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Ausgabe Nr. 44/2012

magazin Kompetenz. Und Gottvertrauen.

Echt sein in einer Zeit des Scheins – Grundlagen für ein gesundes und erfülltes Leben

Interview mit Judy Bailey Ein Leben im Rampenlicht

Seite

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Der ewige Zweite

Therapiegrundlagen

Wenn man den Sprung an die Spitze nicht schafft

Die Auswirkungen der Fremdbestimmung – Seite Borderline

Seite

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Kompetenz. Und Gottvertrauen.

Psychotherapie, Psychiatrie, Psychosomatik. Auf christlicher Basis.

In der de’ignis-Fachklinik behandeln wir psychische und psychosomatische Erkrankungen, z. B. Depressionen, Ängste und Zwänge – sowohl stationär als auch ambulant. Grundsätzlich können die Kosten für eine Behandlung in unserer Klinik von allen Kostenträgern übernommen werden.

Nutzen Sie auch unsere Präventionsangebote, bei denen die gesundheitliche Vorsorge im Mittelpunkt steht. Das Angebot reicht von individuellen Gesundheitswochen bis hin zu Kursen zur Stressbewältigung.

de’ignis-Fachklinik gGmbH auf christlicher Basis für Psychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatik 2 Walddorfer Straße 23 · 72227 Egenhausen · Telefon 07453 9391- 0 · info@deignis.de

www.deignis.de


EDITORIAL

Liebe Leserinnen und Leser, Ich sitze auf dem Motorrad und fahre Richtung Süden. Je länger ich mich auf dem Weg befinde, desto mehr träume ich vor mich hin und verliere das Gefühl für Raum und Zeit. Ich genieße den Duft der Wiesen, die wunderbare Luft, den Wind und die traumhafte Landschaft. So denke ich vor mich hin und gewinne den Eindruck, Stunden oder gar Tage lang in dieser Weise zu fahren, ohne ein Ziel vor mir zu haben, sondern lediglich die Umwelt und jeden einzelnen Moment zu genießen. Doch dann, urplötzlich aus dem Nichts heraus, erwachen in mir die Gedanken: Du musst ja bald wieder umdrehen, da sind noch diese und jene Dinge zu erledigen, wie löst du die anstehenden Fragen die dir auferlegt wurden? Derzeit bin ich von lieben, freundschaftlichen, partnerschaftlichen und älteren Persönlichkeiten umgeben, die in ihrem Leben sehr viel für andere Menschen gegeben haben und nun im hohen Alter extrem gesundheitlich leiden. Da ich sie persönlich sehr gut kenne, weiß ich, dass sie für die Gesellschaft viel geleistet und in diese investiert haben, aber auch genießen konnten. Somit taucht dann schon die Frage nach der Grundlage für ein gesundes und erfülltes Leben auf. Wenn es hart auf hart kommt, werden wir nur dahin gelangen, wohin uns die Sehnsucht zieht. Wir stehen vor einer Wahl, die mit jedem Tag, der vergeht, dringlicher wird: Wollen wir unsere eigene Geschichte hinter uns lassen und Gott dahin folgen, wo die Erfüllung unserer Herzenssehnsucht wartet? In jedem Moment unseres Lebens ergeht ein Ruf an uns, wenn wir nur zuhören. Es ist der Ruf Gottes, der uns in eine Geschichte, zu einem Weg mit ihm führen möchte. Er flüstert uns im Wind (der Lebenssituationen) zu, er lädt uns durch das Lachen guter Freunde ein und durch die Berührung eines Menschen, den wir lieben, streckt er uns die

Hand entgegen. Wir hören den Ruf durch unsere Lieblingsmusik, wir spüren ihn durch die Geburt unseres Kindes, wir werden zu ihm hingezogen, wenn wir die Pracht der Landschaft beobachten. Sogar in Zeiten großen persönlichen Leids ist er gegenwärtig. Durch solche Erfahrungen erweckt der Ruf tief in unserem Herzen eine unstillbare Sehnsucht, eine Sehnsucht nach Intimität, Schönheit und Abenteuer. Sie treibt uns an, bei unserer Suche nach Sinn, nach Ganzheitlichkeit, nach dem Gefühl, wahrhaft lebendig zu sein. Wie auch immer wir dieses tiefe Verlangen beschreiben mögen, es ist das Wichtigste was wir haben: unser innerstes Herz, die Leidenschaft unseres Lebens. Wir möchten mit dieser Magazin-Ausgabe eine gesellschaftliche Situation aufgreifen, die derzeit sehr präsent ist und viele Menschen beschäftigt. Wohin entwickelt sich unsere Gesellschaft und was bestimmt unser Leben bzw. von was lassen wir unser Leben bestimmen? Das fängt mit den allgemeinen Erwartungen unserer Leistungsgesellschaft an und führt hin zur Frage der geistlichen Entwicklung. Es gibt, wie bereits kurz beschrieben, einiges zu entdecken, was uns dabei hilft, die Sehnsucht nach einem gesunden und erfüllten Leben zu stillen. Darüber hinaus haben wir im de’ignis-Aktuell-Teil wieder interessante Entwicklungen und Neuigkeiten bei de’ignis für Sie zusammengestellt. Besonders zu erwähnen wäre dabei der Klinikanbau in Egenhausen, der für uns eine große Herausforderung darstellt. Deshalb sind wir für Unterstützung sehr dankbar. Wir wünschen Ihnen gute Anregungen und Impulse, Ihr Claus J. Hartmann

Die Herausgeber:

Claus Jürgen Hartmann Geschäftsführer, de’ignis-Fachklinik und de’ignis-Institut

Winfried Hahn Geschäftsführender Heimleiter, de’ignis-Wohnheim Vorstandsvorsitzender Christliche Stiftung de’ignis-Polen 3


INHALTSVERZEICHNIS

S. 6

S. 29

Titelthema: Echt sein in einer Zeit des Scheins Grundlagen für ein gesundes und erfülltes Leben Interview mit Judy Bailey

S. 6 S. 11 S. 14

Ein Leben im Rampenlicht Dankbarkeit als Quelle der Kraft Winfried Hahn

Der ewige Zweite – wenn man den Sprung an die Spitze nicht schafft Dr. Herbert Scheiblich

Die ICHMICHMEINMIR-Gesellschaft Peter Hahne

S. 18

Freiheit ohne Ethik wird zur Willkür Der Maßstab der Bibel auch für Staat und Gesellschaft ZUR DISKUSSION

Winfried Hahn

S. 23 S. 27 4

Von der Entweltlichung der Kirche Die vieldiskutierte Papstrede von Freiburg – Versuch einer Interpretation Dr. Gerhard Maier, Landesbischof i.R.

Die Aufgabe der Kirche in einer sich verändernden Gesellschaft


IMPRESSUM

Redaktion: Rainer Oberbillig, Winfried Hahn, Claus J. Hartmann Layout, Gestaltung & Druckvorstufe: AD Dipl.-Ing. Rainer Haas Tel. 07 11 48 23 31 · info@artdesign-stuttgart.de

S. 34

S. 39

IMPULS

Prof. Dr. Hans-Joachim Eckstein

Gesunder Glaube

S. 29

Vom richtigen Umgang mit dem altmodisch klingenden, aber immer noch aktuellen Phänomen Sünde THERAPIEGRUNDLAGEN

Dr. med. Rainer Kloß

S. 34

Hast und Eile, Zeitnot und Betrieb … Wie sehr ist unser Leben fremdbestimmt? Anne Lamm/Angelika Heinen

Wollen und nicht können

S. 39 S. 45 S. 50

Druck: Gedruckt auf LuxoArt Samt New von Henkel GmbH Druckerei, Stuttgart Auflage 16.000 Herausgeber: de’ignis-Fachklinik gGmbH auf christlicher Basis für Psychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatik Walddorfer Straße 23 72227 Egenhausen Telefon: 07453 9391-0 Telefax: 07453 9391-193 E-Mail: info@deignis.de Volksbank Nordschwarzwald eG Konto 62 168 002 · BLZ 642 618 53 de’ignis-Wohnheim gGmbH – Haus Tabor zur außerklinischen psychiatrischen Betreuung Fred-Hahn-Straße 30 72514 Engelswies Telefon: 07575 92507-0 Telefax: 07575 92507-30 E-Mail: wohnheim@deignis.de Sparkasse Pfullendorf-Meßkirch Konto 105 338 · BLZ 690 516 20 de’ignis-Institut gGmbH für Psychotherapie und christlichen Glauben Markgrafenweg 17 72213 Altensteig Telefon: 07453 9494-0 Telefax: 07453 9494-396 E-Mail: institut@deignis.de Volksbank Nordschwarzwald eG Konto 66 624 002 · BLZ 642 618 53

Die Auswirkungen der Fremdbestimmung – Borderline

Christliche Stiftung de’ignis-Polen Fred-Hahn-Straße 30 72514 Engelswies Telefon: 07575 92507-0 Telefax: 07575 92507-30 E-Mail: wohnheim@deignis.de Sparkasse Pforzheim Konto 7 26 05 12 · BLZ 666 500 85

DE’IGNIS AKTUELL

Alle de’ignis Einrichtungen sind gemeinnützig und arbeiten überkonfessionell. Spendenbescheinigungen werden auf Wunsch gerne ausgestellt.

Termine · Berichte · Neues aus den Einrichtungen

Titelbild: thinkstockphotos.de.

Das Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätssyndrom bei Erwachsenen Achim Sörgel

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TITELTHEMA

Ein Leben im Rampenlicht Dankbarkeit als Quelle der Kraft Interview mit Judy Bailey

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ECHT SEIN IN EINER ZEIT DES SCHEINS

„Das Leben ist wunderschön. Das Leben ist schwer. Beides ist wahr. Und beides steht nebeneinander. Am Ende kommt die Lebenskraft auch aus beidem. Ich glaube, dass Menschen, die große Lebensfreude in sich tragen, auch die Tiefen des Lebens kennen.“ Judy Bailey

BIOGRAFIE

J

udy Bailey singt. Mit acht im Kirchenchor auf Barbados, mit 17 erste eigene Lieder mit Gitarre, mit 21 in London für ihr erstes eigenes Album. Sie singt ihre Lieder lebensmutig und freudestrahlend,

mit einer nicht unterzukriegenden Hoffnung. Sie singt

in Flüchtlingslagern und Gefängnissen, in alten Kirchen und neuen Clubs, auf Festivals und Festen. In Singapur und in Namibia, in Kanada, Tansania, Australien und immer wieder in Deutschland, wo sie heute lebt. Judy ist eine Weltmusikerin und eine Weltbürgerin. Ihre musikalische Reise führte sie auf jeden Kontinent, zu neun eigenen Alben, Kooperationen mit Musikern von Eddy Grant bis zu den „Söhnen Mannheims“, auf das offizielle Fußball-WM Album 2010 und zu ihren größten Auftritten vor Hunderttausenden. Wenn Judy Bailey Musik macht, dann spürt man die Sonne ihrer Heimat Barbados: Die Leichtigkeit und Freude der Karibik, gepaart mit Rhythmus und Power aus Afrika, aber auch innovative Sounds und Reflexionen aus ihrer neuen Heimat Europa. Ihre Musik ist schon immer bewegend und persönlich. Judy singt Lieder, von denen man denkt: „Das hat sie nur für mich geschrieben.“ Und würde man sie fragen, würde sie sicher sagen: „Ja – es ist deins!“

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Foto: Patrick Depuhl

TITELTHEMA

de’ignis-Magazin: Frau Bailey, der Titel dieser Ausgabe des de’ignis-Magazins lautet „Echt sein in einer Welt des Scheins“. Als international bekannte Sängerin sind Sie auf vielen Bühnen dieser Welt zuhause. Wie gelingt es Ihnen, bei Ihren vielen Auftritten echt und authentisch zu bleiben? Judy Bailey: Vielleicht liegt es daran, dass ich so komme, wie ich bin. Wenn ich auf der Bühne stehe, versuche ich, mit meiner Person ganz da, ganz anwesend zu sein. Dies gelingt mir, weil mir meine Tätigkeit sehr viel Freude bereitet, denn ich darf das machen, was mir entspricht. Angestellte müssen meistens das tun, was der Chef oder die Firma vorgibt und sind damit abhängig. Ich darf jedoch in Unabhängigkeit das verwirklichen, was mir ein inneres Anliegen ist. Ich darf sein, wie ich bin und befinde mich deshalb im Einklang mit mir selbst. Auch meine Plattenfirma lässt mir sehr viel Freiheit. Ich glaube, die Leute merken, dass ich authentisch bin, weil ich mich nicht verstellen muss. Auch das Programm bei unseren Auftritten gestalten wir oft spontan, indem wir während den Konzerten auf das Publikum eingehen und die Lieder aussuchen, die nach unserem Empfinden gerade passen. de’ignis-Magazin: Das setzt aber doch sehr viel Spontaneität und ein aufeinander eingespieltes Team voraus und ist auch sehr mutig.

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Judy Bailey: Ich liebe die Spontaneität, das macht jeden Moment während des Auftritts authentisch, weil es aus einem echten, aktuell vorhandenem Empfinden kommt. Aber das klappt nur, wie Sie sagen, weil wir ein eingespieltes Team sind und miteinander gute Beziehungen pflegen. de’ignis-Magazin: Was ist Ihre innere Triebkraft, Ihre Motivation für den ungeheuren Kraftaufwand, den man braucht, um sich bei den vielen Auftritten und Terminen der Öffentlichkeit zu stellen? Judy Bailey: Unser Anliegen ist es, die Botschaft weiterzugeben: Gott ist da, er liebt dich, er lässt dich nie im Stich. Das ist eine so wertvolle Aufgabe. Es ist unglaublich wunderbar zu wissen, dass man mit Musik dabei helfen kann eine Seele zu heilen und jemand eine andere Perspektive anbieten kann: Das wir nicht alleine sind! Vielleicht kann das dann auch eine Motivation werden eine eigene Entdeckungsreise mit Gott zu machen und in Ewiges zu investieren. de’ignis-Magazin: Diese Botschaft der Hoffnung scheint mir sehr wichtig zu sein, besonders in einer Zeit, die mit Negativbotschaften geradezu überflutet wird. Judy Bailey: Wir brauchen Hoffnung. Nur so können wir erkennen, dass die Dinge nicht so aussichtslos sind, wie sie


Foto: Patrick Depuhl

ECHT SEIN IN EINER ZEIT DES SCHEINS

scheinen. Es ist wichtig, dass ass wir über den Tellerrand unserer eigenen kleinen Welt und über die Umstände hinwegsehen können. de’ignis-Magazin: Das bedeutet, dass Sie auch eine Art von stellvertretender Hoffnung für Menschen haben, die für sich selbst oder ihre Umwelt keine Hoffnung mehr empfinden. Judy Bailey: Ja, so kann man es sagen. Es ist mein Anliegen, Hoffnung in die Seelen der Menschen zu singen. Wir möchten vermitteln: Sei unterwegs, bleibe unterwegs! Im Prozess des Unterwegsseins, des Weitermachens wird man stärker. Ich selbst bin auch durch Nöte gegangen, aber ich wurde stärker. Das vermitteln wir auch in vielen persönlichen Gesprächen nach unseren Konzerten. Wir freuen uns, dass wir auch auf diese Weise Mut machen dürfen zum Unterwegssein. de’ignis-Magazin: Wie sind Sie dazu gekommen, Ihre Kraft, Ihre Zeit, ja eigentlich Ihr ganzes Leben für diese Ziele einzusetzen? Gab es dafür in Ihrer Biografie bestimmte auslösende Ereignisse? Judy Bailey: Ich bin eigentlich schon immer, auch als Kind, in die Kirche gegangen und habe auch im Kirchenchor mitgesungen. Singen war schon immer meine Lei-

denschaft. Aber mit 17 Jahren habe iich eine tiefe innere persönliche Erfahrung gemacht: ich bin geliebt, nicht nur von meinen Eltern, sondern auch von Gott. Ich habe mich dann in meinem Schlafzimmer hingekniet und gesagt: „Gott komm in mein Leben.“ Von außen betrachtet passierte nicht viel, kein Blitz und kein Donner kam vom Himmel, aber tief in meinem Inneren erlebte ich, Gott hat mich unendlich lieb. Ich habe dann angefangen, Psalmen, die mich besonders angesprochen haben, zu vertonen, ja, es wurden richtige Liebeslieder an Gott daraus. Es ist schon eine sehr persönliche, innige Beziehung, die Gott mit uns eingeht. Er ist ja nicht irgendjemand, er ist Gott! de’ignis-Magazin: Könnte man also sagen, Sie lassen bei Ihren Konzerten den Strom der Liebe Gottes durch Sie hindurch zu den Menschen strömen? Judy Bailey: Das geht mir fast ein bisschen zu weit, denn so übermäßig heilig oder als etwas Besonderes empfinde ich mich gar nicht. Wissen Sie, jeder ist von Gott geliebt und ist von daher etwas Besonderes. Jeder ist von Gott angenommen, egal welchen Hintergrund er hat, egal ob schwarz oder weiß, reich oder arm, erfolgreich oder nicht so erfolgreich … Man muss kein perfektes Leben haben, um von Gott geliebt zu sein, es ist allein seine Gnade. Auf diese Weise sind wir alle Beschenkte, es ist unverdiente Gnade.

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de’ignis-Magazin: Sie haben ja auch, wenn ich richtig informiert bin, Psychologie studiert. Judy Bailey: Ich habe in der Tat einige Jahre als Psychologin in einer Einrichtung gearbeitet, und da war es mir ein wichtiges Anliegen, den Menschen vor allem diese Wertschätzung zu vermitteln. Ich möchte aber betonen, und das ist mir jetzt sehr wichtig: Es genügt nicht, den Menschen von der Liebe Gottes zu erzählen, ohne sich gegen Ungerechtigkeit zu engagieren. Deshalb arbeite ich eng mit „World Vision“ zusammen. Dies ist eine Hilfsorganisation, die in vielen Ländern Hungernde unterstützt und für Veränderung eintritt. Wir leisten dort Hilfe und Anleitung zur Selbsthilfe. Es ist doch so, dass nicht nur die Seele Nahrung braucht, sondern auch der Körper. Wenn wir den Menschen Essen geben, dann ist das auch Liebe. Wir dürfen nicht nur von der Liebe sprechen, wir sollten auch was tun. de’ignis-Magazin: Gab es Situationen, in den Sie sich von Journalisten, der Presse oder anderen Medien unfair behandelt fühlten? Judy Bailey: Das könnte ich für mich so nicht sagen. Sicher, es gab schon mal kritische Berichte über die eine oder andere CD, aber eigentlich waren die Journalisten immer ganz nett zu mir und ich bin auch dankbar für die vielen guten Berichte über unsere Konzerte. de’ignis-Magazin: Das liegt vielleicht an Ihrem ehrlichen und natürlichen Auftreten. Judy Bailey: Ja, ich liebe es, wenn etwas ehrlich gemeint ist und die Leute haben ein Gespür dafür. Aber es ist auch wichtig, die Fähigkeit zu entwickeln, Negatives nicht zu hoch zu bewerten und sich nicht zu sehr davon irritieren zu lassen. Wie heißt es doch in der Bibel: den Staub von den Füßen schütteln und weitergehen. de’ignis-Magazin: Hätten Sie vielleicht zum Schluss für unsere Leser noch einige Tipps, wie man sich in unserer stressreichen Zeit vor Überlastung – Stichwort Burnout – schützen kann?

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Judy Bailey: Ich denke, es ist gut, intensiv zu arbeiten, aber genau so wichtig ist es auch, intensiv auszuruhen und sich Zeit zu nehmen für die Familie und für Freunde. Wenn man das, was man tut, gerne tut, besteht die Gefahr, immer weiter und weiter zu arbeiten. Das ist eine Gefahr, man muss sich die Zeit nehmen, auszuruhen. Und wenn man dann nichts macht, sollte man nicht denken, man tut nichts und sich nicht mit einem schlechten Gewissen belasten. Nichts tun ist wichtig, um kreativ zu bleiben. Das kann manchmal auch weh tun und ein Opfer bedeuten, wenn man Termine absagt, um genügend Zeit zur Erholung zu haben. Aber es lohnt sich, Opfer für die seelische Gesundheit zu bringen und die damit verbundenen Grenzen zu akzeptieren. de’ignis-Magazin: Haben Sie noch einen weiteren Tipp zur Erhaltung der seelischen Gesundheit? Judy Bailey: Ich denke, man sollte die Prioritäten richtig setzen. Man braucht nicht zwei Fernseher und fünf Autos, um glücklich zu sein. Wichtig ist eine Einstellung der Dankbarkeit. Ich bin dankbar, dass die Menschen meine Songs hören wollen. Dankbarkeit ist eine Einstellung, die uns Menschen gut tut. Wichtig ist auch, dass man das Leben so gut es geht zu einem Fest macht. Wir sollten viel mehr das Leben feiern. Neulich haben wir 100jährigen Geburtstag gefeiert. Wir haben festgestellt, wenn wir die Lebensalter unserer Familie zusammenzählen, sind wir miteinander 100 Jahre. Also haben wir recht spontan unsere Freunde und alle Nachbarn in unserer kleinen Strasse eingeladen und haben mit über 100 Leuten unseren 100jährigen Geburtstag gefeiert. Das war toll! Sich die Dankbarkeit bewahren und aus seinem Leben mit der Hilfe Gottes ein Fest machen, so gut es geht – ich denke, das fördert unser Wohlbefinden. de’ignis-Magazin: Vielen Dank für dieses interessante und sehr anregende Gespräch.

Die Fragen für das de’ignis-Magazin stellte unser Redaktionsmitglied Winfried Hahn.


ECHT SEIN IN EINER ZEIT DES SCHEINS ECHT SEIN IN EINER ZEIT DES SCHEINS

Edwin „Buzz“ Aldrin auf dem Mond am 20. Juli 1969 (Foto: NASA)

Der ewige Zweite – wenn man den Sprung an die Spitze nicht schafft VON WINFRIED HAHN

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or kurzem starb Neil Armstrong, der Mensch, der zum ersten Mal einen anderen Himmelskörper, den Mond, betrat. Kaum jemand weiß und ahnt, dass sein Kollege Edwin Albin, der zweite Mensch auf dem Mond, fast daran zerbrach, „nur“ Zweiter gewesen zu sein. Der eine kann sich locker damit abfinden, in seiner Raumkapsel den Mond „nur“ umkreist zu haben wie Mike Collins, der andere zerbricht fast daran, „nur“ der zweite Mensch auf dem Mond gewesen zu sein. Die nach-

folgenden Ausführungen beschäftigen sich mit der Frage, warum Menschen an ihrem Schicksal, ihrem Lebensweg, ihren Umständen zerbrechen können und wie man sein Schicksal bewältigen kann.

Auszug aus dem Artikel „Der ewige Zweite“ von Peter Meinert, dpa/Südkurier Nr. 15 vom 20.01.2012: „Neil sollte der erste Mann sein, der auf dem Mond herumläuft, ich bin der erste Mann, der auf dem Mond in die Hose pinkelte“, sagte Aldrin einmal. Nach turbulenten 11


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Edwin „Buzz“ Aldrin fotografierte seinen Fußabdruck auf der Mondoberfläche am 20. Juli 1969 mit einem Carl Zeiss Biogon Objektiv an einer Hasselblad Kamera. Das Foto entstand aus wissenschaftlichen Zwecken um die Bodenmechanik der Mondoberfläche zu untersuchen. Es wurde später zum Synonym für die Eroberung des Weltraums durch den Menschen. (Foto: NASA) und schwierigen Jahren scheint sich der alte Mann gefangen zu haben. 39 Jahre war Aldrin an jenem denkwürdigen 21. Juli 1969 alt, mit Erfolgen überschüttet wurde er bereits zuvor: Er war der erste Astronaut mit Doktorwürde. zudem war Aldrin derjenige, der als Pilot die Landefähre „Eagle“ sicher auf den Mond bugsierte.

