwert davon abhängig, möglichst viel zu leisten, um mir oder anderen zu beweisen, dass ich wertvoll bin? –– W ie wichtig ist mir, dass andere mich mögen, wenn ich viel leiste? –– Was will ich langfristig in meinem Leben erreichen? Ist es dafür not­ wendig, so viel (wie jetzt) zu arbeiten? Oder könnte ich mit weniger (Zeit-)Aufwand das Gleiche erreichen? Worauf könnte, wollte ich künftig dann verzichten? –– Sollte ich weniger arbeiten: Was würde ich mit meiner gewonnenen Zeit anstellen?

Vera Stavemann war 15 Jahre Oberstufenlehrerin in Zürich, bevor sie sich vor 13 Jahren als Coach, Supervisorin und Dozentin selbständig machte. Ihre Arbeitsschwerpunkte sind u.a. Coaching für Persönlichkeitsentwicklung und Supervision für die Reflexion beruflicher Arbeit in pädagogischen und sozialen Berufen. An der EB Zürich erteilt sie Kurse rund um Lebensziele, Kommunikation und Konfliktmanagement. Sie überwintert gern in den Tropen.

SINNFRAGEN WAGEN   67


Ich teile mir mit meiner Kollegin meine Arbeit im Sekretariat eines Arztes. Mein Gefühl ist, dass ich einiges mehr leiste als meine Kollegin. Trotzdem bekam sie Ende letzten Jahres eine Lohnerhöhung, ich nicht. Darauf angesprochen meinte der Arzt, sie würde sich in seinen Augen mehr einsetzen als ich. Wie kann es zu solch unterschiedlichen Einschätzungen kommen? Elisabeth B., Zollikon

Nehmen wir Ihr Gefühl ernst und gehen davon aus, dass Sie mehr leis­ ten als Ihre Kollegin. Leistung verstehe ich als etwas, das mit erledigen und ab-arbeiten zu tun hat. Vielleicht organisieren und planen Sie vieles, denken noch am Abend an all die unerledigten Dinge. Treffen Sie Ihren Arbeitgeber, haben Sie wahrscheinlich immer etwas im Kopf, sind knapp und kurz und schon wieder beim nächsten. Rational be­ trachtet haben Sie ganz klar eine Lohnerhöhung verdient. Ihre Kollegin scheint mehr auf der Beziehungsebene aktiv. Das Wohl des Arztes ist ihr vielleicht wichtiger. Sie ist ihm gegenüber aufmerksam und schaut, dass er sich wohl fühlt. Sie ist emotional präsent und es ist gut möglich, dass sie weniger leistet im administrativen Sinne. Beide Ebenen sind wichtig. Es scheint, dass der Arzt die emotionale Unterstützung als wertvoller empfindet. Empfinden, Intuition, Fühlen und Denken sind unterschiedliche Wahrnehmungsfunktionen. Bei jedem Menschen sind eine oder zwei davon ausgeprägter – die zwei anderen suchen wir oft bei Freunden und Partner. Vielleicht ist bei dem Arzt die Denkfunktion stärker entwickelt, was dazu führt, dass er die fühlende Zuvorkommenheit Ihrer Kollegion mehr schätzt als Ihre Effizienz, die seinem eigenen Tun viel näher ist. Ich empfehle Ihnen ein Mitarbeitergespräch. Sie sollten den Wert Ihrer Arbeit auf jeden Fall ansprechen. Ebenso möchte ich Sie dazu ermutigen, nicht immer alles sofort zu erledigen. Vielleicht wird dann Ihre Kollegin aktiver und Sie dürfen etwas zurücktreten. Vielleicht haben sie beide voneinander zu lernen?

AUF KURS BLEIBEN Ist meine Realität «die Realität»? Eine Auseinandersetzung mit dem eigenen Weltbild Das MAG sozialkompetent führen Psychologische Wahrnehmungs- und Beurteilungsfallen Erfolgreich verhandeln Die eigenen Interessen konstruktiv vertreten Anmelden: eb-zuerich.ch/sinn

Amba Kaufmann absolvierte ein Psychologiestudium an der Universität Zürich. Anschliessend ging sie auf eine längere Reise und arbeitete daraufhin in verschiedenen Kliniken in Zürich und Spanien und hängte noch ein Masterstudium in Ethik an. An der EB Zürich erteilt sie Kurse rund um Kommunikation und Wahrnehmung.

