Intensivstudium Public Management Fachhochschule Aargau
Mit der Lokalen Agenda 21 zur nachhaltigen Entwicklung von Turgi
Schmid Erich, Gemeindeschreiber Turgi
GEMEINDE TURGI
Lokale Agenda 21
PRAXISARBEIT Einführung einer Lokalen Agenda 21 für Turgi
Verfasser
Schmid Erich Gemeindeschreiber Lägernblick 20 5300 Turgi Gemeindekanzlei Turgi Tel. 056 201 70 10 Fax. 056 201 70 15 E-Mail erich.schmid@turgi.ch Homepage www.turgi.ch
Dozent
Winter Thomas, Oekologe und Dozent FHS Im Schatzacker 5, 8600 Dübendorf Stiftung SWO Wirtschaft und Oekologie Im Schatzacker 5, 8600 Dübendorf Tel. 01 822 13 40 Fax. 01 822 13 66 E-Mail winswo@swissonline.ch
Höhere Ausbildung für die öffentliche Verwaltung
Schule
Fachhochschule Aargau, für Technik, Wirtschaft und Gestaltung Bereich Fort- und Weiterbildung Martinsberg 5401 Baden Tel. Fax. E-Mail Homepage
056 203 10 50 056 203 10 51 w-info@fh-aargau.ch www.fh-aargau.ch
Turgi, 30. August 2002
Schmid Erich, Turgi
Praxisarbeit IPM, 30. August 2002
2
GEMEINDE TURGI
Lokale Agenda 21
Vorwort Vor zehn Jahren haben Staatschefs aus der ganzen Welt in Rio de Janeiro den Begriff "nachhaltige Entwicklung" in die internationale Politik eingeführt. Wege müssten gefunden werden, um die ökologische, soziale und wirtschaftliche Entwicklung auf einen Nenner zu bringen. Die Entwicklung und die Zukunft von Turgi geht uns alle an.
Im Aktionsprogramm "Agenda 21" ist als ein Punkt die "Lokale Agenda 21" vorgesehen. Gerade an der Basis der Gesellschaften, in den Städten und Gemeinden, müsse das Bewusstsein für die Nachhaltigkeit geweckt werden und es sollen lokale Programme für eine nachhaltige kommunale Entwicklung beschlossen und durchgeführt werden. Wichtig dabei sei der Dialog zwischen der Bevölkerung, den lokalen Organisationen und der Wirtschaft. Die Praxisarbeit von Erich Schmid stellt für unsere Gemeinde den wertvollen Impuls dar, das lokale Geschehen einmal im grossen, globalen Zusammenhang zu verstehen. Unter diesem Gesichtspunkt wird in einer Analyse der Gemeindeentwicklung aufgezeigt, wo bereits "nachhaltige" Ansätze zu finden sind. Den konkreten Vorschlag, wie eine "Lokale Agenda" in unserer Gemeinde lanciert und umgesetzt werden könnte, sehe ich als Chance, die Leitbilddiskussion aus dem Jahr 1990 wieder aufzugreifen, um in einem neuartigen, begleiteten und breiter abgestützten Prozess die Zukunft unserer Gemeinde zu planen und zu gestalten.
Theo Wenger Gemeindeammann Turgi
Schmid Erich, Turgi
Praxisarbeit IPM, 30. August 2002
3
GEMEINDE TURGI
Lokale Agenda 21
Ziel und Zweck dieser Praxisarbeit Diese Praxisarbeit, die als Diplomarbeit des IPM-Kurses erstellt wurde, soll aufzeigen, was die Gemeinde Turgi in den letzten Jahren bereits unternommen hat im Sinne der „Lokalen Agenda 21“. Sie soll auch aufzeigen, welche weiteren Schritte unternommen werden können.
Ein Anfang, der immer weiterbearbeitet werden muss.
Heute stellen sich auch in Turgi viele Fragen, wie etwa: Wohin soll sich die Gemeinde noch entwickeln? Wie kann die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen gesellschaftlichen Kräften gestärkt werden? Wie können die Aufgaben im Sozialbereich, in der Oekologie und die Gemeindefinanzen in ein Gleichgewicht gebracht werden? Wie erhält die Jugend wieder Perspektiven? Wie können Arbeitsplätze geschaffen und erhalten werden? Wie können Verkehrsprobleme gelöst werden? Wo und wie soll sich Turgi wirtschaftlich positionieren? Die Gemeinde Turgi hat zwar in der Vergangenheit einige Projekte mit Ausrichtung auf eine nachhaltige Entwicklung realisiert - sei dies aus einem natürlichen Gefühl für die Lebensqualität oder sei dies ganz gezielt. Diese Praxisarbeit ist nach der umfangreichen Bewerbungsarbeit für den Wakkerpreis des Schweizer Heimatschutzes und den Energiemassnahmen für das Energielabel die logische Folge für den Startpunkt eines breit abgestützten Lokale-Agenda-21Prozesses. Diese Schrift soll zeigen, wie wichtig das Mitdenken aller Turgemerinnen und Turgemer für die gemeinsame Zukunft ist. Ich danke insbesondere dem Dozenten, Herrn Thomas Winter, für die Begleitung an diesem Projekt und allen Helferinnen und Helfern der Gemeindeverwaltung.
Erich Schmid Gemeindeschreiber Turgi
Schmid Erich, Turgi
Praxisarbeit IPM, 30. August 2002
4
GEMEINDE TURGI
Lokale Agenda 21
Inhaltsverzeichnis 1
Einleitung ................................................................ 9 1.1
Uebersicht ......................................................................................................... 9
1.2
Global denken - lokal handeln ........................................................................ 10
1.3
Agenda 21 ....................................................................................................... 11
1.4
Lokale Agenda 21 ........................................................................................... 14
2
Global denken ....................................................... 17 2.1
Nachhaltigkeit ................................................................................................. 17
2.2
Wohn- und Lebensqualität .............................................................................. 20
2.3
Gesellschaft der Zukunft – demografisch überaltert!...................................... 21 2.3.1 2.3.2 2.3.3 2.3.4
Prognosen ..................................................................................................... 21 Wirkungen auf die Gesellschaft.................................................................... 22 Folgen für die Wirtschaft .............................................................................. 23 Folgen für die Politik .................................................................................... 25
2.4
Heimat............................................................................................................. 27
2.5
Staat ................................................................................................................ 28
2.6
Wirtschaft........................................................................................................ 29
2.7
Umwelt............................................................................................................ 31 2.7.1
Die Grundprinzipien ..................................................................................... 31
2.8
Gesundheit und Wohlbefinden........................................................................ 34
2.9
Indikatoren nachhaltigen Wirtschaftens.......................................................... 35 2.9.1 2.9.2 2.9.3 2.9.4 2.9.5 2.9.6 2.9.7 2.9.8 2.9.9
Begriff........................................................................................................... 35 Lebensqualität............................................................................................... 35 Wohlstand..................................................................................................... 36 Wachstum ..................................................................................................... 37 Lokale Nachhaltigkeit................................................................................... 37 Gesellschaftliche Indikatoren (sozialverträglich?) ........................................ 38 Wirtschaftliche Indikatoren (wirtschaftsverträglich?)................................... 38 Ökologische Indikatoren (umweltverträglich?)............................................. 38 Erfolgskontrolle ............................................................................................ 39
2.10 Förderprogramm des Bundes .......................................................................... 40
3
Lokal handeln........................................................ 41 3.1
Die Gemeinden der Schweiz........................................................................... 41
3.2
Die Problemfelder ........................................................................................... 43 3.2.1 3.2.2 3.2.3 3.2.4 3.2.5 3.2.6 3.2.7
3.3
Lösungsansätze ............................................................................................... 45 3.3.1 3.3.2 3.3.3 3.3.4 3.3.5 3.3.6
Schmid Erich, Turgi
Ueberhäufung von Vorschriften.................................................................... 43 Bevölkerungsstagnation................................................................................ 43 Fluktuationsrate, Kundenpflege .................................................................... 43 Desinteresse der Bevölkerung....................................................................... 43 Personalmangel............................................................................................. 44 Zerfall der sozialen Kontrolle ....................................................................... 44 Ursachen der heutigen Gemeindeprobleme .................................................. 44 Bewahrung der Autonomie ........................................................................... 45 Kooperation .................................................................................................. 45 Schlanke Strukturen...................................................................................... 45 Liberalisierung der Vorschriften................................................................... 45 Risk-Management......................................................................................... 46 Meisterung der heutigen Gemeindeprobleme ............................................... 46
Praxisarbeit IPM, 30. August 2002
5
GEMEINDE TURGI
Lokale Agenda 21 3.4
Kernaufgaben der Gemeinde........................................................................... 47 3.4.1 3.4.2 3.4.3 3.4.4 3.4.5 3.4.6
Sicherheit ...................................................................................................... 47 Sozialwesen .................................................................................................. 47 Infrastruktur .................................................................................................. 47 Bildungswesen.............................................................................................. 48 Kommunikation ............................................................................................ 48 Rechtskontrolle ............................................................................................. 48
3.5
Gemeindereform ............................................................................................. 49
3.6
Turgi................................................................................................................ 50 3.6.1 3.6.2 3.6.3 3.6.4
3.7
Bevölkerung.................................................................................................... 55 3.7.1 3.7.2 3.7.3 3.7.4
3.8
Einwohnerentwicklung ................................................................................. 55 Fluktuation.................................................................................................... 56 Zu- und Wegzugsgründe............................................................................... 57 Kleinere Familien ......................................................................................... 58
Leitbild............................................................................................................ 59 3.8.1 3.8.2 3.8.3
3.9
Lage .............................................................................................................. 50 Kurzportrait von Turgi.................................................................................. 50 Statistik ......................................................................................................... 52 Finanzielle Entwicklung ............................................................................... 53
Visionen........................................................................................................ 60 Leitsätze........................................................................................................ 60 Ziele.............................................................................................................. 61
Siedlung .......................................................................................................... 62 3.9.1 3.9.2 3.9.3 3.9.4 3.9.5
Siedlungsqualität........................................................................................... 62 Checkliste für die Beurteilung von Siedlungsqualität ................................... 64 Siedlungsfläche für Einfamilienhäuser ......................................................... 65 Infrastrukturkosten........................................................................................ 66 Verdichtung .................................................................................................. 68
3.10 Oeffentlicher Raum......................................................................................... 70 3.11 Raumplanung .................................................................................................. 71 3.11.1 3.11.2 3.11.3 3.11.4 3.11.5 3.11.6
Primäre Aufgaben der kommunalen Raumplanung ...................................... 73 Die Planungsinstrumente der Gemeinde ....................................................... 74 Bau- und Nutzungsplanung........................................................................... 76 Mitwirkung, Mitarbeit und Rechtsschutz in der Raumplanung..................... 79 Inventar schützenswerter Bauten .................................................................. 80 Nachhaltig Bauen.......................................................................................... 81
3.12 Verkehrsmanagement...................................................................................... 82 3.13 Wald................................................................................................................ 83 3.14 Wasser............................................................................................................. 85 3.15 Label „Energiestadt Turgi“ ............................................................................. 87 3.16 Wakkerpreis 2002 ........................................................................................... 93 3.16.1 3.16.2 3.16.3 3.16.4 3.16.5
Förderung guter Gegenwartsarchitektur ....................................................... 93 Aufwertung des öffentlichen Raumes........................................................... 93 Verkehrsplanung zur Erhöhung der Wohnqualität........................................ 94 Flusslandschaft, Parks und Einzelbäume ...................................................... 94 Öffentlichkeitsarbeit, Schaffen von Identifikationsmöglichkeiten................ 94
3.17 Standortmarketing........................................................................................... 95 3.17.1 3.17.2 3.17.3 3.17.4
Begriff........................................................................................................... 95 P-Modell ....................................................................................................... 95 Standortattraktivität ...................................................................................... 96 Standortmarketing-Konzept.......................................................................... 97
3.18 Politik.............................................................................................................. 99 3.18.1
Ehrenamtliche Arbeit.................................................................................... 99
3.19 Verwaltung.................................................................................................... 101 3.19.1 3.19.2 3.19.3
Management ............................................................................................... 101 Strukturen ................................................................................................... 101 Ressourcen.................................................................................................. 101
3.20 Merkmale einer nachhaltigen Kommunalpolitik........................................... 102
Schmid Erich, Turgi
Praxisarbeit IPM, 30. August 2002
6
GEMEINDE TURGI
Lokale Agenda 21
4
Kommunale Handlungsfelder ............................. 103 4.1
Gesellschaft................................................................................................... 105 4.1.1 4.1.2 4.1.3 4.1.4 4.1.5 4.1.6 4.1.7 4.1.8 4.1.9 4.1.10 4.1.11 4.1.12 4.1.13 4.1.14 4.1.15 4.1.16 4.1.17 4.1.18
4.2
Umwelt.......................................................................................................... 110 4.2.1 4.2.2 4.2.3 4.2.4 4.2.5 4.2.6 4.2.7 4.2.8 4.2.9 4.2.10 4.2.11 4.2.12 4.2.13 4.2.14 4.2.15 4.2.16 4.2.17 4.2.18 4.2.19 4.2.20 4.2.21 4.2.22 4.2.23 4.2.24
4.3
Raum- und Flächennutzung ........................................................................ 110 Naturraum- und Landschaft ........................................................................ 110 Walderhaltung............................................................................................. 111 Hecken........................................................................................................ 111 Wildbahnvernetzung................................................................................... 111 Förderung seltener Tiere ............................................................................. 111 Landwirtschaft ............................................................................................ 112 Energie........................................................................................................ 112 Lokale Energiebuchhaltung ........................................................................ 112 Heizung....................................................................................................... 113 Qualität der örtlichen Aussenluft ................................................................ 113 Oberflächen-, Grundwasser ........................................................................ 113 Ortsplanung ................................................................................................ 113 Verkehr ....................................................................................................... 114 Fussgänger .................................................................................................. 114 Velofahren .................................................................................................. 114 Bodennutzung............................................................................................. 114 Lärmschutz ................................................................................................. 115 Luftreinhaltung ........................................................................................... 115 Strahlung..................................................................................................... 116 Wasserverbrauch......................................................................................... 116 Abwasserentsorgung................................................................................... 117 Abfall.......................................................................................................... 117 naturama – ein dreidimensionales Bilderbuch ............................................ 119
Wirtschaft...................................................................................................... 120 4.3.1 4.3.2 4.3.3 4.3.4 4.3.5 4.3.6 4.3.7 4.3.8 4.3.9 4.3.10 4.3.11 4.3.12 4.3.13
Schmid Erich, Turgi
Zufriedenheit der Einwohner/innen ............................................................ 105 Information ................................................................................................. 106 Schulen ....................................................................................................... 106 Kulturelle Identität...................................................................................... 106 Freizeit........................................................................................................ 106 Sondertage .................................................................................................. 106 Vereine ....................................................................................................... 107 Quartierförderung ....................................................................................... 107 Jugendförderung ......................................................................................... 107 Wohnen für Senioren .................................................................................. 107 Migration .................................................................................................... 108 Sicherheit .................................................................................................... 108 Gesundheit und Soziales ............................................................................. 108 Arbeitsmöglichkeiten.................................................................................. 108 Lokal gelebte Demokratie........................................................................... 108 Zukunftsrat.................................................................................................. 109 Oertliches Angebot an öffentlichen Grünflächen........................................ 109 Gemeindeorganisation ................................................................................ 109
Wirtschaftsförderung .................................................................................. 120 Aufschwung................................................................................................ 120 Kommunikationsprozess............................................................................. 121 Vorhaben unterstützen ................................................................................ 121 Mobilität ..................................................................................................... 121 Effekte optimieren ...................................................................................... 121 Tourismus ................................................................................................... 121 Information, Weiterbildung ........................................................................ 121 Arbeitsplätze............................................................................................... 121 Kommunales Gewerbe................................................................................ 122 Regionale Wirtschaftsförderung ................................................................. 122 Solidarität mit anderen Regionen................................................................ 122 Gemeindefinanzen ...................................................................................... 122
Praxisarbeit IPM, 30. August 2002
7
GEMEINDE TURGI
Lokale Agenda 21
5
Umsetzung Lokale Agenda 21 Turgi ................. 123 5.1
Qualität der Lokalen Agenda 21 ................................................................... 123
5.2
Prozessablauf Lokale Agenda 21 Turgi ........................................................ 124 5.2.1 5.2.2 5.2.3 5.2.4 5.2.5
5.3
Organe........................................................................................................... 127 5.3.1 5.3.2 5.3.3 5.3.4 5.3.5 5.3.6 5.3.7
5.4
6
Vorbereitungsphase .................................................................................... 125 Lokale Ausgangslage klären ....................................................................... 125 Start-Event, Eröffnung der Lokalen Agenda 21.......................................... 125 Prozessoptimierung..................................................................................... 126 Umsetzung .................................................................................................. 126 Agenda-Rat (Lenkungsausschuss) .............................................................. 127 Agenda-Beirat............................................................................................. 127 Projektleitung.............................................................................................. 127 Agenda-Büro .............................................................................................. 127 Projektgruppen............................................................................................ 127 Koordinationsrunde .................................................................................... 128 Ablauf ......................................................................................................... 129
Förderprogramm des Bundes für Nachhaltige Entwicklung ......................... 131
Schlusswort......................................................... 133
Anhänge I. 7
II. 8
III.
