NaturFoto

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Von Edwin Giesbers Fotografen, die unter schwierigen Bedingungen in Borneos Regenwäldern unterwegs sind, tragen neben schwerem Gepäck auch gleichzeitig eine gewisse Verantwortung mit sich. Viele Tierarten, die sie hier ablichten, sind nämlich stark gefährdet und stehen vor einer ungewissen Zukunft, sofern der lebensbedrohlichen Abholzung wertvoller Lebensräume nicht Einhalt geboten wird. Für die bekanntesten Bewohner der Insel, die Orang-Utans, gibt es glücklicherweise international operierende Artenschutz-Organisationen wie die Borneo Orangutan Survival Organisation (BOS), die den Eingriffen in die Natur entgegenwirken. Trotzdem sehen die Prognosen für den Fortbestand der Tiere immer noch düster aus, und so werden eben auch Fotodokumente wie die des Niederländers Edwin Giesbers zu einem wichtigen Appell für den Schutz dieser uralten Regenwälder. Oben links: Laubfrosch. Nikon D300 | Tamron 90 mm | 1/250 sec | f/5,6 | ISO 400

Oben rechts: Orang-Utan-Mutter mit ihrem Jungen. Nikon D300 | Sigma 50-500 mm | 420 mm | 1/250 sec | f/6,3 | ISO 800

Rechts: Nebel im Regenwald des Kubah Nationalparks. Nikon D300 | Sigma 50-500 mm | 195 mm | 1/160 sec | f/6,3 | ISO 400


Fotoreise

Borneos bedrohteW채lder Artenvielfalt im malaysischen Sarawak

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Rechts: Rafflesia. Nikon D300 | Sigma 8-16 mm | 12 mm | 1 sec | f/10 | ISO 200

Unten: Brettwurzeln im Kubah Nationalpark. Nikon D300 | Sigma 10-20 mm | 15 mm | 2,5 sec | f/14 | ISO 200

Rechte Seite: Atlaskäfer. Nikon D300 | Sigma 10-20 mm | 15 mm | 1/30 sec | f/7,1 | ISO 400

region typischen Dipterocarpaceen-Wälder. Und er ist die Heimat der stark gefährdeten Nasenaffen.

Pflanzen

Borneo ist die größte Insel des Indonesischen Archipels und nach Grönland und Neuguinea die drittgrößte der Welt. Etwa 80 Prozent der Insel sind von tropischem Regenwald bewachsen; ein Netz größtenteils schiffbarer Flüsse leitet die gewaltigen Regenmengen ab. Politisch ist Borneo in die Bereiche Sabah und Sarawak (Malaysia) sowie Kalimantan (Indonesien) und Brunei unterteilt. Während meines Aufenthaltes in Sarawak besuchte ich drei der zehn Nationalparks: Gunung Gading, Bako und Kubah. Gunung Gading ist innerhalb von zwei Stunden von der Hauptstadt Kuchiing zu er-

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reichen und hier finden sich die besten Orte, um die Rafflesia zu sehen, die Pflanze mit der größten Blüte der Welt. Auf einer Fläche von 4.104 Hektar finden sich unzählige schöne Wasserfälle sowie der zweithöchste Berg Sarawaks, der Gunung Mulu mit seinem bedeutenden Höhlensystem. Der Bako-Nationalpark liegt in der Nähe der Hauptstadt, ist aber ausschließlich über eine 25-minütigen Bootsfahrt über das Meer zu erreichen. Das Besondere an dem Park sind seine 25 unterschiedlichen Vegetationsformen, von Mangroven über Strandvegetation bis hin zu den artenreichen, für die südostasiatische Regenwald-

Borneo verfügt mit tausenden Pflanzenarten – darunter allein über 2.000 Orchideenarten – über eine sehr reichhaltige Flora. Eine herausragende Besonderheit ist zweifellos die Rafflesia. Ihre Blüte beeindruckt mit einer Breite von einem Meter und einem Gewicht von etwa 4 Kilogramm. Sie verströmt den Geruch verwesenden Fleisches, was Insekten anlockt, die für ihre Bestäubung wichtig sind. Die äußerst seltene Pflanze ist nur in Südostasien zu finden und wächst dort nur auf einer Höhe zwischen 400 und 1.300 Metern. Sir Stamford Raffles, ihr Namensgeber, war im Jahre 1818 der erste Europäer, der die außergewöhnlichen Schmarotzerpflanzen entdeckte, die überirdisch praktisch nur aus der Blüte bestehen. Die Blüte benötigt mehrere Monate um sich zu entwickeln und blüht dann nur für wenige Tage. Mit dem Abholzen der Wirtspflanze entzieht man auch der Rafflesia die Lebensgrundlage. Sie ist daher ausschließlich in ungestörten Regenwäldern vorzufinden und es ist nicht einfach, die größte Blütenpflanze der Welt überhaupt zu finden.