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Sinn hoch zwölf – die gesamte Weisheit Was macht Sinn? Was ist absolut sinnlos? Und warum eigentlich? Die zwölf Kursteilnehmenden der EB Zürich, die wir übers ganze Heft verteilt porträtiert haben, erklären sich genauer – oft tiefgründig, manchmal augenzwinkernd.

Hannah Brandner (➝ Seite 6) 19, Grafikerin in Ausbildung, lebt in Zürich Besucht an der EB Zürich Schreiben zur Selbsterkenntnis Persönlicher Sinnspruch Werde die, die du bist. Absolut sinnlos ist An etwas festhalten, das nicht gut tut. «Wenn ich effizient war und etwas bewegt habe, hat der Arbeitstag für mich Sinn gemacht. Als Grafikerin kann ich dann ein Werk von mir in die Hände nehmen und anschauen, durchaus mit Stolz. Das ist natürlich ein Privileg – nur in wenigen Berufen ist das möglich. Im Alltag mache ich mir öfters HandyNotizen, wenn mir ein Gedanke zum Leben kommt. Die sammle ich und lese sie später wieder. Sie sind nur für mich, als Mittel zur Selbsterkenntnis. Und sie geben mir gute Impulse, um etwas zu verändern, das nicht optimal ist, statt es weiter zu erdulden.»

SINNFRAGEN WAGEN   69


Nicole Fucile (➝ Seite 7) 30, Sekretariatsleiterin im OnkologieZentrum Spital Männerdorf, lebt mit ihrem Verlobten und einem Hamster in Thalwil Besucht an der EB Zürich Kurse zu Social Media Persönlicher Sinnspruch Lebe jeden Tag, als sei es der letzte. Absolut sinnlos ist Sich zu verstellen. «Bei uns im Onkologie-Zentrum des Spitals stellt sich die Frage nach dem Sinn jeden Tag: Warum müssen Leute mit Krebs solche Schmerzen haben, und warum müssen manche so abrupt aus dem Leben gehen? Ich kenne die Antworten darauf nicht. Unsere Aufgabe ist es unter anderem, unsere Pa­tienten, aber auch ihre Angehörigen auf ihrem Weg zu begleiten. Ein 29-jähriger Patient hat kurz vor seinem Tod zu uns gesagt, es gehe ihm sehr gut – er danke dafür, dass wir alles für ihn getan hätten. Wenn ich so etwas höre, weiss ich: Meine Arbeit macht Sinn.»

70  EB NAVI #3

Nourgwan Khalil (➝ Seite 11) 27, Pharma-Assistentin in Ausbildung, lebt in Horgen Besucht an der EB Zürich Kurse in Deutsch und Tastaturschreiben Persönlicher Sinnspruch Geniesse das Leben. Absolut sinnlos ist Einfach nur Geld zu machen. «Vor zwei Jahren musste ich meine Heimat und meine Familie in Syrien verlassen. Ich weiss nicht, warum das Sinn machen soll. In Syrien habe ich Soziologie studiert. Jetzt bin ich hier, lerne Deutsch und mache eine Ausbildung als Pharma-Assistentin. Mich fasziniert, wie Medikamente wirken und wie man mit ihnen Menschen helfen kann. Vielleicht kann ich später auch selber Medikamente mit entwi­ ckeln. Für mich ist es schwierig, hier wieder gute Freundschaften zu schliessen – mit Menschen, denen man treu ist und denen man hilft, wenn sie es brauchen.»

Anne Maria Schmid (➝ Seite 19) 33, Musical-Darstellerin, Yogalehrerin und Kinderbetreuerin, lebt mit ihrem Partner in Basel Besucht an der EB Zürich den Allgemeinbildenden Unterricht Persönlicher Sinnspruch Alles wird gut. Absolut sinnlos ist Jemandem aus reinem Egoismus wehtun. «Früher war für mich sehr wichtig, auf der Bühne zu stehen. Aber inzwischen hat für mich viel mehr Bedeutung, mich mit meinem Gegenüber auseinander­ zusetzen. Zeit mit meiner Familie zu haben, ist wichtiger, als vom Publikum gefeiert zu werden. Ich möchte auch einen Zweck in meiner Arbeit sehen und voll dahinter stehen können. Bloss Geld zu machen, ist für mich sinnlos. Mir geht es vor allem um Menschlichkeit. Wenn mir die Kinder im Hort zeigen, dass sie mich mögen – das ist viel wertvoller und tiefgründiger als der Applaus im Show-Business.»