Schmid Erich, Turgi
Harmonie am Limmatknie
Harmonie am Limmatknie Bericht der Fachzeitschrift Architektur & Technik Nr. 8/2002 über die mit dem Wakker-Preis des Schweizer Heimatschutzes verliehene Gemeinde Turgi
Quellennachweis ................................................. 134
Quellennachweis Nachhaltigkeitsbarometer .................................. 136
Nachhaltigkeitsbarometer
Praxisarbeit IPM, 30. August 2002
8
GEMEINDE TURGI
Global denken
1
Einleitung
1.1
Uebersicht
Lokale Agenda 21
„Global denken“ Die Einleitung und der 2. Teil über das grundsätzliche globale Denken regen zu Gedanken an, um über die Welt, die Zukunft und die Heimat zu philosophieren.
„Lokal handeln“ Im dritten Teil werden zuerst die allgemeinen gemeindespezifischen Probleme beschrieben und dann aufgezeichnet, was Turgi in dieser Richtung schon unternommen hat.
„Kommunale Handlungsfelder Turgi“ Im vierten Teil sind eine Vielzahl von Handlungsmöglichkeiten in Turgi aufgezählt. Die Liste kann und darf nicht abschliessend sein, denn die Bevölkerung soll im Rahmen der „Lokalen Agenda 21“ solche Ideen weiterentwickeln oder neue Ideen schaffen.
„Umsetzung der Lokalen Agenda 21 in Turgi“ Der letzte Teil ist der konkreten Umsetzung von der Einführung bis zum Vollzug der Lokalen Agenda 21 in Form eines Prozessablaufes gewidmet.
Schmid Erich, Turgi
Praxisarbeit IPM, 30. August 2002
9
GEMEINDE TURGI
Global denken
1.2
Global denken - lokal handeln
Lokale Agenda 21
♦ Zukunftsbeständige Gemeinde ♦ Nachhaltige Kommune ♦ Lokale Agenda 21 Für die zukunftsbeständige Gemeinde sind neue Ideen gefragt, es braucht mehr Raum für Kreativität und auch den Mut, vertraute Wege zu verlassen. Wir müssen unsere Schwächen und Die Gemeinde ist ein Stärken kennen, die Stärken ausbauen, die Schwächen Teil des Ganzen. sukzessive beheben. Auch wollen wir offen sein für die Zusammenarbeit mit neuen Partnern, damit in Zeiten der Knappheit möglichst viele Synergien genutzt werden können. „Lokale Agenda 21“ - ein Begriff, der im Zusammenhang mit „Nachhaltige Gemeinde“ auch in schweizerischen Gemeinden und Städten langsam ins Bewusstsein dringt. Die Lokale Agenda 21 kann für Turgi eine zeitgemässe Form sein, verschiedene zum Teil bereits bestehende lokale Initiativen und Aktivitäten zur Sicherung der Zukunftsbeständigkeit der Gemeinde zu vernetzen. Die nachhaltige Entwicklung ist seit der Revision der Bundesverfassung von 1998 als grundlegende Staatsaufgaben ein Thema der Weltpolitik. Es ist mit der Konferenz von Rio der ganzen Welt klar geworden, dass die Probleme global zu lösen sind. Wenn sich die Wirtschaftsräume globalisieren, müssen sich die Räume, in denen die politischen Lösungen gesucht werden, letztlich auch globalisieren. Humanitäre Ideen und geistige Entwicklungen sollen ebenso weltumfassend werden. Dennoch konzentrieren wir uns auf die Gemeinden und die Regionen. Dies bedeutet, sich im Kleinen so zu verhalten, dass das lokale Handeln als Teil des weltweiten Denk- und Umdenkprozesses verstanden wird. Im Sinne der Ethik von Kant1 soll sich jeder so verhalten, wie er wünscht, dass alle sich verhalten!
1
Kant Immanuel (1724 - 1804) Der deutsche Philosoph Immanuel Kant stammte aus einer pietistischen Handwerkerfamilie in Königsberg. Er studierte in Königsberg 1740 - 1746 Philosophie, Mathematik und Theologie.
Schmid Erich, Turgi
Praxisarbeit IPM, 30. August 2002
10
GEMEINDE TURGI
Global denken
1.3
Agenda 21 „Die zu erledigenden Dinge des 21. Jahrhunderts“
„Agenda“ ist lateinisch und heisst: „die zu erledigenden Dinge“.
1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 21. 22. 23. 24. 25. 26. 27. 28. 29. 30. 31. 32. 33. 34. 35. 36. 37. 38. 39. 40.
Lokale Agenda 21
An der Konferenz der Vereinigten Nationen für Umwelt und Entwicklung (UNCED) im Juni 1992 in Rio de Janeiro wurden fünf verschiedene Dokumente verabschiedet. Darunter auch die Agenda 21. Die Agenda 21 ist ein Konsenspapier mit 40 Kapiteln:
Präambel zur Agenda 21: Keine Nation kann sich ihre Zukunft alleine sichern - gemeinsam aber schon! Internationale Zusammenarbeit Kampf gegen die Armut Konsumverhalten ändern Wir wollen von den Bevölkerung und nachhaltige Entwicklung Dividenden und nicht Schutz und Förderung der Gesundheit vom Kapital der UmNachhaltig menschliche Siedlungsformen welt leben! Entscheidungen für die nachhaltige Entwicklung Schutz der Atmosphäre Nachhaltige Bewirtschaftung von Bodenressourcen Bekämpfung der Entwaldung Kampf gegen Desertifikation und Trockenheit Nachhaltige Entwicklung der Berggebiete Nachhaltige Landwirtschaft und Entwicklung des ländlichen Raums Erhaltung der biologischen Vielfalt Umweltgerechter Umgang mit Biotechnologie Schutz und Nutzung der Ozeane Schutz und Nutzung von Süsswasser Sicherer Umgang mit giftigen Chemikalien Umgang mit gefährlichen Abfällen Umgang mit festen Abfällen und Abwässern Sicherer Umgang mit radioaktiven Abfällen Präambel zu den Kapiteln über die Stärkung der Partnerschaft Frauen bei einer nachhaltigen Entwicklung Kinder und Jugendliche bei einer nachhaltigen Entwicklung Stärkung der Rolle der Eingeborenenvölker Partnerschaft mit Nicht-Regierungsorganisationen Lokalbehörden (Lokale Agenda 21) Arbeiter und Gewerkschafter Stärkung der Rolle von Handel und Industrie Wissenschafter und Technologen Die Rolle der Bauern stärken Finanzierung einer nachhaltigen Entwicklung Transfer umweltgerechter Technologien Wissenschaft und nachhaltige Entwicklung Erziehung, Ausbildung und Sensibilisierung Schaffen der Kapazitäten Organisation für eine nachhaltige Entwicklung Internationale Gesetzgebung Information für die Entscheidungsfindung
Schmid Erich, Turgi
Praxisarbeit IPM, 30. August 2002
11
GEMEINDE TURGI
Global denken
Lokale Agenda 21
Die Agenda 21 (die Zahl bezieht sich auf das laufende Jahrhundert) ist ein umfassender, weltweiter Problemkatalog mit Ansätzen zu Massnahmen zur Gewährleistung einer sozial, wirtschaftlich und umweltmässig nachhaltigen Entwicklung auf der ganzen Erde. Sie fordert die umfassende Betrachtung von Umweltanliegen, sozialer Gerechtigkeit und zukunftsfähigem Wirtschaften. Dabei sollen die kulturellen Eigenschaften einer Region bewahrt und eine gerechte Verteilung der Güter für alle Erdenbürger angestrebt werden. Zentrale Bedeutung haben die Bekämpfung der Armut sowie die Sicherung der Gesundheit und der Erziehung. Die Agenda 21 ist von 179 Staaten unterzeichnet worden - auch von der Schweiz! Heute, 10 Jahre nach der UN-Konferenz in Rio, fällt die Bilanz des Erreichten äusserst ernüchternd aus. Die Probleme haben sich weltweit in den meisten Feldern in den letzten Jahren noch weiter verschärft. Der Jahresbericht des Washingtoner Worldwatch-Institutes zeichnet ein pessimistisches Bild vom Zustand der Erde und ihrer Bevölkerung. Von einer nachhaltigen Entwicklung sind wir noch weit entfernt. Die globalen Probleme Umweltzerstörung und Armut seien dringender denn je. „Alleine die Tatsache, dass 1,2 Milliarden Menschen keinen Zugang zu sauberem Wasser haben, ist ein Skandal für die Menschheit des 21. Jahrhunderts.“ Die USUmweltorganisation fordert deshalb, Umweltzerstörung und Armut genauso konsequent zu bekämpfen wie den Terrorismus, welcher oft seine Wurzeln in der absolut ungerechten Verteilung des Wohlstandes hat. Machtpolitisch, strategisch und wirtschaftlich ist es jedoch für die wohlhabenden Nationen lukrativer, Unsummen für teure Waffen und Sicherheitssysteme zu verwenden, statt das Geld in ernstgemeinte nachhaltige Entwicklungs- und Friedensprojekte zu investieren. Nachhaltigkeit bedeutet, in Zeitdimensionen von mehreren Generationen zu denken. Dies könne von sogenannten Entscheidungsträgern in Politik und Wirtschaft nicht unbedingt erwartet werden, sind doch die meisten während der oft nur ein paar Jahre dauernden Aktivzeit primär damit beschäftigt, ihr eigenes Ansehen nachhaltig zu prägen. Daher könne von dieser Kaste leider kaum zukunftsgerichtete Konzepte für mehr Gerechtigkeit, Frieden und eine intakte Umwelt erwartet werden.2
2
Schmid Erich, Turgi
Quelle: UMWELT; Magazin des BUWALL, 5/2002
Praxisarbeit IPM, 30. August 2002
12
GEMEINDE TURGI
Gipfel-Generalsekretär Nitin Desai forderte zum gemeinsamen Kampf gegen die Trennung der Welt in Arm und Reich auf: „Wir müssen diese Form der Apartheid genauso angreifen wie einst die Apartheid in Südafrika“.