Warum wollen Menschen immer etwas Besonderes sein? Offensichtlich fällt es den Menschen schwer, an zweiter, dritter Stelle oder gar im Mittelfeld zu stehen. Julius Cäsar soll einmal gesagt haben, als er mit seiner Armee ein kleines Gebirgsdorf durchquerte: Lieber hier der erste als in Rom der zweite.

Erst im Frühjahr, vergleichsweise kurz vor der Mission, entschied die Nasa, dass Kommandant Armstrong den Vortritt haben sollte. Der dritte Mann der Apollo-11Mission, Michael Collins, der damals im Mutterschiff bleiben musste und das ganz Mondspektakel nur beobachten konnte, berichtete von echten Verstimmungen zwischen Aldrin und Armstrong beim Ausstieg – so etwas durfte natürlich offiziell niemals bekanntwerden.

Keiner hätte es gerne, wenn bei seiner Beerdigung gesagt würde: „Er wurde geboren, lebte und starb. Er war einer unter vielen.“

Den vermeintlich süßen Ruhm konnte Aldrin nur kurz genießen – innere Leere und Perspektivlosigkeit bemächtigten sich seiner nach der Heldentat. Was kann ein Mann, der auf dem Mond wandelte, noch tun im Leben? Aldrin bekam Depressionen, begann zu trinken, wurde alkoholabhängig. Eine weitere Enttäuschung war, dass die Beförderung zum General ausblieb. Er erlitt einen Nervenzusammenbruch, zwei Ehen scheiterten. Ihm hätten schlicht neue Ziele gefehlt, schrieb er 1973 in einem Buch, das seine Leidengeschichte schilderte. Das Buch hatte den sinnigen Titel „Rückkehr zur Erde“ – die Rückkehr war das Schwierigste.“

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Warum hat der Mensch das offensichtliche Bestreben, etwas Besonderes zu sein? Kriege werden aufs Brutalste geführt, nur weil ein Politiker, Diktator, Feldherr, eine Nation etc. historische Größe erreichen will. Gewinnstreben wird zur hemmungslosen Gier, nur weil einige immer reicher werden wollen, Fernsehsendungen werden peinlich, und die Zuschauer bekommen ein Gefühl des „Fremdschämens“ nur weil einige Menschen meinen, ihr Privatleben vor laufender Kamera entblößen zu müssen – Hauptsache im Fernsehen. Das böse Erwachen kommt häufig erst hinterher, wenn man durch den Spott der Freunde, Nachbarn, Kollegen etc. merkt, dass man sich bis auf die Knochen blamiert hat. Aber auch routinierten Medienleuten scheint das Gespür für Stil und Niveau verlorengegangen zu sein, wie die jüngste Entwicklung um Thomas Gottschalk zeigt. Hauptsache auf Sendung, Hauptsache Quote – auch wenn Werte und Moral auf der Strecke bleiben. Der Mensch scheint unter einer Art inneren Leere zu


ECHT SEIN IN EINER ZEIT DES SCHEINS

leiden, die ihn dazu bringt, vor keiner Grenze halt zu machen, oder man stürzt seelisch ab wie der Astronaut Aldrin. Wenn ich nur der zweite bin und mein Leben ansonsten nicht mehr toppen kann, dann hat für mich alles keinen Sinn mehr! Ja, es ist schon so, wie Jesus es empfand: Tief bewegt war er über die Menschen, denn sie waren und sie sind „wie Schafe, die keinen Hirten haben“ (Markus 6,34). Auch Augustinus seufzte rückblickend auf sein ausschweifendes Leben: Unruhig ist meine Seele bis dass sie Ruhe findet in dir, oh Gott. Auch die Psychologie hat das Thema Sinn und Sinnlosigkeit entdeckt. So brachte Viktor Frankl in seiner Logotherapie zum Ausdruck, dass Menschen, denen es gelingt, ihrem Leben einen über die bloße Existenzsicherung und Lustgewinn hinausgehenden Lebenssinn zu entwickeln, belastungsfähiger und psychisch gesünder sind als solche, die nur nach Bedürfnisbefriedigung im Hier und Jetzt streben. Auch Aaron Antonovski bringt in seinem Modell der Salutogenese zum Ausdruck, dass es für die seelische Gesundheit eines Menschen von evidenter Bedeutung ist, wenn er die Umstände und Ereignisse seines Lebens nicht nur verstehen und handhaben, sondern auch eine Sinnperspektive erkennen kann. Der Mensch hat im Vergleich mit der Tierwelt wenige Instinkte, dafür aber das Bedürfnis nach höherem, nach Sinn und Ziel zu streben. Wenn die Fragen nach dem Woher, Wohin und Wozu seines Lebens unbeantwortet bleiben, können auch die größten Erfolge den Hunger der Seele nicht stillen. Hier bekommt der Glaube eines Menschen als sinngebende Komponente eine entscheidende Bedeutung. Die Botschaft des Evangeliums lautet nämlich, ich muss nicht erfolgreich, berühmt, wohlhabend sein, um Bedeutung zu haben. Ich brauche bei dem Tanz ums goldene Kalb reicher, schneller, höher, mächtiger, schöner etc. nicht mitzumachen. Gott schaut uns liebevoll an und sagt: Ich kenne den Hunger deines verborgenen Menschen und den ungestillten Durst deiner Seele. Ich weiß auch, welche Anstrengungen du unternimmst, diesen inneren Mangel zu stillen. Ich weiß um deine Verirrungen und Verfehlungen auf diesem Weg. Aber ich will dich mit meinem Frieden beschenken und deiner Seele Ruhe geben. In Jesus finden wir inneren Frieden, denn er weiß um den tiefen Mangel in unserem Herzen. Die Begegnung mit Ihm, die Erfüllung mit seinem Geist, die in uns strömende Liebe Gottes macht uns ausgeglichen und erfüllt unsere Seele mit tiefem Frieden. Dies ist ein verborgenes Geheimnis, das man immer wieder neu erfahren und entdecken darf: Die Begegnung mit der Liebe Gottes bringt unserer Seele diese tiefe Erfüllung, die unsere Sehnsucht

Rechts: Astronaut Edwin Aldrin, links: Astronaut Neil Armstrong. (Foto: NASA/ Bill Ingalls) stillt. Aber nicht nur das. Sein Zuspruch: „Ich vergebe dir alle deine Verfehlungen“ macht uns frei von dem Druck, beweisen zu müssen, dass wir gut sind. Weil Er „ja“ zu mir sagt, darf ich „ja“ zu mir selbst sagen, ohne meine Fehler, Schwächen und Unvollkommenheiten verstecken oder vertuschen zu müssen. Ich muss mir selbst oder anderen nicht mehr beweisen, dass ich gut, fähig und erfolgreich bin. Das befreit von Erfolgs- und Leistungsdruck. Das „Ja“ Gottes zu uns gibt uns die Größe, zu unseren Fehlern und Schwächen zu stehen. Auf diese Weise fällt es uns leichter zu akzeptieren, wenn wir nicht der erste, sondern zweiter, dritter oder nur mittelmäßig oder gar Schlusslicht sind. Gottes Ja gibt uns die Größe, zu unseren Unzulänglichkeiten, Fehlern und Grenzen zu stehen. Auf diese Weise werden wir unabhängig von unserer Leistungsfähigkeit zu charakterlich reifen Menschen, für die das Sein mehr zählt als der Schein. Winfried Hahn (Biographische Angaben siehe Seite 26) Vom Autor erschienene Bücher: „Psychische Erkrankungen im Licht der Bibel“. SCM Hänssler, 2. Auflage 2009

„Worüber man nicht spricht – Tabus in Seelsorge und Gemeinde“ von Ute Horn und Winfried Hahn SCM Hänssler Verlag, 2010

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Die ICH MICH MEIN MIR-Gesellschaft 14


ECHT SEIN IN EINER ZEIT DES SCHEINS

VON DR .HERBERT SCHEIBLICH

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er heutige Zeitgeist ist aus meiner Sicht gekennzeichnet von der Sucht nach dem permanenten Überschreiten von Grenzen sowie dem Wahn, dass alles erreichbar sein muss. Ein weiteres Kennzeichen besteht in einer ausgeprägten Ego-Ideologie, die die Gesellschaft maßgeblich beeinflusst: alles ist für mich bzw. alles steht mir zu. Das profundeste Beispiel hierfür ist auch der Wandel des Gefühles für Nullen. Vor der Finanzkrise war eine Million Euro eine sehr große Summe, zur Zeit ist eine Milliarde Euro gegenüber dem Schuldenstand von Billiarden ein „peanut“. Hier stellt sich die Frage, womit hängt diese Entwicklung zusammen – mit der Technik von heute, den Menschen, ihren Psychodynamiken oder der Philosophie? Folgende gesellschaftliche Entwicklungen, die ich im folgenden näher ausführen werde, habe ich im Zusammenhang damit beobachtet: Die Veränderungen der Kommunikationsstrukturen in unserer Zeit verlaufen rasend schnell, fast versteckt und vor allem unter der Oberfläche des (öffentlichen) Bewusstseins. Diese Entwicklung ist dem technischen Fortschrittes dreier Megatrends geschuldet:

google mit Wikipedia Der schnelle Zugriff auf Wissen über das Internet sowie die Demokratisierung des Zuganges zu Informationen verführt zu einer Ansammlung von zahlreichen Einzelfakten, verbunden mit dem trügerischen Gefühl, (all)wissend zu sein. Es fehlt jedoch oftmals der philosophische Verstehenshorizont als Grundlage, auf dem Einzelfakten einzuordnen sind und der notwendige Prozess, Informationen über Nachdenken zur eigenen Erkenntnis und zum Wissen zusammenzufügen – die intellektuelle Bildung wird durch intellektuelles Fastfood ersetzt.

Adam Radosavljevic/ photos.com

iPhone und iPad in Zusammenhang mit der drahtlosen Telekommunikation Mit der Entwicklung dieser beiden Kommunikationsgeräte gelang es dem verblichenen Applechef Steve Jobs, seine Vision der Medien nachhaltig umzusetzen. Diese Geräte haben dadurch einen stark suchtfördernden Charakter, indem sie einfach zu bedienen und einfach in den

Alltag einzubinden sind. Zudem vermitteln sie dem Benutzer das Gefühl, cool und im Trend der Zeit zu sein. Die Konsequenz dieses Trends ist, dass ein maßgeblicher Teil des Denkens auf ein Werkzeug verlagert wird, was wiederum – vergleichbar mit der Erfindung des Buchdrucks – einen weiteren technischen Quantensprung in der Entwicklung der Informationsverarbeitung darstellt.

Soziale Netzwerke wie facebook und andere Die Tatsache, ohne sich zu bewegen mit fast der ganzen Welt verbunden zu sein, erzeugt in dem Einzelnen ein Pseudo-Lebensgefühl – nämlich geliebt, geborgen, geachtet, nützlich, wichtig etc. zu sein. Bleiben soziale Interaktionen jedoch auf den Mausklick beschränkt und bestehen keine weiteren realen Kontakte bzw. die Möglichkeit, echte d. h. auf Gegenseitigkeit angelegte Beziehungen zu leben, besteht die Gefahr, einen ausgeprägten Narzissmus und reinen Selbstbezug zu entwickeln. Dies zeigt sich darin, dass diese Menschen jede noch so banale Kleinigkeit aus ihrem Leben zu einem weltbewegenden Ereignis hochstilisieren. Es ist faszinierend, diese Interaktionen zu beobachten; sie laufen alle nach folgendem Muster ab: „Stell dir vor, liebe Umwelt, ich bin wach geworden und sage: Guten Morgen. Ich teile dies vielen, ob sie es wollen oder nicht, mit – in der Absicht, herauszufinden, was dann passiert.“ In der Vergangenheit schrieb man eine Biographie im hohen Alter, weil man etwas erlebt hat und dies für mitteilungswürdig hielt. Heute schreiben 17-jährige eine Biographie, damit sie etwas erleben. Kurzum: das Internet ist zu einem psychosozialen Pseudo-Entwicklungsraum geworden. Andere Megatrends wie die Globalisierung sind hier in diesem Zusammenhang nicht zu berücksichtigen, da sie nicht in der subjektiven, unmittelbaren und alltäglichen Entscheidungsgewalt des Individuums liegen. Auch der Eindruck einer ausschließlich negativen Bewertung der neuen Techniken ist nicht berechtigt; diese neuen Medien sind hilfreich, beinhalten aber unabhängig vom Reifungszustand des Gehirns die Gefahr der einseitigen Organisation desselben mit visueller Vernetzung etc. Ein gutes Beispiel hierfür ist, dass unser jüngster Enkel, etwas über ein Jahr alt, Opa’s iPhone präzise bedient – und das ohne Einweisung und obwohl er noch nicht einmal sprechen kann. (Zuletzt eine sozialkritische Bemerkung: diese Revolution der Kommunikation passt haargenau zur 15


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Entwicklung einer postkapitalistischen Gesellschaft. Also hatte Karl Marx mit seinem Kapital, ökonomisch betrachtet, kapital recht.) Schlussfolgernd könnte man also sagen: Willkommen im Land der Internet-Hirnatrophie. Als Psychiater und aus Sicht der Psychopathologie stelle ich mir diesbezüglich die Frage, durch welchen ICH-Aufbau und welche Persönlichkeitsstruktur dieser Nivellierungsprozess gehemmt bzw. gefördert werden kann. Die Antwort ist aus meiner Sicht bei der ICHStruktur recht einfach zu beantworten. Es ist egal, welche Komplexität das ICH hat, ob es chaotisch, ambivalent oder hochorganisiert ist, die Gefahr einer Abhängigkeit, das Suchtpotential bei der Nutzung dieser Trends ist für alle Menschen gleich ausgeprägt. Die Techniken sind einfach zu erlernen, machen vieles bequemer, vieles kann schnell erledigt werden. Da ein Großteil der Gesellschaft die neuen Techniken bereits nutzt, entsteht aus diesem kollektiven Verhalten eine Pseudosolidarität. Die Grundbedürfnisse des Individuums werden auf diese Art und Weise voll befriedigt. Immer online zu sein ist cool und hip, zudem entfällt die Mühe, sich mit anderen und sich selber auseinandersetzen zu müssen. Bei der Art der Persönlichkeit scheint das Bild differenzierter zu sein. In der vorletzten Ausgabe des Spiegels (wohlgemerkt einem Druckerzeugnis, dessen Benutzung Denken erfordert, es kann heutzutage jedoch aber auch als ePaper auf einem iPad gelesen werden) war der Leitartikel den Stillen und Introvertierten im Land gewidmet. Das Fazit dieses Artikels bestand darin: Diese Introvertierten werden in ihrer Effizienz verkannt. Diese 16

Behauptung trifft sicherlich in einigen Bereichen zu, aber dennoch unterscheiden sie sich in der Benutzung der oben genannten Megatrends sicher nicht gravierend von den anderen. Auch die Introvertierten von der heutigen Weise der Kommunikation begeistert, es ermöglicht ihnen schließlich, im Anonymen zu arbeiten, was wiederum der Introversion entgegen kommt. Dies zeigt sich zum Beispiel auch am Phänomen der Piratenpartei. Auch wenn viele Menschen sich nicht bewusst mit den Inhalten und politischen Zielen auseinandergesetzt haben, hielt sie dieses Nichtwissen nicht davon ab, ihre Meinung diesbezüglich in den einschlägigen Medien wiederzugeben – es chatteten, bloggten, gefälltmirten, skypten, facten und twitterten Menschen, die ohne das digitale Medium in der schweigenden Mehrheit auf- und untergingen. Den Gegenpol zur Introversion stellt die Extraversion in all ihren Facetten dar. Man gewinnt in der letzten Zeit zunehmend den Eindruck, als sei das IT System gerade für diese Personengruppe als Superplattform der Selbstdarstellung kreiert. Exaltierte Fernsehsendungen wie DSDS (Doofe suchen den Superdeppen??) offerieren alle Spielarten der Extroversion: Sensitive, Hysterische, Borderliner und Narzissten. Imposant dabei ist der Innungsmeister der Selbstinszenesetzer Dieter Bohlen. Der sogenannte „Poptitan“ brilliert mit Sprüchen, die an Menschenverachtung und Arroganz schwer zu überbieten sind. Auch wenn viele Menschen dieses Verhalten kritisieren und darüber empört sind, bleibt doch insgeheim der Neid auf das dabei verdiente Geld.(Hätten sie eine ähnliche Chance, würden sie sicher genauso handeln wie Bohlen.)


ECHT SEIN IN EINER ZEIT DES SCHEINS

Nadezhda Bolotina/ .veer.com

Hiermit sind wir zum Kernproblem durchgestoßen: die Megatrends sind vergleichbar mit Geld, unabhängig von der Persönlichkeitsstruktur des Einzelnen. Geld korrumpiert über die Länge und Höhe des finanziellen Angebotes. Es wird zum beherrschenden Motiv. Diese psychische Bewegung bedeutet für den Nutzer immer das Potenzial zur Einseitigkeit. Zu allen Zeiten gab es Menschen mit psychischen Problemen. Die Organisation des gesellschaftlichen Lebens erhöht die Möglichkeiten zum Ausleben dieser psychischen Probleme: der junge Mensch entwickelt sich unteroptimal, der Erwachsene wird neurotisch, der Gestörte steigert sich ins Extrem. Zusammenfassend sind die Gesellschaft und damit der Einzelne primär nicht durch Persönlichkeitsgestörte oder gefährliche Techniken gefährdet, sondern durch das Paradoxon einer riesigen Freiheit der Wahlmöglichkeiten und einem fehlenden Maßstab, einer Mitte. Anders formuliert: alle sind verschieden, aber doch gleich. Willkommen im Club der Egoisten. Aus Sicht des Theologen spekuliere ich, welche Persönlichkeit JESUS hatte und ob er ein iPhone zur Organisation seiner Jünger oder ein iPad zur Verkündigung genutzt hätte? Die Aussagen der Evangelien lassen oberflächlich widersprüchliche Schlussfolgerungen zu. War er ein Rebell wie bei der Tempelreinigung, war er ein Träumer oder war er depressiv? Ich glaube, die Persönlichkeit des HERRn, ihre Psychodynamik ist nicht zu beschreiben. Mit dieser Aussage soll jedoch nicht legitimiert werden, sich ein Idealbild wie in den zahlreichen Hollywoodproduktionen von JESUS zu erschaffen: ein weißer junger Mann, Mitte 30, mit androgynem Gesicht und wallenden blonden Haaren sowie einem von überwältigender Liebe geprägten Blick (aus blauen Augen selbstverständlich). Dies kann und darf daraus nicht abgeleitet werden. Ich glaube der HERR war von seiner Persönlichkeit her so konfiguriert, dass er ein Spiegelbild für jeden Mensch war, in dem sich dieser wiederfand, sicher geborgen wertgeschätzt und angenommen. Warum ist dies so? Meine Erfahrung ist: JESUS hat seine Mitte von GOTT, seinem Vater, und tat nur das, was er beim Vater sah. Mit dieser konsequenten Abhängigkeit von GOTT und dem damit verbundenen Maßstab war er allen, die etwas von IHM erwarteten, ein Gegner, den es zu bekämpfen galt. Als Christen sind wir nicht in der Lage, eine ähnliche Kommunikationsstruktur wie JESUS zu entwickeln, aber wir sind befähigt, im Sinne GOTTES zu handeln. Dann geht es uns aber ähnlich wie JESUS, dann sind wir anders, dann sind wir revolutionär – und dies unabhängig von unserer Persönlichkeit. Dann sind wir also nicht Mitglied im Club der Egoisten.

Für den alltäglichen Gebrauch umgesetzt bedeutet dies:

ICH habe eine Mitte; Alles ist euer, ihr seid Christus 1. Kor. 3,23

die jeden Tag zu finden ist, damit ich lerne, unabhängig von mir selbst zu werden. ICH habe den Maßstab: Vieles ist nützlich, aber weniges erbaulich. 1. Kor. 10,23

mit dem ich verhindere, Techniken etc. einseitig zu nutzen. Die entscheidende Antwort auf den oben genannten Zeitgeist ist die Entscheidung zwischen einer ICH-Philosophie oder privaten Theologie, die sich z. B. in folgendem Motto ausdrückt:

ICH MICH MEIN MIR, Gott segne diese vier, oder der Solidaritätsphilosophie:

Wie ich auch bin, was ich mache, ich tue es im Namen des HERRn und nicht jeder schaue auf das Seine, sondern auf den anderen. Dann sind unsere Persönlichkeiten mit den heutigen Techniken ein Segen für andere.

ÜBER DEN AUTOR Dr. Herbert Scheiblich ist Arzt für Psychiatrie, Psychotherapie, Suchtmedizin, Verkehrsmedizin, Ernährungsmedizin, Kinder- und Jugendpsychotherapie und Lauftherapie. Habilitation als Privatdozent und akademischer Abschluss in evangelischer Theologie. Psychotherapieausbildungen in Systemischer Familientherapie, Individualpsychologie, Rational-Emotiver Therapie und Logotherapie. Er wohnt in Altensteig.

