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Geerdeter Star
Interview: Pascal Grolimund, Text: Judith Brandsberg
Vom Schweizer Fernsehen und dem Publikum wiederentdeckt, flimmern die Kultsendungen «Fascht e Familie» oder «Adam und Eva Chifler» aktuell wieder über den Bildschirm. Walter Andreas Müller – vielen als
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WAM bekannt, ist einer der Protagonisten darin. Im Gespräch erzählt der sympathische Schauspieler von seiner erfolgreichen, langen Schauspielkarriere. Aber auch auf Fehler, die er gemacht hat, geht er offen und ehrlich ein.
«Ich bin stolz darauf, dass ich keinen Lastwagen benötige, der mir das Erdöl liefert.»
Foto: SRF Foto: SRF/Lukas Unseld
Traumpaar Ehepaar Chifler in der Sendung «Traumpaar»: Ursula Schaeppi und Walter Andreas Müller als Eva und Adam Chifler. «Fascht e Familie», Szene aus «Werbespot»: Walter Andreas Müller als Hans und Trudi Roth als Tante Martha. Erstausstrahlung: 20.12.1996. WAM war Moderator beim ... «Banco!» . Folge 25 der letzten Sendung «Classe Politique»: Unter der Bundeshauskuppel geht der Stoff für Satire nie aus: Walter Andreas Müller als Samuel Schmid, Moritz Leuenberger und Christoph Blocher; Birgit Steinegger als Silvia Blocher und Doris Leuthard.
Sie haben in Ihrer Karriere schon einige Rollen gespielt, die bekanntesten davon sind wohl diejenigen als Adam Chifler in «Adam und Eva Chifler» und als Hans Meier in «Fascht e Familie».
Ja, ja, «Adam und Eva Chifler», das ist etwa das Erste, das einem in den Sinn kommen kann (schmunzelt). Die Chiflers waren ja ein Teil der Sendung «Traumpaar» mit Remo Fein, die von 1987 bis 1993 ausgestrahlt wurde. Es ging darum, ein möglichst harmonisches Paar zu finden, wobei Adam und Eva Chifler als «Albtraumpaar» den Kontrapunkt zur harmonischen Sendung darstellen sollten, was ein genialer Gedanke war. Charles Lewinsky hatte diese kurzen Sketches geschrieben. Speziell allerdings war, dass es sich um eine Livesendung handelte. So waren Ursula Schaeppi und ich natürlich entsprechend nervös. Wir versuchten uns zu beruhigen, indem wir uns gegenseitig einredeten, dass sich die Nervosität wohl schon legen werde mit der Zeit. Interessanterweise stellte sich jedoch heraus, dass dies überhaupt nicht so zutraf – im Gegenteil, wir wurden mit jeder Sendung nervöser. Der Grund dafür lag darin, dass die Sendung sehr erfolgreich war und wir dem Erwartungsdruck des Publikums entsprechen wollten. So dachten wir, in jeder weiteren Sendung immer besser sein zu müssen. Obwohl Adam Chifler für mich
eigentlich nicht meine Lieblingsrolle darstellte, bedeutete sie in gewisser Weise doch den Durchbruch für mich. Denn dank
ihr wurde ein breites Publikum auf mich aufmerksam. Lustigerweise sind die Chiflers aktuell wieder im Kommen: Sie werden
am Samstagmorgen als «Sketch aus der Mottenkiste» wieder ausgestrahlt, sogar in den sozialen Medien werden sie geteilt.
Welche Rolle haben Sie denn besonders gern gespielt und weshalb? Das war schon der Hans Meier aus «Fascht e Familie». Auch von Charles Lewinsky geschrieben, beinhaltete das Stück tolle Figuren, und jede hatte ihre Fans. Die Tante Martha war zum Beispiel der Liebling der Grossmütter und die Teenies waren Fan
von Flipp. Das Team hat sich gut ergänzt, die Sketches haben funktioniert. Die Sendung war unschlagbar, es war die erste Sitcom des Schweizer Fernsehens, und zugleich hatte sie einen unwahrscheinlichen Erfolg. Wir hatten über eine Million Zuschauer bei jeder Folge.