Global denken
Lokale Agenda 21
Vom 26. August bis 4. September 2002 findet in Johannesburg der UNO-Weltgipfel für nachhaltige Entwicklung statt. Zehn Jahre nach Rio soll Bilanz gezogen werden „Rio+10“ und wichtige Verträge warten auf die Ratifizierung. Wenn Ende August im südafrikanischen Johannesburg mehr als 40’000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Wirtschaft, Politik und Nichtregierungsorganisationen zu einer der grössten Konferenzen in der Geschichte zusammenkommen, dann scheint schon das Zustandekommen dieser Konferenz ein Erfolg zu sein. Noch niemals zuvor haben die Themen „Umwelt“ und „Entwicklung“ sowie der Versuch, sie miteinander in Einklang zu bringen, ein dermassen breites Echo gefunden - zumindest was die Teilnehmerzahl angeht. Allerdings steht über diesem UNO-Weltgipfel kein guter Stern. Gleich zu Beginn kochte etwa der Streit um den Ausbau der Entwicklungshilfe sowie den Abbau der Kohle- und Agrarsubventionen auf. Ein erstes auf der Konferenz diskutiertes Kompromisspapier geht den Entwicklungsländern nicht weit genug. Der Abbau der Subventionen werde darin zu wenig angesprochen. Die Industrieländer sitzen in der Klemme: Die Welthandelsorganisation (WTO) hatte im Jahr 2001 in Doha beschlossen, bis Anfang 2005 über den Abbau der Agrarsubventionen zu verhandeln. Die Entwicklungsländer möchten jedoch bereits in Johannesburg konkrete Zusagen. Zweiter grosser Brennpunkt ist die Forderung der EU, dass der Anteil alternativer Energien weltweit 15 Prozent der Gesamterzeugung betragen sollen. Bislang wird in Johannesburg erst noch diskutiert, welche Energien überhaupt alternativ sind. Nach Auskunft der Internationalen Energie-Agentur (IEA) umfassen bereits heute die erneuerbaren Energien knapp 14 Prozent an der Energieerzeugung, wenn man grosse Wasserkraftwerke und die traditionelle Holzverbrennung dazu zählt. Allein die Holzverfeuerung zum Kochen und Heizen macht nach diesen Zahlen 9,5 Prozent der Weltenergie aus. Umweltgruppen favorisieren den Vorschlag Brasiliens, den Anteil der wirklich modernen erneuerbaren Energien - ohne grosse Wasserkraftwerke und Holzverbrennung - bis 2010 auf 10 Prozent zu steigern.
Schmid Erich, Turgi
Praxisarbeit IPM, 30. August 2002
13
GEMEINDE TURGI
Global denken
1.4
Lokale Agenda 21
Lokale Agenda 21
Gemeinde und Städte haben eine Schlüsselfunktion für die nachhaltige Entwicklung. Aufgrund des föderalistischen Systems haben die Gemeinden in der Schweiz besonders grosse Entscheidungs- und Handlungsmöglichkeiten. Verschiedenste gesellschaftliche Kräfte, wie z.B. Behörden, Unternehmungen, Vereine, Parteien und Bevölkerung, bilden auf lokaler Ebene ein einmaliges Netz mit einem riesigen Fundus an Fähigkeiten und Ideen. Durch eine Zusammenarbeit dieser Kräfte und die Integration von ökologischer Nachhaltigkeit, ökonomischer Verträglichkeit und sozialer Gerechtigkeit entsteht neuer Schwung für die Zukunft. Gerade die Gemeinden haben heute vielfältige Probleme. Die einen drohen im Verkehr zu ersticken, die anderen verlieren zusehends Steuereinnahmen oder Arbeitsplätze, wieder andere möchten die Wohnqualität verbessern, das Zusammenleben verschiedener Kulturen positiv gestalten oder das kulturelle Leben generell aufleben lassen. Im Kapitel 28 der Agenda 21 heisst es: „Da viele der in der Agenda 21 angesprochenen Probleme und Lösungen auf Aktivitäten in der örtlichen Ebene zurückzuführen sind, ist die Beteiligung und eine leistungsfähige Wirtschaft, Mitwirkung der Kommunen ein entscheidender eine solidarische Gesellschaft und Faktor bei der Verwirklichung der in der Agenda eine gesunde Umwelt. enthaltenen Ziele.“ Auf lokaler Ebene sollen also Zielsetzungen entwickelt und Handlungsmöglichkeiten aufgezeigt und umgesetzt werden. Jede Gemeinde weltweit ist somit aufgefordert, im Sinne der Agenda 21 ein eigenes Programm einer nachhaltigen Dorfentwicklung aufzustellen. Zur Erstellung dieses Programms werden die Kommunalverwaltungen aufgerufen, in einen Dialog mit ihren Bürgern, örtlichen Organisationen und der Privatwirtschaft einzutreten und die Lokale Agenda 21 zu beschliessen. Alle streben mit der „Lokalen Agenda 21“ dieselben Ziele an:
Die verschiedenen Interessenvertreter einer Gemeinde, Behörden, Wirtschaft, Vereine und Bevölkerung, arbeiten in einem „Lokalen Agenda 21“-Prozess gemeinsam an Visionen für die Zukunft. Sie definieren Ziele, formulieren Massnahmen und realisieren lokale Schritte für eine Entwicklung, die ökologisch nachhaltig, ökonomisch verträglich, sozial gerecht und weltweit solidarisch ist. Nur wenn Lösungen im Dorf oder Quartier von möglichst vielen (allen) Menschen mitgetragen werden, besteht eine reelle Chance, dass sie auch umgesetzt werden können. Die Lokale Agenda 21 ist auf eine langfristige Perspektive ausgerichtet. Es geht darum, eine Vision für die Zukunft zu entwickeln, um dann in kleinen konkreten Umsetzungsschritten dieser näher zu kommen.
Schmid Erich, Turgi
Praxisarbeit IPM, 30. August 2002
14
GEMEINDE TURGI
Global denken
Lokale Agenda 21
Bisher sind Entscheidungen vielleicht auf Anregung von Interessengruppen grösstenteils durch die Exekutiven gefällt worden und in z. T. langwierigen Prozessen durch die Verwaltung vollzogen worden:
Entschluss Regierung Ideen Parteien Interessengruppen
Vollzug Verwaltung Kommissionen
VOLK
Im Rahmen eines Lokalen-Agenda-21-Prozesses oder einzelne Projekte können aktuelle Fragen beantwortet und gemeinsame Ziele und Pläne für die langfristige Sicherung der Lebensqualität geschmiedet und von allen getragen werden. Die Bevölkerung und die einzelnen Gruppierungen halten mehr zusammen und identifizieren sich stärker mit der Gemeinde. Sie interessieren sich für deren Anliegen und arbeiten mehr mit. Die Chancen der Verwirklichung von tragfähigen Schritten für eine nachhaltige Entwicklung erhöhen sich wesentlich:
Entschluss Regierung Ideen Parteien Vereine
Lokale Agenda 21
Vollzug Verwaltung Kommissionen
VOLK
Die Bevölkerung hat die Möglichkeit, ohne politische Umwege zu wirken.
Schmid Erich, Turgi
Praxisarbeit IPM, 30. August 2002
15
GEMEINDE TURGI
Global denken
Lokale Agenda 21
In der Schweiz laufen zur Zeit einige Dutzend solcher Projekte, bei denen Ideen aus allen Kreisen der Bevรถlkerung aufgenommen und in realisierbare Vorhaben umgesetzt werden. Im Aargau sind es vor allem die Stadt Rheinfelden und die Gemeinde Windisch, welche in dieses Programm eingestiegen sind.
Windisch
Schmid Erich, Turgi
Praxisarbeit IPM, 30. August 2002
16
GEMEINDE TURGI
Global denken
2
Global denken
2.1
Nachhaltigkeit
Lokale Agenda 21
Das Konzept der Nachhaltigkeit ist eine sehr weitreichende allgemeine Idee, die im Einzelnen konkret interpretiert werden muss. Im Duden wird „nachhaltig“ mit „anhaltend, lange nachwirkend, dauernd“ umschrieben. Das Konzept der Nachhaltigkeit lässt sich bis ins 14. Jahrhundert zurückverfolgen. Schon damals existierte eine nachhaltige Forstwirtschaft, die darauf basierte, „nicht mehr Holz zu schlagen, als nachwächst“. Die Förster verstanden dann im 18. Jahrhundert unter der Nachhaltigkeit optimale Holzerträge bei Schonung von Standort und Boden. Der Brundtland-Bericht von 1987 griff dieses Prinzip auf, passte es an und lancierte damit das Thema Nachhaltigkeit neu. Nachhaltigkeit ist also ein äusserst positiver Begriff geworden - geradezu das Gegenteil von Kurzsichtigkeit, Konzeptions- und Planlosigkeit. Wir verhalten uns so, dass die Chancen nachfolgender Generationen ebenso gross sind wie unsere eigenen.
Nachhaltig ist eine Entwicklung, welche weltweit die heutigen Bedürfnisse zu decken vermag, ohne für künftige Generationen die Möglichkeit zu schmälern, ihre eigenen Bedürfnisse zu decken.3 Die neue Bundesverfassung vom 18.12.1998 nimmt in der Präambel und in den Art. 2 und 73 die Verantwortung gegenüber künftigen Generationen wahr und setzt zukunftsweisend Ziele für eine dauerhafte Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen: „Bund und Kantone streben ein auf Dauer ausgewogenes Verhältnis zwischen der Natur und ihrer Erneuerungsfähigkeit einerseits und ihrer Beanspruchung durch den Menschen anderseits an.“ Die Ökonomen haben sich den Kopf zerbrochen, nach welchen Gesetzmässigkeiten sich Volkswirtschaft und Privatwirtschaft erfolgreich entwickeln sollten. Anvisiert wird bis heute ein anhaltendes, konstantes Wachstum. „Sustainable economic growth“ heisst der Fachbegriff. Wer in eine Firma, in ein Produkt oder in eine Geldanlage investiert, erwartet über Jahre hinweg Wertsteigerungen von jährlich 7 Prozent und mehr - oder eben ein „nachhaltiges“, sprich lang anhaltendes Wirtschaftswachstum.
3 Brundtland-Bericht Weltkonferenz für Umwelt und Entwicklung der Vereinigten Nationen, „Our Common Future“, 1987
Schmid Erich, Turgi
Praxisarbeit IPM, 30. August 2002
17
GEMEINDE TURGI
Global denken
Lokale Agenda 21
Nachhaltige Entwicklung ist ein Prozess, der auf verschiedenen Ebenen und mit unterschiedlichen Partnern gleichzeitig abläuft. Der bewusste Umgang mit den Kriterien der Nachhaltigkeit stellt für alle Beteiligten eine Herausforderung dar. Künftige Generationen sollen ebenso ein Anrecht auf eine intakte Umwelt haben wie wir selbst. Wirtschaftliches Wohlergehen ist ebenso wie die Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen Voraussetzung für die Befriedigung unserer materiellen und immateriellen Bedürfnisse. Und nur eine solidarische Gesellschaft ist in der Lage, die erworbenen wirtschaftlichen Güter und Chancen gerecht zu verteilen, die gesellschaftlichen Werte zu bewahren sowie die Nutzung der natürlichen Ressourcen effizient und wirksam zu organisieren. Nachhaltige Entwicklung bezieht sich also gleichwertig auf die drei Handlungsfelder Gesellschaft, Umwelt und Wirtschaft
und bezieht sich auf Gerechtigkeit, insbesondere zwischen Nord und Süd und den Generationen von heute und morgen.
Schmid Erich, Turgi
Praxisarbeit IPM, 30. August 2002
18
GEMEINDE TURGI
Global denken
Handlungsfelder für den Frieden In der Agenda 21 wird die Einsicht formuliert, dass nur eine partnerschaftliche Zukunft auch eine menschenwürdige Zukunft ist. Es muss also ein Ausgleich zwischen Umwelt, Wirtschaft und Gesellschaft stattfinden.
Lokale Agenda 21
Nachhaltige Entwicklung bedeutet viel mehr als nur der Natur und der Umwelt Sorge zu tragen. Was nützt uns denn eine intakte Umwelt, wenn wir zu wenig Arbeit haben oder nicht in einem guten gesellschaftlichen und sozialen Umfeld leben können? Nachhaltig ist also eine Entwicklung nur dann, wenn sie gleichzeitig den Zielen der Umwelterhaltung und der Gesamtgesellschaft dient, aber auch wirtschaftlich effizient ist. Nachhaltigkeit ist somit immer aus der kombinierten Sicht dieser drei Handlungsfelder zu sehen:
gesunde Umwelt Ozon Treibhauseffekt Ressourcen Schadstoffe Bodenfruchtbarkeit Oekoeffizienz Kostenwahrheit
Gesundheit Sicherheit
Wohlstand kulturelle Identität Landverbrauch
leistungsfähige Wirtschaft Innovation langfristige Investitionen
Schmid Erich, Turgi
Steuern Abgaben Subventionen Arbeitsplätze Solidarität
Praxisarbeit IPM, 30. August 2002
solidarische Gesellschaft Partizipation Bildung Information
19
GEMEINDE TURGI
Global denken
Lokale Agenda 21
2.2
Wohn- und Lebensqualität Die Gestaltung der Wohn- und Lebensqualität kann von der Gemeinde, den Bewohnerinnen und Bewohnern, den Vereinen und Organisationen und von den Behörden, selbst beeinflusst werden und beinhaltet eine Fülle von Themen: Verkehr und Lärm Umwelt und Erholung, Klima Kultur und Bildung, Gesellschaft Gesundheit Wohlstand, finanzielle Mittel Wohn- und Konsumangebot Sicherheit Mobilität Zusammenleben verschiedener Generationen und Kulturen. Im Mittelpunkt steht immer und ausschliesslich das Wohlbefinden der Menschen, die dort wohnen und arbeiten.