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TITELTHEMA

Freiheit

Zeitgeistanalysen

Nachricht Ideologie Christen

Volk Realität

Verhalten

Handeln

Zeitgenossen Bibelspruch

Thema

G

Bibe Diskussionen

Ethik

Ori

Je

Freiheit ohne Ethik wird zur Willkür Der Maßstab der Bibel auch für Staat und Gesellschaft VON PETER HAHNE

Der Maßstab der Bibel Die Grundfrage unseres Themas ist, woher wir als Christen unsere Maßstäbe nehmen, woran wir uns bei unserem staatsbürgerlichen Verhalten orientieren wollen. Ob wir uns im „Second-hand-Verfahren“ ein paar Modemeinungen zu eigen machen und unsere eigenen (Vor-)Urteile mit einem frommen Lorbeerkranz versehen; ob wir uns im „Do-it-yourself-Verfahren“ eine christliche Ideologie zusammenbasteln und die Bibel zu einer losen Zitatensammlung degradieren … Wenn wir als Christen unser Verhalten gegenüber Staat und Politik bestimmen wollen, dann fragen wir nicht zuerst nach unserer Meinung oder der anderer wohlmeinender Zeitgenossen. Wir fragen nach dem Wort Gottes. Wir fragen nach dem Willen Gottes und suchen ihn da, wo er am eindeutigsten formuliert ist: in der Bibel.1 1

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Und wir werden erkennen, dass die uralte biblische Nachricht alles andere als von gestern ist. Sie hat zum Beispiel den Christen in den deutschen Diktaturen der jüngeren Geschichte Halt und Hoffnung gegeben und ihnen geholfen, auf der Gratwanderung zwischen „Widerstand und Ergebung“ (Dietrich Bonhoeffer) zu leben. Nicht unsere Meinungen, Erfahrungen und Möchtegern-Richtigkeiten sind Maßstab zur Urteilsbildung. Für Christen ist die Bibel die Orientierungsmarke. In ihr begründet sich die „Freiheit eines Christenmenschen“ (Martin Luther) gegen die von Papst Benedikt XVI. zu recht beklagte „Diktatur des Relativismus“. Unser Glaube baut weder auf Gefühlen noch auf frommen Erlebnissen, weder auf visionären Privatoffenbarungen noch auf ideologischen Zeitgeistanalysen. Christlicher Glaube basiert allein auf dem Fundament biblischer Tatsachen. In seinem Wort sagt uns Gott, was er von uns

Zur aktuellen Gültigkeit der Bibel mehr in: Peter Hahne, Kein Grund zur Resignation, Verlag Johannis, Lahr


ott

Leben

ECHT SEIN IN EINER ZEIT DES SCHEINS

Sünde Gerechtigkeit

l Willkür

Fundamente entierung

sus

Verhalten

Politik

Gesellschaft

Wort Staat

Diktaturen Totaldemontage

Maßstab Manipulation

will. Und die geschieht meist eindeutiger, als es manchem lieb ist. Auch und gerade zu unserem Thema. Wenn wir nach dem politischen Verhalten entschiedener Christen fragen, müssen wir zunächst diese Grundentscheidung fällen: Orientierung gibt uns Gott in seinem Wort. Die hilflose Frage ratloser Zeitgenossen: „Gibt es eigentlich absolute, letztverbindliche Maßstäbe?“ ist für Christen beantwortet: „Ich glaube, dass die Bibel allein die Antwort auf alle unsere Fragen ist. Es bleibt also nichts als die Entscheidung, ob wir dem Wort der Bibel trauen wollen wie keinem anderen Wort“ (Bonhoeffer). Nur die „Gebrauchsanweisung Gottes“ für Leben und Welt macht lebensgemäßes Handeln möglich. „Wandelt in allen Wegen, die euch der Herr, euer Gott, geboten hat, damit ihr leben könnt und es euch wohlgeht …“ (5. Mose 5,33) Theodor Heuss, erster deutscher Bundespräsident, zitierte in seiner Rede zum Amtsantritt 1949 das Bibelwort: „Gerechtigkeit erhöht ein Volk“ (Sprüche 14,34) – dessen logische Fortsetzung lautet: „ … und Sünde ist der Leute Verderben.“ Die Bibel ist der Maßstab. So selbstverständlich das für Christen klingen mag, die Realität selbst frommer

Diskussionen sieht oft anders aus. Da werden vollmundig in Stammtischmanier weltpolitische Problem gewälzt, Zitate aus Zeitschriften und Talkshows hin und her geschoben und schließlich als Zuckerguss ein bisschen biblische Garnitur beigegeben. So wird die Bibel zur Verzierung unserer längst felsenfest zementierten politischen Fundamente pervertiert. Dies hat bis tief in christliche Kreise hinein zu einer Totaldemontage der biblisch-politischen Ethik geführt. Wo die Bibel sich herrschenden Modetrends anpassen soll, ist schon alles verloren. In manchen Diskussionen kriegt man zu viel von den Kanonaden modernen Pharisäertums, wo einem ein wahrer Bibelspruch-Cocktail zur Rettung ideologischer Visionen feilgeboten wird. „Die Bibel degradiert zum Selbstbedienungsladen, zur frommen Übertünchung unserer selbst gemachten politischen Ideologie. (Künneth). Man sucht sich eben das heraus, was einem passt. Fein historisch-kritisch abgefeilt oder schwärmerisch-utopisch aktualisiert. Aber auf jeden Fall selektiv aus dem Zusammenhang gerissen. Jeder nach seiner Fasson. Eine wahre Märtyrerin politischer Manipulation ist die Bergpredigt geworden. Schwärmerisches Erbauungsbuch für die einen, tagespolitisches Kampfinstrument für die anderen. Wir werden im Verlauf dieses Buches darauf noch zu sprechen kommen.

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TITELTHEMA

Staat

Gesellschaft

Patriotismus Vaterland

Es ist schon erstaunlich, mit welcher Selbstgerechtigkeit von theologischer Seite zu hören ist, Paulus hätte sein staatsethisches Römerbriefkapitel 13 im „Atomzeitalter“ anders geschrieben. Dieselben Leute, die an der Bergpredigt kein Jota geändert sehen wollen, spielen sich bei den apostolischen Briefen zum Bibelzensor auf. Und die Verwirrung, die die politisch-korrekte Bibeldemontage durch ideologisch motivierte „Übersetzungen“ wie die sogenannte „Bibel in gerechter Sprache“ ausgelöst hat, spricht doch Bände. Es stimmt: Alles steht und fällt an der Bibelfrage. Die Dogmatik entscheidet die Ethik. Ist das Wort Gottes zum Steinbruch exegetischer Willkür degradiert, wackelt alles unter der Detonation theologischer Dilettanten. Deshalb lautet die zentrale Frage: Wollen wir zuerst auf die Bibel hören und dann unsere Meinung bilden, oder umgekehrt? Und: Welche Bibel meinen wir denn überhaupt? Das von unserer Kritik gnädig übrig gelassene Gerippe theologischer Allgemeinplätze oder das ewig gültige Wort Gottes? Ich jedenfalls möchte es – besonders in den heißen Debatten um die politische Ethik – mit dem großen dänischen Philosophen Sören Kierkegaard halten: „Nicht wir kritisieren die Bibel; die Bibel kritisiert uns.“

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Nicht von dieser Welt Nehmen wir also die Bibel als gültige, verbindliche Richtschnur, so sind die Hauptsätze biblischer Staatsethik eine einzige Provokation: „Jedermann sei untertan der Obrigkeit, die Gewalt über ihn hat. Denn es ist keine Obrigkeit außer von Gott; wo aber Obrigkeit ist, die ist von Gott angeordnet.“ (Römer 13,1) Kopfschütteln ist das Mindeste, glühende Antistimmung das Äußerste, was diesem Wort des Apostels Paulus entgegenschlägt. Und doch ist und bleibt es einer der Hauptsätze der Bibel in der Frage nach christlicher Verantwortung für Staat und Politik, für Regierung und Parlament. Die Bibel spricht konkret zu konkreten Menschen in ihrem konkreten Staat. Aber bereits hier beginnt ja das Problem. Statt „Staat“ sagt man heute lieber „Gesellschaft“. Und das (biblische!) Wort „Vaterland“ auszusprechen, gilt als verpönt. Es mussten erst Ereignisse wie die Fußball-WM oder die Handball-WM kommen, damit wir erkennen, dass wir eine Nationalhymne und eine Nationalflagge haben. Endlich kann uns das Ausland bestätigen, dass „die verklemmten Deutschen in der Normalität eines unverkrampften und


ECHT SEIN IN EINER ZEIT DES SCHEINS

Bibel Verantwortung Offenbarung

Orientierung

Gott

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fröhlichen Patriotismus angekommen sind“ (Neue Zürcher Zeitung). „Ein guter Patriot ist, wer sein Vaterland liebt; Patriotismus ist etwas Gesundes. Das Fehlen von Patriotismus würde zu einem neuen Nationalismus führen“, so Paul Spiegel, langjähriger Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland. Wer darüber nicht offen und „unverkrampft“ (Roman Herzog) redet, der überlässt diese Begriffe bewusst genau den falschen Leuten, die (bis in deutsche Landtage hinein) meinen, mit Parolen von vorgestern Politik für morgen machen zu können. Patriotismus ist kein Sondergut von Extremisten! Ganz zu schweigen von Begriffen wie „Ordnung“ und „Obrigkeit“. Man gebraucht sie aber lieber nicht, weil man nicht in den Verdacht kommen will, nicht fortschrittlich genug zu sein. Dabei ist das „untertan der Obrigkeit“, also der Gehorsam gegenüber staatlicher Autorität und Ordnung, modern gesprochen nichts anderes als Loyalität. Auch das andere darf man nur mit einem halben Dutzend Verklausulierungen sagen, dass Jesus Christus nämlich dem Vertreter damaliger Staatsgewalt entgegnete: „Mein Reich ist nicht von dieser Welt.“ ( Johannes 18,36) Die Herrschaft Gottes ist also nicht von dieser Welt. Die

Leute Gottes unterstehen in dieser Welt zwar den Ordnungen, Strukturen und Herren dieser Welt. Ihre Heimat ist jedoch der Himmel, das ewige Reich des ewigen Gottes (Philipper 3,20); und dennoch leben sie bewusst und verantwortlich in dieser Welt. Sie sind nicht von dieser Welt, aber in dieser Welt. Ihr Herr ist der lebendige Gott; und dennoch stellen sie sich verantwortlich unter die von Gott gesetzte Obrigkeit. Der frühere Bundespräsident Gustav Heinemann brachte das auf die einprägsame Formel: „Die Herren dieser Welt gehen. Unser Herr aber kommt.“ Wer diese Spannung nicht aushält, sollte die Finger von unserem Thema lassen. Schnelle Patentrezepte zu unserer Frage hat die Bibel nicht parat. Sie nimmt uns hinein in einen uns vielleicht ungewöhnlichen Prozess des Nachdenkens. Modemeinungen werden wir dort nicht bestätigt bekommen. Die biblische Erkenntnis zur Frage von Staat und Politik ist unpopulär. Aber ohne sie bleibt unser Reden über die politische Verantwortung des Christen bodenloses Gerede – nämlich ein Gerede, dem der Boden, das Fundament, entzogen ist. Wir aber wollen auf die Bibel hören. Die Rede Gottes ist uns Orientierung gegen alles Gerede dieser Welt. Sie gibt uns Menschen Maß und Mitte.

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TITELTHEMA

Die verbindliche Orientierung christlichen Lebens an der Offenbarung Gottes legt auch den letztlichen Bestimmungsort und Bezugspunkt fest. Christen sind demnach nicht in erster Linie durch ihre Nationalität, ihr soziales Umfeld oder die Staatsform ihres Landes geprägt, sondern durch die Herrschaft Gottes über ihr Leben. Nicht ihr eigenes Urteilen, Werten und Wählen ist das Entscheidende, auch nicht ihr eigenes Interesse oder das ihrer Gruppe, sondern der Wille Gottes. Das hat die Konsequenz, dass politisches Handeln von Christen vom Unpolitischen her bestimmt wird. Dadurch wird politisches Engagement von Christen erst christlich, dass die Motivation dazu nicht menschengemachte Ideologie, sondern gottgesetzter Maßstab ist.

Leben, solange es nicht bekehrt ist. Politisches Handeln der Christen kann also nur ein Handeln sein, dass aus der Bekehrung kommt. Von politischem Handeln der Christen kann nur insofern programmatisch die Rede sein, als es wie alles christliche Handeln aus der Buße kommt“ (Wolfhart Schlichting).

Erst so sind die christlich geprägten Widerstandskämpfer des Dritten Reiches wie die Grafen Stauffenberg und Moltke, wie Goerdeler oder Gerstenmaier zu verstehen. Der Aufstand für die Würde des Menschen führte in die Verschwörung. Viele verloren das eigene Leben, weil sie das Leben anderer retten wollten. Glaubenskraft war ihre Energiequelle. Mit Bonhoeffer sahen sie sich gedrängt „dem Rad selbst in die Speichen zu fallen“. Sie sahen es als Schuld an, wären sie untätig geblieben, wo sie um der Nächsten willen hätten handeln müssen. Von diesem (unpolitischen) Standpunkt aus taten sie einen politischen Dienst.

Praktisch wird dies zum Beispiel in der weltweiten parlamentarischen Gebetsfrühstücks-Bewegung, die ihren Anfang (und nach wie vor jährlichen Höhepunkt) im „National Prayer Breakfast“ in Washington hat. Im Deutschen Bundestag, in den Landtagen, verschiedenen Großstädten oder unter der Schweizer Bundeskuppel treffen sich regelmäßig christliche Politiker quer durch die Parteien zu Andacht und Gebet sowie zu informellen Abenden unter dem Motto „In Verantwortung vor Gott und den Menschen“ (Präambel des Grundgesetzes). Der pietistisch geprägte Vorsitzende der CDU-Fraktion im Sächsischen Landtag, Dr. Fritz Hähle, beginnt seit der Wiedervereinigung jede Fraktionssitzung mit Losung und Lehrtext der Herrnhuter Brüdergemeinde, verliest Bibelwort und Gebet jedoch vor Eintritt in die Tagesordnung. Luther und seine „Zwei-Reiche-Lehre“ hätten ihre Freude daran!

„Nur wenn der Christ für seine Rechtfertigung vor Gott und für die Heiligung seines Lebens keinen anderen Weg sucht als den über Jesus Christus, kann von einem politischen Dienst der Kirche und von der Weltaufgabe des Christen Recht geredet werden.“ (Ex-EKD-Vizepräsident Erwin Wilkens). Als bekennender, aktiver Christ meinte der langjährige Bundesminister Werner Dollinger: „Für mich ist die klare, christliche Auffassung, der christliche Glaube, entscheidende Voraussetzung für die Gewinnung eines festen Standpunktes im Leben, auch in der politischen Arbeit.“ Diese Grundhaltung wirft übrigens auch ein völlig neues Licht auf die Behauptung, Politik sei ein „schmutziges Geschäft“. Denn Christen gehen doch mit völlig anderer Motivation an ihr jeweiliges, in der gefallenen Welt eben nicht vollkommenes „Geschäft“. Sie sind Realisten, indem sie die Vorläufigkeit politischen Engagements in ihre Rechnung einkalkulieren. Das bewahrt vor Ideologisierung und Verabsolutierung, vor Fanatisierung und Kreuzzugsdenken. Es sollte uns aber auch vor dem dummen Gerede von „kleineren Übel“ bewahren, was eine Beleidigung all derer ist, die sich in politischen Ämtern und Funktionen bewähren. „Politik ist ein Feld der Sünde, wie alles 22

Von daher ist es keine fromme Weltflucht, sondern biblische Weltgewandtheit, wenn der Tübinger Universalgelehrte Karl Heim schreibt: „All unser soziales und politisches Arbeiten ist ein nervöses Hasten und Jagen, das innerlich zermürbt, wenn nicht jeder von uns jeden Morgen aus der Versöhnung mit Gott kommt und von daher ans Werk geht.“

Genehmigter Abdruck aus dem Buch: Hahne, Peter: Suchet der Stadt Bestes. Werte wagen – für Politik und Gesellschaft. Lahr: Verlag Johannis, 5. Aufl. 2008; S. 12 – 24

ÜBER DEN AUTOR Peter Hahne ist Diplomtheologe, Hörfunkf moderator, Fernseh- und Buchautor. Arbeitet in der Hauptredaktion „Aktuelles“ des ZDF, wo er als Moderator und Redakteur des „heute-journal“ und der Nachrichtensendung „heute“ tätig ist. Hahne ist stellvertretender Leiter des ZDF-Hauptstadtstudios in Berlin, außerdem Kolumnist der Bild am Sonntag. Bis Oktober 2009 Mitglied des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).


Die hier getroffenen Aussagen spiegeln nicht zwangsläufig die Meinung der Redaktion wider. Ihre Meinung ist gefragt. Antworten Sie uns an E-Mail: wohnheim@deignis.de

ZUR DISKUSSION

Von der Entweltlichung der Kirche Die vieldiskutierte Papstrede von Freiburg – Versuch einer Interpretation1 VON WINFRIED HAHN

marcin_szmyd/istockphoto.com

Ein Weg zu lebendigem, sinnerfüllten und gesundem Glauben Auf seiner Deutschlandreise im Jahr 2011 hielt der Papst in Freiburg eine Rede, die für viel Gesprächsstoff sorgte. Eine ausführliche Beschäftigung mit den Ausführungen des Papstes an dieser Stelle bedeutet keine theologische Stellungnahme für oder gegen das Papsttum an sich. Vielmehr beinhaltet diese Rede unabhängig aller konfessioneller Unterschiede grundsätzliche Aussagen bezüglich eines lebendigen und gesunden Glaubens, so dass eine Auseinandersetzung mit diesen Gedanken sehr gewinnbringend erscheint. Unserer überkonfessionellen Ausrichtung folgend ist es uns ein Anliegen, diese wertvollen Impulse aufzugreifen und weiterzuentwickeln. 1

W

as hat er bloß damit gemeint? Die Kirche sollte sich entweltlichen. Hunderte von Journalisten und Tausende von Gläubigen rätselten monatelang – die Kommentare vieler Zeitschriften beschäftigten sich intensiv mit dieser Frage, das Internet ist bis heute voll davon. Aber was hat er denn tatsächlich und in welchem Zusammenhang gesagt? So wie ich seine Aussagen verstehe, geht es dem Papst nicht primär um Äußerlichkeiten oder Modernisierung oder Strukturveränderungen wie die viel diskutierte Abschaffung oder Beibehaltung der Kirchensteuer etc.. Ihm geht es um die Sendung der Kirche, die die Botschaft von der Erlösung in der Welt zu bezeugen hat.

Originaltitel der Rede: „Begegnung mit engagierten Katholiken aus Kirche und Gesellschaft“

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ZUR DISKUSSION

Diese Botschaft kann nur durch eine enge persönliche Beziehung zu Jesus Christus, also durch einen persönlichen, engagierten und gesunden Glauben weiterverbreitet werden. Diese Aspekte spielen auch in seinen Büchern eine zentrale Rolle und werden deshalb über Konfessionsgrenzen hinweg sehr geschätzt. Nachfolgend möchte ich drei für mich wichtige Kernaussagen anhand von Zitaten aus dieser Rede herausstellen.2

1. Die christliche Botschaft ist Sendung und Skandal zugleich

„Der christliche Glaube ist für den Menschen allezeit, nicht erst in unserer Zeit, ein Skandal. Dass der ewige Gott sich um uns Menschen kümmern, uns kennen soll, dass der Unfassbare zu einer bestimmten Zeit fassbar geworden sein soll, dass der Unsterbliche am Kreuz gelitten haben und gestorben sein soll, dass uns Sterblichen Auferweckung und Ewiges Leben verheißen ist – das zu glauben ist nun einmal für uns Menschen eine Zumutung. …“ „Die Sendung gründet in der persönlichen Erfahrung: „Ihr seid meine Zeugen“ (Lk 24,48); sie kommt zum Ausdruck in Beziehungen: „Macht alle Menschen zu meinen Jüngern“ (Mt 28,19); und sie gibt eine universale Botschaft weiter. „Verkündet das Evangelium allen Geschöpfen“ (Mk 16,15).“ … „Zum Christusgeschehen gehört das Unfassbare, dass es – wie die Kirchenväter sagen – ein commercium, einen Tausch zwischen Gott und den Menschen gibt, in dem beide – wenn auch auf ganz verschiedene Weise – Gebende und Nehmende, Schenkende und Empfangende sind.“ … „ … Zugleich ist dem Menschen klar, dass dieser Tausch nur dank der Großmut Gottes möglich ist, der die Armut des Bettlers als Reichtum annimmt, um das göttliche Geschenk erträglich zu machen, dem der Mensch nichts Gleichwertiges zu bieten vermag.“ …

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Kommentar: Die Botschaft von der Erlösungsbedürftigkeit des Menschen durch den Erlösungstod Jesu ist für den modernen Menschen in seinem humanistischen Autonomieund Selbstwertsteigerungsstreben kränkend, unannehmbar und skandalös. Aber sie ist und bleibt das Kernstück der christlichen Botschaft und darf nicht verwässert werden. Auch wenn es dem modernen Menschen schwer fällt, sich als Sünder zu erkennen und seine Erlösungsbedürftigkeit zu akzeptieren, ist es Aufgabe der Christen, diese unbequemen Wahrheiten zu verkündigen. Die Erkenntnis von der Erlösungsbedürftigkeit des Menschen bewirkt Raum für Ehrlichkeit, weil er seine dunklen und verletzten Seiten nicht länger verstecken muss. Da wo der Mensch es sich eingestehen darf, ich kann aus mir selbst heraus nicht „edel, hilfreich und gut sein“ ( frei zitiert nach Goethe), auch in meinem Leben gibt es Versagen, auch ich habe meine dunklen Seiten, da entsteht der Freiraum, ehrlich über sich selbst sprechen zu können ohne mühsam den Anspruch erheben zu müssen, erfolgreich, stark und moralisch hochstehend zu sein. Das Skandalon, das Ärgernis, der Erlösungsbedürftigkeit befreit den Menschen von dem Druck, eine glänzende Fassade aufrecht erhalten zu müssen und gibt ihm den Mut, ehrlich und damit echt zu werden. Echtheit und damit Selbstfindung ist eine wichtige Voraussetzung für seelische Gesundheit. Sie wird gefördert durch die Liebe Gottes, der sich uns Menschen in seiner grenzenlosen Liebe zuwendet und uns immer wieder die Chance für einen Neuanfang gibt. Da wo der Mensch die Kränkung seines Stolzes zulässt, um sich ehrlich einzugestehen, auch ich brauche Barmherzigkeit, Nachsicht, Vergebung, da entsteht die Grundlage für psychische Heilungsprozesse. Es ist gut, wenn wir als Christen, egal zu welcher Konfession wir gehören, an diesem Punkt dem Zeitgeist widersprechen und bekennen: Ja, wir Menschen sind erlösungsbedürftig und schaffen es nicht aus

Es lohnt sich, diese Rede im Gesamtzusammenhang zu lesen. An dieser Stelle können nur einzelne Kernpunkte widergegeben und kommentiert werden. Man findet sie unter www.papst-in-deutschland.de


Ich denke, dass...

eigener Kraft, uns positiv zu verändern. Wir brauchen immer wieder die Vergebung, immer wieder die Chance zum Neuanfang. Nur so können sich Menschen als gesunde Persönlichkeiten entwickeln. Eine wichtige Botschaft in einer Zeit, in der der Schein mehr gilt als das Sein.

2. Entweltlichung

„Durch Ansprüche und Sachzwänge der Welt wird aber immer wieder das Zeugnis verdunkelt, werden die Beziehungen entfremdet und wird die Botschaft relativiert. … Um ihre Sendung zu verwirklichen, wird sie immer wieder auf Distanz zu ihrer Umgebung gehen, sie hat sich gewissermaßen zu entweltlichen.“ … „Um so mehr ist es wieder an der Zeit, die wahre Entweltlichung zu finden, die Weltlichkeit der Kirche beherzt abzulegen. Das heißt nicht, sich aus der Welt zurückzuziehen. Eine vom Weltlichen entlastete Kirche vermag gerade auch im sozial-karitativen Bereich den Menschen, den Leidenden wie ihren Helfern, die besondere Lebenskraft des christlichen Glaubens vermitteln.“ … „Allerdings haben sich auch die karitativen Werke der Kirche immer neu dem Anspruch einer angemessenen Entweltlichung zu stellen, sollen ihr nicht angesichts der zunehmenden Entkirchlichung ihre Wurzeln vertrocknen. Nur die tiefe Beziehung zu Gott ermöglicht eine vollwertige Zuwendung zum Mitmenschen, so wie ohne Zuwendung zum Nächsten die Gottesbeziehung verkümmert.“ …

Kommentar: Die Christenheit kann nur Licht und Salz hier in der Welt sein, wenn sie sich vor jeder Form von Verweltlichung schützt und da, wo es nötig ist, sich wieder entweltlicht. Der christliche Glaube wird nicht dadurch attraktiv, dass er sich dem modern denkenden Menschen anpasst, sondern unser Glaube gewinnt seine Überzeugungsfähigkeit dadurch, dass wir aus den Quellen des ewig gültigen Wortes Gottes, des heiligen Geistes und der inneren Begegnung mit Gott Kraft und Orientierung gewinnen und so die Liebe Gottes in die Welt hineinströmen lassen. Unsere heutige Zeit ist geprägt von einem starken Hang zur Oberflächlichkeit. Schönheit (Körperkult ist in), Erfolg und Karrierestreben sind die Ziele vieler Menschen. Aber Geld, Ansehen und Konsumgüter stillen die inneren Bedürfnisse

ZUR DISKUSSION

des Menschen nicht. Diese Welt mit all ihren Zielen lässt den Menschen in seinem Innersten leer. Jeder Mensch braucht Antworten auf Fragen wie diese: Welchen Sinn hat mein Leben, welche Ziele, die über meine materielle Existenzsicherung hinausgehen, beschäftigen und leiten mich? Wer die Sinnfrage für sein Leben beantworten kann, fördert seine seelische Gesundheit. Schon C. G. Jung, Viktor Frankl, Aaron Antonovsky und viele andere erkannten die Bedeutung von Religion und Lebenssinn für die psychische Gesundheit des Menschen. Deshalb ist für die Verkündigung der Kirchen von entscheidender Bedeutung, sich nicht nur gesellschaftlich relevanter Themen zuzuwenden, so wichtig Fragen der sozialen Gerechtigkeit, des Weltfriedens, des Umweltschutzes etc. auch sein mögen. Wie gesagt, es handelt sich dabei um wichtige Themen, die auch im Bereich der Kirchen ihren Platz und ihre Bedeutung haben. Allerdings besteht der Auftrag primär in der Verkündigung von Wahrheiten, die das Seelenheil der Menschen betreffen. Mein Reich ist nicht von dieser Welt, hat unser Herr gesagt. Es ist wichtig, dass wir Christen eine Botschaft verkündigen, die ihre Wurzeln nicht im Diesseits hat, sondern in der Begegnung mit dem lebendigen Gott. Nur von Ihm inspirierte Worte stillen den Hunger der Seele und sind heilend für die Psyche des Menschen. Nur wenn wir Christen in diesem Sinn entweltlicht sind, weil wir nicht aus diesseitigen, zeitgeistbedingten, sondern aus ewigen Quellen schöpfen, haben wir eine Botschaft für diese Welt voller Hoffnung und lebensspendender Kraft. Entweltlichung hat nichts mit frommer Weltfremdheit zu tun, sondern mit vollem Einsatz für die Nöte dieser Welt, eben wie Jesus schon sagte: In der Welt, aber nicht von der Welt.