Sie waren zuerst Moderator beim Radio und wurden dann auch vom Fernsehen angefragt. Genau. Ich war unter anderem Moderator bei Radio SRF 1 und der «Musikwelle». Das Schweizer Fernsehen fragte mich dann für die Quizmoderation von «Banco! – Ein Spiel um Sackgeld» an. Wohl unter der Vermutung, Radiomoderatoren würden automatisch auch gutes Fernsehen machen (schmunzelt). Ans Casting ging ich ohne grosse Erwartungen. Wahrscheinlich, weil ich darum so locker war, habe ich überzeugt, und sie haben mich genommen. In
Foto: SRF/Heinz Stucki (Bildmontage)
der Hoffnung, ein zweiter Kulenkampff zu werden, freute ich mich sehr darauf. Nach der ersten Sendung kam dann die Kritik in der «Tat». Da stand etwa: «Walter Andreas
Müller bewegte sich wie ein beflissener Staubsaugervertreter.» Erst nachdem die Sendung nach einem Jahr umgewandelt wurde in die «Glückskugel» mit Beni Thurnheer, wurde mir bewusst, dass ich den grössten Fehler gemacht hatte, den ich machen konnte: Ich habe die Rolle des Moderators gespielt, anstatt den Mut zu haben, mich selber zu sein.
Was bereitet Ihnen mehr Freude, Fernsehen oder Theater?
Im Theater, von dem ich ursprünglich herkomme, fühle ich mich zu Hause. Zudem habe ich nicht in vielen Filmen mitgespielt, ausser ein paar Gast- und Nebenrollen in Low-Budget-Filmen. Der Film hat mich links liegen gelassen. Ich wurde mit den Politikerparodien, in denen ich auch oft mit Birgit Steinegger zusammengearbeitet habe, bekannt und geriet auf die Boulevardschiene. Von da an wurde ich wohl zu stark mit diesen Parodierollen wie derjenigen von Christoph Blocher identifiziert. Und da ich mich nie bei Castings beworben hatte, war ich auch nicht in deren Kartei vorhanden. Vielleicht war diese Bequemlichkeit ein Fehler, denn so dachten diese gar nicht an mich.
«Ich habe eine Rolle gespielt, anstatt den Mut zu haben, mich selbst zu sein.»
Würden Sie denn gerne noch in einem Kinofilm mitspielen? Das wäre schon noch das Tüpfchen auf dem i, das Schlagrahmhäubchen auf dem Erdbeertörtchen. Dann könnte ich dies auch noch abhaken. Die Arbeit ist ja zwar dieselbe wie im Fernsehen, aber die Erfahrung wäre nochmals eine spannende. Und es ist etwas anderes, für die Leinwand zu spielen, als für die Fernsehbildschirme zu Hause. Aber Jörg Schneider spielte mit 80 Jahren noch in einem Kinofilm mit, somit habe ich ja noch ein paar Jahre Zeit (schmunzelt).
Wie lernten Sie, sich Texte einzuprägen? Ich denke, das kann nicht wirklich erlernt werden. Ich erinnere mich, als ich 1992 in Bern das Stück «Der Kontrabass» von Süskind spielen konnte. Das ist ein Monolog. Ich ging in die Buchhandlung und kaufte mir das Buch, begann zu lesen und dachte: «Um Gottes willen, das muss ich jetzt alles in meinen Kopf kriegen?» Dann habe ich schliesslich an einem Nachmittag einfach damit begonnen, es auswendig zu lernen. Ich habe Abschnitt für Abschnitt wiederholt, und dazu versuchte ich, mir die jeweilige Situation vorzustellen. Ich merkte mir
Zur Person
Walter Andreas Müller wurde am 3. September 1945 in Zürich geboren und wuchs in Zürich-Wollishofen auf.
Ausbildungszeit 1966–69 Schauspielschule in Zürich, danach 4 Jahre an deutschen Bühnen im Engagement (Rendsburg, Köln und Städtische Bühnen Bielefeld).
Auslandaufenthalt 1972 Rückkehr in die Schweiz, vorerst an das «Theater an der Winkelwiese» in Zürich.
Karriere Seit 1975 freischaffender Schauspieler, Kabarettist, Radiomoderator, Sprecher, Imitator und Parodist von verschiedenen Schweizer Persönlichkeiten (vorwiegend Politikern). An vielen Schweizer Theatern tätig, unter anderem: Hechtplatztheater Zürich, Bernhard-Theater Zürich, Corso-Theater Zürich, Theater für den Kanton Zürich, Theater Basel, Häbse-Theater Basel, Fauteuil-Theater Basel, Ateliertheater Bern, Stadttheater Bern, Theater St. Gallen, Casinotheater Winterthur und viele mehr … Bei Radio SRF Moderator verschiedenster Sendungen. Danach bis 2017 Moderator bei der Musikwelle. Bei SRF 1: Während 28 Jahren «Zweierleier».