Schmid Erich, Turgi
Praxisarbeit IPM, 30. August 2002
20
GEMEINDE TURGI
Global denken
Lokale Agenda 21
2.3
Gesellschaft der Zukunft – demografisch überaltert! Das Phänomen der demografischen Überalterung stellt Gesellschaft und Politik vor weitreichende Herausforderungen. Gesellschaft und Wirtschaft werden in den nächsten Jahrzehnten einen ausserordentlichen Strukturwandel erleben und einem grossen Anpassungsdruck ausgesetzt sein. Diesem Wandel ist mit neuen politischen Strategien zu begegnen. Gelingt es den Regierungen nicht, diese Entwicklung zu steuern, drohen der Rückgang des Wohlstandes und auch der Verlust der gesellschaftlichen Stabilität.
2.3.1
Prognosen4 ♦ Die durchschnittliche Lebenserwartung in der Schweiz nach dem Eintritt ins Rentenalter (65) beträgt für Männer noch 16, für Frauen 20 Jahre. Wird der Pensionierte 80 Jahre alt, so hat er nach neuesten Studien noch eine durchschnittliche Lebensdauer von etwas mehr als 7 Jahren. Eine achtzigjährige Frau wird dagegen noch rund neun Jahre leben. ♦ Der Altersquotient, d.h. das Verhältnis der Rentenbezüger/innen zur erwerbstätigen Bevölkerung wird von 26,6% (1990) auf 47% (2040) steigen. Im Jahr 2040 kommt auf zwei Erwerbstätige ein/e Rentenbezüger/in. ♦ Die Abhängigkeitsquote, d.h. das Verhältnis der unter 14Jährigen und der über 65-Jährigen zu den Erwerbstätigen wird von knapp 47% (2000) auf etwas mehr als 70% (2030) steigen. Der finanzielle Druck auf die Erwerbstätigen wird sich deutlich erhöhen. ♦ Die Zahl der über 65-jährigen Männer und Frauen wird in den nächsten 50 Jahren von heute einer Million auf 1,8 Mio. wachsen. Die Rentner/innen werden politisches Gewicht gewinnen. ♦ Statistische Projektionen für die Niederlande mit einer der Schweiz ähnlichen Entwicklung der Lebenserwartungen zeigen auf, dass im Jahr 2020 knapp die Hälfte der älteren Bevölkerung in Alters- und vor allem Pflegeheimen wohnen wird. Die Tendenz ist steigend. Für die Schweiz sind diesbezüglich kaum statistische Angaben vorhanden.
Berechnungen der OECD, Health Data, 1998, des Bundesamtes für Statistik und des Bundesamtes für Sozialversicherung. 4
Schmid Erich, Turgi
Praxisarbeit IPM, 30. August 2002
21
GEMEINDE TURGI
Global denken
2.3.2
Wirkungen auf die Gesellschaft
Lokale Agenda 21
Wertewandel Die jetzigen und zukünftigen Alten besitzen ein etwas anderes Wertgefüge als die Kriegs- und Nachkriegsgeneration. Materieller Mangel, wie er sich in Kriegssituationen einstellt, führt nicht mehr zu existentieller Not. Die gesellschaftlichen Ideale von Jugendlichkeit und Flexibilität, erhalten Konkurrenz bzw. werden relativiert. Neben jung und schön gilt es in Zukunft auch interessant, besonnen und weise zu sein. Der Wandel der Ideale zieht beispielsweise Veränderungen in der Produktewerbung nach sich. Marketing und Kommunikationsinhalte passen sich an. Einkommensverteilung Einkommen und Vermögen konzentrieren sich weitgehend auf die älteren Generationen. Diese Tendenz lässt sich bereits heute in der Einkommens- und Steuerstatistik einzelner Kantone erkennen. Mobilität Die Erhöhung der Mobilität der Arbeitskräfte wird ergänzt durch eine bedeutende Zunahme der sogenannten „Genuss-Mobilität“ der älteren Generationen (Reisen, Besuch von Ausstellungen, Theater, Konzerten, usw.). Vor allem die rüstigen Alten reisen viel und gerne. Die Reisebranche freut dies. Der öffentliche Verkehr richtet sich nach den Ansprüchen der Alten. Der private Verkehr steigt weiter an.
Schmid Erich, Turgi
Praxisarbeit IPM, 30. August 2002
22
GEMEINDE TURGI
Global denken
2.3.3
Folgen für die Wirtschaft
Lokale Agenda 21
Lohn-Preisgefüge Die Löhne, aber auch die Preise werden im internationalen Vergleich hoch bleiben. Um die Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz zu erhalten, ist die Exportwirtschaft zu ständigen Rationalisierungsinvestitionen gezwungen. Unternehmenskultur Statt aggressivem Leistungs- und Wettbewerbsdenken sind Konfliktlösung, Ausgleich und interne Kommunikation angesagt. Qualitativ hochstehende Arbeit, Erhöhung der Produktivität und weniger Reibungsverluste (Mobbing usw.) folgen daraus. Marktnischen Das Angebot von spezialisierten Dienstleistungen wird zunehmen. Es entstehen Marktnischen für Selbständigerwerbende, deren Zahl zunehmen wird (virtuelle Unternehmen usw.). Einkommens- und Vermögensverteilung Die Erbfolge tritt immer später ein, die Erben werden immer älter. Die jungen Generationen können für ihren Konsum und ihre Investitionen (von Ausnahmen abgesehen) einzig auf ihr Erwerbseinkommen zurückgreifen. Einkommens- und Vermögensverteilung könnten somit die Geschwindigkeit des internen Wirtschaftswachstums bremsen. Ausgetrockneter Arbeitsmarkt Der Mangel an qualifizierten Arbeitskräften setzt sich fort. Eine längere Lebensarbeitszeit sowie ein gleitender Übergang ins Rentenalter (Teilzeitjobs im Alter nicht zuletzt dank Internet) werden diesen Mangel kurzfristig zwar auffangen können. Der Rationalisierungsdruck und die Nachfrage nach ausländischen Arbeitskräften nehmen allerdings zu. Von den älteren noch erwerbstätigen Generationen wird eine ständige Lernbereitschaft verlangt. Gewerkschaften Die Macht der Gewerkschaften geht noch weiter zurück. Frauen Die Integration von Frauen in den Arbeitsmarkt wird zur Regel. Wirtschaft und Staat fördern den Aufbau der Betreuungsinfrastruktur für Kinder (Krippen, Horte, Mittagstische, usw.). Der Anteil der Frauen, die auf freiwilliger Basis Betagtenpflege- und Betreuungsarbeiten leisten, nimmt ab.
Schmid Erich, Turgi
Praxisarbeit IPM, 30. August 2002
23
GEMEINDE TURGI
Global denken
Lokale Agenda 21
Computerisierung vieler Dienstleistungen Die Computerisierung von Dienstleistungen im Post-, Bank-, Reise- und Kontaktbereich wirkt dem Mangel an Arbeitskräften entgegen. Viele andere Dienstleistungen und Konsumangebote (An- und Verkauf von Waren, E-Commerce) können bequem von zuhause aus in Anspruch genommen werden. Flexibilisierung der Arbeitszeitmodelle Der Wettbewerb zwischen den Arbeitgebern, sich junge, flexible und hoch motivierte Arbeitskräfte zu sichern, nimmt zu. Flexible Anstellungsbedingungen, Leistungs- und Bonuskomponenten bei der Entlöhnung werden wichtiger. Das Nachsehen haben die unflexiblen Unternehmen. Oeffentlicher Verkehr Im öffentlichen und im privaten Bereich werden infrastrukturelle Neuerungen nötig. Forderungen nach verstärkter Modernisierung und Subventionierung des öffentlichen Verkehrs nehmen zu. Privatverkehr Der Motorisierungsgrad in der Schweiz wird sich erhöhen, wobei immer bequemere und komfortablere Fahrzeuge „intelligentes Automobil“ gefragt sind. Verstärkter Trend zu Wohneigentum Es wird sowohl in absoluter als auch in relativer Hinsicht immer mehr ältere Menschen geben, die sich ein eigenes Haus leisten können. Sie werden immer geräumigere und komfortablere Wohnungen und Häuser an ruhiger und verkehrstechnisch gut erschlossener Lage nachfragen. Zunehmen wird auch die Nachfrage nach luxuriösen, benutzerfreundlichen Alterswohnungen. Die Standortattraktivität von Gemeinden, die in baulicher und steuerlicher Hinsicht den Wünschen entsprechen, wird steigen. Gewinner-Branchen Eine demografiebedingte Aufwertung erfahren: Finanzdienstleistungen, Baubranche und Gewerbe, langlebige Konsumgüter, Hightech-Geräte (Haushalt, Unterhaltung, usw.), Pharmazeutik, Gesundheit, Pflegedienstleistungen (SPITEX), Wellness, Tourismus, Sicherheit, Bildung, Haushalts- und Reinigungsdienste, Gastronomie und Verpflegung.
Schmid Erich, Turgi
Praxisarbeit IPM, 30. August 2002
24
GEMEINDE TURGI
Global denken
2.3.4
Folgen für die Politik
Lokale Agenda 21
Allgemeine Tendenzen Nur ein rechtzeitiges politisches Handeln kann die heute erreichte Lebensqualität bewahren und die politische sowie die gesellschaftliche Stabilität der Schweiz sichern.
Die jüngeren Generationen sehen sich einem verstärkten politischen Konservativismus der älteren Generationen gegenüber. Dadurch werden gesellschaftliche und politische Erneuerungsprozesse erschwert. Radikalisierung der Jugend Je öfter die jüngere Bevölkerung von den älteren Personen überstimmt wird, umso mehr wird sich die Jugend vermutlich politisch radikalisieren. Eine Hinwendung zu aggressiven, neuen Protestparteien und Jugendbewegungen liegt im Bereich des Möglichen. Altersdiskriminierungen jeder Art könnten zunehmen. Altersvorsorge Die politischen Auseinandersetzungen um die Altersvorsorge nehmen zu. Starke Entsolidarisierungstendenzen bewirken den Bruch der Solidarität zwischen Erwerbstätigen und Pensionierten. Neue Formen der Finanzierung werden nötig. Politische Abwehrreflexe Die Politik der Verweigerung triumphiert. Die Öffnung gegen aussen findet nicht aus Überzeugung, sondern nur auf externen Druck statt. Das Neue wird zunächst einmal abgelehnt. Diese Politik könnte von den Alten, die aus der unteren Mittelschicht stammen, vertreten werden. Die gutsituierten Mittelschichten bzw. die oberen Mittelschichten haben weniger materielle Engpässe erleben müssen. Parteien und Verbände Die Parteien und Verbände tragen in ihren Programmen und Aktivitäten dem gesellschaftlichen Wandel Rechnung. Der Ausgleich zwischen den altersspezifischen Interessen wird schwieriger. Sozialpolitik Die Auseinandersetzungen zwischen den Generationen werden zwar alle Politikbereiche betreffen. Sie spitzen sich aber in der Sozialpolitik zu. Während ältere Personen eine für sie grosszügige Regelung im Bereich der Altersvorsorge fordern, verlangen die jüngeren Generationen mit Vehemenz eine effiziente Jugend-, Familien- und Kinderpolitik. Diese Bereiche werden im Zentrum der Auseinandersetzungen stehen. Die Verbesserung der Angebote für die Fremdbetreuung von Kindern (Krippen, Horte, Mittagstische, Aufgabenhilfen, Tagesmütter, usw.) zeichnet sich bereits heute ab.
Schmid Erich, Turgi
Praxisarbeit IPM, 30. August 2002
25
GEMEINDE TURGI
Global denken
Lokale Agenda 21
Politikverdrossenheit Der Kampf um den staatlichen Geldsegen verschärft sich. Konzessionen in der Altersvorsorge und in der Gesundheitspolitik sind nur mit beachtlichem Entgegenkommen in anderen Politikbereichen beispielsweise in der Familien- und Bildungspolitik durchzusetzen. Defizitfinanzierung oder kollektive Unzufriedenheit bzw. die Zunahme der Politikverdrossenheit sind die Folge. Die Trends zwingen Politik und Gesellschaft, sich mit den vielfältigen Herausforderungen der demografischen Alterung auseinander zu setzen.
Schmid Erich, Turgi
Polizei und Justiz Abwehrreflexe, Stabilitätsorientiertheit und der übertriebene Hang zur inneren Sicherheit der älteren Bevölkerung gehen mit einer Verschärfung im Justiz- und Polizeibereich einher. Die staatlichen Sicherheitskräfte werden durch private Anbieter ergänzt. Das wachsende Sicherheitsbedürfnis im öffentlichen und privaten Raum zwingt Bund, Kantone und Gemeinden dazu, mehr finanzielle Mittel in die Sicherheit zu investieren. Dadurch werden Gelder von anderen Bereichen abgezogen (z.B. Bildung).
Praxisarbeit IPM, 30. August 2002
26
GEMEINDE TURGI
Global denken
2.4
Heimat
Heimat gehört allen.
