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Salonmusik
Die Blütezeit: Im 19. Jahrhundert, als in den Salons des Bürgertums Hauskonzerte en vogue waren, entstanden viele kleine Ensembles. Es waren meist Klaviertrios, die nach Bedarf durch zusätzliche Streicher und Flöten, durch Blechbläser und Schlagzeug zu symphonischen Dimensionen anwachsen konnten. Da sie auf dem freien Markt bestehen mussten, passten sie ihr Repertoire dem Ort und den Wünschen des Veranstalters an. Sie spielten im Kurpark, im Kaffeehaus, im Hotel zum Vergnügen der Gäste. Stücke aus Symphonien, Opern und Operetten wurden für kleinere Besetzungen bearbeitet. Die Kunstmusik blickte zu Unrecht mit Herablassung auf die Salonorchester, bei denen zwar die leichte Muse überwog, die aber durchaus auch zur Verbreitung anspruchsvoller Musik beitrugen und zudem lange Zeit die einzigen Formationen waren, die Musikerinnen und Dirigentinnen beschäftigten. Nach 1918 erweiterte sich, dem Geschmack der Zeit entsprechend, das Repertoire durch Schlager, Songs und Jazz, etwas später folgte die Begleitung von Stummfilmen.
Die unbekannte Geschichte: Ein Forschungsprojekt der Universität Basel in Kooperation mit dem Institut für Kulturforschung Graubünden nimmt sich derzeit der Geschichte der Salonmusik im Engadin an. Diese ist, trotz der Popularität und einstigen Verbreitung des Genres, bisher weitgehend unbekannt. Jeder Kurort hatte einen Kursaal und einen Konzertpavillon im
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Park, wo aufgespielt wurde, jedes der grösseren Hotels, die ab ca.1860 entstanden, hatte ein Salonorchester.
Die Musiker: Ein legendäres «pièce de résistance» war das Trio Farkaš, das in den 30 Jahren seines Bestehens nachmittags in der Halle des Hotel Waldhaus in Sils Klassik darbot und abends in der Bar zum Tanz aufspielte. Die drei hochkarätigen Musiker aus Bratislava kamen aus traditionsreichen Musikerfamilien, entwickelten ihr Repertoire ständig weiter und beherrschten eine Vielfalt von Stilen. Als der Kopf des Klaviertrios, Pianist und Konzertmeister Juraj Farkaš 2012 verstarb, hinterliess er eine Reihe eigener Kompositionen.
Das beinahe Ende: Über das Schicksal der Kurorchester berichtet der Zürcher Arzt und Flötist Jürg H. Frei: «Mit der Verbreitung der Tonträger und später der elektronischen Musik bis hin zum DJ begannen die Kurorchester auszusterben. Nach dem Krieg gab es im Engadin noch zwei davon. Bis 1988 musizierte man in Pontresina mit der alten Crew unter Konzertmeister Amleto Veggia, der hier seit 1952 aktiv war. In St.Moritz muss es eine Szenerie gewesen sein wie in einem Film von Fellini. Sie haben es sich zunehmend einfach gemacht und das Programm ständig wiederholt. Das Kurorchester ist allmählich verlottert.» Bis heute haben nur das Salonorchester St.Moritz und die Camerata Pontresina überlebt. Das Hotel Waldhaus in Sils pflegt mittlerweile die Tradition der Salonmusik in wechselnden kleinen Formationen weiter.