4 minute read
So erreichen wir die Ziele der Energiestrategie
Interview
So erreichen wir die Ziele der Energiestrategie
Advertisement
Das Ziel einer komplett erneuerbaren, CO2-neutralen und eigenversorgten Energiezukunft in der Schweiz ist realistisch. Im Interview erzählt Jürg Grossen, wie wir «netto null» erreichen können.
Interview: eco2friendly
Mit Ihrer Roadmap Grossen haben Sie einen einfachen Fahrplan erstellt, um die Ziele der Energiestrategie zu erreichen. Was sind die wichtigsten Punkte der Roadmap? Die Roadmap basiert im Wesentlichen auf vorhandenen Technologien wie zum Beispiel der Photovoltaik, der Elektromobilität oder den intelligenten Stromnetzen. Im meiner Roadmap geht es nicht darum, ob, sondern wie wir in der Schweiz netto null erreichen. Zentrale Pfeiler sind die Steigerung der Stromeffizienz, die Elektrifizierung von Verkehr und Gebäuden, ein starker Zubau von Photovoltaik, die Harmonisierung von Stromverbrauch und -produktion sowie die saisonale Speicherung.
Wie schätzen Sie die Chancen ein, dass die Ziele der Roadmap erreicht werden können? Mein Vorschlag ist konkret, technisch machbar und finanzierbar. Es wird eine Frage des Willens und der politischen Rahmenbedingungen sein, wie schnell das Ziel erreicht wird. Die ganze Welt hat netto null CO2 beschlossen. Je schneller die Schweiz beweist, wie man das umsetzen kann, desto mehr werden wir von der Vorreiterrolle profitieren und die Technologien und das Know-how gewinnbringend exportieren können.
Gemäss Energiestrategie sollen die AKWs schrittweise abgeschaltet werden. Lässt sich der notwendige Strom für die Schweiz zu 100 Prozent mit alternativen Energien decken? Die Stromproduktion kann auch trotz eines steigenden Verbrauchs zu 100 Prozent aus erneuerbaren, schweizerischen Quellen sichergestellt werden. Ich zeige in meiner Roadmap auf, wie mit Photovoltaik rund doppelt so viel Strom produziert werden
«Mit Photovoltaik kann rund doppelt so viel Strom produziert werden als heute mit den Atomkraftwerken.»
kann als heute mit den Atomkraftwerken. Und das bereits mit der Ausschöpfung von zwei Dritteln des Potenzials auf geeigneten Gebäudedächern und an Fassaden. Kommt
dazu, dass damit Strom genau dort produziert wird, wo er verbraucht wird, nämlich in und an den Gebäuden.
Die Bevölkerung wird zunehmen, und damit wird auch der Strombedarf steigen. Wie kann dies mit den Zielen der Energiestrategie vereinbart werden? Ich habe sowohl das vom Bund prognostizierte Bevölkerungs- wie auch Wirtschaftswachstum mit eingerechnet. Bereits seit über 10 Jahren sinkt der Pro-Kopf-Stromverbrauch und der Gesamtenergieverbrauch der Schweiz deutlich, dies trotz Bevölke-
allink AG
■ Jürg Grossen ist Co-Geschäftsführer und Verwaltungsrat der Firmen Elektroplan Buchs & Grossen AG, ElektroLink AG und Smart Energy Link AG in Frutigen. Er ist Nationalrat und Präsident der GLP Schweiz.
rungswachstum, Wirtschaftswachstum und zusätzlicher Stromanwendungen wie Elektromobilität und Wärmepumpenheizungen.
Es braucht nicht nur erneuerbare Energien, die Stromeeffizienz ist eine ebenso wichtige Massnahme. Wie lässt sich dies umsetzen?
Genau, die Stromeffizienz ist ein sehr zentrales Element. Heute verpufft fast die Hälfte des Stromverbrauchs ohne Nutzen. Ineffiziente Motoren und Beleuchtungen sowie unnötiger Stand-by-Betrieb von zahlreichen Geräten sind Beispiele dafür. Mit effizienten Geräten und smarten Gebäudesteuerungen lässt sich die Stromeffizienz insgesamt um rund 40 Prozent steigern. In unserem Gebäude haben wir sogar 80 Prozent erreicht, das geht zwar nicht überall, zeigt aber das Potenzial eindrücklich auf.
Sie beschäftigen sich schon seit Jahren mit intelligenter Wärmenutzung, Gebäudeautomation, Photovoltaik, E-Mobility. Im Gebäude Ihres Unternehmens in Frutigen haben Sie dies in die Praxis umgesetzt. Wo stecken die Herausforderungen, wenn man sich als «Vorreiter» engagiert? Zuerst sagen alle «Das geht nicht», «Wir haben das immer so gemacht, nur so funktioniert es» oder «Was willst du jetzt da verändern, es geht uns doch gut». Da braucht es eine ordentliche Portion Überzeugung und Durchhaltewillen, um diese Widerstände zu durchbrechen. Aber umso schöner ist es, wenn man dann mit seinen Lösungen Erfolg hat und sie auch von anderen aufgenommen und umgesetzt werden.
«Die Energiezukunft der Schweiz wird erneuerbar, CO2-neutral und eigenversorgt sein, davon bin ich überzeugt.»
Sind diese Themen heute noch eine Herausforderung für die Ausführenden? Ja, sowohl das Planen wie das Realisieren von nachhaltiger Gebäudetechnik, von Photovoltaikanlagen und Ladestationen für Elektroautos sind häufig immer noch mit vielen Hürden verbunden. Fehlendes Wissen, mangelnde Besteller- und Anbieterkompetenz sind tägliche Hindernisse. Die zu wenig fortschrittlichen politischen Rahmenbedingungen, das Bewilligungswirrwarr und die übermässige Bürokratie wirken zusätzlich erschwerend. Dagegen helfen nur Durchhaltefähigkeit und hohe Fachkompetenz, die sich im Hinblick auf Netto-null-Gebäude auch in der Gebäudebranche durchaus noch verbessern dürften.
Im aktuellen eco2friendly-Magazin ist der Fokus das Licht. In diesem Bereich lässt sich viel Strom sparen. Reicht es, wenn einfach überall LEDs eingesetzt werden? Der Einsatz von LEDs ist sicher ein sinnvoller Schritt hin zu weniger Stromverbrauch. Ergänzt man diesen Schritt mit einer intelligenten Steuerung und entsprechenden Bewegungs- und Lichtsensoren, kann in vielen Fällen nochmals deutlich
mehr herausgeholt werden.
Wie wichtig sind Initiativen wie das Programm eco2friendly im Hinblick auf die Zielerreichung der Energiestrategie 2050? Eco2friendly ist im Hinblick auf die Ziele der Energiestrategie 2050 und des Nettonull-Ziels ein ausserordentlich wichtiges Programm. Das Engagement von eco2friendly ist wichtiger denn je, und die angesprochenen Themen werden in den kommenden Jahren noch viel mehr in den Fokus einer breiten Öffentlichkeit gelangen.
https://roadmap-grossen.ch