Lokale Agenda 21
Heimat, was ist Heimat? Heimat sind die üppigen Wiesen, die Obstbäume, die Wälder. Heimat sind die Strassenkreuzungen, die Bahnunterführung, der Schul- und Arbeitsweg ins Dorf, die Geräusche der Eisenbahn, der Wasserlauf der Limmat und die Gebüsche am Flussufer, die Bahnhofstrasse mit ihren Läden, der Dorfpark mit seinem eigenartigen Brunnen. Heimat sind aber auch persönliche ungewollte und überraschende Begegnungen am Wakkerfest, eine dampfende Molly oder gar die garstigen Töne an einer Gemeindeversammlung. Und Heimat sind meine Freunde, Menschen in der Arbeitswelt und im Privaten, die mir nahe stehen. Ohne sie wäre Heimat unvorstellbar. In der Umgebung dieser Heimat fällt der Begriff der vier MMMM5 wesentlich einfacher: „Man muss Menschen mögen!“
Heimat ist nicht unvergänglich; wenn man sie loslässt, findet man sie unter Umständen nicht mehr. Heimat ist weder starr noch träge - sie kann gar mobil sein. Pascale Bruderer Nationalrätin
Heimat sind aber auch die Tageszeitungen und der Radiosprecher. Heimat, das sind Erinnerungen - persönliche Erinnerungen! Oder eigentlich fast alles, was uns vertraut ist. Das Bild der Heimat verändert sich je nachdem, wie wir es betrachten, und je genauer wir es zu beschreiben versuchen, desto unfassbarer wird das Bild. Heimat ist ein Gefühl - und die Dinge, die dieses Gefühl entstehen lassen, scheinen willkürlich, zufällig, veränderlich und individuell. Heimat ist nichts Gegebenes, sondern ein Produkt, individuell erstellt und gelebt.
An der EXPO 02 in Murten wird täglich Heimat sinnbildlich produziert - in der in silberfarbenes Wellblech gehüllten Heimatfabrik der Mittelland-Kantone. Es wird von den Menschen kontinuierlich neu und individuell aus den Rohstoffen Landschaft, Politik, Wirtschaft, Sprache, Gesellschaft und Träume geschaffen.
5
Schmid Erich, Turgi
Dieser Begriff stammt aus der Lehre des Personalmanagements
Praxisarbeit IPM, 30. August 2002
27
GEMEINDE TURGI
Global denken
2.5
Staat
Lokale Agenda 21
Staat und Politik, Bund, Kanton und Gemeinden haben vor dem Hintergrund des weltwirtschaftlichen Wandels keineswegs an Bedeutung verloren. Nach wie vor nimmt der Staat eine Fülle von Aufgaben wahr: Er sorgt für soziale Gerechtigkeit, schützt Minderheiten, garantiert Rechtsgleichheit, agiert in Bereichen, in denen der Markt versagt. Hauptentscheidungsträger sind für diese Themen Personen in den Gemeinden. Die Art der Aufgabenlösung befindet sich im Wandel. Der Staat verabschiedet sich vom obrigkeitlichen Denken und entwickelt sich mehr und mehr zum Dienstleistungsbetrieb für seine Bürgerinnen und Bürger. Dasselbe gilt für die Wirtschaftspolitik. An die Stelle des Regulierungsanspruches tritt der Gedanke der Partnerschaft mit der Wirtschaft.
Schmid Erich, Turgi
Praxisarbeit IPM, 30. August 2002
28
GEMEINDE TURGI
Global denken
2.6
Wirtschaft
Lokale Agenda 21
Die Wirtschaft bezeichnet ihr Wachstum gerne als nachhaltig und meint damit kaum den Nachhaltigkeitsbegriff mit den drei Handlungsfeldern Wirtschaft, Gesellschaft und Umwelt. Sie versteht unter nachhaltig oft nur eine steigende Wertschöpfung und vergisst soziale und ökologische Ueberlegungen. Als Partnerin der Wirtschaft ist der Staat und die Gemeinde für bestmögliche wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen verantwortlich. Sie muss dafür sorgen, dass der Wirtschaftsstandort attraktiv und gegenüber anderen Standorten konkurrenzfähig bleibt. Bei der Einzonung und Erschliessung von Industrie- und Gewerbeflächen oder auch bei der Ansiedlung neuer Betriebe stehen oftmals berechtigte Interessen der Wirtschaft den berechtigten Interessen des Umwelt- und Landschaftsschutzes gegenüber. Hier ist die Wirtschaftspolitik gefordert, aktiv auf einen Interessenausgleich hinzuwirken und Ueberzeugungsarbeit zu leisten. Obwohl gemäss neuester Studie die Stimmung der Konsumenten im Keller ist, halten die Schweizer die Wirtschaft mit weiter steigenden Ausgaben am Laufen. Schlechte Nachrichten gab es in letzter Zeit viele. Der Börsencrash, die Sorgen der Schweizer Exportindustrie wegen des gestiegenen Frankenkurses und die Angst vor weiteren Konflikten in der Welt drücken zwar auf das Klima. Doch die Schweizer Haushalte geben unbeirrt Geld aus und sorgen damit dafür, dass die Wirtschaft einigermassen rund läuft. Die Investitionen der Firmen in Maschinen und Ausrüstungen hingegen sind eingebrochen. Die Konsumenten haben eine Rezession in der Schweiz verhindert. Im Jahr 2001 sind die Umsätze im Detailhandel real um 2,6 % gewachsen. Dieser positive Trend hat sich zu Beginn des Jahres 2002 fortgesetzt. Für die nächsten Monate wird allerdings nur noch gehofft, dass auch die Investitionen und die Exporte wieder zu steigen beginnen. Allerdings beurteilen die Schweizer Konsumenten die heutige wirtschaftliche Situation wieder so negativ wie nach dem 11. September 2001.
Schmid Erich, Turgi
Praxisarbeit IPM, 30. August 2002
29
GEMEINDE TURGI
Global denken
Lokale Agenda 21
Die Probleme der nachhaltigen Entwicklung stehen nicht zuoberst auf der Prioritätenliste der gewerblichen Klein- und Mittelbetriebe. Der harte Konkurrenzkampf, die ständige Erneuerung der Produkte und Dienstleistungen, die Ausbildung von jungen Berufsleuten und die Sicherung der finanziellen Überlebenschancen beschäftigen die mittelständischen Unternehmerinnen und Unternehmer mehr als die globalen Fragestellungen einer nachhaltigen Entwicklung. Einige unter ihnen haben zudem mit einer anfänglich überbordenden Umweltbürokratie schlechte Erfahrungen gemacht.
Ökonomie ist auf Dauer ohne Ökologie nicht möglich.
Selbstverständlich ist es aber der grossen Mehrheit der Unternehmerinnen und Unternehmer bewusst, dass das wirtschaftliche Überleben auf Dauer nur mit einer schonenden Bewirtschaftung der natürlichen Ressourcen möglich ist. Diese Denkweise nimmt vor allem auch in den jüngeren Generationen je länger je mehr zu. In den letzten Jahren sind denn auch im gewerblichen Bereich Beratungs- und Ingenieurfirmen entstanden, die sich besonders der umweltschonenden Verfahrens- und Produktionstechniken annehmen6. Findige Leute haben herausgefunden, dass sich mit Ökologie auch Geld verdienen lässt. Überhaupt wird sich mit finanziellen Anreizen die Nachhaltige Entwicklung besser fördern lassen als mit dem herkömmlichen System von Ge- und Verboten.
6
Schmid Erich, Turgi
z.B. METRON, Windisch
Praxisarbeit IPM, 30. August 2002
30
GEMEINDE TURGI
Global denken
2.7
Umwelt
Lokale Agenda 21
Mit der stärkeren Nutzung des Lebensraums Schweiz geraten die Landschaft und Umwelt unter Druck. Die Landschaft verändert sich, die Artenvielfalt der Pflanzen und Tiere ist bedroht. Dem begegnen Bund, Kantone und Gemeinden mit Landschaftsentwicklungskonzepten, geschützten Biotopen und einer neuen Landwirtschaftspolitik.
2.7.1
Die Grundprinzipien Bei den nachfolgenden 8 Grundsätzen handelt es sich nicht um Rechtsnormen, die den Bürger direkt verpflichten oder berechtigten, sondern um Grundprinzipien, die bei der Auslegung der Umweltgesetzgebung heranzuziehen sind. Erst auf dem Weg der Konkretisierung durch den Gesetzgeber sowie durch die Verwaltungs- und Gerichtspraxis entstehen aus diesen Prinzipien direkt anwendbare rechtliche Normen:
Ganzheitliche Betrachtungsweise (Art. 8 USG7) Einwirkungen auf die Umwelt dürfen nicht nur einzeln, sektoriell, sondern müssen gesamthaft, nach ihrem Zusammenwirken, beurteilt werden. Diese ganzheitliche Betrachtungsweise basiert auf der Erfahrung, dass Umweltschäden vielfach die Folge von verschiedenen Einwirkungen sind, wobei eine einzelne für sich allein oft nur von geringer Relevanz ist. Erst das Zusammenwirken verschiedener Einwirkungen kann zu beachtlichen Schäden führen. Teilweise verstärken sich die verschiedenen Einwirkungen gegenseitig. Deshalb ist v. a. bei der Umweltverträglichkeitsprüfung die ganzheitliche Betrachtungsweise anzuwenden (Art. 9 USG & UVPV8) und beispielweise in der Nutzungsplanung sind auch zu erwartende „Sekundärimmissionen“ zu berücksichtigen.
Vorsorgeprinzip (Art. 74/2 BV9) Umweltschäden sind präventiv zu verhindern. Dies ist meistens ökonomischer als die Schäden zunächst entstehen zu lassen und sie dann zu beseitigen. Das Vorsorgeprinzip dient aber auch der Vermeidung von Risiken, die im vornherein nicht kalkulierbar sind; in diesem Sinne schafft das Prinzip eine Sicherheitsmarge. So findet das Vorsorgeprinzip beispielsweise im Katastrophenschutz (Art. 10 USG), bei der Emissionsbegrenzung (Art. 11 USG) oder bei der Sanierungspflicht (Art. 16 - 18 USG), aber auch bei der Vermeidung von Abfall (Art. 30 USG), in der Sorgfaltspflicht des Gewässerschutzes (Art. 3 GSchG) oder in der 7
Bundesgesetz vom 7.10.1983 über den Umweltschutz (USG) Verordnung des Bundesrates vom 19.10.1988 über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPV) 9 Bundesverfassung vom 18.12.1998 8
Schmid Erich, Turgi
Praxisarbeit IPM, 30. August 2002
31
GEMEINDE TURGI
Global denken
Lokale Agenda 21
Schonung der Landschaft- und Ortsbildern (Art. 3/1 NHG) Anwendung.
Nachhaltigkeitsprinzip (Art. 2/2 BV) Bei der Verwendung erneuerbarer Ressourcen ist auf die Regenerationskraft der Natur Rücksicht zu nehmen. Die Nutzung solcher Ressourcen hat sich auf die Erträge zu beschränken, darf also nicht in die Substanz eingreifen.
Verursacherprinzip (Art. 74/2 BV, Art. 2 USG) Der Verursacher von Umweltbelastungen (Einwirkung und deren Schäden) hat die Kosten der Vermeidung, der Untersuchung, Ueberwachung und Beseitigung zu tragen. Das Prinzip bezieht sich in erster Linie auf die Kosten und nicht auf die Massnahmen. Zwar kann der Verursacher oft gezwungen werden, auch die entsprechenden Vermeidungs-, Untersuchungs-, Ueberwachungsund Beseitigungsmassnahmen zu treffen. In vielen Fällen werden die Massnahmen jedoch durch Dritte oder das Gemeinwesen ausgeführt, vor allem bei Weigerung oder fachlicher Ueberforderung des Verursachers oder aus praktischen Gründen. Die Kosten werden dann aber dem Verursacher überbunden.
Opferprinzip (Art. 21/1 USG) In vielen Fällen haben die von Einwirkungen Betroffenen diese hinzunehmen bzw. selbst und auf eigene Kosten Abhilfe zu schaffen, v. a. soweit die Einwirkungen nach dem Vorsorgeprinzip vom Verursacher nicht vermieden werden müssen.
Lastengleichheitsprinzip (Art. 8 BV) Einzelnen oder Minderheiten dürfen nicht zu Gunsten der Allgemeinheit unverhältnismässige Lasten auferlegt werden. Das Lastengleichheitsprinzip erfolgt aus dem Gebot der rechtsgleichen Behandlung. In Gebieten z. B. mit vorbelastender übermässiger Gesamtbelastung der Luft mit Schadstoffen dürfen nicht Verschärfungen der Emissionsbegrenzung ausschliesslich im Hinblick auf neue Anlagen angeordnet werden. Dies würde dazu führen, dass in Gebieten, in denen die Immissionsgrenzwerte überschritten sind, keine neuen Anlagen mehr erstellt werden könnten.
Koordinationsprinzip (Art. 9 BV) Bei der Planung und Realisierung von komplexen Vorhaben sind immer mehr Vorschriften anwendbar, die für sich allein historisch gewachsen und verfahrensmässig nicht aufeinander abgestimmt sind. Dadurch besteht die grosse Gefahr überschneidender Bewilligungsverfahren und sich materiell widersprechender Planungen und Bewilligungen. Die Pflicht zur Koordination hat das Bundesgericht aus dem Verbot der Willkür abgeleitet. Das Koor-
Schmid Erich, Turgi
Praxisarbeit IPM, 30. August 2002
32
GEMEINDE TURGI
Global denken
Lokale Agenda 21
dinationsprinzip ist eng mit dem Prinzip der ganzheitlichen Betrachtungsweise verwandt.
Kooperationsprinzip Dieses Prinzip befiehlt selbstsagend die Zusammenarbeit von Staat, Wirtschaft und Privaten in Rechtssetzung wie auch in Rechtsanwendung. Es beinhaltet vor allem Transparenz und gegenseitige Information. Rechtliche Anwendung findet es v. a. in der AnhÜrungspflicht (Art. 39/3 USG), bei den Sanierungsvorschlägen (Art. 16/3 USG) aber auch bei den freiwilligen Massnahmen in der Zusammenarbeit mit der Wirtschaft (Art. 41 a USG) und bei den Vollzugsaufgaben (Art. 43 USG).
