UT 1 Critical Incidents

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Umsetzungstipp

Critical Incidents

Herausfordernde Praxissituationen als Prüfstein

In unserem Vademecum «ÜberPrüfen» haben wir die Herausforderungen kompetenzorientierter Prüfungen vorgestellt und ein Spektrum verschiedener Prüfungsformen aufgezeigt, welches das Überprüfen von Handlungskompetenzen möglich macht.

Die Umsetzungstipps knüpfen an das Vademecum an, vertiefen jeweils eine darin aufgeführte Prüfungsmethode oder stellen eine neue Methode vor. Fokus der Umsetzungstipps –sie tragen ihn bereits im Namen – ist die Umsetzung. Während im Vademecum vor allem das WAS ins Zentrum gestellt wurde, so geht es in den Umsetzungstipps nun um das WIE bei den zentralen Prüfungsmethoden.

Wir hoffen, Ihnen mit den Umsetzungstipps wertvolle, praxisnahe und vor allem hilfreiche Impulse für die Umsetzung der Prüfungsmethoden in der «Prüfungsrealität» geben zu können.

einführung

Ein Critical Incident (CI) beschreibt eine praxisnahe und schwierige Arbeitssituation, in der es in besonderem Mass darauf ankommt, dass der/die Kandidat/in kompetent handelt. Mit dieser Methode wird überprüft, ob die Kandidat/ innen schwierige, problemhafte Situationen – allenfalls unter Zeitdruck – situationsgerecht bewältigen können.

Als Ausgangspunkt der Prüfung wird die problemhafte Arbeitssituation in wenigen Sätzen beschrieben. Sie hat einen hohen Aufforderungsgehalt, d.h. sie erfordert aktives, konkretes Handeln der Berufsleute. Kandidat/innen beschreiben mündlich oder allenfalls schriftlich, wie sie in der entsprechenden Situation handeln, d.h. welche Massnahmen sie in welcher Reihenfolge ergreifen. Starke Kandidat/innen bewältigen die beschriebene Situation erfolgreich. Ihr Vorgehen ist strukturiert, effizient und ökonomisch. Bei schwachen Kandidat/innen ist die Wahrscheinlichkeit gross, dass sie scheitern. Ihr Vorgehen ist eher unstrukturiert, ineffizient, unökonomisch sowie verbesserungswürdig.

theoretischer

Die Methode der Critical Incidents wurde in den 40er-Jahren von John C. Flanagan im Kontext der amerikanischen Luftwaffenforschung entwickelt. Sie wird hauptsächlich in Selektionsprozessen eingesetzt, findet aber immer auch wieder Beachtung im Rahmen von Ausbildungen und Prüfungen.

Folgende Literatur ermöglicht einen theoretischen Einblick in die Prüfungsmethode:

Psychological Bulletin (1954): Flanagan, John C: The Critical Incident Technique (Artikel)

Göbel, Kerstin (2003): Critical Incidents – aus schwierigen Situationen lernen (Artikel)

Die beiden aufgeführten Artikel sind auf unserer Homepage www.ectaveo.ch aufgeschaltet.

anforderungen an die prüfungsform

Der Erfolg dieser Prüfungsmethode hängt entscheidend von der Konstruktion der Fälle ab. Es ist unbedingt darauf zu achten, dass die beschriebene Arbeitssituation folgenden Merkmalen entspricht:

> Bedeutsam und prägnant

> Bildet die Praxis gut ab

> Bildet wesentliche Situationen im gesamten Praxisfeld ab

> Beinhaltet kritische Vorkommnisse

> Beinhaltet eine Aufforderung zum Handeln

> Lässt eine Aussage über die Kompetenz der Person bzw. über zukünftiges Verhalten zu

> Ermöglicht eine Unterscheidung zwischen starken und schwachen Berufspersonen

tipps für die entwicklung der prüfungsaufgaben

Bevor Critical Incidents konstruiert werden, muss festgelegt werden, welche Kompetenzen mit der Methode geprüft werden sollen (z.B. Führungskompetenzen, unternehmerisches Handeln, Dienstleistungsbereitschaft etc.). Die Arbeitssituationen müssen so gewählt werden, dass diese Kompetenzen beobachtbar sind.

Folgende Punkte sind bei der Entwicklung der Aufgabenstellungen zu beachten:

Beschreibung einer geeigneten Arbeitssituation

> Sie beschreibt eine schwierige Situation, die eine Handlung erfordert. Die Situation ist anspruchsvoll, und das Handeln des Kandidaten/der Kandidatin ist erfolgskritisch.

> Sie ist realistisch und tritt in der Praxis des Kandidaten/der Kandidatin typischerweise auf.

> Sie ist nicht zu komplex und beschränkt sich auf ein oder zwei kritische Punkte.

> Sie ist so formuliert, dass sich der/die Kandidat/in leicht in die Situation hineinversetzen kann. Deshalb soll die Schilderung klar abgrenzbar und verhaltensnah sein und keine vagen Umschreibungen enthalten.