Tierwelt Auch die Tierwelt Borneos ist vielfältig. Neben 222 Säugetierarten gibt es 166


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Schlangen-, 100 Vogel- und 420 Froscharten. Die Insel ist vor allem auch für seine große Anzahl an „fliegenden“ Tieren bekannt, dazu zählen beispielsweise Flugfrösche, Flugdrachen, Agamen der Gattung Draco, Gleithörnchen sowie Schmuckbaumnattern, die teilweise bis zu 20 Meter durch die Luft gleiten können. Die größte Katze der Insel ist der Nebelparder, der dem Leopard entfernt ähnlich sieht, und der über große, wolkenähnliche Flecken verfügt, die ihm seinen Namen verleihen. Das beeindruckende Tier ist sehr scheu daher äußerst selten zu sehen.

Insekten Die artenreichste Tiergruppe der Insel sind zweifellos die Insekten. Mit ihren vielfältigen Formen, Farben und Verhaltensweisen sind sie spannende Objekte für jeden Naturfotografen. Was die Tarnung angeht, finden sich auf Borneo die bizarrsten und außergewöhnlichsten Erscheinungsformen. Jedes Blatt, jeder Zweig und jede Blume könnte hier ein Insekt sein. Stabheuschrecken gleichen einem Ast und die so genannten „Wandelnden Blätter“ sind von einem gewöhnlichen Blatt kaum zu unterscheiden. Andere Insekten wie einige Gottesanbeterinnen sehen auf den ersten Blick

wie Blüten aus. Auf diese Weise täuschen sie ihre Beute (vor allem Fliegen und Schmetterlinge), die sich ahnungslos der vermeintlichen Blume nähern. Die auffallendsten und farbenprächtigsten Insekten schützen sich mit kräftigen Beißwerkzeugen und stinkenden oder giftigen Sekreten gegen potenzielle Fressfeinde.

Orang-Utans Orang-Utan heißt in der Indonesischen Sprache soviel wie: Waldmensch. Bezeichnenderweise halten sich die Tiere fast auschließlich in Bäumen auf und kommen nur äußerst selten auf den Boden. 1/2012 NaturFoto

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Sie ernähren sich hauptsächlich von Früchten, Blättern und Blüten. Die Männchen dieser großen Affenart können ein Gewicht von 50 bis 90 Kilo erreichen und sind an ihren markanten Wangen zu erkennen, die sich entwickeln, wenn sie geschlechtsreif sind. Die kleineren Weibchen erreichen ein Gewicht von 30 bis 50 Kilo. Die Affen werden in freier Wildbahn bis zu 50 Jahre alt, Tiere in menschlicher Obhut können etwa 10 Jahre älter werden. Orang-Utans treten in der Regel als Einzelgänger auf, dauerhafte Bindungen gibt es nur zwischen den Weibchen. Meistens

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schließen sich zwei Weibchen gemeinsam mit ihren Jungen zusammen; den Männchen begegnen sie dann nur während der Paarungszeit. Ein auffälliges Merkmal sind die sehr langen Arme, die eine Spannweite von über zwei Metern erreichen können und etwa sieben Mal kräftiger sind als die des Menschen.

Stark gefährdet Vor etwa 10.000 Jahren war der OrangUtan überall in Südostasien stark verbreitet. Heute ist er ausschließlich auf Borneo und Sumatra zu finden. Schätzungen zufolge leben zurzeit nur noch rund 25.000

Exemplare in freier Wildbahn. Die Gefährdung der Orang-Utans hat vielfältige Gründe: Zum einen lässt die Zerstörung ihres Lebensraums durch eine weiträumige legale und illegale Abholzung sowie die Anlage von Ölpalmen-Plantagen täglich mehr und mehr Tiere verschwinden. Allein in den vergangenen 20 Jahren fielen 80 Prozent der Wälder dieser Entwicklung zum Opfer (eine Grafik dazu findet sich unter www.dgvn.de/fileadmin/user_upload/ B I LDE R/ Klimawandel/climate-swf/ waldverlust.html). Eine weitere Bedrohung für die Menschenaffen stellt der Handel mit den Jung-