Schmid Erich, Turgi
Praxisarbeit IPM, 30. August 2002
33
GEMEINDE TURGI
Global denken
2.8
Gesundheit und Wohlbefinden
Lokale Agenda 21
Die Gesundheit ist eines unter vielen Kapiteln der Agenda für das 21. Jahrhundert, welche 1992 in Rio verabschiedet wurden. Bereits damals wurde beschlossen, dass sich die Weltgesundheitsorganisation WHO der Umsetzung dieses Kapitels widmen solle. In der WHO-Region Europa wurde 1994 ein Aktionsplan Umwelt und Gesundheit von den Ministern verabschiedet und die Länder verpflichteten sich, gestützt auf diese Vorgaben, eigene nationale Aktionspläne zu erstellen. Die Schweiz hat 1997 ihren Aktionsplan Umwelt und Gesundheit erarbeitet. Dabei wurde Gewicht gelegt auf Ziele und Massnahmen, welche sowohl Wirkungen im Bereich Umwelt wie im Bereich Gesundheit umfassen.
Stichworte zum „Wohlbefinden“ sind: •
lokal produzieren,
•
lokal konsumieren,
•
weniger tierische Lebensmittel,
•
mehr Obst und Gemüse,
•
saisongerechtes Einkaufen.
Wenn dieses Verhalten erreicht wird, so werden positive Effekte auf unsere Gesundheit erzielt, und gleichzeitig leben wir absolut nach dem Prinzip der Nachhaltigkeit. Die vom BAG herausgegebenen Ernährungsberichte zeigen deutlich, dass die Bevölkerung in der Schweiz im Allgemeinen zu viel Fett und Zucker und zu wenig Ballaststoffe zu sich nimmt. Dies führt zu einer erhöhten Kalorienaufnahme und den damit verbundenen negativen Auswirkungen auf die Gesundheit (v. a. Herz-Kreislauf-Krankheiten). Ein verminderter Konsum tierischer Fette wirkt sich weniger belastend auf unsere Gesundheit aus. Gleichzeitig dürften sich Auswirkungen in der intensiven Nutztierhaltung einstellen. Indirekt wird so auch die Umwelt entlastet, indem in der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung beispielsweise weniger Ammoniak und Stickoxide in die Luft entweichen, weniger Nitrat ins Grundwasser gelangt und die Phosphatbelastung der Seen und Flüsse zurückgeht. Eine naturbelassene und nachhaltige Landwirtschaft entsteht!
Schmid Erich, Turgi
Praxisarbeit IPM, 30. August 2002
34
GEMEINDE TURGI
Global denken
Lokale Agenda 21
2.9
Indikatoren nachhaltigen Wirtschaftens
2.9.1
Begriff Ein Indikator ist ganz allgemein eine Auskunftszahl. Ziel ist die Bereitstellung neuer bzw. die Enthüllung bisher verdeckter Informationen in Form von Kennzahlen. So begegnen uns etwa Indikatoren wie der Pro-Kopf-Energieverbrauch oder der Benzinbedarf eines Personenwagens pro 100 km. Zunehmende Beeinträchtigungen unserer natürlichen Umwelt und deren wachsende öffentliche Wahrnehmung haben dazu geführt, dass ökologische Aspekte inzwischen ein wesentlicher Bestimmungsfaktor jeder Wirtschaftstätigkeit geworden sind. Das weitere Wachstum der Weltwirtschaft scheint heute weniger durch die begrenzte Verfügbarkeit von Rohstoffen Beschränkungen zu unterliegen, als durch ökologische und gesellschaftliche Grenzen. Der Begriff des nachhaltigen Wirtschaftens ist eng mit der Auffassung von Lebensqualität, Wohlstand und Wachstum verknüpft.
2.9.2
Lebensqualität Lebensqualität bezeichnet heute einen mehrdimensionalen Wohlfahrtsbegriff, der vornehmlich auf die individuelle Wohlfahrt zielt.10 Folgende Merkmale werden unterschieden: Bereiche wie Arbeitsbedingungen, Wohnverhältnisse, Gesundheit, Bildung, politische Beteiligung und soziale Beziehungen der jeweils betrachteten gesellschaftlichen Gruppe sowie die natürliche Umwelt werden in den Begriff Lebensqualität mit einbezogen. Für die Einschätzung von Lebensqualität ist die Gegenüberstellung von objektiven Lebensbedingungen und ihrer subjektiven Bewertung mit dem damit verbundenen Wohlbefinden interessant. Zusätzlich zur Summe der Wohlfahrt von Individuen werden noch übergreifende gesellschaftliche Werte und Ziele wie Freiheit und Sicherheit, Solidarität und politische Beteiligung, Gerechtigkeit und Vorsorge für zukünftige Generationen sowohl innergesellschaftlich als auch in internationalem Rahmen berücksichtigt. Der Lebensstandard wird etwa mit Hilfe folgender einfacher Wohlstandsindikatoren gemessen:
10
Schmid Erich, Turgi
Brockhaus Enzyklopädie, 1990
Praxisarbeit IPM, 30. August 2002
35
GEMEINDE TURGI
Global denken
Lokale Agenda 21
• Verteilung der monatlichen Verbrauchsangaben eines Vier• • • •
2.9.3
Personen-Arbeitnehmerhaushalts mit mittlerem Einkommen, Prozentsatz der Haushalte, die über eine vollautomatische Waschmaschine, einen Pkw oder ein Telefon verfügen, Zahl der Schwimmbäder je 10’000 Einwohner, Zahl der jährlichen Auslandurlaube pro Einwohner, Für einen internationalen Vergleich wird z. B. angegeben, wie viele Stunden ein durchschnittlich verdienender Industriearbeiter arbeiten muss, um bestimmte Güter kaufen zu können.
Wohlstand In individueller Hinsicht bedeutet Wohlstand subjektives Wohlbefinden bzw. möglichst hohen subjektiven Nutzen.11 Dieser weite Wohlstandsbegriff kann auch mit Wohlfahrt oder Lebensqualität gleichgesetzt werden. Unter dem messbaren Wohlstand mit physisch-materiellem Begriffsinhalt versteht man die Verfügungsmöglichkeit einer Person, einer Gruppe oder einer Gesellschaft über wirtschaftliche Güter, den materiellen Lebensstandard bzw. wirtschaftlichen Wohlstand. Umweltschäden und Naturverbrauch, die mit dem Auf- und Ausbau des ressourcen- und energieintensiven Wohlstandsmodells in den Industrieländern einhergingen, verdeutlichen, dass dieses Modell weder zeitlich dauerhaft noch global verträglich ist. Die Suche nach einem anderen, "erdverträglichen" Wohlstandsmodell wird als zwingend angesehen, wenn im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung den Menschen in den Entwicklungsländern noch wirtschaftliche Entwicklungsmöglichkeiten eingeräumt und den zukünftigen Generationen weltweit noch einigermassen erträgliche Lebensbedingungen ermöglicht werden sollen. Wohlstand wird durch eine Sozialprodukt- oder Einkommensgrösse gemessen. Die dauerhafte Erreichung eines angemessenen und stetigen Wachstums des Bruttosozialprodukts (BSP) je Einwohner galt als Garantie für einen kontinuierlich wachsenden Wohlstand. Das reale BSP war der wichtigste Indikator für wirtschaftlichen Wohlstand, wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, d. h. Wettbewerbsfähigkeit sowie wirtschaftlichen Fortschrittes. Hauptkritikpunkt ist jedoch das Ausserachtlassen der sozialen und der Umweltkosten des wirtschaftlichen Wachstums und Wohlstands.
11
Schmid Erich, Turgi
Brockhaus Enzyklopädie, 1994
Praxisarbeit IPM, 30. August 2002
36
GEMEINDE TURGI
Global denken
2.9.4
Wachstum
Lokale Agenda 21
Der Begriff Wachstum meint zunächst die Zunahme einer betrachteten Größe.12 Im ökonomischen Zusammenhang wird darunter die Zunahme einer wirtschaftlichen Grösse im zeitlichen Verlauf verstanden, z. B. • • •
Eigenkapital oder Umsatz im Unternehmen, verfügbares Einkommen, Konsumausgaben oder Geldvermögen in privaten Haushalten oder öffentliche Einnahmen, Ausgaben und Schulden des Staates.
Wachstum wird grundsätzlich positiv interpretiert. Die erreichte Wachstumsrate des Sozialprodukts je Einwohner gilt als ein zentrales Kriterium für die wirtschaftspolitische Leistungskompetenz einer Regierung sowie für die Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit der Volkswirtschaft. Unter nachhaltiger Entwicklung wird eine wirtschaftliche Entwicklung verstanden, die durch eine Veränderung des herrschenden Produktions- und Konsumstils besonders in den Industrieländern das Ziel der Produktion von Gütern mit dem Ziel der Erneuerung bzw. Wiederherstellung der Produktions- und Lebensgrundlagen verbindet, und die dauerhaft, d. h. zeitlich unbegrenzt durchgehalten werden kann. Gefordert sind ein langfristiges Denken und Handeln in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Unbegrenzte Wachstumsprozesse sind somit nicht mehr zu tolerieren, da sie Leistungspotentiale entwerten oder zerstören, von denen künftige Produktions- und Konsumprozesse abhängig bleiben. Entsprechende Strategien umfassen daher auch die Veränderung wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Strukturen wie Dezentralisierung von Produktions- und Konsumstrukturen bzw. alternative Lebensstile in den Industrieländern.
2.9.5
Lokale Nachhaltigkeit Das Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL) hat zusammen mit dem Bundesamt für Statistik 1998 einen Vorschlag für gesellschaftliche, wirtschaftliche und ökologische Indikatoren erarbeitet. Diese Liste ist sicher noch nicht abgeschlossen und endgültig. Sie illustriert aber, welche Art von Indikatoren heute zur Diskussion stehen:
12
Schmid Erich, Turgi
Brockhaus Enzyklopädie, 1994
Praxisarbeit IPM, 30. August 2002
37
GEMEINDE TURGI
Global denken
Lokale Agenda 21
Indikatoren für die lokale Nachhaltigkeit müssen über traditionelle Umweltindikatoren hinausgehen:
2.9.6
Gesellschaftliche Indikatoren (sozialverträglich?) Arbeitslosenzahlen Einkommensverteilung (Gini-Index13) Nettomigration BIP14-Anteil für Ausbildung Mittlere Ausbildungsdauer Treibstoffverbrauch für Gütertransport pro Person Anteil der städtischen Bevölkerung Städtische Siedlungsfläche, Stadtbevölkerung Wohnfläche pro Person Zufriedenheit der Bürger mit der Gemeinde Solidarität, Sicherheit Partizipation (subjektive Zufriedenheit der Bevölkerung mit Mitsprachemöglichkeiten)
2.9.7
Wirtschaftliche Indikatoren (wirtschaftsverträglich?) BIP pro Einwohner Nutzenergieverbrauch pro Einwohner Anteil erneuerbare Energie Anteil BIP für öffentliche Entwicklungshilfe Öffentliche und private Schulden im Verhältnis zum BIP Nachhaltiges Management der örtlichen Unternehmungen Deckungsgrad der betriebswirtschaftlichen Kosten des öffentlichen Verkehrs (%)
2.9.8
Ökologische Indikatoren (umweltverträglich?) Wasserverbrauch pro Person Biologischer Sauerstoffverbrauch im Wasser Veränderung der Bodennutzung Verbrauch an Pestiziden pro ha Landwirtschaftsfläche Düngerverbrauch pro ha Landwirtschaftsfläche Anteil Energieverbrauch der Landwirtschaft 13
Der Gini-Index ist der international übliche Indikator zur Messung der Ungleichverteilung von Einkommen; je stärker er vom Gleichgewichtsverteilungswert Null gegen Eins tendiert, desto größer ist die Kluft zwischen Arm und Reich. Der globale GiniIndex 1988 lag bei 0,625 und fiel damit deutlich schlechter aus als jeder nationale GiniIndex bzw. die vorliegenden Gini-Indizes für die Weltregionen (Gini-Index in 1995 für die OECD-Länder 0,34, für Subsahara-Afrika 0,45, Lateinamerika 0,48, Schweiz 0,453). Zudem stellte sich heraus, dass der globale Gini-Index von 1988 bis 1993 auf 0,66 anstieg. Die globale Einkommensverteilung hat sich also in nur fünf Jahren um signifikante sechs Prozent verschlechtert. 14
Schmid Erich, Turgi
BIP = Brutto-Inland-Produkt
Praxisarbeit IPM, 30. August 2002
38
GEMEINDE TURGI
Global denken
Lokale Agenda 21
Landwirtschaftlich nutzbare Fläche pro Person Gefährdete Tier- und Pflanzenarten Geschützte Fläche zum Erhalt der Biodiversität15 Treibhausgasemissionen Stickoxidemissionen pro km2 Ausstoss ozongefährdender Gase Schadstoffkonzentration in urbanen Gebieten Anfall an Haushaltabfällen pro Person Recycling und Wiederverwertung Spezifische Produktion an Sonderabfällen Import/Export von Abfällen Altlasten Produktion radioaktiver Abfälle
2.9.9
Erfolgskontrolle Im Bereich Natur und Landschaft wird seit einigen Jahren die projektbegleitende Erfolgskontrolle eingesetzt. Dieses Instrument zwingt dazu, bereits in der Planungsphase intensiv über Sinn und Zweck eines Projektes, über angestrebte Ziele und entsprechende Massnahmen nachzudenken. Die Erfolgskontrolle ist ein taugliches Mittel, um auch im Bereich Nachhaltigkeit die Zielerreichung zu „messen“. Sie gewährleistet, dass Planung und Umsetzung von ökologischen Auflagen durch eine Erfolgskontrolle begleitet werden und das Wissen über Wirksamkeit, Machbarkeit und Kosten solcher Auflagen verbessert wird. Der Nutzen von Strategien, Konzepten, Projekten, aber auch von Handlungsalternativen für eine nachhaltige Entwicklung muss konkret bewertet werden können. Die nachhaltige Entwicklung muss daher mit Indikatoren „messbar“ werden.
