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Vom engagierten Spiel zum furchtlosen Widerstand

furchtlos widerstehen.

Vom engagierten Spielen zum furchtlosen Widerstand

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Plädoyer für einen lustvollen Widerstand

If I can’t dance, it’s not my revolution!

Emma Goldman

Es gibt, so Foucault (1983: 96), „nicht den einen Ort der Großen Weigerung - die Seele der Revolte, den Brennpunkt der Rebellionen, das reine Gesetz des Revolutionärs. Sondern es gibt einzelne Widerstände: mögliche, notwendige, unwahrscheinliche, spontane, wilde, einsame, abgestimmte, kriecherische, gewalttätige, unversöhnliche, kompromissbereite, interessierte oder opferbereite Widerstände.“ Und es gibt lustvollen Widerstand; kreative Formen von Protest – humorvoll, künstlerisch, chaotisch, spaßvoll und verwirrend. Im Folgenden werden zwei Beispiele aus vielen Formen des kreativen Straßenprotests vorgestellt.

Rebel Clowns

Widerstand soll Spaß machen, soll ein Fest sein, ein „Tanz der Freiheit“ (Amann 2011:9). Die Clandestine Insurgent Rebel Clown Army beteiligt sich seit 2003 bei unterschiedlichsten globalisierungskritischen Protestbewegungen weltweit. Sie besetzten Musterungsbüros in England, nahmen an den G8 Protesten in Heiligendamm teil, marschierten bei den Blockupy Protesten auf, und wollten beim Wiener Korporationsball in der Hofburg das Tanzbein schwingen. Politische Clownerie ist eine Aneignung von herrschenden Strukturen, die im subversiven Spiel hinterfragt werden. Autorität wird abgelehnt, jedoch wird damit gespielt –Grenzen werden verschoben und aufgebrochen. Es wird eskaliert und deeskaliert, gelacht, gestaunt, verunsichert und verwirrt. Die Rebel Clowns bewegen sich in ihren Aktionen „zwischen Kunst, Selbsterfahrung, politischem Aktivismus und zivilem Ungehorsam“ (Amman 2011:214).

www.kreativerstrassenprotest.twoday.net

Theater der Unterdrückten

„Das Theater der Unterdrückten gibt uns das Recht, unsere Meinung zu sagen und, indem es die Kraft der Kunst für sich nutzt, die Möglichkeit, Lösungen für unsere Probleme zu finden. Durch das Theater entdecken wir, dass wir fähiger sind als wir dachten und dass wir in der Lage sind, uns von unseren Unterdrückungen zu befreien.“

Augusto Boal, Kolkata 2006

Das Theater der Unterdrückten (TdU) ist eine weltweite, friedliche, ästhetische Bewegung, die sich mit kreativen und lustvollen Mitteln für eine andere Welt einsetzt. Das Theater der, von und für Unterdrückte(n) wird als kollektiver und partizipatorischer Prozess verstanden, der aufUngerechtigkeiten hinweist und die „Unterdrücken“ dazu ermächtigen soll, sich aus ihrer Situation zu befreien. Theater wird als kollektive Handlung, als Raum für Auseinandersetzung und Dialog, als Ort des Lernens verstanden: Das Theater als Probe für die Revolution, jedoch nicht die Revolution selbst. Aus der Reflexion der Theaterarbeit soll die Kraft und der Mut geschöpft werden, das Gelernte in größere Zusammenhänge zu stellen und weiterzugehen: Aus dem Theaterraum raus in die reale Welt –dort soll Widerstand gegen Unterdrückung geleistet werden. Die Zuschauer_innen werden bei der Methode des Forumtheaters aus ihrer passiven Rolle zu Protagonist_innen gemacht, zu handelnden Subjekten, die das Geschehen beeinflussen können. Indem sie „Stopp“ schreien, wird das Stück angehalten und sie treten aufdie Bühne um ihren Lösungsvorschlag anzubieten. Der Platz der Bühne wird bis zum letzten Zuschauenden ausgeweitet, die Grenze von Spiel und Wirklichkeit wird aufgehoben. Der Mensch wird somit zum Akteur seiner eigenen Geschichte. Dabei soll niemals für eine andere Person mit anderen Unterdrückungserfahrungen (aufgrund des Geschlechts, der Herkunft, des Aussehens etc.) gesprochen werden. Die Ermächtigung aus der persönlich erfahrenen Unterdrückung ist das Ziel –so kann zum Beispiel eine weiße Frau nicht in die Rolle einer schwarzen Frau steigen, da sie Rassismus nie persönlich erfahren hat. Ausgangspunkt für die Stücke sind immer die eigenen Erfahrungen als Unterdrückte_r und Unterdrücker_in. Die Erkenntnis, in diesem Machtgefälle Teil beider Positionen zu sein, ist dabei wesentlich. So bin ich nie nur Unterdrückte_r, sondern in einem anderen Kontext auch Unterdrücker_in.

| Cristina Yurena

Nächste Revolutionsproben? www.tdu-wien.at

Foucault, Michel (1983): Sexualität und Wahrheit, Bd. 1: Der Wille zum Wissen, Frankfurt a.M.

Amman, Marc (Hrsg.) (2011): go.stop.act! Die Kunst des kreativen Straßenprotests. Geschichten – Aktionen – Ideen. Trotzdem Verlagsgenossenschaft, Frankfurt a.M.

Patrick Borchers: protestmelody, Wien 1 - Zeichnung - Grafit-Buntstift aufZeichenpapier - 70 × 100cm - 2011

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