Heuschreckenporträt. Nikon D300 | Tamron 90 mm | 1/320 sec | f/7,1 | ISO 400

Laternenträger Pyrops intricata), eine Zikadenart, die allerdings nicht leuchtet. Nikon D300 | Tamron 90 mm | 1/4 sec | f/5,6 | ISO 640

Feuerameise (Solenopsis spec.) Nikon D300 | Tamron 90 mm | 1/125 sec | f/9 | ISO 400

Eine Bläulingsart (Caleta elna). Nikon D300 | Tamron 90 mm | 1/250 sec | f/8 | ISO 500

Termiten (Hospitalitermes spec.). Nikon D300 | Tamron 90 mm | 1/4 sec | f/8 | ISO 400

tieren dar, die in vielen asiatischen Ländern gerne als Haustiere gehalten werden. Um die Affenkinder einzufangen, werden häufig die Weibchen erschossen. Oft werden aber auch die Jungen selbst beim Versuch, sie zu fangen, getötet. Sie werden versehentlich erschossen oder stürzen, nachdem die Mutter erschossen wurde, vom Baum. Durschnittlich lassen wohl für jeden lebend in Gefangenschafft geratenen Affen drei weitere ihr Leben.

Fütterungszeit Im Semenggoh-Reservat kann der „Waldmensch“ unter Aufsicht beobachtet werden.


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Links: Orang-Utan-Männchen. Nikon D300 | Sigma 50-500 mm | 320 mm | 1/160 sec | f/7,1 | ISO 800 | Aufgenommen unter kontrollierten Bedingungen

Zweimal täglich legen Mitarbeiter Früchte auf einer Plattform aus, um die Tiere zu füttern. Zu diesen Zeiten ist es gut möglich, die fantastischen Tiere aus kurzer Entfernung zu betrachten und ihren melancholischen Blick einzufangen. Während der Früchtesaison ist die Fütterung allerdings unnötig, da die Tiere ausreichend Nahrung im Dschungel vorfinden. Ein Tipp: Verstecken Sie Ihren Proviant im Rucksack, da sich die Orang-Utans mit Sicherheit darüber hermachen würden. Wenn ich an der Plattform ankomme, setze ich mich still auf einen Baumstumpf und warte. Die Guides legen die Früchte aus

Oben: Orang-Utan-Junges. Nikon D300 | Sigma 50-500 mm | 500 mm | 1/200 sec | f/7,1 | ISO 800

und beginnen, laut die Namen der Affen zu rufen. Von allen Seiten kommen die Tiere dann aus dem Dschungel herbeigelaufen. Sie schauen uns mit einem fragendem Blick an, fast als wüssten sie um die Bedrohung ihrer Existenz. Nachdem sie ihre Mahlzeit eingenommen haben, verschwindet einer nach dem anderen wieder im Dschungel. Wissenschaftler sagen voraus, dass die OrangUtans bei einer auf derzeitigem Niveau anhaltenden Zerstörung ihres Lebensraums bereits in zehn bis zwanzig Jahren in freier Wildbahn ausgestorben sind.

Schutz der Tiere Einer der aktivsten Beschützer der OrangUtans weltweit ist der Niederländer Willie Smits. Er hat verschiedene Projekte auf den Weg gebracht, die dem Schutz der bedrohten Tiere und ihrem Lebensraum gewidmet sind. Eines der Projekte läuft unter dem Namen „deforestACTION“. Eine Gruppe von 15 Studenten aus der ganzen Welt reist dabei in den Dschungel von Borneo, um dort die Einwohner aufzuklären und ganz praktisch beim Naturschutz mitzuhelfen. Das Projekt wird von National Geographic begleitet und soll als 3D-Film erscheinen. 1/2012 NaturFoto

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Fotoreise

Nasenaffen Zu den Affenarten, die ich im Bako-Nationalpark fotografiert habe, zählt auch der Nasenaffe, der ausschließlich auf Borneo lebt und dort küstennahe Regen- und Mangrovenwälder bewohnt. Die Indonesier nennen ihn „Orang Belanda“, was sich mit „Der Holländer“ übersetzen lässt. Das Männchen hat eine große, gurkenförmige Nase und einen dicken Bauch. Bei den Weibchen gelten Männchen mit großer Nase als besonders attraktiv. Ebenso wie die Orang-Utans sind die Nasenaffen in hohem Maße von der Abholzung der Wälder und der Anlage der Palmöl-Plantagen bedroht. Der Bestand wird auf wenige tausend geschätzt. Im Bako-Nationapark sind einige wenige Gruppen mit insgesamt rund 150 Tieren heimisch. Im Durchschnitt teilen sich acht Weibchen ein Männchen. Der Magen der Nasenaffen ist sehr gut an ihre rein pflanzliche Nahrung angepasst. Das Verdauungssystem arbeitet sehr effizient und erlaubt es den Tieren sogar giftige Substanzen zu sich zu nehmen, die in bestimmten Blättern vorkommen. Einige Früchte sind allerdings selbst für Nasenaffen tödlich.