Auszeichnungen • Prix Walo 2002 in der Sparte «Schauspieler» • Prix Walo für «Fascht e Familie» Publikumslieblinge und beste Sendung • Prix Walo (zusammen mit Ursula Schaeppi) für «Adam und Eva Chifler» in der
Sendung «Traumpaar» • Prix Tell für die beste TV-Unterhaltungssendung:
«Komödie»
www.w-a-m.ch mit meinem fotografischen Gedächtnis auch gewisse Abschnitte. Aber wirklich gelernt habe ich den Text durch die Proben. Ein Stück wird ununterbrochen wiederholt, Szene für Szene wird durchgespielt, immer wieder und wieder. Damit brennt sich das ein. Zudem ergibt sich mit den Jahren wohl auch eine gewisse Routine im Auswendiglernen.
Hat sich das Theater in den letzten 30 Jahren verändert?
Auf den Bühnen ist heute viel mehr möglich als früher. Die Bühne und der Film sind
experimentell geworden, offener, mit mehr Spielraum zum Interpretieren. In der Serie «Bridgerton» zum Beispiel wird die Königin von England von einer dunkelhäutigen Schauspielerin dargestellt. Aber auch die Digitalisierung eröffnet immer mehr Möglichkeiten. Armeen beispielsweise können heute digital übers Feld gejagt werden, frü-
Angenehme Atmosphäre beim Gespräch im Erdhaus.
Aus seiner langen Schauspieler-Karriere kann WAM einige Anekdoten erzählen. her hingegen war für solche Szenen eine grosse Menge an Statistinnen und Statisten nötig.
Wann ist eine Rolle für Sie persönlich erfolgreich? Ich bin ein kritischer Zuschauer, was mich selbst betrifft. Denn ich versuche mich immer von aussen anzuschauen und die Figur zu abstrahieren. Wenn ich mir dann sagen kann: «Das ist mir gut gelungen, das hat gestimmt», bin ich zufrieden. Und dann war die Rolle für mich erfolgreich.
«Ich sage mir: ‹Geniesse es.› Und dann kommt wieder ein Angebot.»
Seit über 40 Jahren geben Sie Globi in den Hörspielen Ihre Stimme. Wie ist das, wenn die eigene Stimme so bekannt ist?
Wenn jemand sagt: «Sie sind doch die Stimme von Globi», dann freue ich mich darüber. Globi hat meine Stimme seit 1976, und er ist heute noch sehr bekannt. Im Frühling ist die CD «Globi und Roger» herausgekommen, und demnächst erscheint die Nachfolge-CD von «Globi auf der Post». Jedes Mal, wenn eine neue CD veröffentlicht wird, verkauft sie sich sofort sehr gut. Mit den vielen Globi-Hörspielen habe ich mir also ein gutes Taschengeld erwirtschaftet, das darf ich schon zugeben. Deshalb sage ich manchmal auch, ich hätte mir mein Einkommen erschwatzt (lacht).
Denken Sie noch nicht daran, aufzuhören mit Globi?
Die Globi-Hörspiele sind für mich nach wie vor interessant. Ich schreibe aufgrund des Buches, der Zeichnungen und der Dialoge das Hörbuch, mache die Regie und spreche die Stimme ein. Wegen des Wiedererkennungseffekts darf niemand anders die Stimme sprechen, deshalb bin ich quasi dazu verdammt, diese Stimme zu sein, solange ich kann (lacht). Ich habe dem Verlag allerdings bereits mitgeteilt, dass sie sich Gedanken darüber machen sollten, was sein wird, wenn ich das mal nicht mehr kann, ich bin ja auch nicht mehr der Jüngste.
Sie wären ja eigentlich auch schon seit ein paar Jahren pensioniert ... Ich sage mir immer wieder: «Jetzt höre ich auf.» Aber Schauspieler lassen sich nun mal nicht mit 65 Jahren pensionieren. Schliesslich ist es auch ein Privileg, so lan-
«Es ist wichtig, unserem Klima Sorge zu tragen.»
ge wie möglich weiterspielen zu können. Denn wenn der Geist und der Körper das noch mitmachen, ist es wunderbar, diesen Beruf weiter auszuüben. Diesbezüglich wohnen also zwei Seelen in meiner Brust.