> Die Rolle, welche der/die Kandidat/in in der beschriebenen Arbeitssituation einnimmt, ist klar definiert. Das rollengerechte Handeln ist zentral. Am besten nennt man die Rolle zu Beginn des CI («Sie sind Teamleiter einer Abteilung …»).

tipps für die entwicklung der prüfungsaufgaben

Formulierung einer geeigneten Fragestellung

Im Anschluss an die Schilderung der Arbeitssituation wird die Aufforderung aktiv formuliert, z.B.

> «Was unternehmen Sie?»

> «Welche Massnahmen ergreifen Sie?»

> «Nennen Sie die ersten 4 Massnahmen, die Sie ergreifen, und begründen Sie diese. Achten Sie auf eine logische Reihenfolge der Massnahmen.»

Mit einem CI will man überprüfen, wie Kandidat/innen handeln. Sie beschreiben, welche Massnahmen sie ergreifen und in welcher Reihenfolge sie dies tun. Es geht also nicht darum, dass möglichst viele Punkte genannt werden, sondern dass die Kandidat/innen strukturiert und logisch vorgehen.

Beachten Sie folgende formalen Hinweise

> Die Beschreibung der Arbeitssituation umfasst zirka 5 bis 10 Sätze.

> Sprachlich ist die Schilderung klar und eindeutig (keine Schachtelsätze).

> Die Situation enthält nur relevante Informationen.

> Der Critical Incident enthält eine Fragestellung.

> Den Kandidat/innen stehen mindestens 5 Minuten für die Antwort zur Verfügung.

> Es wird eine Musterlösung formuliert.

> Es wird ein Beobachtungsbogen zuhanden der Prüfungsexpert/innen erstellt, anhand dessen die Leistung in der Prüfung bewertet werden kann.

Folgendes Beispiel zeigt eine mögliche Umsetzungsvariante im Rahmen einer mündlichen Prüfung auf:

Idealerweise werden die Critical Incidents auf Karteikarten gedruckt. Auf den Karteikarten stehen neben der Ausgangssituation die konkrete Aufgabenstellung sowie die zur Beantwortung vorgesehene Zeit. Alle Karteikarten zusammen bilden den Fragenpool für die Prüfung. Wo es sinnvoll und möglich ist, können auch mehrere thematische Pools angelegt werden, aus denen je eine Aufgabe beantwortet wird. Die Expert/innen erklären den Kandidat/innen zu Beginn der Prüfung kurz den Ablauf der Prüfung. Die Kandidat/innen ziehen aus dem Pool eine Karteikarte und lesen die Beschreibung der Situation und die Fragestellung. Sie schildern nach kurzem Überlegen selbstständig die Handlungsschritte. Nur im Falle, dass die Antwort unpräzise oder oberflächlich sein sollte, stellt der Prüfungsexperte konkretisierende Fragen wie «Können Sie dies genauer beschreiben, begründen?» oder «Sie haben 3 Massnahmen genannt, was wäre denn die 4. Massnahme?». Die Experten orientieren sich während der Prüfung an den Beurteilungskriterien und halten ihre Beobachtungen auf einem Beobachtungsbogen fest. Sie bewerten die Leistung im Anschluss an die Prüfung.

In unserer Reihe «Umsetzungstipps» unterstützen wir Sie bei der Ausgestaltung kompetenzorientierter Prüfungen. Wir zeigen Ihnen, wie Sie kompetenzorientierte Prüfungsmethoden punktgenau im Prüfungsalltag umsetzen können.

Unsere Publikationsreihe «Umsetzungstipps» umfasst folgende Prüfungsmethoden:

Prüfungsmethode «Critical Incidents»

Prüfungsmethode «Praxisprüfungen»

Sozialkompetenz prüfen – Utopie oder Realität?

Prüfungsmethode «Postkorb»

Prüfungsmethode «Mini-Cases»

Prüfungsmethode «Geleitete Fallarbeit»

Prüfungsmethode «Fallstudie»

Prüfungsmethode «Wissensfragen»

Prüfungsmethode «Gesprächsanalyse»

Prüfungsmethode «Fachgespräch»

Mündliche Prüfungen

Prüfungsmethode «Rollenspiel»

Prüfungsmethode «Handlungssimulation»

Prüfungsmethode «Präsentation»

Bewerten mit Kriterien

Prüfungsmethode «Gruppendiskussion»

Prüfungsmethode «Projektarbeit»

Prüfungsmethode «Praxisarbeit»

Prüfungsmethode «Werkschau»

Prüfungsmethode «Kompetenzstatus»

Prüfungsmethode «Statusgespräch»

Möchten Sie die Umsetzungstipps in gedruckter Form beziehen, tragen Sie sich ein unter: www.ectaveo.ch/abonnement-umsetzungstipps

Herausgeberin

Ectaveo AG

Riedtlistrasse 15a CH-8006 Zürich info@ectaveo.ch www.ectaveo.ch

Autorin

Ectaveo AG

Gestaltung und Satz dezember und juli gmbh www.dezemberundjuli.ch

Auflage 3. Auflage, August 2021

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Bitte bestellen Sie diese via E-Mail an info@ectaveo.ch oder über unsere Website www.ectaveo.ch

Copyright © uneingeschränkt bei der Herausgeberin

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