Vital Seeholzer (➝ Seite 36) 32, Manager für Marken- und Patentschutz, lebt in Walchwil Besucht an der EB Zürich Kurse in Englisch und Italienisch Persönlicher Sinnspruch Wer rastet, der rostet. Absolut sinnlos ist Darauf zu warten, dass etwas passiert. «Ich bin ein neugieriger Mensch. Deshalb passt der Job als Manager für Patent- und Markenschutz perfekt zu mir: Ich sorge dafür, dass unsere neu entwickelten Textilmaschinen geschützt werden. So bin ich äusserst nahe dran an den aktuellen Entwicklungen. Weil ich zwischen Erfindern und Patentanwälten vermittle, bekomme ich sehr unterschiedliche Sichtweisen mit. Das ist sehr bereichernd. Besonders wenn man sich auf die einzelnen Charaktere einstellen kann und nicht alle über den gleichen Kamm schert. Dann lernt man von jedem etwas, und das macht Sinn.»

Ursula Kubicek (➝ Seite 44) 42, Leiterin Kommunikation Verein ELCH für Eltere und Chind, lebt mit ihrem musizierenden Mann und ihren zwei Jungs in Zürich Besucht an der EB Zürich Management für Nonprofit-Organisationen Persönlicher Sinnspruch Kommt Zeit, kommt Rat. Absolut sinnlos ist Fortschritt, der Menschen schadet statt nützt. «Ich bin zuständig für die Kommunikation des Vereins ELCH. In unseren vier Zentren begegnen sich Väter und Mütter aus allen Kulturen, lassen sich beraten, geben ihre Kinder in Spielgruppen. Oder sie können bei uns mit familienfreundlichen Pensen arbeiten, damit einen Zustupf verdienen und einfach am Quartierleben teilnehmen. Hier kann ich meine Stärken ausspielen: Leute integrieren und vernetzen helfen. Ich verdiene mein Geld mit etwas, das mir und anderen gut tut. Das ist für mich viel befriedigender, als Werbung zu machen, bei der es bloss um Konsum und Profit geht.»

Ivan Novakovic (➝ Seite 45) 23, Kundenberater und Lehrlings­ ausbilder, lebt mit seinem Bruder in Weisslingen Besucht an der EB Zürich Ausbildung Berufsbildner/innen Persönlicher Sinnspruch Sei du selbst, dann hast du Erfolg. Absolut sinnlos ist Sich für besonders zu halten. «Junge, noch unsichere Menschen standfest zu machen: Das ist für mich ein zentraler Punkt bei der Arbeit für die Firma Klever AG. Wir betreuen bis zu sechzig Berufslernende im kaufmännischen Bereich. Es ist äusserst befriedigend, Lehrstellen zu schaffen und damit Jugendlichen eine berufliche Perspektive zu geben. Für mich ist sehr wichtig, mich in meiner Umgebung wohl zu fühlen. Ich suche meinen eigenen Weg auch in der Spiritualität und meditiere regelmässig zwei- bis dreimal in der Woche. Das hilft mir, herauszufinden, wer ich bin und was ich will.»

SINNFRAGEN WAGEN   71


Sonja Schenker (➝ Seite 51) 58 Jahre, Bereichsleiterin Spitex, lebt mit ihrem Partner in Mönchaltorf Besucht an der EB Zürich Kurs Lern­ veranstaltungen mit Erwachsenen durchführen Persönlicher Sinnspruch Eines nach dem andern. Absolut sinnlos sind Nichtssagender Smalltalk und ständige Erreichbarkeit. «Mir geht das Herz auf, wenn ich bei Spitex-Patienten bin und der Kontakt zwischen uns funktioniert. Dann zeigen sie mir, dass ich mit meiner Arbeit ihre Lebensqualität erhöhen kann – und helfe, ihre Würde zu bewahren. Sinn macht für mich natürlich auch, meine Mitarbeiterinnen zu fördern. Als Ausgleich ist für mich wichtig, für mich selber zu schauen und Freundschaften zu pflegen. Ich versuche, möglichst alle Begegnungen ohne offene Fragen oder Unstimmigkeiten abzuschliessen – beruflich genauso wie mit meinem Mann oder den erwachsenen Kindern.»