3. Nicht Institutionalisierung und formaler Glaube, sondern Innerlichkeit Nur durch diese klare Standortbeziehung nicht von der Welt, aber in der Welt zu sein, und in tiefer und inniger Gemeinschaft mit Gott kann die Kirche ihrer Sendung, nämlich die sich verströmende Liebe Gottes zu empfangen und weiterzugeben, gerecht werden. Allerdings sei es im Verlauf der Kirchengeschichte immer wieder zu Tendenzen gekommen ...

„ … dass nämlich die Kirche sich in dieser Welt einrichtet, selbstgenügsam wird und sich den Maßstäben der Welt angleicht. Sie gibt Organisation und Institutionalisierung größeres Gewicht als ihrer Berufung zur Offenheit. Um ihrem eigentlichen Auftrag zu genügen, muss die Kirche die Anstrengung unternehmen, sich von der Weltlichkeit der Welt zu lösen.“ 25


ZUR DISKUSSION

Auf diese Weise träte das missionarische Zeugnis der entweltlichten Kirche klarer zutage.

„Die von ihrer materiellen und politischen Last befreite Kirche kann sich besser auf wahrhaft christliche Weise der ganzen Welt zuwenden, wirklich weltoffen sein. Sie kann ihre Berufung zum Dienst der Anbetung Gottes und zum Dienst des Nächsten wieder unbefangener leben.“ Dabei gehe es nicht um eine Taktik, um der Kirche wieder Geltung zu verschaffen. „Vielmehr geht es, jede bloße Taktik abzulegen und nach der totalen Redlichkeit zu suchen … , indem sie das von ihm abstreift, was nur scheinbar Glaube, in Wahrheit aber Konvention und Gewohnheiten sind.“ Das bedeutet, es geht ihm nicht darum, „ … die Menschen für eine Institution mit eigenen Machtansprüchen zu gewinnen…“.

Die Kirche soll durch die innere Begegnung mit Christus zu sich selbst und ihrer missionarischen Pflicht und christlichen Anbetung finden. Dies bedeute eine Verinnerlichung des Glaubens, von der Augustinus sagte: „Er ist mir innerlicher als ich mir selbst (vgl. Conf. 3,6,11). Er, der unendlich über mir ist, ist doch so in mir, dass er meine wahre Innerlichkeit ist.“ Dadurch entstehe eine Art von Weltoffenheit, die den Einzelnen befähige, in die Welt hineinzuwirken, ohne von ihr vereinnahmt zu sein. Kommentar: Der Papst bringt zum Ausdruck, dass es nicht darum gehen darf, Menschen für eine Institution und deren Interessen zu gewinnen, sondern um die Christusbegegnung im Herzen der Menschen. Dies sei keine neue Taktik, um der Kirche wieder Geltung zu verschaffen, sondern es gehe um totale Redlichkeit. Man sieht sehr deutlich, dass hier die Kirchengeschichte selbstkritisch durchleuchtet und frühere Fehlentwicklungen erkannt und ehrlich reflektiert wurden. Ein Prozess, der wichtig für alle Kirchen und auch Freikirchen ist, um Fehlentwicklungen, theologischen Einseitigkeiten und die oftmals unbemerkte Institutionalisierung wahrzunehmen. Wenn Kirchen nicht mehr in Bewegung sind und in Stagnation geraten, ist das häufig ein Indiz dafür, 26

dass formale Denkweisen und institutionelle Eigendynamik das eigentliche Leben verdrängen. So kann man in vielen Gemeinden und Bewegungen eine Institutionalisierung beobachten, die einer ehrlichen „Innerlichkeit“ im Wege steht. Schon C. G. Jung hat in seiner Schrift „Religion und Psychologie“ darauf hingewiesen, dass der Glaube nur dann eine persönlichkeitsfördernde Wirkung hat, wenn er verinnerlicht ist. Äußere Formen, religiöse Rituale, Traditionen, in denen der Glaube formal erstarrt, könnten den Menschen zwar stabilisieren, stünden aber einer tiefen, lebendigen Gottesbeziehung eher im Wege. Mit seinen Ausführungen über Redlichkeit und Innerlichkeit spricht der Papst die Gefahr an, dass Lehrmeinungen zum Selbstzweck werden können und damit letztlich zu einem formalen Glauben führen, der nicht lebendig ist. Echter Glaube lebt aus der Christusbegegnung. Er lebt davon, dass wir immer wieder neu im Inneren ergriffen und berührt werden von der lebensspendenden Liebe Gottes, die sich in uns hineinverströmt und von uns ausfließt in die Welt. Nur so wird der Glaube zu einer Quelle echten inneren Lebens mit seiner erfrischenden und heilenden Wirkung auf Geist, Seele und Leib. Auf diese Weise wird auch das karitative und soziale Engagement der Kirchen und Gemeinden ein lebendiger Ausdruck der Liebe Christi. Letztlich geht es um die Erkenntnis, dass nicht Institutionen und Kirchen helfen können, so notwendig sie als Organisationsstrukturen auch sein mögen, sondern Menschen mit brennenden Herzen aus denen die Liebe Christi strömt. Soweit meine Interpretation dieser bemerkenswerten Rede, die in aller Kürze mit prägnanten Worten viele grundsätzliche Aussagen über einen lebendigen Glauben sowie die psychische Gesundheit enthält.

ÜBER DEN AUTOR Winfried Hahn, ist Pastor und Pädagoge. Der Vater von zwei erwachsenen Kindern, Damaris und Daniel, studierte Pädagogik, war Pastor in mehreren freikirchlichen Gemeinden und machte eine Ausbildung zum Christlichen Therapeuten. Heute leitet er das de’ignis-Wohnheim – Haus Tabor zur außerklinischen psychiatrischen Betreuung und ist Vorsitzender der Christlichen Stiftung de’ignis-Polen. Als Pastor im übergemeindlichen Dienst und Buchautor hält er Predigten, Vorträge und Seminare im In- und Ausland.


ECHT SEIN IN EINER ZEIT DES SCHEINS

Die Aufgabe der Kirche in einer sich verändernden Gesellschaft VON DR . GERHARD MAIER , LANDESBISCHOF I.R .

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ine alte Anekdote erzählt von einem gläubigen Mann, der sein Abendgebet sprach. Ein neugieriger Reisegenosse wollte wissen, was dieser Gläubige denn so alles in seinem Gebet ausdrücken würde, und hörte ihn dann laut und vernehmlich nur einen einzigen Satz beten: „Lieber Herr, es bleibt dabei“. „Es bleibt dabei“. Das ist das Erste, was man über den Auftrag der Kirche auch in der heutigen Gesellschaft sagen muss. Gegenüber allen Veränderungsbesessenen erklärt 2. Johannes 9 sehr kühl: „Jeder, der darüber hinausgeht (pro-agon = „progressiv ist“) und bleibt nicht in der Lehre Christi, der hat Gott nicht. Adolf Schlatter schreibt dazu in seinen Erläuterungen: „Die stolzen Geister gehen aber ihren eigenen Weg, laufen ohne seine Führung nach den Gedanken ihres eigenen Herzens voran und sind

stark und weise, um sich selbst zu führen“. Das Bleiben am Auftrag Jesu inmitten aller Stürme und Bewegungen der Gegenwart ist also unser entscheidender Anker. Das heißt ganz praktisch: Wir bleiben dem „Great Commandment“ des Auferstandenen in Matthäus 28,19 treu: „Gehet hin und machet zu Jüngern alle Völker“. Die Kirche ist also nicht in erster Linie ein netter Dialogpartner, sondern eine Gemeinschaft von Menschen, die alle anderen Menschen für das Himmelreich und deshalb als Nachfolger Jesu werben wollen. Je mehr die Gesellschaft sich verändert und das heißt doch auch: über sich selbst unsicher wird, desto wichtiger wird ein nachhaltiges, verlässliches Zeugnis. Nicht das Mitschwimmen macht die Kirche interessant, sondern das Angebot eines Ufers (vgl. Joh. 21,4). 27


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zu kommt ein Faktor, der uns erst in letzter Zeit richtig bewusst wird: Wir werden weltweit immer mehr zu einer verfolgten Kirche. Und gerade für die verfolgte Kirche gelten die wichtigen Gebetsanweisungen Jesu in der Bergpredigt (Mt. 5,43ff ; 6,5ff ; 7,7ff ). Es wird aber auch an der Kirche selbst zu Veränderungen kommen. Sie sind äußerst schwer vorauszusehen, obwohl ein Heer von Experten um uns herumschwärmt, die alle wissen wollen, was da auf uns zukommt. Für falsch halte ich es, wenn die Kirche in einer Art „vorauseilendem Gehorsam“ gegenüber angeblichen Entwicklungen von sich aus Positionen räumt. Sie sollte zum Beispiel die besondere Stellung, die sie aufgrund der Geschichte und durch opfervollen Einsatz vieler Glaubender in den europäischen Staaten erhalten hat, nicht einfach von sich aus wegwerfen. Sie sollte auch misstrauisch bleiben ihren eigenen Zukunftsprognosen gegenüber. Wer von uns weiß wirklich, was 2040/2050 sein wird? Die Führungen Gottes erfolgen schrittweise und nicht en gros.

Weiter bedeutet das Bleiben im obigen Sinn: Wir lassen uns weiterhin die Liebe untereinander schenken ( Joh 13,34 – 35). Es wird ein Zeichen der Endzeit sein, wenn diese Liebe untereinander erkaltet (Mt. 24,12). Wir können einander nicht immer verstehen, aber einander immer lieben. Sicher geschieht christliche Liebe oft als Ermahnen, als Ablehnung mancher Wege, als Leiden am anderen. Aber der tragende Grund muss spürbar bleiben, nämlich, die Verbindung mit Jesus und die Abhängigkeit von unserem Erlöser. Das bedeutet natürlich, dass wir als Christen eine Kontrast-Gesellschaft gegenüber der übrigen Gesellschaft bilden. Eine bleibende, zentrale Aufgabe liegt im Gebet. Das wird ganz stark in Apg. 2,42 herausgestellt: „Sie blieben aber beständig im Gebet“. Wir werden entweder eine betende Kirche sein oder nur noch das schwache Abbild einer Kirche. In Korea beeindruckten mich die „Gebetsberge“: einfache Hütten auf irgendwelchen Bergen, in die einzelne Christen sich tagelang zurückzogen, um sich ganz dem Gebet widmen zu können. Wir brauchen eine Art von „Gebetsbergen“ mitten in einer sich verändernden und immer schneller rotierenden Welt. Dabei geht es um beide Möglichkeiten des Gebets: das einsame Gebet (= unter vier Augen mit Gott) und das gemeinsame Gebet mit anderen zusammen. Deshalb sind Gebetskreise, Gebetsbünde, Gebetszeiten heute schon so wichtig. Hin-

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Eine sich verändernde Gesellschaft wird uns als Christen manche Türen zuschließen, berauscht von dem Gedanken, sie stünde über den Religionen. Sie wird uns aber auch manche Türen öffnen, die bisher geschlossen waren. Das gilt voraussichtlich für technische Entwicklungen, für Medien, für neue Schichten von Menschen. Das gilt vor allem angesichts der fast verzweifelten Suche nach einer lohnenden Lebensperspektive, nach dem Ewigen, nach der Wahrheit. Ich rechne damit, dass die Frage nach dem Erlöser dringlicher wird. Wir können nichts Besseres tun, als Menschen mit Jesus, diesem Erlöser, bekannt zu machen.

ÜBER DEN AUTOR Dr. Gerhard Maier war von 2001 bis 2005 Landesbischof der Evangelischen Landeskirche in Württemberg. Er war Prälat in Ulm und Studienleiter des Albrecht-Bengel-Hauses in Tübingen. Außerdem ist er Autor vieler wegweisender Bücher und einschlägiger theologischer Fachliteratur. Derzeit Gastprofessor an der Staatsunabhängigen Theologischen Hochschule Basel und an der Evangelisch-Theologischen Fakultät in Heverlee/Leuven (Belgien).


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Gesunder Glaube Vom richtigen Umgang mit dem altmodisch klingenden, aber immer noch aktuellen Phänomen Sünde VON PROF. DR . HANS-JOACHIM ECKSTEIN

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Vergebung der Sünden – Von der Rückkehr ins Wir Eine Auslegung der zentralen Aussagen des Glaubensbekenntnisses enthält heute so manche Herausforderung – sicherlich für die, die sie entfalten, mehr wahrscheinlich noch für die, die sie lesen. „Jungfrauengeburt“, „Auferstehung von den Toten“, „Kommen Jesu Christi, zu richten die Lebenden und die Toten“ – da könnten wir annehmen, dass die Themen des dritten Glaubensartikels zum göttlichen Wirken in der menschlichen Gemeinschaft und im Leben der Gläubigen leichter nachvollziehbar sind: „Ich glaube an den Heiligen Geist … Vergebung der Sünden!“ Doch gerade uns als neuzeitlichen Menschen mag die Rede von „Sünde“ und „Vergebung“, so sehr sie uns unmittelbar betrifft, noch fremder und schwieriger erscheinen als die Aussagen über Gott, den Vater, und über seinen Sohn, Jesus Christus, über die Transzendenz und die lange zurückreichende Heilsgeschichte.

Eine Frage des Menschenbildes Mit unserem neuzeitlichen Menschenbild ist die Problematik von Sünde und Schuld bekanntermaßen nur schwer zu verbinden, so dass wir den ganzen Fragenkomplex in der Regel lieber ausblenden und – bis hinein in unsere Predigten, Gespräche und Veröffentlichungen – eher umgehen. Wie viel vertrauter erscheint uns da das „humanistische Menschenbild“, das den Menschen nicht auf seine Schuld und Sünde anspricht, sonder ihn als grundsätzlich gut und als prinzipiell lebens- und beziehungsfähig versteht? Gewiss, auch hier wird von der Notwendigkeit der menschlichen Entwicklung gesprochen, aber es geht um die Entwicklung der grundsätzlich guten eigenen Anlagen, mit denen der Mensch auf die Welt kommt. Gewiss, auch hier kommt zur Sprache, dass Menschen hinter ihren moralischen, sozialen und vernünftigen Möglichkeiten zurückbleiben mögen. Aber dies wird so gedeutet, dass sie durch die Einflüsse der sie bestimmenden Umgebung bis-

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Doch mag unsere Verlegenheit bei dem Thema „Sünde und Vergebung“ auch gerade durch das gegenteilige traditionelle Menschenbild bestimmt sein, das sich im Widerspruch und in Abgrenzung zur humanistischen Sicht in kirchlichen und frömmigkeitsbestimmten Zusammenhängen bis in die Gegenwart erhalten hat. Wenn der Mensch im entgegengesetzten Extrem einseitig als „Sünder“ in den Blick kommt, dessen „Dichten und Trachten von Jugend auf böse ist“ (vgl. 1. Mose 8,21) und der deshalb als grundsätzlich unzulänglich erscheint, dann kann aus dem Gegenüber von Gott und Mensch ein Dualismus von Gut und Böse, Licht und Finsternis, Kraft und Schwachheit, Wahrheit und Lüge werden, der den Menschen jeweils auf sein Unvermögen, seine Vergäng-

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lichkeit und Schuld reduziert. Eine Erziehung in diesem Geiste konnte es sich lange Zeit zum Ziel setzen, den Kindern den angeborenen Geist der Auflehnung auszutreiben und sie zur konsequenten Ein- und Unterordnung anzuhalten. Unter der Voraussetzung, dass das „Selbst“ des Menschen als das eigentliche Problem gesehen wurde, lagen in der Unterwerfung des „Ich“ und in der „Selbstverleugnung“ die wahren Ziele der Persönlichkeitsentwicklung. Und wenn der eigene Wille und die Selbständigkeit als Auflehnung verstanden wurden, dann galt es als erklärtes pädagogisches Ziel, dem Kind „den Willen zu brechen“ und es mit allen Mitteln – gegebenenfalls auch mit Anwendung von körperlicher Züchtigung – zum Gehorsam gegenüber einem übergeordneten Willen anzuhalten. Aber auch dann, wenn wir uns weder als „frömmigkeitsgeschädigt“ verstehen wollen noch auch als durch humanistische Illusionen „verbildet“ entschuldigen mögen, stellt sich bei dem Thema „Schuld und Vergebung“ vielleicht ein gewisses Unbehagen ein. Auch in unseren Freundeskreisen, Partnerschaften und Familien kennen wir den Widerspruch zwischen unserer vernünftigen Einsicht in die Notwendigkeit von Problemgesprächen und Auseinandersetzungen und der wirklichen Bereitschaft, die Einsicht auch zur Tat werden zu lassen. So mögen wir

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her an der Entfaltung ihrer eigenen Unmündigkeit gehalten worden sind. Wird der Mensch „an sich“ und „selbst“ als grundsätzlich gut und zum Guten angelegt verstanden, so gründen seine Fehlentwicklungen vor allem in den äußeren Umständen von Erziehung, Ausbildung und Gesellschaft, die ihn von seiner natürlichen Selbst-Entfaltung bisher abgehalten haben. Von „Schuld und Versagen“ ist in diesem Zusammenhang vielmehr in Hinsicht auf die gesellschaftlichen Verhältnisse zu sprechen, die der eigenen Persönlichkeitsentwicklung und der Verwirklichung des wahren „Selbst“ entgegenstehen.


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auch zugeben, dass es sinnvoll und geboten ist, für eine notwendige Zahnbehandlung den Zahnarzt aufzusuchen, und dennoch werden wir beim Verdrängen des an sich Vernünftigen um Ausreden und Entschuldigungen nicht verlegen sein. Freilich geht es bei unserem Thema um viel mehr als nur um ein einzelnes Problem, das einen zeitweiligen Aufschub duldet. Denn das Verdrängen und Verleugnen unserer grundsätzlichen Situation und Verlegenheit würde ganz umfassende und bleibende Folgen haben. So wollen wir neu – und jenseits der skizzierten möglichen Extreme – nach dem fragen, was ursprünglich und eigentlich mit dem christlichen Bekenntnis zur „Vergebung der Sünden“ gesagt und gemeint ist. Was haben wir uns eigentlich und unter Rückbesinnung auf die christlichen Quellen unter „Sünde“ vorzustellen? Worin besteht ihr Wesen, ihre Faszination und Macht, und worin gründet ihr Rätsel, ihre Täuschung und ihre unheilvolle Wirkung? Worin besteht demgegenüber das Geheimnis und die Kraft der Vergebung und wie verändert und erneuert sie nun das Verhältnis des Menschen zu Gott, zu anderen Menschen und zu sich selbst?

Faszination und Enttäuschung der Sünde Wenn Sünde Distanzierung von Gott bedeutet – und wenn wir Gott als den Ursprung des Lebens und als den Schöpfer und Geber der Liebe erkannt haben –, welchen Sinn macht es dann noch, zu sündigen? – Gar keinen! Es ist nicht sinnvoll, sondern geradezu absurd, wenn wir Menschen das Gegenteil von dem tun, was wir eigentlich wollen. Denn indem wir uns in unserem Streben nach Glück und Erfüllung von Gott als unserem Leben und unserer Liebe lösen, schaden wir uns selbst und anderen. So ist es – wie wir sahen – das wesentliche Merkmal und Erkennungszeichen jeder Sünde, dass sie von Gott trennt und gelingendes Leben und echte Liebe verhindert, gefährdet und zerstört. Warum geht dann von der Sünde oft eine solche Faszination aus, wenn sie doch in letzter Konsequenz für unser Leben und Erleben abträglich ist? – Weil es die Sünde, wenn sie attraktiv erscheinen will, vermeidet, ihr Wesen und ihr Ziel zu offenbaren. Sie knüpft, wie einst die Schlange im Gespräch mit Eva viel lieber an dem an, was Gott der Schöpfer selbst ist und was er allein seinen Geschöpfen geben kann (1. Mose 3,1–5; Röm 7,11). Sie

verspricht nicht etwa Tod, sondern Leben; sie wirbt nicht mit Gottverlassenheit und Einsamkeit, sondern mit der Gottgleichheit. Sie verrät dem naiven Menschen nicht, dass er mit seiner Auflehnung gegen Gott unmittelbar in die Abhängigkeit und Verblendung gelockt werden soll, sondern sie gaukelt ihm Erkenntnis, Reife und Freiheit vor. Das ist aber doch Betrug! – Gewiss, und diesen Betrug begeht die Sünde seit Beginn der Menschheit, seit Adam und Eva, sehr erfolgreich (1. Mose 3,13; Röm 7,11). Der Mensch, der sich von der Sünde verführen lässt, ist insofern betrogen, als er aufgrund der Täuschung in der Trennung von Gott sucht, was er gerade bei Gott finden würde, und bei der Sünde findet, was er gar nicht gesucht hat. So lebt die Faszination der Sünde allein davon, dass sie in Aussicht stellt, was lediglich Gott geben kann, und verspricht, was nur Gott halten kann. Aber vor diesem Schwindel müssen die Menschen doch gewarnt werden! – Das sind sie schon, wiederum seit Adam und Eva (1. Mose 2,17). Gott hat die Menschen doch von Anfang an und – durch Propheten und Apostel – immer wieder neu davor gewarnt, sich als Geschöpfe von ihm als dem Schöpfer abzuwenden; da doch die Abkehr vom Leben in letzter Konsequenz niemals Lebensentfaltung bringen kann, sondern in jedem Fall Verlust an Leben und Minderung von Lebenskraft bedeutet, und da die Auflehnung gegen die Liebe schwerlich Zuneigung und Einklang bringen wird, sondern nur noch mehr Selbstsucht und Angst, Abwertung und Verzweiflung. Wie kann es der Sünde denn immer wieder gelingen, den Menschen zu betrügen, obwohl er doch zuvor von Gott vor dem Betrug gewarnt worden ist? – Indem sie durch skeptische, verfängliche Fragen und glatte Falschaussagen im Menschen Zweifel, Unsicherheit und Versuchung weckt: „Sollte Gott gesagt haben…?“ – „Ihr werdet keineswegs des Todes sterben, sondern Gott weiß, an dem Tage, da ihr davon esset, werden eure Augen aufgetan und ihr werdet sein wie Gott, indem ihr wisst, was gut und böse ist“ (1. Mose 3,1-5). Läuft es darauf hinaus, dass man das Reden und Werben der Sünde am besten einfach nicht beachtet, sich

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schleunigst von ihr abwendet und sie zu vergessen sucht? – Wenn das so einfach aufginge, wäre es ja vielleicht zu empfehlen. Die Dinge liegen aber in der Regel komplizierter. Da die Sünde häufig mit dem wirbt, was Gott als Schöpfer seiner Schöpfung in Liebe zugedacht hat, kann die Lösung nicht in der Verachtung dessen liegen, was die Sünde in Aussicht stellt. Die Sehnsucht nach Zuwendung und Anerkennung, das Verlangen nach Bestätigung und Glück, das Streben nach Erfüllung und Entfaltung, all diese Bedürfnisse sind ja nicht an sich verfänglich oder falsch, sondern schöpfungsgemäß und lebensbejahend. Kritisch zu beurteilen sind allein die Versuche, das Verlangen nach Leben lebensmindernd zu befriedigen und die Sehnsucht nach Liebe und Anerkennung auf Kosten anderer zum eigenen Schaden auszuleben. Die Hoffnung, die in uns geweckt wird, ist weder verwerflich noch lebenshinderlich, sondern allein die Fehlentscheidung, unabhängig von Gott suchen zu wollen, was wir nur bei und in Gott finden können. So erweist sich manche Sünde in ihrer letzten Konsequenz als eine fehlgeleitete Sehnsucht nach Gott. Wenn dies aber zutrifft, dann geht es bei der Überwindung des Betruges, dem wir als Menschen seit Urzeiten erliegen, weniger um das Abwenden von der uns offensichtlich überlegenen Sünde als vielmehr um das Hinwenden zu dem einen Gott , der allein unsere Sünde in seiner Liebe und durch seien Zuwendung erübrigen kann. Dann hilft und nicht das verzweifelte und halbherzige „Nein!“ zu allen Wünschen nach erfüllendem und erfülltem Leben, sondern allein das ganz entschiedene und hoffnungsvolle „Ja!“ zu dem, der selbst das Leben ist und uns auf viele Weisen Leben in Fülle geben will: „Ich bin gekommen, damit sie Leben haben – und zwar im Überfluss“ ( Joh. 10,10).