15
Unter "biologischer Vielfalt" bzw. "Biodiversität“ versteht man die Vielfalt des Lebens auf der Erde, von der genetischen Vielfalt über die Artenvielfalt bis hin zur Vielfalt der Ökosysteme.
Schmid Erich, Turgi
Praxisarbeit IPM, 30. August 2002
39
GEMEINDE TURGI
Global denken
2.10
Förderprogramm des Bundes
Lokale Agenda 21
Der Bund hat einen Rat für die Nachhaltige Entwicklung mit hochkarätiger Besetzung eingesetzt, der dem Bundesrat in entsprechenden Fragen zur Seite steht. Die Abteilung für nachhaltige Entwicklung des BUWAL hat mehrere Aktivitäten zur Unterstützung der Gemeinden entfaltet. Im Programm „Bausteine für die Lokale Agenda“ unterstützt das BUWAL zusammen mit dem Bundesamt für Energie Gemeinden aus dem Programm Energiestadt bei der Ausweitung ihrer Aktivitäten in Richtung Lokale Agenda 21. Die Informationsdrehscheibe Lokale Agenda 21 Schweiz ist seit Juni 1999 im Internet präsent und bietet aktuelle Informationen, insbesondere für Gemeinden, an. Die Politik des Bundes im Bereich der Nachhaltigen Entwicklung wird im Interdepartementalen Ausschuss Rio (IDARio) abgestimmt. Dessen Vorsitz wechselt jährlich zwischen dem Staatssekretariat für Wirtschaft (seco), der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA), dem Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL) und dem Bundesamt für Gesundheit (BAG). Das Sekretariat des IDARio wird durch das Bundesamt für Raumentwicklung (ARE) wahrgenommen. Zur besseren vertikalen Zusammenarbeit im Bundesstaat wurde das "Forum Nachhaltige Entwicklung" geschaffen, an dem sich der Bund (ARE), alle Kantone und die grösseren Städte beteiligen. Die Kantone verhalten sich sehr unterschiedlich. Während einige noch nichts unternommen haben, haben Baselland, die Ostschweizer Kantone, Bern, Aargau und Solothurn 1998 und 1999 regionale Impulstagungen für Gemeinden durchgeführt bzw. sich an deren Durchführung beteiligt. Zehn nationale Nichtregierungsorganisationen, darunter Gewerkschaften sowie Entwicklungs- und Umweltorganisationen, haben gemeinsam den Verein „Lokale Agenda 21“ gegründet und boten im Herbst und Winter 1999/2000 ihren Basismitgliedern vier regionale Veranstaltungen an. Dort konnten sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer Know-how als Botschafterin bzw. Botschafter der Lokalen Agenda 21 aneignen. Die Stiftung Umweltbildung Schweiz bietet mit ihrem Programm „Lebensraum Schule“ einen gemeinsamen Gestaltungsprozess für die Nachhaltige Entwicklung in Schulen an. Davon könnten durchaus auch Impulse für eine Lokale Agenda 21 in der Gemeinde ausgehen. Die regionalen Organisationen der Landeskirchen haben in mehreren Impulstagungen mitgewirkt und möchten ihren Mitgliedern so Perspektiven für ein gemeinsames Engagement mit weiteren Kreisen der Bevölkerung in den jeweiligen Gemeinden geben. Das Umfeld, um als Gemeinde aktiv zu werden, wird also immer freundlicher.
Schmid Erich, Turgi
Praxisarbeit IPM, 30. August 2002
40
GEMEINDE TURGI
Lokal handeln
3
Lokal handeln
3.1
Die Gemeinden der Schweiz
Lokale Agenda 21
Die Gemeindeorganisation hat sich in der Schweiz im Vergleich zu anderen Staaten als äusserst stabil erwiesen. In den letzten 150 Jahren ist nie ernsthaft versucht worden, durch Gemeindezusammenlegungen eine Vereinheitlichung der bezüglich ihrer Grösse sehr stark variierenden Gemeinden zu schaffen. Seit 1848 ist die Zahl der Gemeinden lediglich um knapp 10 Prozent von 3’203 auf 2’903 gesunken. Dies erstaunt, ist doch die Mehrheit der Gemeinden sehr klein. Rund 60 Prozent der Gemeinden weisen heute weniger als 1’000 Einwohner auf. In diesen Gemeinden leben allerdings nur noch etwa 10 Prozent der Bevölkerung. Es drängt sich die Frage auf, wie weit die aus dem 19. Jahrhundert stammende politische Feingliederung noch in der Lage ist, den sozialen und politischen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts gerecht zu werden, denn in den letzten Jahren und Jahrzehnten sind die Gemeinden verstärkt unter Druck geraten: • • •
Die Aufgaben der Gemeinden haben zugenommen und sind komplexer geworden, das Anspruchsniveau der Einwohnerinnen und Einwohner wie auch ihre Kritikbereitschaft sind gestiegen, während die Bereitschaft, sich für ein politisches Amt zur Verfügung zu stellen, eher abgenommen hat.
Die Leistungsfähigkeit einer Gemeinde ist keine absolute Grösse. Sie wird gemessen an konkreten politischen und gesellschaftlichen Zielvorgaben. Beispiele solcher Zielvorgaben sind: effizienter Einsatz finanzieller Ressourcen, Kundenorientierung von Verwaltung und Behörden, politische Partizipation und demokratische Mitbestimmung, Rechtsstaatlichkeit und Legitimation, Rechtsgleichheit u. a. m. Diese Zielvorgaben lassen sich auf zwei Grundforderungen an staatliches Handeln zurückführen. Sie sind angesiedelt im Spannungsfeld zwischen der Handlungsfähigkeit der Gemeinden und der demokratischen Legitimation. Im Herbst 1998 erfolgte die Gesamterhebung in allen damals 2’914 Schweizer Gemeinden. Ein 16-seitiger Fragebogen wurde an die Gemeindeschreiber aller Gemeinden verschickt. 2’465 Gemeinden haben geantwortet, was einer Rücklaufquote von 84,6 Prozent entspricht. Gemäss dieser Umfrage wird die Leistungsfähigkeit der Schweizer Gemeinden - zumindest aus Sicht der Gemeindeschreiber - als verhältnismässig hoch eingestuft. Besonders hervorgehoben wer-
Schmid Erich, Turgi
Praxisarbeit IPM, 30. August 2002
41
GEMEINDE TURGI
Lokal handeln
Lokale Agenda 21
den die Bürgernähe und Kundenfreundlichkeit, aber auch die Qualität der Leistungen wird in der Selbsteinschätzung als gut bezeichnet. Ein relativ kleiner, aber nicht unbedeutender Anteil der Gemeinden stösst bei der Erfüllung gewisser Gemeindeaufgaben an Leistungsgrenzen. Das subjektive Empfinden von Leistungsgrenzen hat zwischen 1994 und 1998 zugenommen. Den Gemeinden machen dabei vor allem die Bereiche „Neue Armut/Fürsorge“ und „Arbeitslosigkeit“ zu schaffen. Hier gibt jede dritte Gemeinde an, die Leistungsgrenzen erreicht zu haben. Beide Bereiche sind verhältnismässig stark mit der wirtschaftlichen Konjunkturlage verknüpft, und es ist davon auszugehen, dass ein wirtschaftlicher Aufschwung wieder für Entspannung sorgt.
Schmid Erich, Turgi
Praxisarbeit IPM, 30. August 2002
42
GEMEINDE TURGI
Lokal handeln
3.2
Die Problemfelder
Lokale Agenda 21
Das hohe Tempo der Veränderungen in Gesellschaft, Wirtschaft und Kultur beschert den Gemeinden keine sorglose Zukunft. Eine Reihe von Entwicklungstendenzen sind im Alltag deutlich zu spüren.
3.2.1
Ueberhäufung von Vorschriften Die fortschreitende Gesetzesmaschinerie führt die Gemeinden in den Notstand. Tausende von Ausführungsbestimmungen überschwemmen förmlich die Verwaltung und machen das Gesetzeswerk intransparent. Alle Vorschriften können gar nicht mehr rechtskonform umgesetzt werden. Beinahe jede neue Gesetzesbestimmung löst Mehrarbeit in der täglichen Praxis aus. Dies führt zu Fehlerquellen und somit zu rechtlichen Angriffsflächen.
3.2.2
Bevölkerungsstagnation Die Gemeinden haben in früheren Jahren vom Wachstum der Bevölkerung profitiert. Bevölkerungswachstum beschert wachsenden Finanzertrag und den somit tragbaren Ausbau der Dienstleistungen. Das Blatt hat sich nun gewendet: Mittlerweilen forcieren die Gemeinden die Bemühungen mit gezieltem Standortmarketing. Die frühzeitige Erkennung der Bevölkerungsveränderung ist von grösster Wichtigkeit (vgl. demografische Entwicklung).
3.2.3
Fluktuationsrate, Kundenpflege Personal- und Kundenwechsel erfordern viel Kraft. Das gilt auch für die Gemeinde, denn Konstanz vereinfacht vieles. Eine Durchschnittsgemeinde erneuert pro Jahr etwa 10 % der Bevölkerung in Turgi sind es gar etwa 14 %. Die grosse Wanderungsrate legt in aller Deutlichkeit offen, dass sich die Bevölkerung heute nicht mehr so stark an eine bestimmte Wohngemeinde gebunden fühlt. Die Wirtschaft nennt die ständigen Bemühungen zur Kundenbindung „Kundenpflege“. Diese Bürgerpflege ist auch für die Gemeinde vermehrt und konsequent von Nöten.
3.2.4
Desinteresse der Bevölkerung Die öffentliche Arbeit erfährt eine Abwertung. Die Entwicklung läuft parallel zum klassischen Vereins- und Kirchenleben. Politik verliert an Stellenwert. Dies liegt keineswegs daran, dass die Möglichkeiten in der Politik eingeschränkt wären, sondern viel mehr im gesellschaftlichen Umfeld, das die Menschen zu anderen Prioritäten (ver-)leitet. Es lässt sich sogar vermuten, dass es uns mindestens materiell zu gut geht. In Zeiten von Nöten und Gefahren ist es offensichtlich, dass man einander hilft. Das beweisen
Schmid Erich, Turgi
Praxisarbeit IPM, 30. August 2002
43
GEMEINDE TURGI
Lokal handeln
Lokale Agenda 21
Katastrophenfälle in nah und fern - dann ist jeder bereit zu helfen und etwas zum Wohl der Gemeinschaft zu tun.
3.2.5
Personalmangel Die Bewältigung der öffentlichen Arbeit erfordert nebst Finanzen und Infrastrukturen in erster Linie grossen menschlichen Einsatz. Dies sowohl auf der strategisch politischen wie auch auf der operativen Ebene. Das Milizsystem und vor allem die unumgängliche Kritikbelastung sind Hemmschuhe. Die Komplexität der Aufgaben stellen hohe Anforderungen an die Problemlösung. Die Anstellung von hauptberuflichem Fachpersonal steht in harter Konkurrenz zur privaten Wirtschaft. Abwanderungen infolge lukrativer und interessanter Arbeitsbedingungen werden zu Engpässen führen.
3.2.6
Zerfall der sozialen Kontrolle Die Gemeinden und ihre Funktionäre verlieren den umfassenden Ueberblick in das Gesellschaftsverhalten. Der heutige Bürger beschränkt sich auf seine Privatsphäre. Die Kommunikation spielt sich im privaten Kreis ab. Der öffentliche Raum in Kirche, Verein und Gasthaus verliert an Bedeutung, und das gerade dort, wo dem Einzelnen die soziale öffentliche Sicherheit geboten wurde. Obwohl der Mensch heute zwar offener ist wie früher, findet er kaum mehr ungezwungenen Zugang zu einer Hilfsperson. Vermehrt müssen Sozialarbeiter die früheren Tätigkeiten der Pfarrherren, der Lehrer und anderer Bezugspersonen übernehmen.
3.2.7
Ursachen der heutigen Gemeindeprobleme In einer Umfrage bei Gemeindeammännern des Kantons Aargau im Jahr 200016 nannten 200 folgende Ursachen der heutigen Gemeindeprobleme :
1. Die erschwerte Umsetzung der wachsenden Flut von Vorschriften 2. Die zunehmende Einschränkung von finanziellen Mitteln 3. Die wachsende Schwierigkeit von Personal- und Aemterbesetzungen 4. Die steigende Anspruchshaltung der Bevölkerung 5. Der laufende Zerfall des gesellschaftsverbindlichen Sozialnetzes 6. Die schwindende Transparenz aufgrund der ständig wachsenden Gemeindeaufgaben 7. Die überholte Organisationsform der Gemeinden 8. Der hohe Ausländeranteil 9. Die eingetroffene Bevölkerungsstagnation oder –abnahme 10. Die fachliche Ueberforderung des Gemeindepersonals 11. Diverse weitere, einzelne Gründe
16
Schmid Erich, Turgi
70 % 55 % 45 % 43 % 42 % 31 % 15 % 15 % 9% 7% 11 %
Umfrage durch Kurt Schmid, Gemeindeammann, Lengnau
Praxisarbeit IPM, 30. August 2002
44
GEMEINDE TURGI
Lokal handeln
3.3
Lösungsansätze
Lokale Agenda 21
Die getrübten Zukunftserwartungen zwingen die Gemeinden zum Handeln. Der Weg muss zu einer Revitalisierung führen!