72  EB NAVI #3

Jean Pierre Cotti (➝ Seite 57) 73, freischaffend als Ritual-Gestalter, Mediator und Samichlaus, lebt mit vielen hundert Büchern in Zürich

Nicolas Samter (➝ Seite 56) 26, Detailhandelsverkäufer, lebt in Zürich Besucht an der EB Zürich Video-Kurse Persönlicher Sinnspruch Es gibt nicht schwarz oder weiss, nur Grauabstufungen. Absolut sinnlos sind Eifersucht und Neid. «In Grenzsituationen stelle ich mir die Frage nach dem Sinn: Ein Kollege, der sogar noch ein halbes Jahr jünger war als ich, starb bei einem Unfall. Da fragte ich mich schon, warum das sein musste. Im Alltag zählen für mich umso mehr gute Beziehungen, sei das privat oder bei der Arbeit. Wenn es bei uns im Geschäft hektisch wird, ist ein guter Teamgeist gefragt, da muss man sich gegenseitig unterstützen. Ganz allgemein finde ich es wichtig, Sachen immer von mehreren Seiten anzuschauen und nicht bloss stur nach einem Rasterdenken zu beurteilen.»

Besucht an der EB Zürich Deutsch- und PC-Kurse und das Lernfoyer («ewiger Student») Persönlicher Sinnspruch Ich bin okay, du bist okay. Absolut sinnlos ist Mit arroganten oder ignoranten Leuten zu streiten. «Ich bin ein Mann des Wortes und finde das passende Wort am Grab, zur TrauZeremonie oder bei Konflikten. Auch als Samichlaus trete ich auf – mit echtem Bart. Wenn ich erlebe, dass meine Gedanken verstanden wurden und meine Dienste nützlich waren, freut mich das. Als Anerkennung wollte mir einmal eine Witwe eine Krawatte schenken; diese Geste der Anerkennung hat mich sehr berührt. Gerne denke ich eigenständig mit ausgeprägtem Gerechtigkeitssinn. Darum gehe ich manchmal in die Luft. Deshalb bemühe ich mich um ein freundschaftliches Einvernehmen mit allen.»


Ilona Kannewurf (➝ Seite 64) 28, Contemporary-Dance- und Hip-HopTänzerin, Assistentin Geschäftsleitung Planungs- und Baufirma, lebt in Zürich

Peter Haenggi (➝ Seite 65) 49, Datenbank-Administrator, lebt mit seiner Frau und Labrador «Grisu» in Reinach

Besucht an der EB Zürich Deutsch­ diplom der Zürcher Handelskammer Persönlicher Sinnspruch Die Antwort liegt in dir selbst. Absolut sinnlos ist Unglücklich und tatenlos vor sich hindümpeln.

Besucht an der EB Zürich SQL Server Administration Persönlicher Sinnspruch Geduld bringt (bekanntlich) Rosen. Absolut sinnlos ist Mit dem Schicksal zu hadern.

«Es ist schlimm, wenn man erschöpft, aber leer von der Arbeit zurückkommt. Erstrebenswert ist, etwas geleistet zu haben und eine Erfülltheit im Gesamten zu erfahren. Manchmal weiss man im Moment nicht, warum etwas Sinn macht, dennoch fühlt es sich richtig an, und dann ist es das meistens. Auch ich muss manchmal meine Unlust für das Tanztraining überwinden. Nach dem Tanztraining, das mich erfüllt, sehe ich sehr wohl den Sinn in der Überwindung. In Beziehungen ist für mich Ehrlichkeit ganz entscheidend: Eine schlechte Beziehung ist sinnloser als gar keine.»

