Umsetzungstipp
Individueller Durchgang durch das nötige Vorwissen
Lernfortschritt durch Rückbezug
Publikationsreihe «Umsetzungstipps – Unterrichtsmethoden»
umsetzungstipp individueller durchgang durch das nötige vorwissen
In unserem Vademecum «ÜberUnterrichten» haben wir die Herausforderungen kompetenzorientierter Unterrichtsmethoden vorgestellt und ein Spektrum verschiedener Unterrichtsmethoden aufgezeigt, mit denen Sie Handlungskompetenz in Ihren Unterricht integrieren.
Im Fokus stehen dabei:
> Methoden, um Lernvoraussetzungen zu schaffen
> Methoden zur Vermittlung und Sicherung von berufsrelevantem Wissen und Verständnis
> Methoden zur Vermittlung, zur Anwendung und zur Wissenssicherung von Vorgehensweisen, Fertigkeiten und Techniken
> Methoden zur Förderung und Reflexion des persönlichen, berufsbezogenen Erfahrungswissens
> Methoden zur Festigung von beruflicher Erfahrung
> Methoden, um Auswertung und Abschluss zu gestalten
Die Umsetzungstipps knüpfen an das Vademecum an und vertiefen jeweils eine darin aufgeführte Unterrichtsmethode.
Fokus der Umsetzungstipps – sie tragen ihn bereits im Namen – ist die Umsetzung. Während im Vademecum vor allem das Was ins Zentrum gestellt wurde, so geht es in den Umsetzungstipps nun um das Wie der zentralen Unterrichtsmethoden.
Wir hoffen, Ihnen mit den Umsetzungstipps wertvolle, praxisnahe und vor allem hilfreiche Impulse für die Umsetzung der Unterrichtsmethoden geben zu können.
umsetzungstipp individueller durchgang durch das nötige vorwissen
Mit dem individuellen Durchgang durch das nötige Vorwissen können die Teilnehmenden an vorgängig Gelerntes anknüpfen. Es sollten ideale Voraussetzungen geschaffen werden, um den neuen Stoff in bestehendes Wissen zu integrieren. Das Ziel vom individuellen Durchgang durch das nötige Vorwissen (IDNV) ist es, den Teilnehmenden das nötige Vorwissen, das sie für das Verständnis des neuen Themas benötigen, ins Gedächtnis zu rufen und sicherzustellen, dass die Grundlagen, um das neue Thema verstehen zu können, vorhanden sind. Denn es ist zentral für den Lernerfolg, dass die Teilnehmenden die Themen verstanden haben, auf denen das neue Thema aufbaut.
Die Lehrperson holt mit dem IDNV die Teilnehmenden da ab, wo sie stehen, und bezieht ihre früheren Erfahrungen mit ein. Nach dem IDNV stehen alle Teilnehmenden am gleichen Ausgangspunkt und die Lehrperson kann neuen Stoff gezielt einführen.
Wenn die Teilnehmenden neue Zusammenhänge lernen sollen, benutzen sie automatisch ihre bisherigen Vorstellungen, Überlegungen und Zusammenhänge. Im Lernprozess können sie das bereits vorhandene Repertoire erweitern, ergänzen und weiterentwickeln. Mit dem IDNV wird abgeklärt, welche Vorkenntnisse bereits vorhanden sind und worauf im Unterricht aufgebaut werden kann (vgl. Frey & FreyEiling 2010).
Carroll (1963) entdeckte als Erster den Zusammenhang zwischen Vorwissen und Lernfortschritt. Bloom (1976) stellte fest, dass das Vorwissen für etwa 60 Prozent der unterschiedlichen Lernfortschritte verantwortlich ist. Das heisst, dass das Vorwissen der Teilnehmenden für den individuellen Lernfortschritt einer der wichtigsten Faktoren ist. Blooms Ziel war, dass die Teilnehmenden mit möglichst vielen Vorkenntnissen an neue Lerngebiete herangehen und dass sie das Neue jeweils als Meister/in des Vorangegangenen anpacken (vgl. Frey & FreyEiling 2010).
Auch Healy (1989) widmete sich der Bedeutung des Vorwissens für den Lernfortschritt. Teilnehmende, die in den Genuss des Anknüpfens an ihr Vorwissen kommen, lernen leichter. Sie entwickelte schliesslich das Konzept des IDNV.
Folgende Literatur ermöglicht einen theoretischen Einblick in die Unterrichtsmethode:
Bloom, S. B. (1976).
Human Characteristics and School Learning. New York: McGrawHill.
Carroll, Y. (1963).
A Model of School Learning.
In: Teacher’s College Record 64, S. 723–733.
Frey, K. & FreyEiling, A. (2010).
Ausgewählte Methoden der Didaktik.
Zürich: vdf Hochschulverlag AG an der ETH Zürich.
Healy, V. C. (1989).
The Effects of Advance Organizer and Prerequisite Knowledge Passages on the Learning and Retention of Science Concepts.