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Leben aus der Vergebung Nun sind wir von diesem Ziel einer uneingeschränkten und unangefochtenen Erfahrung der vollkommenen Gottesgemeinschaft auch als an Christus Glaubende noch weit entfernt und bringen uns bewusst – oder häufiger noch, ohne es uns einzugestehen – in Situationen, die nicht unser Leben und unsere Beziehungen in Liebe fördern, sondern diese vielmehr einschränken und uns selbst und anderen schaden. Wie finden wir zu Gott zurück, wenn wir erkennen müssen, dass wir uns von ihm durch ein bestimmtes Verhalten oder durch allmähliche Entfremdung getrennt – d. h. gesündigt – haben? Zu unserer Überraschung brauchen wir nichts zu tun, als uns umzudrehen und uns Gott neu zuzuwenden. Denn wie weit wir uns auch von Gott entfernt haben mögen, er hat sich nicht von uns entfernt. Auch wenn wir uns selbst und ihm immer wieder untreu werden, so bleibt Gott uns und sich selbst beständig treu. Er kann sich selbst nicht verleugnen (2. Tim. 2,13). So sehr wir unsere Beziehung zu Gott als dem Leben und der Liebe vernachlässigen mögen und sooft wir auch vergessen, was er uns in Christus bereits geschenkt hatz, hält Gott doch an seiner Zusage fest und holt uns auf unseren Wegen wieder und wieder ein. Denn Gottes Gaben und Berufung können ihn nicht gereuen (Röm 11,29). Die Folgen unserer Abwege und Fehlentscheidungen mögen uns durchaus noch lange zu schaffen machen. Der entscheidende Beginn des Neuanfangs aber liegt in dem Augenblick der Hinwendung zu dem, der uns längst zugewandt ist. Mögen wir uns auch tausend Schritte von Gott weg entfernt haben, so bedarf es dank der Liebe und Ver-


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gebungsbereitschaft Gottes nicht mehr als eines einzigen Schrittes, um zu ihm zurückzukehren.

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Wir vertrauen zu recht darauf, dass wir Gott auch in unseren persönlichen Lebensentscheidungen um seine Führung bitten dürfen und ihm unseren eigenen Lebensweg anvertrauen können. Was ist aber mit Gottes Willen für unser Leben, wenn wir – durch offensichtliche Fehlentscheidungen oder durch unvorhergesehene Entwicklungen, durch eigene oder fremde Schuld – in auswegslose Situationen geraten? Ist mit einer falschen Lebensentscheidung definitiv über unser Leben entschieden? Kommt Gottes Führung damit an ihr Ende, dass wir uns einmal bei unserer Suche nach seinem Willen geirrt haben? Es ist das Geheimnis der Liebe und Güte, dass Gott uns nicht nur entlang eines als Ideallinie gedachten Weges zum erfüllenden Leben führen kann, sondern dass er uns jeweils abholt, wo wir und wie wir gerade sind, und uns von dort aus neue Wege ebnet, auf denen wir nach seinem Willen leben dürfen. Gottes Zuspruch der Vergebung ist immer zugleich die Zusage eines Neuanfangs in seiner Begleitung. Wenn dies aber alles zutrifft, dann könnte unser Bekenntnis zu der „Vergebung der Sünden“ in Christus doch eigentlich ein uns beglückendes und befreiendes Thema sein, das wir weder zu verdrängen noch zu umgehen brauchten. Vielleicht ist es unser Stolz und unser altes Problem der Isolation von dem Leben und der Liebe, dass wir das Thema der Sünde – und damit unweigerlich auch das der Vergebung – lieber zurückstellen. Denn wir wollen Vergebung, weil wir vergessen wollen; Gott aber vergibt uns, damit wir uns erinnern: wie sehr er uns beschenkt, indem er uns bedingungslos annimmt, wie wenig wir uns von den anderen unterscheiden, die wir sonst so leicht ver-

urteilen, und wie weit unsere Vorstellung von uns selbst von der Wirklichkeit entfernt ist. So wird unsere Schuld gerade nicht vergeben, damit wieder ganz die Alten sein können, sondern damit wir Gott, den anderen und uns selbst neu und anders begegnen. Der Sinn der Vergebung liegt nämlich nicht darin, dass wir wieder besser dastehen, sondern dass wir Gott gegenüber dankbarer, anderen gegenüber barmherziger und uns selbst gegenüber wahrhaftiger werden.

Genehmigter Abdruck aus dem Buch von Hans-Joachim Eckstein: „Gesund im Glauben“, SCM Hänssler 2011, S. 69 – 72, S. 76 – 79, S. 83 – 85.

ÜBER DEN AUTOR Dr. Hans-Joachim Eckstein, geb. inn Köln, ist seit 2001 Professor für Neues Testament an der Evangelisch-theologischen Fakultät der Universität Tübingen, zuvor an der Universität Heidelberg. Mit seinen lyrischen und aphoristischen Texten spricht er zugleich auch viele Menschen an, die sich dem Glauben gegenüber eher distanziert empfinden. Für seine pädagogischen und didaktischen Fähigkeiten erhielt er vom Land Baden-Württemberg den Landeslehrpreis.

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Hast und Eile, Zeitnot und Betrieb … Wie sehr ist unser Leben fremdbestimmt? VON DR . MED. RAINER KLOSS

Hast und Eile, Zeitnot und Betrieb nehmen mich gefangen, jagen mich.

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ieser Vers aus dem bekannten Lied „Meine Zeit steht in Deinen Händen“ von Peter Strauch hat mich spontan angesprochen, als ich über das Thema „Fremdbestimmung in unserem Leben“ nachgedacht habe. Peter Strauch, damals schon bekannt als Evangelist und Jugendpastor, später Präses des Bundes Freier evangelischer Gemeinden, schreibt in einem kleinen Büchlein „Entdeckungen in der Einsamkeit“ (Bundes-Verlag eG, Witten), unter welchen Umständen das Lied entstanden ist: Nach einer Zeit von ständigem Termindruck und vielen Anforderungen fühlte er sich erschöpft und ausgelaugt. Er gönnte sich eine Auszeit, in der er allein einige Wochen in Holland verbrachte, ohne Termine, ohne Vorträge und Predigten, nur mit Gott allein. In seinen Gesprächen mit Gott in dieser Zeit wurde ihm vieles deutlich, was zu seiner inneren Leere und Erschöpfung geführt hatte. Das beschreibt er in seinem Buch, und diese Erfahrungen sind auch in sein Lied eingeflossen. Was mich aufmerken ließ, war die Jahreszahl, in der das Lied entstanden ist: 1982. Wenn der Begriff damals schon so bekannt gewesen wäre wie heute, hätte Peter Strauch sicher seinen Zustand als „Burnout-Syndrom“ bezeich-

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net. Das dahinter stehende Phänomen entspricht nämlich genau dem, was er erlebt hat. Wir klagen darüber, dass sich die Lebensumstände in den letzten ein bis zwei Jahrzehnten dramatisch verändert haben, insbesondere was den Umgang mit Zeit angeht. Subjektiv habe ich den Eindruck, dass sich alles immer mehr beschleunigt. Fax, E-Mail, Twitter- und FacebookPosts ersetzen immer mehr Brief, Telefonat oder persönliche Gespräche. Informationen stehen via Internet und Smartphone inzwischen jederzeit und überall zur Verfügung. Arztberichte in der Klinik werden nicht mehr wie früher diktiert und von einer Sekretärin geschrieben, auf Papier korrigiert und schließlich per Post versandt, sondern gleich mit Diktiersystem von Sprache in Text umgewandelt, verbessert und per Mail oder Datenübertragung an die Empfänger verschickt. Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer von Patienten in unserer Klinik sinkt von Jahr zu Jahr, nicht weil die Patienten schneller „geheilt“ wären, sondern weil die Kostenträger die Behandlungszeiten immer kürzer genehmigen. Schüler müssen den gleichen Lehrstoff in acht statt neun Gymnasialjahren bewältigen. Diese Aufzählung ließe sich noch lange fortsetzen, jeder kennt aus seinem Lebensbereich wieder andere Beispiele dieser Beschleunigung. Die Veränderung des Tempos, mit dem wir Dinge erledigen, die früher wesentlich mehr Zeit in Anspruch genommen haben, hat zur Folge, dass wir – scheinbar –


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Die Erwartungen können aus zwei Richtungen kommen: von außen oder von innen, mir selbst.

„effektiver“ werden mit der in einem Zeitabschnitt geleisteten Arbeit. Im Sinne des in der Wirtschaft vorherrschenden Wachstumsgedankens ist das ein notwendiger Prozess, der dazu führt, dass Ressourcen immer besser genutzt werden, kaum noch Zeit „verschwendet“ wird und die Produktivität gesteigert wird. Die Kehrseite ist eine immer größere „Verdichtung“ der Arbeit, ein Prozess, der inzwischen auch auf unsere Freizeit und auf alle anderen Lebensbereiche übergegriffen hat. Und gleichzeitig werden die Anforderungen hinsichtlich Qualität unserer Arbeit nicht reduziert, sondern im Gegenteil ständig erhöht, wenn man sich den Boom an „Qualitätssicherungsprogrammen und -anforderungen“ vor Augen führt. Nun hat Peter Strauch sein Lied schon 1982 geschrieben bzw. schon damals die Erfahrung gemacht, dass er in einen Zustand von Erschöpfung und Ausgebrannt-Sein geraten ist. Aus unserer Sicht herrschten damals noch geradezu paradiesische Zustände, was Zeitabläufe und Anforderungen angeht. Ist es daher nur eine Täuschung, dass wir uns so eingezwängt in ein immer enger werdendes Zeit- und Anforderungskorsett erleben? Oder ergibt sich nicht durch eine genauere Betrachtung der Erfahrungen von Peter Strauch damals und uns heute ein Grundprinzip, das hinter der Problematik steht? Es ist weniger die Menge an Arbeit oder an Aktivitäten, die darüber entscheidet, ob wir damit in einem Gleichgewicht bleiben können oder ob wir darunter in einem Zustand von Erschöpfung geraten, ausbrennen und schließlich krank werden. Es kommt nach allen Untersuchungen, die zur Entstehung von Erschöpfungs- und BurnoutSyndromen vorgenommen wurden, vielmehr auf den Grad an Freiheit, den wir uns den Anforderungen gegenüber bewahren oder bewahren können, an. Wir alle kennen es, dass wir zu bestimmten Zeiten von einer Aufgabe begeistert sind, Zeit und Energie einsetzen, um etwas, was uns wichtig ist, zu erledigen, eine Lösung zu 36

finden, ein Ergebnis zu erreichen. Dabei ist es nicht so entscheidend, ob wir diese Aufgabe uns selbst gestellt haben (z. B. ein Zimmer in meiner Wohnung zu renovieren, ein Musikstück zu lernen, etwas Schönes für jemand anderen zu basteln …), oder ob sie uns von anderen gestellt wurde (eine Aufgabe im Beruf zu erledigen, eine Andacht in einem Hauskreis zu halten, im Sportverein ein Trainingsziel zu erreichen …). Entscheidend über das Maß an Belastung ist eher, wie sehr ich mich dabei in einer inneren Freiheit fühle, mit den Erwartungen umzugehen, die mit dieser Aufgabe verknüpft ist. Diese Erwartungen können aus zwei Richtungen kommen: von außen oder von innen, mir selbst. Erwartungen von außen erleben wir vor allem durch den oder die Auftraggeber: Im Beruf ist es der Kollege oder Vorgesetzte, der mir meine Arbeit zuweist oder sie bewertet, aber auch jemand, der vom Ergebnis meiner Arbeit abhängig ist. Entspricht die Aufgabe meinen Fähigkeiten und Kenntnissen? Werden mir die notwendigen Hilfsmittel zur Verfügung gestellt, um die Aufgabe zu erfüllen? Wird mir genügend Zeit eingeräumt, in der ich die Aufgabe erledigen kann? Kann ich mich auf diese Aufgabe konzentrieren oder werde ich durch mehrere gleichzeitig zu erledigenden Aufgaben abgelenkt? Je mehr diese Fragen in einer negativen Richtung beantwortet werden müssen, umso eher besteht die Gefahr, dass mir die Aufgabe das Gefühl vermittelt, in einer Falle zu sitzen, aus der ich nicht heraus kann: Eigentlich sollte ich diese Aufgabe erledigen, andererseits schaffe ich es nicht. In dieser Situation kommt der Grad an Freiheit zum Tragen, der mir gegenüber der Aufgabe gegeben ist: Kann ich die Aufgabe ablehnen? Kann ich darum bitten, dass mir mehr Mittel oder Zeit oder Freiraum gegeben wird, um die Aufgabe zu erfüllen? Kann ich die Aufgabe mit einem weniger optimalen Ergebnis erledigen? Ganz entscheidend ist es, wie mein Umgang mit der


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Aufgabe von anderen bewertet wird: Reagiert mein Kollege, mein Vorgesetzter mit positiver Unterstützung, Anerkennung und Lob, wenn ich die Aufgabe erledige oder auch meinen Fähigkeiten entsprechend angehe? Oder werde ich abgewertet, negativ kritisiert, wenn ich die Aufgabe ablehne oder um Hilfe bitte? Bekomme ich Hilfestellung, meine Aufgabe doch noch zu erledigen, oder sie so zu verändern, dass ich sie bewältigen kann? Ähnliches gilt für Aufgaben in anderen Lebensbereichen: Werde ich in der Gemeinde, im Hauskreis unterstützt, anerkannt, gelobt für meine Beiträge, oder werde ich offen oder „hintenrum“ schlechtgemacht? Herrscht in einem Sportverein ein starkes Konkurrenzdenken, so dass ich befürchten muss, bei Misserfolgen „vom Platz gestellt“ zu werden? Wenn in einem Betrieb, einem Verein, einer Gemeinde ein Klima von gegenseitiger Unterstützung, Wertschätzung und Wohlwollen vorherrscht, ergibt sich für jeden, dem eine Aufgabe übertragen wird, ein höherer Grad an Freiheit, wie er mit dieser Aufgabe umgehen kann, und damit erhöht sich sogar die Wahrscheinlichkeit, dass die Aufgabe gut erledigt wird. Dies setzt Energie, Fantasie und Kräfte frei, die in einem Klima von Angst, Druck und Abwertung blockiert werden.

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In vielen Fällen sind es aber nicht oder nicht nur die äußeren Erwartungen, die das Maß an Freiheit oder Fremdbestimmung festlegen, sondern meine innere Einstellung: Setze ich mir selbst ein hohes Ziel, das ich unbedingt erreichen will? Schätze ich meine eigenen Fähigkeiten und Mittel richtig ein, um die Aufgabe erledigen zu können? Kann ich an einem einmal gesetzten Ziel auch wieder Abstriche machen oder es ganz aufgeben? Gerade leistungsorientierte Menschen und Menschen, die zum Perfektionismus neigen, sind am ehesten gefährdet, in eine innere Falle zu laufen: Eigentlich müssten sie die selbstgesetzten Ziele gar nicht unbedingt erreichen, eigentlich verlangt niemand von ihnen die Erfüllung aller

Aufgaben, und wenn, dann nicht in der Vollkommenheit, wie sie selbst das von sich erwarten. Aber sie erleben sich in ihrer Freiheit eingeengt, der Freiheit, zu sich selbst zu sagen: Ich lasse das Ziel los. Ich bin mir selbst gegenüber gnädig und barmherzig. Ich kann mir erlauben, auch einmal schwach zu sein und etwas gar nicht oder nicht so gut hinzubekommen. In diesem Fall herrscht eine Fremdbestimmung vor, die gar nicht von außen kommt, sondern eine „innere“ Fremdbestimmung. Meist ist es ein überstrenges Gewissen, das diese Menschen bestimmt. Oder sie haben in der Kindheit erfahren, dass sie nur Anerkennung und Liebe bekommen haben, wenn sie brav und angepasst, erfolgreich und strebsam, problemlos und bequem zu leiten waren. Dann kann sich eine – meist irrationale – Angst entwickeln, nicht geliebt und angenommen zu sein, wenn sie eine Aufgabe nicht oder nicht perfekt erledigen, wenn sie sich mit weniger zufrieden geben oder auch einmal Nein sagen. Fatalerweise sind solche Menschen meistens beliebt und erhalten viel Lob und Anerkennung, wenn sie ihre Aufgaben klaglos und mit hoher Qualität erfüllen, so dass sie genau das vermeiden, was ihnen Angst macht, nämlich einmal zu versagen oder Aufgaben nicht optimal zu erfüllen. Würden sie das einmal erleben, verknüpft mit der Erfahrung, dann trotzdem noch beliebt und anerkannt zu sein, könnte sich ihre Angst reduzieren. Die Tendenz, immer mehr Aufgaben zu übernehmen oder zugeteilt zu bekommen („Das kannst Du doch so gut!“), nimmt bei ihnen im Gegenteil eher zu, bis sich Überlastungs- und Überforderungssymptome einstellen. Von ähnlichen Erfahrungen berichtet Peter Strauch, so dass sein Büchlein (und sein Lied) auch heute noch aktuell ist. Es sind also nicht nur die veränderten Beschleunigungs- und Anforderungsbedingungen, die uns die Freiheit nehmen, sondern vor allem unser Umgang damit. Das Lied beginnt mit dem Psalmvers: „Meine Zeit steht in deinen Händen“ (Ps. 31,16), den er als SilvesterZuspruch kurz vor seiner „Burnout-Erfahrung“ gezogen hat. Es war für ihn ein Prozess der Befreiung, sich mit 37


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Hast und Eile, Zeitnot und Betrieb nehmen mich gefangen, jagen mich. Herr ich rufe: Komm und mach mich frei! Führe du mich Schritt für Schritt!

dem Inhalt dieser Aussage auseinanderzusetzen: Meine Zeit wird letztlich nicht von den äußeren Anforderungen, vom Druck der Arbeitswelt, von Qualitätssicherungzielen bestimmt. Meine Zeit wird auch nicht von den inneren Zwängen meines Gewissens, meines Pflichtgefühls und meiner Angst vor Ablehnung bestimmt. Aus der Falle der inneren und äußeren Zwänge kann ich nur herausfinden, wenn ich mich meinen Ängsten stelle, die mich im Umgang mit diesen Zwängen bestimmen. Das aber setzt voraus, dass ich etwas habe, auf das ich mich verlassen kann, wenn ich mir selbst und anderen gegenüber ehrlich und ungeschminkt gegenübertrete. Hier gewinnt der Psalmvers eine tiefere Bedeutung: Nicht nur meine Zeit, meine ganze Existenz steht in den Händen Gottes. Wenn das einmal nicht mehr nur intellektuelle Erkenntnis, sondern gefühlsmäßige Realität und Erfahrung geworden ist, habe ich eine Chance, aus dem Gefängnis herauszufinden. Wage ich es, mich auf die Zusage Gottes zu verlassen, dass Gott mein Versorger ist, und auf meiner Arbeitsstelle das Risiko einzugehen, nicht allen Anforderungen zu genügen, mich schwach zu zeigen, mich manchem „Irrsinn“ an Anforderungen und immer noch schnelleren Auftragswünschen entgegenzustellen, auch wenn das bedeuten könnte, abgelehnt und schlechter bewertet zu werden, bei der nächsten Beförderung übergangen zu werden, einen Auftrag zu verlieren? Wage ich es, meinen Wert nicht von meiner Leistung und der Anerkennung von anderen bestimmen zu lassen, sondern Gott zu glauben, wenn er 38

mich jetzt schon als wertvoll bestätigt ( Jes. 43,4), und dann auch mir selbst gegenüber zuzugeben, dass ich diese Aufgabe jetzt nicht übernehmen und mit allem Einsatz erledigen muss? Wage ich es, andere Menschen zu enttäuschen, ihnen zuzumuten, mich schwach und nicht perfekt vorbereitet zu erleben, ihnen ein Nein zu geben, wenn sie mich um etwas bitten? Es gibt keinen stärkeren Schutz gegenüber einer Fremdbestimmung als das Bewusstsein, dass meine Zeit – meine gesamte Existenz – weder von außen noch von innen bestimmt wird, sondern allein von Gott. „Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen.“ (Apg. 5,29) ist ein Satz, der wie eine Burnout-Prävention wirken kann: Wenn ich meinen Alltag weniger von den Anforderungen und Erwartungen anderer fremdbestimmen lasse, wenn ich meine eigenen Grundsätze und Ängste von ihm verändern lasse, dann kann ich der Falle entgehen.

ÜBER DEN AUTOR Dr. med. Rainer Kloß, Arzt für Neurologie und Psychiatrie, Psychotherapie, Rehabilitationswesen, Weiterbildung in Systemischer Therapie und Familientherapie, Supervisor Oberarzt an der de’ignis Fachklinik.