Fotografieren in den Tropen

Nasenaffe (Nasalis larvatus). Nikon D300 | Sigma 50-500 mm | 500 mm | 1/160 sec | f/6,3 | ISO 400

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Aus meiner Sicht ist das Fotografieren in den Tropen die härteste Form der Naturfotografie überhaupt. Schon allein die extreme Luftfeuchtigkeit und die enorme Hitze sorgen für erschwerte Bedingungen. Wer mit schwerem Fotorucksack und Stativ durch den Regenwald wandert, ist bereits nach wenigen Metern völlig durchgeschwitzt. Hinzu kommen die potentiellen Gefahren durch Giftschlangen, Skorpione und eine Unzahl stechender und beißender Insekten. Da besteht durchaus die Gefahr, mit einer Tropenkrankheit als „Mitbringels“ nach Hause zu kommen … Auch die fotografischen Bedingungen sind alles andere als optimal. Insbesondere das oft harte Licht erschwert gute Fotos. Trotz der großen Artenvielfalt ist es zudem keineswegs einfach Tiere zu finden, denn


Bartschwein. Nikon D300 | Sigma 10-20 mm | 15 mm | 1/100 sec | f/6,3 | ISO 640

offenbar wissen diese sehr gut sich vor Fotografen zu verstecken. Doch wer erst einmal eine gewisse Zeit im Regenwald verbracht hat und einige der oft skurrilen Geschöpfe ausfindig machen konnte, freut sich umso mehr über gute Bildergebnisse. Um die nahezu unsichtbare Tierwelt des Regenwaldes zu erkunden, mache ich meine Touren in der Regel gemeinsam mit professionellen Guides. Immer wieder überrascht es mich, wie leicht es ihnen fällt, beispielsweise Frösche oder Schlangen ausfindig zu machen – solche Tiere eben, die wir als normale Touristen schlichtweg übersehen würden. Die Guides sind oftmals auf eine bestimmte Tiergruppe spezialisiert, doch es besteht immer die Möglichkeit, über Gespräche mit ihnen auch andere Guides mit anderen Schwerpunkten kennenzulernen. Ein ganz wichtiger Faktor bei der Fotografie in den Tropen ist das tägliche Reini-

gen der Kameras und Objektive. Außerdem sollte man ausreichend Silcagel in der Kameratasche haben, um möglichst viel Feuchtigkeit fernzuhalten. Ein weiterer Tipp: Halten Sie die Kamera bei einem Objektivwechsel immer nach unten, schließlich soll im feuchten Regenwald nichts in das Innere der Kamera tropfen. Das dichte Blattwerk lässt nur wenig Licht passieren. Scheuen Sie sich daher nicht, höhere ISO-Werte einzustellen, um eine schnelle Verschlusszeit zu erreichen. Aktuelle Digitalkameras bieten da ausreichend Spielraum. Bedenken sollten Sie allerdings auch, dass die tropische Hitze zu verstärktem Bildrauschen führen kann. Versuchen Sie also, Ihre Kamera möglichst im Schatten zu lassen. Zum Ausgleich der hohen Kontraste im Regenwald ist häufig der Einsatz von Blitzlicht erforderlich. Befindet sich Ihr Motiv im Schatten, ist ein Blitz unbedingt empfehlenswert.

Außerdem sollte man daran denken, ausreichend Ersatzequipment einzupacken. Aufgrund der extremen Bedingungen in den Tropen kann es schnell passieren, dass es zu einem Ausfall der Kamera kommt oder dass Feuchtigkeit in ein Objektiv eindringt. Schließlich wollen Sie ja nicht, dass all die wunderbaren Bilder aus dem Dschungel nur in Ihrem Kopf gespeichert werden.

Edwin Giesbers Der Niederländer deckt das komplette thematische Spektrum der Naturfotografie ab. Seine Bilder erreichten erste Plätze beim Europäischen Naturfotografen des Jahres und beim Natures BestWettbewerb und er veröffentlicht in internationalen Magazinen wie National Geographic oder Terre Sauvage. Seit einigen Jahren setzt er sich verstärkt für den Schutz der Orang-Utans ein. Internet: Www.edwingiesbers.com

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