In: Journal of Research in Science Teaching 26, S. 627–642.
anforderungen an die unterrichtsmethode
Die Teilnehmenden benötigen ein gewisses Mass an Vorwissen, damit diese Methode sinnvoll ist. Wenn kein Vorwissen vorhanden und das Thema komplett neu ist, sollte ein anderer Einstieg gewählt werden.
tipps für die entwicklung des unterrichtsmaterials
Die nötigen Vorkenntnisse werden meist in Form eines Tests abgefragt, den die Lehrperson vorbereitet. Der Test wird später im Unterricht durch die Teilnehmenden absolviert. Das nötige Vorwissen wird somit vergegenwärtigt. Allfällige Wissenslücken können anschliessend bearbeitet werden.
Um den Test zu erstellen, notiert die Lehrperson jene Fertigkeiten, Begriffe, Abläufe, Denkvorgänge und anderen Elemente, die die Teilnehmenden brauchen, um das Neue zu begreifen.
Auf dieser Basis stellt sie eine Serie an Testfragen und Musterantworten zusammen. Der Test sollte nicht allzu ausführlich und lang sein, sondern in ca. 5–15 Minuten bearbeitbar sein. Er sollte allerdings all das abdecken, was sich die Lehrperson zuvor zum Thema überlegt hat.
Die Klasse erhält den Test und bearbeitet ihn. Anschliessend erhalten die Teilnehmenden die richtigen Antworten, notfalls mit Erklärungen, als Musterlösung.
Es sollte darauf geachtet werden, genügend Zeit einzuplanen, um die aufgedeckten Wissenslücken zu schliessen, bevor in das neue Thema eingestiegen wird.
Nun ist den Teilnehmenden das gesamte Vorwissen vergegenwärtigt worden, das für das Erlernen neuen Wissens ausschlaggebend ist. Die Lehrperson hat somit gute Lernvoraussetzungen geschaffen und kann ins neue Themengebiet einsteigen.
Folgende Varianten sind ebenfalls denkbar und erfordern entsprechend eine etwas andere Vorbereitung durch die Lehrperson:
Testfragen gemeinsam entwickeln
Die Lehrperson kreiert die Testaufgaben nicht selbst, sondern lässt sie von den Teilnehmenden entwickeln. Sie teilt den Stoff unter den Teilnehmenden auf und diese produzieren z. B. zu zweit die nötigen Aufgaben mit Antworten. Vor dem Verteilen kontrolliert die Lehrperson die Aufgaben kurz. Wenn diese Variante gewählt wird, sollte jedoch entsprechend etwas mehr Zeit eingeplant werden.
Test in Gruppen bearbeiten
Die Teilnehmenden bilden Dreier oder Vierergruppen. Zuerst lösen sie die Aufgaben individuell, danach besprechen sie die Lösungen in ihrer jeweiligen Gruppe.
Test im Plenum bearbeiten
Die Lehrperson schreibt die Aufgaben auf eine Folie. Sie wartet, bis alle die erste Aufgabe gelöst haben. Dann tauschen die Teilnehmenden ihre Lösungen untereinander aus. Unklarheiten werden direkt im Plenum besprochen.
Kompetenzorientierter Unterricht auf den Punkt gebracht. Ohne Fragezeichen? Denn obschon das Vermitteln, Sichern und Anwenden von Kompetenzen in aller Munde und Bestandteil jedes zeitgemässen Unterrichtskonzepts ist, zeigen sich die Schwierigkeiten oft erst bei der Umsetzung.
In unserer Reihe «Umsetzungstipps» unterstützen wir Sie bei der Ausgestaltung kompetenzorientierter Bildungsmassnahmen. Wir zeigen Ihnen, wie Sie kompetenzorientierte Unterrichtsmethoden punktgenau im Unterrichtsalltag umsetzen können.
Unsere Publikationsreihe umfasst ein Spektrum von rund 40 Unterrichtsmethoden. Diese werden laufend publiziert.
Im Bereich «Lernvoraussetzungen schaffen» bietet die Publikationsreihe Umsetzungstipps zu folgenden Unterrichtsmethoden:
Informierender Unterrichtseinstieg
Individueller Durchgang durch das nötige Vorwissen
Advance Organizer
Kognitive Landkarte
Praxissituationen
Sie finden unsere Umsetzungstipps jeweils nach Erscheinen auf unserer Homepage. Möchten Sie die Umsetzungstipps lieber in gedruckter Form beziehen, tragen Sie sich ein unter: www.ectaveo.ch/abonnement-umsetzungstipps
Wir stellen Ihnen diese gerne regelmässig nach Erscheinen per Post zu.
Herausgeberin
Ectaveo AG
Riedtlistrasse 15a
CH-8006 Zürich info@ectaveo.ch www.ectaveo.ch
Autorin
Ectaveo AG
Gestaltung und Satz dezember und juli gmbh www.dezemberundjuli.ch
Auflage 1. Auflage, 2022
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