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Wollen und nicht können Das Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätssyndrom bei Erwachsenen VON ANNE LAMM UND ANGELIKA HEINEN

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D(H)S (Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätssyndrom) – wenn von diesem Phänomen die Rede ist, assoziieren wir häufig den kleinen Jungen, der seinem Lehrer immer wieder ins Wort fällt und scheinbar ohne Grund mitten im Unterricht aufspringt und durch die Klasse läuft. Oder wir haben das kleine Mädchen vor Augen, das beim Essen einfach nicht still sitzen kann, sein Saftglas umkippt und anschließend vergeblich versucht, sich auf seine Hausaufgaben zu konzentrieren. Dass die landläufig auch als „Zappelphilipp-Syndrom“ bekannte Störung der Aufmerksamkeit und Aktivität aber keine „Kinderkrankheit“ ist, sondern durchaus auch

vielen Erwachsenen Leidensdruck bereitet, rückt uns erst seit einigen Jahren mehr und mehr ins Bewusstsein. Schätzungen gehen davon aus, dass bei bis zu 80 % der Kinder mit AD(H)S die Symptomatik teilweise oder sogar vollständig bis ins Erwachsenenalter hinein fortbesteht und dass insgesamt ca. 2 – 6 % der Bevölkerung betroffen sind (www.adhs-kompetenznetz.de). Ein Grund für diese vagen Schätzungen ist, dass AD(H)S bei Erwachsenen häufig in anderer „Gestalt“ auftritt als bei Kindern, sich häufig hinter anderen – eindeutigeren – Störungsbildern verbirgt und nur durch eine umfangreiche und spezifische Diagnostik entdeckt werden kann. Ein typisches Erscheinungsbild von AD(H)S bei Erwachsenen wird im folgenden Fallbeispiel aus der Klinik skizziert: 39


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27-jährige Studentin, hat Probleme ihr Studium abzuschließen; finanziert sich durch mehrere Jobs gleichzeitig. Wiederkehrende „Winterdepressionen“ mit Suizidimpulsen; schädlicher Gebrauch von Alkohol (10 Flaschen Bier täglich); starke Schlafstörungen seit der Kindheit. Internet-, Fernseh- und Lesesucht (6 Bücher an einem Wochenende), wechselnde Männerbeziehungen, die auch als Suchtverhalten beschrieben werden. Mehrere ambulante Therapien wegen Depression und Sucht, aber bisher mit nur sehr kurzfristigen Erfolgen. Kindliche Entwicklung verzögert, sehr spätes Laufen lernen und Sprechen erst mit 3 Jahren. Verschiedene Unfälle als Kind mit Knochenbrüchen und Gehirnerschütterungen (sog. „Unfaller“). Schulische Entwicklung: Lese-Rechtschreib-Schwäche, „Sonderschule“ wegen starker Konzentrationsprobleme und Impulsivität. Wird im Verhalten als „Träumerchen“ beschrieben. Nach dem Abschluss Wechsel auf die Hauptschule mit Abschluss. Danach Abschluss einer Ausbildung und Mittlere Reife. Im Anschluss daran Fachabitur und Beginn des Studiums. (Dieser Verlauf lässt auf eine überdurchschnittliche Intelligenz schließen.) Sie habe sich schon immer „anders“ gefühlt. Betäubungsspritzen (z. B. beim Zahnarzt) wirken kaum. Aktuelle Problematik: Extreme Ablenkbarkeit, starke Stimmungsschwankungen mit Suizidimpulsen, bringt Studienarbeit nicht zu Ende, schläft sehr schlecht ein, benutzt das Internet gar nicht mehr, weil sie sonst nicht mehr damit aufhören kann, Einkaufen geht nur noch mit einer Liste, häufiges Zuspätkommen.

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DIAGNOSE: ADS ohne Hyperaktivität

THERAPIE: Psychoedukation, praktische Übungen, Trauerarbeit über die falsche Beschulung und verpasste Chancen. Beginn einer medikamentösen Behandlung mit Methylphenidat.

ERGEBNIS: Die Patientin sagte: „Zum ersten Mal im Leben bin ich ich! So hätte ich schon lange sein können. Ich weiß jetzt, dass ich krank bin und nicht blöd!“ Die Depressivität nahm deutlich ab, es kam zu keinen Suizidimpulsen mehr, die Stimmung war wesentlich ausgeglichener, es bestand kaum noch Suchtdruck, Impulskontrolle, Aufmerksamkeit und Konzentrationsfähigkeit waren deutlich erhöht.


THERAPIEGRUNDLAGEN

SYMPTOMATIK Grundsätzlich ist AD(H)S durch folgende drei Kernsymptome gekennzeichnet:

bringen“. Sie reagieren schneller und heftiger emotional als andere. Viele fühlen sich von Reizen schnell überfordert und brauchen häufiger Rückzugsmöglichkeiten.

1. Störung der (Dauer-) Aufmerksamkeit Betroffene können ihre Aufmerksamkeit oft besser als andere kurzfristig auf ein Geschehen fokussieren, das sie fesselt und interessiert. Es gelingt ihnen jedoch kaum, die Aufmerksamkeit über eine Dauer von ca. 20 Minuten und länger aufrechtzuerhalten, wie z. B. beim Lesen von langweiligen Texten oder in langen Gesprächen. Sie lassen sich leicht von Umgebungsreizen ablenken oder verlieren sich in Tagträumereien.

2. Hyperaktivität Was bei Kindern häufig als „Herumzappeln“ oder plötzliches Aufspringen und Umherlaufen auffällt, wird von erwachsenen Betroffenen sehr häufig zu unterdrücken versucht und vielmehr als eine starke „innere Unruhe“ und ein „unter Strom Stehen“ beschrieben. Sie haben einen permanenten Bewegungsdrang, der auch in Fingertrommeln und Fußwippen Ausdruck finden kann. Viele können kaum entspannen.

2. Impulsivität Betroffene neigen dazu, spontanen Impulsen unmittelbar nachzugeben, spontane und unüberlegte Entscheidungen zu treffen, ohne sich über die Konsequenzen und Gefahren bewusst zu sein. Auch Wutausbrüche und übermäßiges, schnelles Reden sind Zeichen erhöhter Impulsivität.

Neben diesen drei Kernsymptomen sind folgende Kennzeichen (Wender-Utah-Kriterien) typisch für AD(H)S bei Erwachsenen und werden für die Diagnostik herangezogen:

Desorganisiertes Verhalten: Fehlendes Zeitgefühl, fehlende Tagesstruktur, fehlende Struktur beim Erledigen von Aufgaben.

Mangelnde Affektkontrolle: Gefühle wie z. B. Ärger können nicht unterdrückt oder zurückgehalten werden, sondern werden unmittelbar geäußert, auch wenn dies unangemessen ist.

maiklage/photocase.com

Affektlabilität:

Hochrisikoverhalten: Ebenfalls kennzeichnend ist eine Neigung zu Hochrisikoverhalten. Extremsport, finanzielle Risiken, schnelles Autofahren, Suchtverhalten (Spielsucht, Computer, Kaufen), hohe Unfallgefahr, Alkohol- und Drogenmissbrauch (als Selbstmedikation), Arbeitssucht („Workaholic“).

Stärken und Ressourcen Sowohl für das Selbstverständnis des Betroffenen als auch für eine psychotherapeutische Behandlung ist es unbedingt notwendig, AD(H)S nicht nur von der reinen Defizitseite her zu betrachten, sondern genauso die Stärken und Ressourcen zu berücksichtigen, die mit dem Syndrom verbunden sind. Erwachsene mit AD(H)S zeichnen sich häufig durch hohe Kreativität und Fähigkeit zum divergenten Denken aus sowie durch hohe Eloquenz und eine gute Aufnahmeund Konzentrationsfähigkeit, wenn etwas sie persönlich interessiert. Sie haben viel Fantasie, viel Energie, sind risikobereit, flexibel, spontan und neugierig. In Krisenund Notfallsituationen können sie schnell einen Überblick gewinnen und entschlossen handeln, sie haben einen starken Gerechtigkeits- sowie einen guten Orientierungssinn, sind multitasking- und sehr empathiefähig. Wie in dem dargestellten Fallbeispiel deutlich wird, ist AD(H)S bei Erwachsenen häufig durch andere psychische Erkrankungen überlagert, die nicht selten Folgen von misslungenen Bewältigungsversuchen sind. So kann beispielsweise der angestrengte Versuch, Ordnung und Struktur in das eigene alltägliche „Chaos“ zu bringen, in eine Zwangsstörung (Ordnungszwang, Kontrollzwang etc.) führen. Oder die permanente innere Ruhelosigkeit und Anspannung wird durch Alkohol, Drogen oder Medikamente zu lindern versucht, was für den Betroffenen langfristig in einer Suchterkrankung mündet. Auch Depressionen treten häufig in Zusammenhang mit AD(H)S auf und können eine Folge sein von anhaltenden Misserfolgserlebnissen, Minderwertigkeitsgedanken („Mit mir stimmt etwas nicht.“) und sozialem Rückzug aufgrund von Beziehungsproblemen.

Starke Stimmungsschwankungen.

Emotionale Überreagibilität/Stressintoleranz: Kleinigkeiten genügen, um Betroffene „auf die Palme zu 41


THERAPIEGRUNDLAGEN

DIAGNOSTIK Bis heute ist es schwierig und aufwändig, AD(H)S bei Erwachsenen sauber zu diagnostizieren. Zum einen liegen bislang keine Diagnosekriterien vor, wie sie für verschiedenste andere Erkrankungen von der Weltgesundheitsorganisation herausgegeben wurden (International Classification of Diseases, ICD). Zum anderen muss sich die Diagnostik auf Selbstauskünfte und Erinnerungen des Betroffenen stützen, die üblicherweise sehr verzerrt sein können. Entscheidungsgrundlage für oder gegen die Diagnose AD(H)S ist das Verhalten des Betroffenen in den ersten sechs Lebensjahren. Denn sollten in diesem Zeitraum keinerlei Auffälligkeiten aufgetreten sein, kann AD(H)S definitiv ausgeschlossen werden. Neben ausführlichen Gesprächen (mit dem Betroffenen selbst und mit Angehörigen, sogenannten Eigen- und Fremdanamnese), Grundschulzeugnissen sowie Fragebögen („Im Alter von sechs Jahren war ich …“) kommen in der Diagnostik Tests zum Einsatz. Tests zur Überprüfung der Aufmerksamkeit und Konzentration sind z. B. TAP – Testbatterie zur Aufmerksamkeits-Prüfung mit verschiedenen Untertests oder KLT – Konzentrations-Leistungs-Test. Derweit läufig bekannte „d2-Test“ (Aufmerksamkeits-Belastungs-Test) dagegen ist nicht aussagekräftig, weil er innerhalb von weniger als 5 Minuten zu bearbeiten ist und so folglich nicht die Daueraufmerksamkeit getestet werden kann. AD(H)S-Patienten schneiden hier eher besonders gut ab!

BEHANDLUNG

mitterhaushalt (vor allem Dopamin und Noradrenalin) verursacht werden, kann durch spezifische Medikamente, die auf diesen Haushalt einwirken, oft eine Besserung der Symptomatik erreicht werden. Psychotherapie bei AD(H)S kann sowohl im Einzelals auch im Gruppensetting durchgeführt werden. In der Einzeltherapie werden die individuell festgelegten Ziele bearbeitet. Gruppentherapie bietet den Vorteil, dass die Betroffenen miteinander üben und sich austauschen können. Sie kann eine zusätzliche psychische Entlastung bringen, wenn die Betroffenen feststellen, dass es außer ihnen selbst noch andere Menschen gibt, die auch „anders“ sind. Ein weiterer Vorteil besteht darin, dass der bei manchen Betroffenen überzogene Status, „etwas Besonderes“ zu sein, durch die Gruppe relativiert wird. Sowohl in der Einzel- als auch in der Gruppentherapie ist Psychoedukation ein wichtiger erster Bestandteil. Hier sollen Störungswissen (Informationen über die Störung) und Änderungswissen (Informationen über die Behandlungsmöglichkeiten) vermittelt werden. Wie bei jeder anderen Psychotherapie auch, ist es von sehr großer Bedeutung, am Anfang die individuellen Ziele festzulegen: Was soll sich verändern, aber was kann auch so bleiben, wie es ist? Ausgehend davon werden besonders in der Einzeltherapie ein individueller Behandlungsplan erstellt und die entsprechenden Therapiebausteine durchgeführt. Dadurch sollen zum einen eine Steigerung der Kompetenz (Können, Lernen) und zum anderen eine Verbesserung der Performanz (Machen, Fertigkeiten) erreicht werden. Im Folgenden werden Beispiele solcher Behandlungsbausteine aufgeführt. (Teilweise sind sie ausführlich beschrieben bei Gerhard W. Lauth & Wolf-Rüdiger Minsel: ADHS bei Erwachsenen. Diagnostik und Behandlung von Aufmerksamkeits-/Hyperaktivitätsstörungen (Hogrefe, 2009)):

• Vermittlung von Selbststeuerungsfertigkeiten: Bei der Behandlung von AD(H)S gilt als übergeordnetes Ziel, dass der Betroffene verstehen soll: „Ich bin nicht schuld an meiner Störung, aber ich bin verantwortlich dafür, wie ich damit umgehe!“

Geeignete Selbstanweisungen erst laut, später leise aufsagen; negative innere Dialoge beenden und später in positive verändern können.

• Selbstmanagement und Selbstkontrolle: Die Therapie sollte multimodal gestaltet sein, d. h. sie sollte unterschiedliche Ansätze und Methoden miteinander verbinden. Im Vordergrund steht die Psychotherapie, die an den funktionellen Schwierigkeiten bezüglich der Selbstorganisation, des Selbstwertgefühls und der sozialen Interaktion ansetzt. Begleitend dazu kann eine Behandlung mit Psychopharmaka erfolgen. Da die Hauptsymptome Unaufmerksamkeit, Hyperaktivität und Impulsivität durch Unausgewogenheiten im Neurotrans42

Kalender führen (Lose Blätter gibt es nicht mehr!); Tagesplan erstellen mit genauen Tätigkeits- und Zeitangaben; die entsprechenden Vorkehrungen dafür treffen (Menschen mit AD(H)S besitzen keine innere Uhr und können deshalb kein automatisches Zeitgefühl entwickeln); Wochenplan erstellen; Prioritäten setzen lernen (wichtig/unwichtig, dringend/nicht dringend); Umgang mit begrenzten finanziellen Mitteln erlernen.


THERAPIEGRUNDLAGEN

Vermittlung von Selbststeuerungsfertigkeiten

Achtsamkeits-, Aufmerksamkeitsund Konzentrationstraining

EinĂźben von angemessenem Sozialverhalten

ProblemlĂśsestrategien

Emotionsregulationstraining

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Selbstmanagement und Selbstkontrolle

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THERAPIEGRUNDLAGEN

• Problemlösestrategien: „Was ist die Ausgangssituation? Was ist das Ziel? Wie könnte ein Lösungsweg aussehen?“ Kleine Schritte planen und einzeln überprüfen, ob sie wirklich zum Ziel führen; Erreichung oder Nichterreichung dokumentieren und Erreichung sofort belohnen! Dies ist besonders wichtig, da die Betroffenen im Laufe des Lebens keinen Belohnungsaufschub lernen wie andere Erwachsene und somit in diesem Bereich wie Kinder agieren. Ein Therapiefortschritt hängt bedeutend damit zusammen, dass dies beachtet wird.

• Achtsamkeits-, Aufmerksamkeits- und Konzentrationstraining: Nur mit einer Sache beschäftigen; beobachten, aber nicht bewerten; einen eigenen inneren wohlwollenden Beobachter installieren; Arbeit mit 2 „leeren Stühlen“, wobei der eine den „inneren Antreiber“ und der andere den „inneren Faulenzer“ symbolisiert, beide abwechselnd zu Wort kommen lassen; konzentrative Techniken einüben z. B. mit Sudoku, Suchspielen, Körbe flechten, usw.

• Einüben von angemessenem Sozialverhalten: Pünktlichkeit auch in den Therapiesitzungen (kein Nachholen der verlorenen Zeit); Zuhören, Verstehen und Wiedergeben trainieren (erst zuhören, dann mit eigenen Worten wiederholen, dann antworten); Bewusstmachung von negativem non-verbalen Verhalten (Mimik, Gestik, Laute); auf Zynismus hinweisen; Rollenspiele zu ganz konkreten Situationen

• Emotionsregulationstraining: Lernen: Welche Grundemotionen gibt es (weltweit gleich und an der Mimik und Gestik ablesbar: Freude, Trauer, Wut, Angst, Ekel, Erschrecken bzw. Überraschung)? Welche Aufgaben haben sie? Welche Körperimpulse und welchen Appell an das Gegenüber senden sie? Mit welchen Emotionen kann ich gut umgehen? Welche bereiten mir Schwierigkeiten? Entsprechende Situationsanalysen erstellen, um ein besseres Selbstverständnis zu bekommen.

Psychopharmakatherapie In der medikamentösen Behandlung von AD(H)S kommen Psychostimulanzien und Antidepressiva zum Einsatz. Das meist verschriebene Psychostimulans ist Methylphenidat, teilweise als retardierte Form. Methylphenidat ist auch bekannt unter den Handelsnamen Ritalin®, 44

Medikinet®, Equasym®, Methylphenidat® oder Concerta®. Entgegen weit verbreiteter Befürchtungen besteht speziell bei Menschen mit AD(H)S keine Gefahr für eine körperliche Abhängigkeit. Sie leiden dann sogar weniger unter sonstigen Abhängigkeiten (Alkohol, Drogen) als ohne die Einnahme von Methylphenidat. Es muss aber deutlich darauf hingewiesen werden, dass bei der gleichzeitigen Einnahme mit Alkohol das Risiko für das erste Auftreten einer Psychose stark zunimmt. Seit dem 14. April 2011 ist Methylphenidat auch für Erwachsene in Deutschland zugelassen, „wenn andere Maßnahmen alleine unzureichend sind und ADHS (seit der Kindheit) besteht“; es unterliegt dem Betäubungsmittelgesetz (BtMG) (www.bfarm.de). Als Alternative oder ergänzend zu Methylphenidat kann Atomoxetin (Handelsname: Strattera®) gegeben werden. Hierbei ist allerdings zu beachten, dass es in Einzelfällen zu erhöhter Suizidalität kommen kann. Weitere Alternativen sind antriebssteigernde oder trizyklische Antidepressiva. „Wollen und nicht Können“ – bei dieser Erfahrung muss es für Betroffene nicht bleiben. Wenn nach einer gründlichen Diagnostik eine spezifische und möglichst multimodale Therapie begonnen wird, können eine deutliche Linderung der erlebten Einschränkungen und eine erhebliche Steigerung der Lebensqualität erreicht werden.

ÜBER DIE AUTOREN Anne Lamm, Dipl.-Psychologin und Psychologische Psychotherapeutin. Verhaltenstherapeutin für Erwachsene, Kinder und Jugendliche. Arbeitet in der de’ignis-Fachklinik.

Angelika Heinen, Dipl.-Psychologin und Psychologische Psychotherapeutin in Ausbildung. Arbeitet in der de’ignis-Fachklinik.


THERAPIEGRUNDLAGEN

Die Auswirkungen der Fremdbestimmung – Borderline VON ACHIM SÖRGEL

primaer/photocase.com

Ein (anonymisiertes) Fallbeispiel: Anna, 17 Jahre

A

nna kam in unsere Wohngruppe, nachdem sie zuvor bereits sechs verschiedene Jugendhilfemaßnahmen, angefangen von einer ambulanten Betreuung, über die geschlossene Unterbringung in einer Mädchenwohngruppe, bis hin zu einem Auslandsaufenthalt in Irland in einer Pflegestelle,

sowie mehre Aufenthalte in der Kinder- und Jugendpsychiatrie durchlebt hatte. Die Mutter berichtete über massive Schwierigkeiten im Umgang mit ihrer Tochter. Diese halte sich an keinerlei Absprachen, habe schon früh angefangen Alkohol zu konsumieren und sehr intensive, auch rasch intime Beziehungen einzulassen, die jedoch genauso rasch wieder endeten. Oft wechselt Annas Stimmung von einem Moment auf den anderen, sie reagiert auf kleinste 45


THERAPIEGRUNDLAGEN

Ihre Eltern hatten sich getrennt, als Anna 10 Jahre alt war, die Ehebeziehung war schon zuvor gekennzeichnet gewesen von heftigen Auseinandersetzungen. Die Mutter sah in ihrer Tochter aufgrund einer großen äußerlichen Ähnlichkeit immer stärker den Vater, so dass es ihr zunehmend schwerer fiel, Anna anzunehmen, was die ohnehin schwierige Beziehung zwischen Mutter und Tochter noch dramatisch verschlechterte. Die Wohngruppe sei nun ihre „letzte Chance“. Wie lassen sich die massiven Verhaltensprobleme und Auffälligkeiten, unter denen Anna selbst auch immer wieder massiv leidet erklären? Und wie kann Anna tatsächlich geholfen werden?

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Borderline – Begriffsklärung, Ursprünge, Symptomatik Die Schwierigkeiten, unter denen Anna zu leiden hat, lassen sich als eine beginnende Persönlichkeitsstörung vom Borderline-Typ verstehen. Ursprünglich wurde der Begriff „Borderline“ von dem amerikanischen Psychoanalytiker Adolf Stern (1938) geprägt. Er charakterisierte damit – einem von Sigmund Freud entwickelten psychoanalytischen Grundverständnis eines Kontinuums zwischen „Neurosen“ und „Psychosen“ folgend – ein (unscharfes) Grenzgebiet zwischen neurotischen und psychotischen Störungsbildern. Menschen mit einer solchen Borderline-Störung wurden demzufolge als „Grenzgänger“ betrachtet, deren Krankheitsbild zwischen diesen beiden Polen angesiedelt war. Inzwischen ist man zu der Übereinkunft gelangt, es mit einem eigenständigen, in sich relativ stabilen Komplex zu tun zu haben. Wesentlich hierfür war die Arbeit des amerikanischen Psychoanalytikers Otto Kernberg, Mitte der 70er Jahre des letzten Jahrhunderts. Auf einer deskriptiven, beschreibenden Ebene können bei der Borderlinepersönlichkeit Schwierigkeiten in verschiedenen Bereichen gefunden werden und werden heute als valide Kriterien zur Diagnose einer Borderlinestörung verwendet. Nach Ansicht der meisten Forschungsgrup-

raperonzolo/photocase.com

Anlässe mit heftigen Vorwürfen und lautstarken Auseinandersetzungen, oder zieht sich in anderen Momenten völlig zurück. Immer wieder kommt es zu Selbstverletzungen, das Mädchen ritzt sich dann an den Armen mit einer Rasierklinge, oder schlägt den Kopf an die Wand. Aus den bisherigen Wohngruppen liegen Berichte vor, die Anna als „manipulativ und skrupellos“ in der Durchsetzung ihres Willens beschreiben. Immer wieder schaffe es das Mädchen, sich auch auf Helferebene Unterstützer zu sichern, die sich mit erheblichem Aufwand für sie einsetzten, was oft auch zu massiven Konflikten zwischen Mitarbeitern, Lehrern, der Mutter und anderen Beteiligten geführt habe.