«Weil ich fast ganz blind bin, sind für mich viele Sachen komplizierter und anstrengender als für die anderen Leute. Deshalb ist es für mich umso befriedigender, wenn die Leute mit meiner anspruchsvollen Arbeit in der Datenverarbeitung zufrieden sind. Wenn ich an meine Grenzen stosse, frage ich mich manchmal schon, warum das alles für mich so schwierig sein muss. Doch es lohnt sich trotzdem, weiterzumachen. Und manchmal macht es Sinn, einfach einmal nichts zu machen – mit meiner Frau, alleine, oder meinem Blindenhund, dem Labrador ‹Grisu›.»

SINNFRAGEN WAGEN   73


QUIZ

Wer hat das gesagt? Ordnen Sie den Prominenten die Aussagen zu und tragen Sie den entsprechenden Buchstaben in die Kreise ein. Schicken Sie das Lösungwort an quiz@eb-zuerich.ch. Einsendeschluss ist 3. Juli 2015. Die Lösung findet sich ab dem 6. Juli 2015 auf www.eb-zuerich.ch/blog. Unter den richtigen Einsendungen werden drei Bildungsgutscheine im Wert von je 100 Franken verlost.

O

B   «Ein Tag ohne zu lächeln, ist ein verlorener Tag.»

«Ich stehe immer auf der Seite der Kinder.»

E «Leben ist das, was passiert, während Du fleissig dabei bist, andere Pläne zu schmieden.»

T «Wer jeden Schritt vorher lange überlegt, bringt sein ganzes Leben auf einem Bein zu.»

M   «Jeder Mensch hat ein Brett vor dem Kopf – es kommt nur auf die Entfernung an.»

E

«Probleme sind Gelegenheiten zu zeigen, was man kann.»

S   «Karriere ist etwas Herrliches, aber man kann sich nicht in einer kalten Nacht an ihr wärmen.»

L «Reich wird man erst durch Dinge, die man nicht begehrt.»

O

N

«Man lebt nicht, wenn man nicht für etwas lebt.»

«Ich traue mich, alles auszuprobieren.»

Mahatma Gandhi Pazifist

Duke Ellington Jazzmusiker

74  EB NAVI #3

Charlie Chaplin Komiker

T

«Leben ist aussuchen.»

John Lennon Popmusiker

Joanne K. Rowling Schrift­ stellerin

Marilyn Monroe Schau­ spielerin

Marie von EbnerEschenbach Schrift­ stellerin

Kurt Tucholsky Schriftsteller

Chinesisches Sprichwort

Robert Walser Schriftsteller

Astrid Lindgren Schrift­ stellerin


VORSCHAU

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EB Zürich Wege zur Weiterbildung .

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der Schweiz, die von der öffentlichen Hand getragen wird.

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Die nächste Nummer von EB Navi bringt die aktuellen Ansätze zum Thema Integration. Zeigt aussergewöhnliche Deutschkurse – auf dem Kinderspielplatz, im Spital, auf der Baustelle. Und porträtiert Leute, die auf ihrem Integrationsweg unterwegs sind oder «es geschafft» haben.

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Wie Integration gelingt Sprache ist der Schlüssel zur Integration. Stimmt, aber nicht nur. Beide Seiten Quaibrücke müssen offen und interessiert aufeinander zugehen. Die Killer dabei sind Vorurteile, oft festgemacht an Äusserem. Diese festgefahrenen Bilder müssen möglichst weg: Integration braucht «leere Köpfe».

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EB Zürich Kantonale Berufsschule für Weiterbildung Bildungszentrum für Erwachsene BiZE Riesbachstrasse 11 8090 Zürich So erreichen Sie uns Tram Nummer 2/4 bis Feldeggstrasse Bus 33 bis Höschgasse

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So kontaktieren Sie uns lernen@eb-zuerich.ch Telefon 0842 843 844 sse

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So finden Sie www.eb-zuerich.ch www.facebook.com/EBZuerich www.plus.google.com/+ebzürich www.twitter.com/ebzuerich


Deutsche Sprache und Text

Fremdsprachen Informatik / Publishing

Weiterbildung

Digitale Medien

Management Softwareentwicklung

Kommunikation Deutsch als Zweitsprache

Selbstorganisation Berufs-/Erwachsenenbildung

Kantonale Berufsschule fĂźr Weiterbildung w Riesbachstrasse 11, 8008 ZĂźrich Telefon 0842 843 844, www.eb-zuerich.ch


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