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Warum wir uns nicht empören

Über die Notwendigkeit einer Politik des Unmöglichen

In Wien hat man keine große Lust die Revolution zu machen. Die Menschen begegnen ihr mit Gleichmut und Resignation, wie der Berg dem Sturm.

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Sie wacht auf, wäscht sich und kleidet sich an, ohne Eile.

sensibel aufspüren.

In den letzten fünfJahren hat sich alles für dich verändert. Die Sehnsucht verwelkt, unter einem stillen Brüllen der Widersprüche, die immer alberner, verwirrter und wilder wurden. Die Straßen sind leer. Die Vögel haben die Stadt verlassen. Damals, als der letzte Kirschbaum gefällt worden ist. Es gibt nichts Ungefähres und Zartes mehr in dieser gräulichen Leere der Stadt.

Damals, als du nicht deutlich zwischen Wirklichkeit und Traum, zwischen Wahrheit und Fantasie, zwischen Beobachtung und Vision unterschieden hast, schien alles so einfach zu sein. Wie du dich täuschen solltest. Von einer Kraft bewegt, die in keinem Verhältnis zu deinem Körper stand, träumtest du davon, die Welt zu verändern. Mit den ersten Schritten in die Welt der Erwachsenen hast du das Träumen verlernt. Irgendwo auf diesem Weg hast du verloren, was du sorgfältig suchtest –den Mut, deine Träume zu leben. Du, eine Künstlerin, deren Aufgabe es ist Neues zu schaffen, hast dich von der Wahrheit der Lüge überzeugen lassen. Davon, dass die Welt so ist wie sie erzählt wird und du daran nichts ändern kannst. Die Verführungzur Einsicht und Erkenntnis blieb aus und du hast deine Neugierde unter einem zustimmenden Nicken begraben.

Die Menschen erzählen über dich, dass das Rot aufdeinen Wangen vor der Blässe flieht und deine Augen mit jedem neuen Tag kleiner werden. Für sie bist du das traurigste Mädchen, dem sie jemals begegnet sind. Sie sagen, alle jungen Leute seien traurig und dass das vorbei gehen werde. Aber dass jemand verwelkte Blumen pflückt und an den blühenden vorbei geht erschreckt sie.

In Wahrheit hat die Wirklichkeit deinen Träumen nicht standgehalten. „Ich bereue nichts in meinem Leben“, denkst du. Falsch. Du bereust, dich niemals gefragt zu haben, womit du dein Leben verbringen möchtest. Kannst du denn sagen, wonach du dich sehnst? Natürlich nicht. Du weißt so wenig über dich. Du bist nicht müde vom Tag, sondern vom Leben und von seiner vorgeblichen Aussichtslosigkeit und das in deinem jungen Alter.

Entmutigt und ohnmächtig vor Wut, glaubst du nicht mehr daran, etwas verändern zu können. Wie auch, wenn dieselbe politischen Kultur, die so inbrünstig und wortreich und mit so vielen Übertreibungen ihre Notwendigkeit und Alternativlosigkeit schreit, verhindert, etwas bislang Unsichtbares, Unmögliches sichtbar zu machen. Irgendwo aufdiesem Weg verlieren wir, was wir eigentlich gesucht haben –den Wohlstand für alle. Wie es dir damit geht? „Nicht gut“. Aber die vorhandene Demokratie ist wie ein Filter der sicherstellt dass sich nichts wirklich verändert.

Aus einer verzweifelten Schüchternheit heraus hast du niemals versucht Möglichkeiten zu kreieren, die in der bestehenden Welt ganz und gar unmöglich erscheinen. Du träumst von Freiheit und Gerechtigkeit und glaubst den großen Leuten blind, die dir versichern, das sei nicht möglich. Niemals hast du die geringste Andeutung gemacht, dass du mit deinem Leben nicht zufrieden bist. Wie auch, du kennst jaschließlich nur das eine. Ob du zufrieden bist? Nein.

Du, eine Liebhaberin des Fremden, wurdest menschenscheu, unnahbar. Wirst du weiter machen wie zuvor? Aufkeinen Fall.

Sie nimmt einen Biss von der roten Frucht und wischt mit ihrem Ärmel die Brotkrümel vom Tisch. Ein Seufzer der Erleichterung fließt über ihre Lippen. Sie steht auf, geht zur Tür hinaus, hinein in die Morgenkühle, auf die Straße. Ihre Schritte tauchen ein in die Stadt, barfuß auf dem Tau über die Wiese hinauf zum Baum. Dort setzt sie sich in den Schatten ihrer Worte. Sie beobachtet das Ende der Täuschung. Eine Politik des Unmöglichen beginnt mit einer Ent-Täuschung.

| Rahel Sophia Süß

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