THERAPIEGRUNDLAGEN

pen ist besonders eine Störung der Affektregulation von zentraler Bedeutung. Menschen mit Borderlinepersönlichkeit reagieren sehr sensibel und in starkem Ausmaß in ihrem Erleben von Situationen. Die Stimmung kann daher innerhalb kurzer Zeit erheblichen Schwankungen unterworfen sein, mit rasch einschießenden Gefühlen wie Niedergeschlagenheit, Verzweiflung, Angst oder auch Reizbarkeit und Wut, die kaum kontrolliert werden kann. Oft erleben Patienten eine intensive, als unerträglich empfundene innere Anspannung, die jedoch keinem konkreten Gefühl zugeordnet werden kann. Zumeist dauert es deutlich länger, als bei gesunden Personen, bis die Anspannung aufgrund einer Belastungssituation sich wieder dem Normalwert annähert, so dass es leicht zu einem Aufschaukeln der Anspannung kommt, bis dann der letzte – vermeintlich harmlose- Tropfen das „Fass zum Überlaufen“ bringt. Daneben kennen die meisten Patienten mit einer Borderlinestörung auch das Gefühl einer inneren Leere, einer Art inneren Taubheit und Gefühlslosigkeit das genauso unerträglich erlebt wird. Das Selbstbild und die Selbstwahrnehmung sind ebenfalls ausgeprägten und raschen Schwankungen unterworfen. Lebensziele, aber auch Vorlieben und Ansichten wechseln häufig, viele Betroffene haben den Eindruck, sich selbst kaum zu kennen. Kennzeichnend sind außerdem das verzweifelte Bemühen, tatsächliches oder vermutetes Verlassen-werden zu vermeiden, und eine intensive Angst vor dem Alleinsein sowie Panik schon bei zeitlich begrenzten Trennungen. Typischerweise kommt es im Lauf des Lebens zu einem Muster aus intensiven, aber instabilen zwischenmenschlichen Beziehungen: mal idealisieren die Betroffenen ihr Gegenüber, dann entwerten sie es – und das im schnellen Wechsel. Die für Borderlinestörungen häufig als typisch angesehenen selbstschädigenden Verhaltensweisen, wie Ritzen, oder andere Formen von Selbstverletzungen haben häufig die Funktion, die als unerträglich erlebte innere Spannung zu reduzieren. Neben den Selbstverletzungen, Suiziddrohungen und -versuchen, schaden sich viele Patienten auch durch impulsive Handlungen z. B. im Bereich der Sexualität, durch Substanzmissbrauch, rücksichtsloses Fahren, Geld ausgeben, oder beim Essen. In Belastungssituationen kann es auch vorrübergehend zu paranoiden Vorstellungen, z. B. dem Eindruck verfolgt zu werden, oder zu sogenannten dissoziativen Symptomen kommen, in denen die Wahrnehmungsfähigkeit eingeschränkt ist, vom „Tunnelblick“ bis hin zu einer völligen Abkapselung, die von den Betroffenen selbst meist als extrem unangenehm erlebt wird und die nur durch sehr starke Sinnesreize durchbrochen werden kann.

Die Entstehung der Borderlinestörung Heute geht die Forschung davon aus, dass die Entstehung einer Borderlinepersönlichkeitsstörung, wie bei den meisten psychischen Erkrankungen, von mehreren Faktoren abhängt, die miteinander in Wechselwirkung stehen und die erst in ihrem Zusammenwirken die oft gravierenden Folgen der Störung erklären können. Auch aufgrund von Zwillingsstudien, bei denen der Einfluss genetischer Faktoren abgeschätzt werden kann, weiß man, dass auch bei der Borderlinestörung eine genetische Komponente für die Entstehung der Störung der Affektregulation beteiligt ist. Hierzu zählen Neurobiologische Faktoren, wie eine Störung der Reizkontrolle und Affektmodulation und der Dissoziationsneigung. Menschen mit einer Borderlinepersönlichkeit scheinen also bereits aufgrund ihrer körperlichen Voraussetzungen sensibler auf Reize zu reagieren und größere Schwierigkeiten in der Emotionsverarbeitung zu haben. Diese biologische Komponente alleine reicht allerdings nicht aus, um das Auftreten der Störung zu erklären, sonst müssten in Studien mit eineiigen Zwillingen, die also exakt die gleichen genetischen Merkmale aufweisen, immer beide Geschwister gleichermaßen betroffen sein. Dies ist jedoch nicht der Fall. In Studien zeigte sich, dass die Wahrscheinlichkeit eines Menschen, dessen Zwilling an einer Borderlinepersönlichkeiststörung erkrankt war, bei „lediglich“ ca. 55 % lag. Der zweite, erhebliche Faktor, der für die Krankheitsentstehung eine Rolle spielt, liegt in den psychosozialen Umständen, in denen ein Kind aufwächst. Bei vielen – jedoch nicht allen – Patienten finden sich sexuelle und körperliche Gewalterfahrungen in der Kindheit wieder. Bis zu 60 % der weiblichen Patienten berichten, in ihrer Kindheit sexuell missbraucht worden zu sein. Ob eine solche Traumatisierung alleine eine Borderline-Persönlichkeitsstörung verursachen kann, ist unter Experten allerdings strittig. Vor allem scheinen jedoch auch solche Formen der emotionalen Vernachlässigung wesentlich zu sein, bei denen die Gefühle und Wahrnehmungen des Kindes lächerlich gemacht oder entwertet werden. Die Gefühle und Wahrnehmungen der Kinder werden nicht geteilt und bestätigt, statt dessen wird das Kind für Gefühlsäußerungen bestraft, oder die Gefühle werden als falsch abgestempelt. Eine solche Invalidierung beginnt etwa, wenn der Sprössling vor Schmerz weint und die Mutter entgegnet: „Tut doch gar nicht weh – jetzt hab dich nicht so!“. Im Falle von Anna kann die Ablehnung der Mutter, aufgrund der Ähnlichkeit zum Vater eine solche Invalidierung darstel47


len. Die Erfahrung – völlig unabhängig vom eigenen Verhalten – „falsch“ zu sein, hinterlässt eine tiefe Wunde im Selbstbild, die bei Anna – wie bei den meisten Patienten mit einer Borderlinestörung – auch in ihrem weiteren Lebensstationen bislang leider immer weiter vertiefte.

Behandlungsansätze – DialektischBehaviorale Therapie (DBT) Lange Zeit galt die Borderlinepersönlichkeitsstörung als kaum psychotherapeutisch behandelbar, Patienten mit einer solchen Störung als „schwierig“. Mittlerweile gibt es jedoch eine Reihe unterschiedlicher therapeutischer Ansätze, die sich als hilfreich erwiesen haben. Neben einer Reihe psychodynamisch orientierter Verfahren, die sich auf die Arbeiten von Kernberg stützen, ist dies insbesondere auch die verhaltenstherapeutisch orientierte Dialektisch-Behaviorale Therapie nach Marsha Linehan, die auch die Grundlage für unsere Arbeit in Annas Wohngruppe darstellt. Ein wesentlicher Bestandteil dieser Therapie ist die Vermittlung und das Einüben von Fertigkeiten, sogenannten „skills“ in fünf verschiedenen Bereichen. Im Modul Stresstoleranz sollen die Betroffenen lernen, ihre Anspannung einerseits frühzeitig wahrzunehmen und ohne sich selbst zu schaden regulieren zu lernen. Für Anna bedeutet dies zum Beispiel, anstelle sich zu ritzen, einen Gummiring um das Handgelenk schnalzen zu lassen, oder eine „weinende Himbeere“, ein extra-scharfes Bonbon zu essen. Ziel ist es dabei, starke Sinnesreize zu vermitteln, die dabei helfen, die extreme innere Anspannung aushalten zu können, die aber – anders als das Ritzen – keine negativen Folgen mit sich bringen. Da viele Borderliner massive Schwierigkeiten darin haben, ihre Gefühle differenziert wahrzunehmen und zu unterscheiden und dann einen angemessenen Umgang mit ihren Gefühlen zu finden, geht es im Modul Emotions-Regulation darum, die verschiedenen Gefühle besser kennen zu lernen, zu überprüfen, ob 48

das Gefühl der Situation angemessen ist und bei zu starker Ausprägung dementsprechend dann Gefühle durch entgegengesetztes Handeln abzuschwächen, oder aber eine dem Gefühl und der Situation angemessene Handlung zu initiieren, bei adäquatem Gefühlserleben. Für Anna könnte dies bedeuten, dass sie lernt, ihren oft überschießenden Ärger bei kleineren Frustrationserlebnissen – wenn sie zum Beispiel kurz auf einen ihrer Betreuer warten muss – selbst als unangemessen stark zu identifizieren und das Ärgergefühl z. B. durch eine bewusste Veränderung der Körperhaltung, der Mimik, oder auch der Atmung zu reduzieren. Im Modul „Zwischenmenschliche Fertigkeiten“ geht es darum, die oft mangelhaft ausgebildete Sozialkompetenz der Betroffenen zu steigern und z. B. Strategien zur Konfliktklärung zu erarbeiten. Das Selbstwert-Modul soll Patienten dabei helfen, einen etwas „faireren Blick“ auf sich selbst zu entwickeln und auch eigene Stärken und positive Seiten an sich selbst besser wahrnehmen zu können und dysfunktionale Annahmen über sich selbst zu überprüfen und anzupassen. Einen besonderen Stellenwert kommt in der Dialektisch-Behavioralen Therapie schließlich noch dem Konzept der Achtsamkeit zu. Durch eine sehr bewusst wahrnehmende und beschreibende Haltung, ohne jedoch das Wahrgenommene zu bewerten, kann einerseits langfristig eine Absenkung des Anspannungsniveaus erreicht werden, andererseits ermöglichen entsprechende Übungen auch eine differenziertere Selbstwahrnehmung und eine gewisse Distanzierung von starken Gefühlen. Häufig erleben sich Patienten von einem Gefühl geradezu überflutet, so dass neben dem Gefühl nichts anderes mehr Platz hat. Ziel der Achtsamkeitsübungen ist es von „Ich bin ein Gefühl“ zu „Ich habe ein Gefühl“ zu kommen. Neben der Vermittlung der verschiedenen Fertigkeiten, die im Regelfall in der „skills-Gruppe“ erfolgt, geht es in der Einzeltherapie darum, problematische Verhaltensweisen zu identifizieren, die gemeinsamen Ziele zu definieren, das eigene Verhalten immer besser verstehen zu können, alternative Handlungswege zu erarbeiten und die Patien-

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THERAPIEGRUNDLAGEN


THERAPIEGRUNDLAGEN

Akzeptanz Akzeptanz

Veränderung

Dialektisch-Behaviorale Therapie (DBT) – Die Wippe ten weiter zu motivieren. Das Vorgehen in der Therapie ist dabei stark hierarchisch gegliedert. So wird immer mit erster Priorität an der Verringerung suizidaler Tendenzen und selbstschädigender Verhaltensweisen gearbeitet, da die körperliche Unversehrtheit zunächst gewährleistet sein muss. Dann stehen alle Verhaltensweisen im Fokus, die eine Fortführung der Therapie gefährden, wie z. B. Versäumen von Therapiesitzungen oder Nichterledigung von therapeutischen Hausaufgaben. Damit soll die aus anderen Behandlungen bekannte hohe Rate an Therapieabbrüchen bei Patienten mit Borderline-Störungen vermieden werden – schließlich kann nur mit Patienten gearbeitet werden, die an der Therapie von sich aus freiwillig teilnehmen. Erst dann werden weitere Verhaltensweisen, die die Lebensqualität beeinträchtigen bearbeitet und im weiteren Verlauf die Verbesserung der Verhaltensfertigkeiten. Aufgrund der meist entwertenden Erfahrungen der Patienten in den Ursprungsfamilien und weiteren Lebenserfahrungen, ist die annehmende und verstehende Haltung des Therapeuten ein wesentlicher Faktor um den Patienten neue, korrigierende Erfahrungen zu vermitteln. So ist es für Anna beispielsweise eine wichtige Erfahrung, in ihrer Annahme, „sowieso irgendwann wieder raus geschmissen“ zu werden und sie sich daher zunächst auch kaum auf die Gruppe einlassen wollte, auf dem Hintergrund ihrer bisherigen negativen Erfahrung verstanden zu werden. Zentral ist nun für die DBT jedoch, dass sie im Sinne der Dialektik nicht bei diesem Verstehen stehen bleibt, sondern zugleich auch nach Wegen der Veränderung sucht. Symbolisch lässt sich dies am besten mit dem Bild der Wippe darstellen, mit den beiden Seiten „Akzeptanz“ und „Veränderung“. Ziel ist es, von dem Borderlinetypischen Schwarz-Weiß-Denken des „Entweder-oder“ zu einem „Sowohl-als-auch“ zu gelangen. Wichtige Bausteine für die Veränderung dysfunktionaler Verhaltensweisen sind dabei Selbstbeobachtungsbögen und sogenannte Verhaltensanalysen, die dabei helfen, das eigene Verhalten mit seinen Bedingungen und Folgen besser verstehen zu

lernen. Für Anna bedeutet dies zurzeit, dass sie anhand der Verhaltensanalysen versteht, wie sie aufgrund ihrer oft impulsiven und aufbrausenden Reaktionen für sie wichtige Beziehungen gefährdet und Ablehnung durch andere provoziert. Die detaillierte Bearbeitung und Analyse vieler solcher Situationen hilft ihr dabei, die Folgen ihres eigenen Handelns abschätzen zu lernen und die Motivation für eine Verhaltensänderung aufzubauen. Dieser Weg wird nicht leicht sein, Anna wird – wie alle Menschen, die an einer Borderline-Störung leiden – hart an der Überwindung ihrer Schwierigkeiten, an denen sie selbst nicht schuld ist, arbeiten müssen. Unsere Aufgabe als Therapeuten und Betreuer ist es, Anna auf diesem Weg immer wieder anzufeuern, zu motivieren, zu unterstützen – aber auch herauszufordern, neues zu erproben und sich auf das Wagnis einer Veränderung einzulassen.

Literatur: Bohus, M. (2002): Borderline-Störung. Göttinge, Hogrefe-Verlag Bohus, M., Wolf, M. (2009): Interaktives SkillsTraining für Borderline-Patienten. Stuttgart, Schattauer.

ÜBER DEN AUTOR Achim Sörgel, Dipl.-Psychologe und Psychologischer Psychotherapeut in Ausbildung. Leitet den Psychologischen Fachdienst im CJD in Altensteig.

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de'ignis aktuell Termine · Berichte · Neues aus den Einrichtungen

FACHKLINIK AKTUELL

Konzert von Judy Bailey und Band

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ür Donnerstag, 22. November 2012, um 19.30 Uhr laden wir zu einem Konzert mit Judy Bailey und Band in unsere Sporthalle in Egenhausen ein. Die Sängerin und Psychologin hat bereits 2004 bei der Eröffnungsfeier des Therapiehauses in Egenhausen unsere Gäste begeistert. Wir feiern, dass die gemeinnützige GmbH als Träger der Klinik vor 25 Jahren gegründet wurde. Der Gesellschaftsvertrag wurde am 21. Mai 1987 geschlossen. Bis zur Eröffnung der Klinik im Oktober 1989 gab es einiges zu tun und manche Schwierigkeit zu überstehen. Interessierte können darüber mehr in unserem Magazin 37/38 erfahren. Das Konzert soll ein Dankeschön für alle sein, die mit unserer Arbeit verbunden sind. Dazu gehören Ärzte, Psychologen, Sozialarbeiter, Pastoren

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und Seelsorger, die Hilfesuchenden unsere Klinik empfehlen, Mitarbeiter und Verantwortliche von Krankenund Rentenversicherungen, die ihren Versicherten eine Behandlung in unserer Klinik ermögliche, Lieferanten, Spender, die Bevölkerung und natürlich auch Sie, liebe Leserin/lieber Leser. Bei der Gelegenheit werden wir auch unseren jüngsten Arbeitszweig für Kinder und Jugendliche vorstellen. Zunächst beginnen wir mit ambulanter Beratung und Therapie, planen aber langfristig auch ein stationäres Angebot. Wir würden uns freuen, Sie zum Konzert in Egenhausen begrüßen zu dürfen.


DE’IGNIS AKTUELL

FACHKLINIK AKTUELL

Erweiterung der Klinik Egenhausen

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ür das nächste Jahr planen wir eine Erweiterung der Klinik Egenhausen, die dringend erforderlich ist, um die Existenz der Klinik langfristig zu sichern. Der Anbau an das Hauptgebäude und der Pavillon (siehe Pläne) sind mit hohen Investitionskosten verbunden. Für uns ist das eine sehr große Herausforderung. Wir hoffen deshalb, dass ein Teil der Kosten aus Spenden finanziert werden kann. Für jeden Beitrag sind wir dankbar. 2011 wurden in der de’ignis-Fachklinik insgesamt ca. 1.300 Menschen mit psychischen, psychosomatischen und psychovegetativen Erkrankungen auf christlicher Basis sowohl stationär als auch ambulant behandelt. Unser Ziel ist es, die Existenz dieses Angebots langfristig zu sichern. Nach umfassender Renovierung und Erweiterung der Klinik in Altensteig (2009), haben wir 2011 in unseren Standort in Egenhausen investiert (siehe auch Bericht im Magazin 41). Für das nächste Jahr planen wir nun einen weiteren wichtigen und sehr herausfordernden Schritt: die Erweiterung der Klinik in Egenhausen. Die Anforderungen von Patienten und Kostenträgern an eine Rehabilitationsklinik sind in den letzten Jahren deutlich gestiegen. Sowohl von Patienten als auch von Kostenträgern wird zunehmend ein gehobener Hotelstandard erwartet. Gesetzgeber und

Kostenträger fordern außerdem, dass öffentliche Einrichtungen behindertengerecht sind. Die Strukturanforderungen der Kostenträger wurden in den letzten Jahren dahingehend sukzessive erhöht. Sie fordern unter anderem Barrierefreiheit, mehr Einzelzimmer und mehr Aufenthaltsmöglichkeiten für die Patienten. Um diese Anforderungen zu erfüllen, ist die Erweiterung der Klinik dringend erforderlich: Ein Aufzug soll an das bestehende Gebäude angebaut werden, um die Klinik barrierefrei/behindertengerecht zu machen. Ohne einen Anbau ist der Einbau eines Aufzugs aufgrund der baulichen Gegebenheiten nicht realisierbar. Finanzierbar sind die erforderlichen Investitionen nur mit der Schaffung zusätzlicher Behandlungskapazität. Die geplante Klinikerweiterung umfasst deshalb 11 Einzelzimmer. Für die zusätzlichen Patienten werden Funktions- und Gruppenräume sowie Aufenthaltsräume benötigt und realisiert. Da in Egenhausen unsere Hauptküche ist und wir durch Erweiterungsmaßnahmen in den vergangenen Jahren in der Klinik Altensteig und der Tagesklinik die Kapazitätsgrenze unserer Küche erreicht bzw. überschritten haben, ist es dringend notwendig, die Küche zu erweitern, um die Abläufe zu verbessern und zu

professionalisieren. Mit einem neuen Blockheizkraftwerk, das mit regenerativen Energiequellen betrieben werden soll, sollen der Anbau und auch Teile des Altbaus geheizt und mit Strom versorgt werden. Damit wollen wir den ständig steigenden Energiekosten entgegenwirken. In der Planungsphase haben wir bereits Gottes Wirken erleben dürfen. Besonders zu erwähnen ist z. B. die Tatsache, dass wir die Baugenehmigung erhalten haben, obwohl ein Nebengebäude (der Pavillon) auf einem unter Naturschutz stehenden Grundstück gebaut werden soll. Auch wenn es sich dabei nur um ein Randstück zwischen zwei Straßen handelt, waren intensive Verhandlungen erforderlich, die Gott sei Dank erfolgreich waren. Dabei ist auch zu erwähnen, dass der Bürgermeister von Egenhausen und die Gemeinderäte dieses Vorhaben sehr unterstützten. Durch sowieso geplante Straßenbauarbeiten des Landkreises in diesem Jahr war es möglich, die Straße vor der Klinik um wenige Meter zu verlegen und der Gemeinde Egenhausen etwas Land abzukaufen, auf dem dann der Anbau errichtet werden soll. Die Straßenbauarbeiten konnten wir dazu nutzen, bereits Leerrohre zu verlegen, die wir später für die Versorgung des Nebengebäudes benötigen. 51


FACHKLINIK AKTUELL

Ansprechpartner

Hinten von links nach rechts: Monja Gerstheimer, Margarete von Hippel, Friederike Fräßle, Marko Jüttner, Tim Ließfeld Vorne von links nach rechts: Corinna Weissert, Dorothea Bohnet, Ruth Oberbillig, Jens Rödel.

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iele Interessenten an der Arbeit der de’ignis-Fachklinik nutzen heute das Internet. Auf unserer Homepage unter www.deignis.de finden Sie jederzeit viele Informationen über uns, eine Behandlung in unserer Klinik und auch darüber, wie man eine Übernahme der Behandlungskosten

bei der zuständigen Krankenkasse oder Rentenversicherung beantragen kann. Dort steht Ihnen auch unser Informationsmaterial zum Herunterladen bereit. Manches ist aber nur im Gespräch zu klären. Dafür stehen Ihnen unsere Verwaltungsmitarbeiter unter der

Teilnahme QS -Reha

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ie de’ignis-Fachklinik nimmt in diesem Jahr (nach 2003/2004 und 2007/2008) bereits zum dritten Mal an QS-Reha, dem Qualitätssicherungsverfahren der Spitzenverbände der Krankenkassen, teil. Rehabilitationskliniken sind gesetzlich zur Teilnahme an einrichtungsübergreifenden Maßnahmen der Qua52

litätssicherung verpflichtet. Das QS-Reha-Verfahren beinhaltet eine externe, klinikvergleichende Prüfung der Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität einschließlich der Patientenzufriedenheit. Weitere Informationen werden wir nach Abschluss der Studie veröffentlichen.

Rufnummer 07453 9391- 0 Montag bis Freitag zwischen 8.30 Uhr und 12.30 Uhr und von 13.30 Uhr bis 17.00 Uhr zur Verfügung. Damit Sie wissen, mit wem Sie es zu tun haben, stellen wir Ihnen unser VerwaltungsTeam hier kurz vor.


DE’IGNIS AKTUELL

INSTITUT AKTUELL

Wissenswertes über das Kinder- und Jugendkonzept des de'ignis-Instituts

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n einer Broschüre haben wir die Ziele und die Basis unserer Arbeit sowie unser derzeitiges und geplantes Angebot dargestellt. Die Broschüre können Sie im Downloadbereich unserer Homepage

herunterladen: www.deignis.de/148-0-Downloads.html Oder einfach bei uns anfordern: de’ignis-Institut, Markgrafenweg 17, 72213 Altensteig, Tel. 07453 9494-0, E-Mail: info@deignis.de

Fortbildung in Christlich-integrativer Beratung & Therapie Christlich-integrative Beratung & Therapie – was ist das? In dem Konzept der Christlich-integrativen Beratung & Therapie wenden wir wissenschaftlich anerkanntes klinisch-psychotherapeutisches Fachwissen und fachlich bewährtes Beratungswissen auf der Basis eines christlichen Menschenbildes an.

Start unseres neuen Kurses im Herbst 2013

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Unser Kurs richtet sich an Menschen, die allgemein eine Berufsbegleitende Ausbildung in Christlich-integrativer Beratung & Therapie suchen.

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Unser Lehrgang ist konzipiert für Fachleute mit Vorkenntnissen in psychologischer/psychotherapeutischer Beratung. Diese wollen wir für ihre berufliche Beratungspraxis weiterqualifizieren in ressourcenorientierter Beratung, besonders von Klienten mit christlich-religiöser Wertorientierung.

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Auch für Laien mit solider praktischer Erfahrung und Schulung in der Beratung von Menschen mit psychischen und anderen Problemen ist dieser Kurs geeignet.