Oft denke ich mir: «Geniesse deine Zeit. Du
hast schliesslich ein Leben lang gearbeitet, also hast du es dir verdient, etwas kürzerzutreten.» Vor ein paar Jahren beispielsweise habe ich damit begonnen, Golf zu spielen. Und dann kommt wieder ein Angebot, das mich reizt, und ich sage doch wieder zu.
Sie sind noch fit und agil. Was ist Ihr Geheimnis? Die Gene sind wahrscheinlich eher nicht dafür verantwortlich. Denn meine Mutter
starb früh, mein Vater erkrankte an Demenz und wurde 80 Jahre alt. Da ich oft höre, ich hätte eine grosse Ähnlichkeit zu meinem Vater, habe ich etwas Angst, dement zu werden – davor ist ja niemand gefeit. Ich glaube aber, dass mich mein Beruf beflügelt und nach wie vor so beschäftigt, dass ich gar keine Zeit für solch trübe Gedanken habe.
Das Hauptthema in dieser Ausgabe des eco2friendly-Magazins ist das Licht. Was bedeutet für Sie Licht?
Am besten erkläre ich das so: Mein Horrorgedanke ist es, einmal nicht mehr sehen zu können. Denn es wäre das Schlimmste für mich, Licht nicht mehr wahrzunehmen und zu erleben. Was meinen Lichtgeschmack betrifft, so habe ich gerne warmes Licht. Deshalb finde ich es super, dass die heutigen LED-Spots dimmbar sind und auch warmes Licht ausstrahlen können. Das gibt dem Raum Wärme. Deshalb schalte ich an grauen Tagen manchmal sogar tagsüber das Licht an.
Sie leben in einem Erdhaus. Weshalb haben Sie sich dazu entschieden? Ich hatte lange nicht vor, ein Haus zu bauen. Per Zufall aber sah ich irgendwann einmal eine Immobiliensendung im Fernsehen, in der ein Erdhaus von Peter Vetsch zum Verkauf stand – und ich war völlig fasziniert davon. Nur konnte ich mir dieses nicht leisten. Als ich dann mit den Jahren eine gewisse finanzielle Sicherheit erlangt hatte, kam das Thema des Hauskaufs wieder auf. Ich habe mich darüber informiert
und eine Siedlung mit Erdhäusern besucht. Danach war ich komplett von dieser Art des Wohnens überzeugt, und auch mein Partner war begeistert. Später dann, nach langer vergeblicher Suche, hat Peter Vetsch uns vorgeschlagen, eine Parzelle Land zu kaufen, für die er dann ein Haus entwerfen würde. Dies haben wir gemacht, worauf schliesslich 1998 unser Haus in Russikon, Madetswil, gebaut werden konnte. Und ich fühle mich nach wie vor wohl und glücklich hier. Wie lebt es sich in einem Erdhaus und was unterscheidet es von einem konventionellen Gebäude? Der offensichtlichste Unterschied besteht darin, dass alles rund ist. Also wirklich sämtliche Wände und Decken. Was sehr viel Harmonie und Geborgenheit ausstrahlt. Da das Haus in die Erde integriert ist, nutzt es zudem im Sommer die Kühle des Erdreichs, und im Winter isoliert die Erdschicht vor Frost. Indem die Erdüberdeckung die Grünflächen vergrössert, verbessert sich darüber hinaus erst noch die Luftqualität. Wir heizen zudem mit einer Erdsonde; diese war ziemlich revolutionär, als das Haus neu gebaut worden ist. Ich darf sagen, dass es mich schon etwas stolz macht, dass mir kein Lastwagen Erdöl liefern muss und dass ich kein Gas benötige. Schliesslich ist es wichtig, unserem Klima Sorge zu tragen.
Wettbewerb
Mit der Stimme von Walter Andreas Müller erscheint Anfang Oktober das Hörbuch «Globis neue Abenteuer bei der Post».
Wir verlosen 3 CDs
Für die Teilnahme ein E-Mail an redaktion@eco2friendly.ch senden. Bitte Adresse angeben. Vermerk: Wettbewerb Globi-CD. Teilnahmeschluss: 1.12.2021.
Hörspiel: «Warte uf Bodo» , zum 70. Geburtstag von Walter Andreas Müller, 2015.