In unserer berufsbegleitenden Fortbildung lernen Sie darum, Menschen mit tiefgreifenden seelischen Problemen oder Störungen auf der Basis einer an der neutestamentlichen Theologie orientierten „Therapeutischen Anthropologie“ qualifiziert zu beraten. Dabei werden Ihnen sowohl biblische Wahrheiten und Heilungswege als auch die wissenschaftliche, klinisch-psychotherapeutische Fachkenntnis sowie anerkannte Beratungskonzepte vermittelt. Methoden, die mit dem biblischen Menschenbild nicht vereinbar sind, werden dabei nicht berücksichtigt. de’ignis-Institut gGmbH für Psychotherapie und christlichen Glauben Dipl. Psych. Rainer Oberbillig Markgrafenweg 17 · 72213 Altensteig Telefon 07453 9494-0 oder 07453 9391-0 · institut@deignis.de

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de'ignisWohnheim – Haus Tabor

Erfahrungsbericht über den de'ignis -Seelsorgekurs

Kann ja nicht schaden Immer öfter haben Freundinnen bei ganz alltäglichen Begegnungen ihr Herz bei mir ausgeschüttet und immer öfter wusste ich keine Antwort mehr, mit der ich selbst zufrieden war. Als ich dann von der de’ignisSeelsorgeschulung hörte, beschloss ich diese mal mitzumachen. Kann ja nicht schaden. Das ist jetzt neun Jahre her. Seit dem hat sich Vieles in meinem Leben verändert. In dieser

Schulung habe ich so manches gehört und erlebt, was für mich selbst sehr hilfreich und gut war. Gleichzeitig wurde meine Berufung zur Seelsorge für mich immer deutlicher. Danach konnte ich anfangs viel Erfahrung bei verschiedenen Seminaren und später auch bei Gesprächen bei mir zuhause sammeln. Zusätzlich habe ich in diesen Jahren noch andere Begabungen in mir entdeckt und hatte die Möglichkeit, diese zu vertiefen und auch in den Seminaren und bei der Seelsorgeschulung mit einzubringen und zu leben. So ist aus dem anfänglichen „kann ja nicht schaden“ für mich selbst – und auch für andere – sehr viel Segensreiches entstanden. Verfasserin der Redaktion bekannt, Oktober 2012

Schulung für Seelsorge in Langenhart

Gottes Mühlen mahlen ... Seit einigen Jahre arbeite ich in verschiedenen Seelsorgeseminaren von de’ignis als Techniker mit und bin unter Anderem für Bild und Ton mitverantwortlich. Schon einige Male wurde ich von Verschiedenen angesprochen, ob ich nicht auch an der Seelsorgeschulung teilnehmen und bei der eigentlichen Seelsorge mitarbeiten wollte. Das habe ich mir aber nicht zugetraut, weil ich dachte, dafür sei ich nicht geeignet und meine Berufung nicht in die Richtung gehen würde. Aber Gottes Mühlen mahlen... und seine Gedanken sind wohl manchmal anders als unsere: Und so war ich wieder als Techniker während einer Seelsorgeveranstaltung tätig, als ein Ehepaar nach einer Paarberatung fragte. Und „es ergab sich“, dass meine Frau, die schon lange als Seelsorgerin arbeitet, und ich gefragt wurden, ob wir das Gespräch nicht gemeinsam führen wollten.

Seelsorge mit allen Sinnen erleben in Langenhart oder auf der Nordalb

07. – 08.12.2012

Umgang mit Leid

Gott gibt mir Wert und Würde Ein Seminar für Frauen 11. – 13. Januar 2013 und 14. – 16. Juni 2013

Einstieg Eingeladen sind Christen, jederzeit die einen inneren Ruf zur Seelsorge verspüren. Intermöglich! essierte sind ebenfalls eingeladen. Gerade in unserer Zeit suchen immer mehr Menschen mit psychischen Problemen in christlichen Gemeinden Hilfe. Veranstaltungsort: Heu-Hotel Brigel-Hof, Meßkirch-Langenhart mit dem Angebot von Seminarräumen, freundlichen Zimmern, Heu-Hotel und Verpflegung vom eigenen Hof. de’ignis-Wohnheim gGmbH – Haus Tabor zur außerklinischen psychiatrischen Betreuung Tel.: 07575 92507-0 oder 07570 951967; E-Mail: seelsorgekurs@deignis.de 54

Der Titel spricht für sich! Ein sehr wichtiges, aktuelles und immer wiederkehrendes Thema. Durch ressourcenorientierte Seelsorge werden die Teilnehmerinnen gestärkt und ermutigt. Seminarleitung: Dagmar Göhring und Alexandra Pfeifer mit Team

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DE’IGNIS AKTUELL

Und so kam es, dass meine Frau und ich als Ehepaar unser erstes Paargespräch führten. Und das Erstaunliche für mich: Obwohl es um tiefgreifende, existenzielle Dinge ging, war das Gespräch für uns „leicht“, wir beide haben uns gegenseitig „die Bälle“ zugeworfen und wir konnten dem ratsuchenden Paar zuhören, auf Impulse von oben warten und ihnen Hilfe zur Selbsthilfe anbieten. In der Nachreflexion fühlten wir uns beide als die Beschenkten. Für mich war dieser „Sprung ins kalte Wasser“ eine Bestätigung und Vergewisserung, dass es sich lohnt, meine Berufung in Richtung Seelsorge nochmals anzuschauen. Somit war dann die Anmeldung zur Seelsorgeschulung eine logische Konsequenz aus dieser grundlegenden Erfahrung. Nun bin ich gespannt darauf, was sich aus dem Seelsorgekurs für mich persönlich und eventuell für weitere seelsorgerliche Aufgaben ergibt. Ich bin sicher: Gottes Mühlen mahlen zielorientiert und erfolgreich. Dieter Burau, Oktober 2012 Die Seelsorgeschulung – eine persönliche Oase und Sprungbrett für mich Seit Februar 2011 bin ich nun Teilnehmerin der de’ignis-Seelsorgeschulung in Langenhart. Auf die Schulung bin ich zufällig bei Internetrecherchen zu ganz anderen Themen gestoßen. Da mein Herz schon seit längerer Zeit für Seelsorge schlug, fiel mir die Entscheidung für die Teilnahme sehr leicht. In meinem Eifer meldete ich mich auch gleich für alle zehn Kurseinheiten an. Nur kurze Zeit zuvor hatte ich mich auf eine spannende Reise zum Vaterherzen Gottes begeben, da ich zuvor in einem eher religiös-gesetzlichen Gottesbild lebte, welches mich immer wieder an meine Grenzen führte. Die Seelsorge-Schulung wollte ich mit der Absicht besuchen, meine

Fähigkeiten im Bereich Seelsorge weiterzuentwickeln um damit Gott und anderen Menschen dienen zu können. Für mich hatten beide Punkte zunächst wenig miteinander zu tun. Doch schon bei Seminar 1 wurde ich eines Besseren belehrt. Ich hatte keine konkreten Vorstellungen, was mich in dieser Schulung erwarten würde, aber mit einer lebendigen Predigt über das Thema Gnade von Winfried Hahn als Einstieg hatte ich sicherlich nicht gerechnet. Seine Worte haben mich tief berührt und ich fand Bestätigung in grundlegenden Wahrheiten, die ich kurze Zeit zuvor erstmalig vernommen hatte. Und dieses Erlebnis war keinesfalls die einzige Begegnung, die ich mit Gott in dieser Schulung hatte. In diesen anderthalb Jahren habe ich persönlich schon sehr viel innere Heilung erlebt. Mein neues Gottesbild hat sich in dieser Zeit immer weiter gefestigt und bringt inzwischen auch immer mehr Frucht. Nach den Seminaren bin ich immer gestärkt und ermutigt nach Hause gekommen, was natürlich auch meinem Ehemann nicht entgangen ist. So wollte auch er sich ein eigenes Bild über den Kurs machen und besuchte ihn inzwischen sogar schon zum dritten Mal. Die Wochenenden empfinde ich in der Tat als eine Oase aus dem Alltag. Auch die Zeit zwischen den Seminaren wurde für mich sehr wichtig um das Gehörte und Gelernte richtig aufnehmen und umsetzen zu können. Besonders gut gefällt mir, dass die Themen anhand von vielen authentischen Beispielen lebendig erzählt werden und sich die Zuhörer deshalb sehr gut darauf einlassen können. Trotzdem oder gerade deshalb können sehr viele hilfreiche und wertvolle Informationen weitergegeben werden. Viele dieser Informationen können die Zuhörer direkt in ihren persönlichen Lebenssituationen umsetzen. Aber auch für die Arbeit mit Menschen, die sich in seelischen

Nöten befinden, gibt es viele hilfreiche Tipps, die praktisch gut umsetzbar sind. Das ganze Seminar ist sehr gut vorbereitet und die Themen ansprechend gewählt. Ich erlebe viele warmherzige, ermutigende und wertschätzende Begegnungen an diesen Wochenenden (unter anderem auch in den Kleingruppen). Viele Teilnehmer und Mitarbeiter habe ich inzwischen sehr in mein Herz geschlossen, denn trotz des umfangreichen Programms gibt es beispielsweise in den Pausen viele Möglichkeiten für einen guten Austausch. Und auch die Anbetungszeiten sind für mich eine besondere Begegnung mit Gott. Durch Kontakte, die ich während des Kurses mit den Mitarbeitern knüpfen konnte, war die SeelsorgeSchulung für mich auch ein Sprungbrett – zunächst in ehrenamtliche Mitarbeit und mittlerweile sogar in ein Praktikum, das ich im November im de‘ignis-Wohnheim – Haus Tabor beginnen werde und auf das ich mich sehr freue. Sicherlich werde ich auch das eine oder andere Gelernte aus der Schulung in meinem Arbeitsalltag umsetzen können. Die nächsten Seminare werde ich teilweise als Teilnehmerin, teilweise als Mitarbeiterin besuchen. Ich freue mich auf jedes einzelne Seminar. Anita Holweger, Oktober 2012 Die Persönlichkeit des Seelsorgers – Seminar 9 in Langenhart Vor nicht allzu langer Zeit habe ich meinen ersten Seelsorgekurs bei de’ignis besucht, aus Neugierde, weil meine Frau schon seit geraumer Zeit an den Kursen teilnimmt. Mittlerweile bin ich bereits das dritte Mal dabei. Das hat seinen Grund: Für mich ist dies hier eine Zeit, in der man so richtig geistliche Kraft tanken und vom Alltag abschalten kann, in der man Annahme erlebt und dazu 55


de'ignisWohnheim – Haus Tabor stoßen kann, so wie man ist. So habe ich dies auch im dritten Kurs wahrgenommen, der hauptsächlich die eigene Persönlichkeit zum Thema hatte. Ich erhielt einen tiefen Einblick in mich selbst, bei dem ich schon das eine oder andere Mal schlucken musste – Ehrlichkeit tut weh, aber ist heilsam, wenn die Dinge, die in einem nicht stimmen, erst mal aufgedeckt sind. Die einzelnen Einheiten wurden immer wieder mit erfrischendem Lobpreis eingeleitet. Bei der Gruppenarbeit durfte (und wollte) ich den

Part des Ratsuchenden übernehmen. Hier galt es, Mut aufzubringen, Hemmungen abzulegen und mitzuteilen, was einem auf dem Herzen liegt. Aber auch hier erfährt man stets Annahme und wird ernstgenommen. Die Kurse sind für mich Balsam für die Seele und bieten die Möglichkeit, tief mit Gott in Kontakt zu kommen und wunderbare Menschen zu erleben. Ich bin gespannt auf den nächsten Kurs. Hans-Martin Holweger, Oktober 2012

Schulung für Seelsorge 10-teilige Seminarreihe in Langenhart Biblische Perspektiven für seelsorgerliches Handeln, Definition psychischer Erkrankungen, Transaktionsanalyse

SEMINAR 6:

Methodische, inhaltliche und juristische Rahmenbedingungen seelsorgerlicher Gesprächsführung

SEMINAR 7:

Psychopathologie – Psychische Krankheitsbilder einordnen und verstehen lernen

SEMINAR 8:

Darstellung der gängigen Therapieschulen und ihrer Behandlungsverfahren

SEMINAR 9:

13./14.09.2013

SEMINAR 5:

Jugendseelsorge – Freundschaft, Liebe, Sexualität

SEMINAR 10: Umgang mit Leid, Theodizee-Problematik, Posttraumatische

SEMINAR 1: 08./09.03.2013

SEMINAR 2: 19./20.04.2013

SEMINAR 3: 21./22.06.2013

SEMINAR 4:

22./23.11.2013

24./25.01.2014 21./22.03.2014 04./05.07.2014 19./20.09.2014 28./29.11.2014

Biblische Anthropologie, Therapie des Herzens, Hören auf Gott Innere Heilung durch Klärung der Beziehung zu Gott, zum Du und zum Ich in Vergangenheit und Gegenwart Identitätsentwicklung und -störungen, Sucht, Borderline-Persönlichkeitsstörung Die Persönlichkeit des Seelsorgers, Fähigkeit zur Selbstreflexion, Selbstkritik und Introspektion Belastungsstörung

Schulung für Seelsorge Zur Begleitung von Menschen mit Lebenskrisen, psychischen Problemen und Krankheiten. Unsere Botschaft von Gnade und Liebe, gepaart mit Glaube und Hoffnung, fundiert mit solidem Fachwissen und dem Ziel einer prozesshaften Entwicklung ist das Fundament aller Seminarinhalte. Diese Seelsorgeschulung umfasst insgesamt 10 Seminare. Eingeladen sind Christen, die einen inneren Ruf zur Seelsorge verspüren, aber auch solche, die sich einfach nur für seelsorgerliche Fragen interessieren. Die Schulung soll zur qualifizierten Begleitung von Menschen mit seelischen Nöten befähigen. Darüber hinaus vermittelt der Kurs Einsichten in die verschiedenen Entwicklungsphasen des menschlichen Lebens und bietet damit die Möglichkeit, sich selbst besser verstehen und kennen zu lernen. Der Kurseinstieg ist jederzeit möglich, weil die verschiedenen Lehreinheiten regelmäßig in weiteren Zyklen in Süddeutschland wiederholt werden.

de’ignis-Wohnheim gGmbH – Haus Tabor zur außerklinischen psychiatrischen Betreuung Tel.: 07575 92507-0 oder 07570 951967; E-Mail: seelsorgekurs@deignis.de 56

Veranstaltungsort: Heu-Hotel Brigel-Hof, MeßkirchLangenhart mit dem Angebot von Seminarräumen, freundlichen Zimmern, Heu-Hotel und Verpflegung vom eigenen Hof.

www.deignis.de


DE’IGNIS AKTUELL

de'ignis-Wohnheim Volle Belegung, neue Bewohner, motivierte Mitarbeiter

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ehr und mehr entfaltet sich das neue Konzept des de’ignis Wohnheims und nimmt Gestalt an. Regelmäßig findet die Gymnastik im neuen und schön gestalteten Mehrzweckraum statt. Das Wohntraining in seinen verschiedenen Ausprägungen (siehe Skizze unten) entfaltet sich unter fachkundiger Anleitung unse-

rer Mitarbeiterin Katrin Leinenbach. Die gesamte Baufinanzierung – Zins und Tilgung – bestreiten wir über Spenden. Das ist de’ignis-Wohnheim nach wie vor Kto. 105 338 · BLZ 690 516 20 eine große Sparkasse Pfullendorf-Messkirch Herausforderung.

Stationärer Bereich

Wohntrainingsstufe I

Wohntrainingsstufe II

Wohntrainingsstufe III

Pädagogische Arbeitstrainingsmaßnahme

Einüben lebenspraktischer Fertigkeiten im vollstationären Setting

Festigung der lebenspraktischen Fertigkeiten

Ausübung der lebenspraktischen Fertigkeiten

Ausgelagerte Wohngruppe

Ausgelagerte Wohngruppe

Pädagogisch/therapeutische Angebote

Intensivbetreuung durch eine DiplomSozialarbeiterin

Freizeitpädagogische Angebote Medizinische Betreuung Sozialdienst

Zusätzliche wohnstufenspezifische Gruppenangebote in verschiedenen Bereichen, z. B. Arbeit, Bildung, Kultur

Kooperation mit der Werkstatt für behinderte Menschen Notaufnahme und Clearing-Bett

Betreuung rund um die Uhr

Betreutes Wohnen auf Probe

Zusätzliche wohnstufenspezifische Gruppenangebote (siehe Wohntrainingsstufe I)

Erste Übungsmaßnahmen zur Teilnahme am öffentlichen Leben, z. B. VHS Kurse

Geringerer Betreuungsschlüssel Teilnahme am öffentlichen Leben, z. B. Berufspraktika

Rückführung in den Herkunftslandkreis

+++ Telegramm +++ Telegramm +++ Telegramm Christliche Stiftung de'ignis-Polen + Halbzeit bei unserem Seelsorgekurs in Warschau. Mit Seminar 5 haben wir die Hälfte des Seelsorgekurses mit anhaltend hoher Teilnehmerzahl überschritten! + Ständig entwickeln wir unser Seelsorgenetzwerk weiter, derzeit arbeiten 7 Seelsorgeberatungsstellen im Land unter unserer Supervision. + Unsere polnische Zeitschrift „unter 4 Augen“ ist im offiziellen Zeitschriften- und Buchhandel im ganzen Land präsent. + Die Kooperation über den wissen-

schaftlichen Beirat unserer Zeitschrift mit der größten christlichen Ärzte- und Psychologenvereinigung vertieft sich auf erfreuliche Weise. Ein Austausch über fachliche und theologische Fragen mit Professor Dr. Jaworski und Dr. Tomasz Niemirowski – beides sehr einflussreiche Wissenschaftler und Publizisten – mit dem Vorsitzenden der Christlichen Stiftung de’ignis Winfried Hahn ergab weitestgehende Übereinstimmung mit der beiderseitigen Bereitschaft

POLEN AKTUELL

größtmöglicher Zusammenarbeit! Ein gemeinsam veranstalteter Kongress ist in Planung. + Die Vorbereitungen für unser RehaZentrum laufen in vollem Umfang weiter. Spendenkonto: Christliche Stiftung de’ignis-Polen Konto 7 260 512 BLZ 666 500 85 Sparkasse Pforzheim

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ADRESSEN

Ambulante Therapie und Beratungsstellen (de’ignis) de’ignis-Gesundheitszentrum Sommerstraße 1 72227 Egenhausen Telefon 07453 9391-0 info@deignis.de de’ignis-Wohnheim Fred-Hahn-Straße 32 72514 Engelswies Telefon 07575 92507-0 wohnheim@deignis.de de’ignis-Institut Beratungsstelle Lerchenstraße 40 72213 Altensteig Telefon 07453 9494-310 institut@deignis.de

Gillian Flügel Beratungsstelle Am Bauschbergle 45 72108 Rottenburg Telefon 07472 7833 gillfluegel@hotmail.de Magdalena Schnabel Beratungsstelle Max-Liebermann-Straße 9 73257 Köngen/N. Telefon 07024 8689169 info@jahwe-rapha.de Dorothea Reuther Beratungsstelle Dillweißensteiner Straße 9 75180 Pforzheim Telefon 07231 784088-0 dorothea.reuther@gmx.net

Dagmar Göhring Ulmenweg 22 88605 Meßkirch-Langenhart Telefon 07570 951967 dabegoe@t-online.de

Dr. med. Martina Dickhaut Beratungsstelle Flamweg 89 25335 Elmshorn Telefon 0175 6552413 martinadickhaut@gmx.de

Erika Gasper Beratungsstelle Alte Jakobstraße 75 10179 Berlin Telefon 030 27591782 erika.gesper@freenet.de Katrin Lehmann & Annette Kuhn Beratungsstelle Großenhainer Straße 137 01129 Dresden Telefon 0351-84387-77 kathrin.lehmann@deignis-dresden.de

Kompetenz. Und Gottvertrauen. Durchatmen, wenn die Luft raus ist. Effektive Präventionsangebote. Gesundheit ist ein hohes Gut, das es zu schützen gilt. Alle Maßnahmen, die dazu dienen, Gesundheit zu erhalten und Krankheiten zu vermeiden, werden unter dem Oberbegriff „Gesundheitliche Prävention“ zusammengefasst. Dabei ist viel Eigeninitiative gefordert, denn jeder kann die eigene seelische und körperliche Gesundheit stark beeinflussen. Eine praktische Anleitung, wie Körper und Seele gesund gehalten werden können, bieten unsere individuell gestaltbaren Gesundheitswochen und unser Kompaktkurs zur Stressbewältigung und -prävention.

de’ignis-Fachklinik gGmbH auf christlicher Basis für Psychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatik Walddorfer Straße 23 · 72227 Egenhausen Telefon 07453 9391-0 Telefax 07453 9391-193 info@deignis.de

www.deignis.de

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scottdunlap/istockphoto.com

Detaillierte Informationen zu den Leistungen, Kosten und Terminen der de’ignis-Präventions-Angebote senden wir Ihnen gerne zu.


Berge, Bodensee und Donautal – Arbeiten wo andere Urlaub machen Zur Erweiterung unseres Teams suchen wir: • Sozialpädagoge/-in • Heilerziehungspfleger/-in • Krankenpfleger/-in • Praktikanten/-innen de’ignis-Wohnheim gGmbH – Haus Tabor zur außerklinischen psychiatrischen Betreuung Fred-Hahn-Straße 30-32 · 72514 Engelswies · Tel. 07575 92507-0 · wohnheim@deignis.de

www.deignis.de

Möchte ich das de'ignis-Magazin weiterhin? Bitte bestellen Sie das de’ignis-Magazin ab, wenn Sie es nicht mehr lesen oder sich nicht mehr dafür interessieren! Wir gestalten, drucken und versenden das Magazin kostenlos! Wenn es nicht mehr benötigt wird, einfach Postkarte ausfüllen, ausschneiden und diese in den Briefkasten werfen. Dann können wir unseren Verteiler aktualisieren. Vielen Dank, Sie helfen uns damit sehr! Gerne senden wir Ihnen auch mehrere Exemplare zum Verteilen an Interessenten oder zum Auslegen, wie z. B. in Arztpraxen oder Kirchengemeinden. Natürlich geht das auch ganz einfach per E-Mail an: info@deignis.de

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Absender:

Bitte frankieren, falls Marke zur Hand

Name, Vorname

Straße, Haus-Nr.

PLZ, Ort

Telefon

E-Mail

Ja, ich möchte das de’ignis-Magazin abbestellen. Ich benötige

Exemplare pro Ausgabe.

de’ignis-Institut gGmbH Markgrafenweg 17 72213 Altensteig

Bitte ankreuzen und ausfüllen. Vielen Dank! 59


Bei Unzustellbarkeit oder Mängeln in der Anschrift senden Sie bitte eine Benachrichtigungskarte an diese Adresse: de’ignis-Institut gGmbH Markgrafenweg 17 · 72213 Altensteig

Kompetenz. Und Gottvertrauen.

de'ignis-Fachklinik auf christlicher Basis für Psychiatrie – Psychotherapie – Psychosomatik • stationäre medizinische Vorsorge- und Rehabilitationsmaßnahmen • ambulante/teilstationäre Rehabilitation • Anschlussrehabilitation • Sanatoriumsbehandlungen • ambulante Behandlungen • Nachsorge IRENA/ASP • Angebote zur gesundheitlichen Prävention/Vorsorge • Assessment-Center

de'ignis-Wohnheim – Haus Tabor Sozialtherapeutisches Wohnheim nach biblischen Grundsätzen mit Einzel- und Gruppenangeboten: • Gesprächstherapie • Sozialtraining • Seelsorgeschulung • Arbeitstraining (z. B. im eigenen Verlag) • Freizeitpädagogik und individuelle Betreuung

de'ignis-Institut für Psychotherapie und christlichen Glauben • Fortbildung in Christlich-integrativer Beratung & Therapie • Vernetzung von Fachleuten • Ambulante Dienste: – Supervision – Beratungsstellen für ambulante Beratung und Therapie – Sozialpädagogische Kinder- und Jugendambulanz – Weitere Angebote zur Prävention und Rehabilitation

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Christliche Stiftung de'ignis-Polen • Schulung • Freizeit • Ambulante und stationäre Therapie (in Planung)


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