3.3.1
Bewahrung der Autonomie Die Gemeinden müssen sich durch eine klare Aufgabentrennung zwischen Kanton und Gemeinden ihre Selbständigkeit sichern. Abhängige Gemeinden verlieren die Bewegungsfreiheit und sind demotivierend für alle Beteiligten. Wir müssen uns also auf die Kernaufgaben besinnen und die Ressourcen (Personal, Finanzen, Infrastruktur) optimiert einsetzen. Im Speziellen sind aber die Führungs- und Organisationsstrukturen anzupassen und das Personal ist aus- und weiterzubilden, damit eine ausserordentliche Motivation entstehen kann. Vor allem aber ist die Bevölkerung voll und ganz in die öffentliche Leistungserbringung einzubeziehen.
3.3.2
Kooperation Die Wirtschaft lehrt, dass nur ein kleiner Teil der Fusionen erfolgreich ist. Die Gemeinden dürfen nicht den gleichen Tendenzen verfallen, Probleme durch Fusionen lösen zu wollen. Hingegen ist sicher, dass die gestellten Aufgaben ohne Zusammenarbeit mit anderen Gemeinden nicht zu meistern sind. Der Ressourceneinsatz ist im Alleingang nicht mehr tragbar.
3.3.3
Schlanke Strukturen Die Gemeinden müssen transparent sein. Der zu erwartenden wachsenden Komplexität muss mit einfachen Mitteln, Anwendungen und Strukturen begegnet werden. Bei allen Veränderungen stehen die Bürgerfreundlichkeit, die Nachhaltigkeit, der Personaleinsatz, die Finanzierbarkeit, der Entscheidungsfreiraum und v. a. die Uebersichtlichkeit im Vordergrund.
3.3.4
Liberalisierung der Vorschriften Im engen Zusammenhang mit den schlanken Strukturen der Verwaltungen ist der heutige Gesetzesdschungel auf den Stufen Bund und Kanton wie aber auch Gemeinde zu entflechten. Die Gesetz-
Schmid Erich, Turgi
Praxisarbeit IPM, 30. August 2002
45
GEMEINDE TURGI
Lokal handeln
Lokale Agenda 21
geber müssen deshalb bei jeder neuen oder revidierten Gesetzesanpassung eine Verträglichkeitsprüfung vorlegen. Darin sind die Notwendigkeit (Argumentarium), die Praktikabilität (Offenlegung der Ausführungsbestimmungen) und die Ressourcenbelastung (Personalbedarf, Kosten, Infrastrukturbedarf) zu zeigen. Es gibt nur eine Lösung: Die Gesetzesvorschriften vermehrt in Zielformulierungen abzufassen. Das fordert die Entscheidungsträger zwar, macht deren Arbeit aber auch interessanter - sie erhalten den notwendigen Spielraum, um den gesunden Menschenverstand walten zu lassen.
3.3.5
Risk-Management Die Kontinuität der Gemeinden ist langfristig keineswegs gesichert. Die Risiko-Analyse ist ein Teil der SWOT-Analyse (Stärken, Schwächen, Chancen, Risiken). Es lohnt sich, über die Stärken und Schwächen der Gemeinde Bescheid zu wissen, daraus lassen sich die Chancen und Risiken erkennen.
3.3.6
Meisterung der heutigen Gemeindeprobleme In der Umfrage bei den Gemeindeammännern17 im Jahr 2000 meinten 200, die gestellten Gemeindeaufgaben künftig wie folgt zu lösen:
1. Durch eine vertiefte regionale Zusammenarbeit der Gemeinden 2. Durch eine umfassende Reform der Gemeindeaufgaben 3. Durch Einschränkung der kantonalen Entscheidungs- und Verfügungsgewalt 4. Durch eine intensive Aus- und Weiterbildung von Personal und Amtspersonen 5. Durch Einschränkung oder Aufhebung von Vorschriften 6. Durch eine Neuorganisation der Gemeindestrukturen 7. Durch Bereitstellen von zusätzlichen finanziellen Mitteln 8. Durch Fusion der Gemeinden 9. Durch Ablösung oder Reduktion des Milizsystems durch Berufsfunktionäre 10. Durch zusätzliche Personalaufstockung 11. Durch diverse weitere Gründe
17
Schmid Erich, Turgi
83 % 54 % 46 % 39 % 36 % 25 % 21 % 14 % 13 % 6% 6%
Umfrage durch Kurt Schmid, Gemeindeammann, Lengnau
Praxisarbeit IPM, 30. August 2002
46
GEMEINDE TURGI
Lokal handeln
3.4
Kernaufgaben der Gemeinde
Lokale Agenda 21
Die Gemeinden haben sich wieder ihrer Kernaufgaben bewusst zu werden:
3.4.1
Sicherheit Die Gemeinde unterhält Institutionen mit entsprechender Infrastruktur, die eine nachhaltige Sicherheit bieten: Feuerwehr Zivilschutz Gemeindepolizei
3.4.2
Sozialwesen Die öffentliche Hand greift dann ein, wenn die eigene persönliche Kraft nicht ausreicht, um sich im Gesellschaftsleben zurecht zu finden: Familienberatung und -unterstützung Sozialhilfe (immateriell und materiell) Arbeitslosigkeit und Wiedereingliederung Suchtprävention Spitalwesen, Spitex Altersvorsorge
3.4.3
Infrastruktur Die Gemeinde hat in jenen Bereichen Infrastrukturen bereitzustellen, wo es dem Einzelnen nicht möglich ist, das persönliche Grundbedürfnis abzudecken: Strassen und Gehwege Werkleitungen (Wasserversorgung, Brunnen, Kanalisation, etc.) Parkanlagen, Naturschutzreservate Schulhäuser, Kindergärten Verwaltungsgebäude, Werkhof Zivilschutz-, Feuerwehranlagen Schützenswerte historische Gebäude Alters- und Pflegeheime Kommunalfahrzeuge Büro- und Lagereinrichtungen, Gerätschaften Entsorgungseinrichtungen
Schmid Erich, Turgi
Praxisarbeit IPM, 30. August 2002
47
GEMEINDE TURGI
Lokal handeln
3.4.4
Bildungswesen
Lokale Agenda 21
Die Gemeinden sind für die Volksschulen und die Berufsschulen zuständig. Bildung ist der Erfolg von morgen: Kindergärten Unter-, Mittel- und Oberstufen Berufschulen Kantonsschulen
3.4.5
Kommunikation Die Gemeinde ist in erster Linie ein Dienstleistungsunternehmen: Auskunftsstelle Registerführung (Einwohnerkontrolle, Liegenschaftsverzeichnis, Pläne, etc.) Vermittlungsstelle (Weitergabe von Informationen) Archiv (Sicherung der Daten für Beweiszwecke oder für die Geschichtsschreibung)
3.4.6
Rechtskontrolle Die Gemeinde amtet als Gesetzeshüterin als Bau-, Verkehrs-, Sitten- und Umweltschutzpolizei.
Schmid Erich, Turgi
Praxisarbeit IPM, 30. August 2002
48
GEMEINDE TURGI
Lokal handeln
3.5
Gemeindereform
Lokale Agenda 21
Vieles erweckt im Forschungsprojekt des Nationalfonds im Rahmen des Schwerpunktprogramms „Zukunft Schweiz“18 den Eindruck, dass in der Schweiz - mit einer gewissen Verspätung dieselben Reformbestrebungen angelaufen sind wie in anderen Ländern. Die Aufgabenteilung zwischen den verschiedenen Staatsebenen und Gebietsreformen standen in zahlreichen anderen Ländern schon in den 70er- und 80er-Jahren zur Diskussion und führten auch zu neuen Lösungen. Ging es früher in erster Linie darum, die lokale Ebene den Bedürfnissen eines (Zentral-) Staates anzupassen, was in der Folge vor allem von den Verfechtern der freien Marktwirtschaft kritisiert wurde, so finden die Reformen heute unter veränderten Bedingungen statt und werden wohl auch zu anderen Resultaten führen. Bei der Aufgabenteilungsdiskussion steht zwar nach wie vor der Anspruch einer optimalen und eine gewisse Verteilungsgerechtigkeit garantierenden Steuerung im Vordergrund, man ist sich jedoch sowohl der Gefahr der Übersteuerung als auch der Vor- und Nachteile der Marktwirtschaft bewusster geworden. Bei der Diskussion über Gemeindefusionen ist beispielsweise zu bezweifeln, dass es zu Territorialreformen im grossen Stil kommen wird. Wahrscheinlich liegt die Zukunft in der verstärkten Zusammenarbeit unter den Gemeinden. Konsensdemokratie, Direkte Demokratie, Föderalismus, Gemeindeautonomie, Milizsystem, usw. führen dazu, dass hierzulande die Diskussionen auf einem anderen Niveau stattfinden und teilweise auch in eine andere Richtung gehen. Während die Reformen in einem zentralisierten Staat wie Frankreich in Richtung Dezentralisierung laufen, finden in der Schweiz die Auseinandersetzungen auf einer anderen Ebene statt. Die Bestrebungen in den letzten Jahren zeigen, dass die Stärkung der Gemeindeautonomie nach wie vor ein wichtiges Thema ist. Dies verdeutlicht schliesslich, dass die Grundgedanken von NPM auch im Kanton und bei der Aufgabenteilung Kanton-Gemeinden sowie bei der interkommunalen Zusammenarbeit ihre Bedeutung haben. Auch hier stehen sich auf der einen Seite das Primat der Politik und die Frage nach einer möglichst effektiven politischen Steuerung und auf der anderen Seite die effiziente Leistungserbringung gegenüber.
18
Schlussfolgerungen des Forschungsberichtes, Dr. phil. Andreas Ladner (Projektleiter)
Schmid Erich, Turgi
Praxisarbeit IPM, 30. August 2002
49
GEMEINDE TURGI
Lokal handeln
3.6
Turgi
3.6.1
Lage
Lokale Agenda 21
Die Gemeinde Turgi ist eingebettet in den Hügelzug zwischen dem Gebenstorfer Horn und der Badener Baldegg und dem Limmatraum, welcher die Gemeinde gegenüber der Gemeinde Untersiggenthal und dem sogenannten Ennetturgi abschliesst. Turgi liegt an einer Flussschleife der Limmat zwischen Baden und Brugg, nahe dem Zusammenschluss von Aare, Reuss und Limmat – dem Wasserschloss.
Turgi ist etwas Besonderes und soll auch etwas Spezielles bleiben.
Siegfriedkarte 1878
3.6.2
Kurzportrait von Turgi Bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts zählte Turgi nur ein paar wenige Bauernhäuser. Im Zusammenhang mit der damals stark aufkommenden Industrie erlangte Turgi grössere Bedeutung und wurde eine selbständige Gemeinde. Die Siegfriedkarte von 1878 zeigt die in einem ausgeprägten Flussknie des unteren Limmatlaufes situierte Industriesiedlung mit der mächtigen Baumwollspinnerei am Flussufer, einer lockeren, vom langgestreckten Kosthaus dominierten Wohnhausgruppe westseitig der zum Flussufer führenden Strasse und die umfangreiche Bahnhofanlage in der Basislinie der Flussbiegung.
Schmid Erich, Turgi
Praxisarbeit IPM, 30. August 2002
50
GEMEINDE TURGI
Lokal handeln
Lokale Agenda 21
Im Laufe des 20. Jahrhunderts erfolgte, mit Ausnahme des östlichen Uferbereiches, die vollständige Überbauung des vom Flusslauf und der Bahnlinie begrenzten Geländes, wobei sich die Verbindungsstrasse zum Fluss als Hauptbebauungsachse auszeichnete. In neuester Zeit wurde insbesondere der Bereich beim Bahnhof durch Neubauten und Strassenerweiterungen umgestaltet. Trotz der Neunutzung der alten Fabriken und der neuen Erweiterungsbauten hat der mit seinen Kanalanlagen typische Fabrikkomplex des 19. Jahrhunderts seinen ursprünglichen Charakter gut bewahrt. Der grosse, regelmässig durchfensterte Fabrikbau bildet noch heute den Hauptakzent im Ortsbild und dank der unverbauten Nahumgebung ist der charakteristische Bezug zur Flusslandschaft erhalten geblieben. Die alte Wohnbebauung mit vorwiegend 2-geschossigen, einfachen Massivbauten weist trotz Erweiterungen des 20. Jahrhunderts noch die wesentlichen Strukturmerkmale der ursprünglichen Bebauung auf. Das Dorf präsentiert sich heute als Industriesiedlung des 19. Jahrhunderts mit kontinuierlichen Erweiterungen bis in die Gegenwart. Besondere Lagequalitäten weist der unmittelbar am Ufer des Flussknies gelegene Dorfkern auf. Einen hohen architekturhistorischen Wert hat die gesamtheitlich intakte Industrieanlage aus der Mitte des 19. Jahrhunderts mit dem in seiner Grösse einmaligen Hauptbau. Die imposanten Fabrikationsbauten der ehemaligen Baumwollspinnerei bilden zusammen mit den vorgelagerten Verwaltungsbauten ein eindrückliches Beispiel einer typischen „Industriestrasse“.
Schmid Erich, Turgi
Praxisarbeit IPM, 30. August 2002
51
GEMEINDE TURGI
Lokal handeln
3.6.3
Statistik
Lokale Agenda 21
Bauzone
66,2 ha
Grünzone
1,5 ha
Kulturland
19,3 ha
Wald
49 ha
übriges Gemeindegebiet
19 ha
Gemeindefläche
155 ha
Bauzonen
überbaut 2001
baureif
Total
38.4 ha
10,6 ha
49,0 ha
Gewerbezone
4,8 ha
0,0 ha
4,8 ha
Zone für öffentliche Bauten
6,3 ha
1,8 ha
8,1 ha
Spezialzone Spinnerei/Parkzonen
3,3 ha
1,0 ha
4,3 ha
52,8 ha
13,4 ha
66,2 ha
Wohn- und Mischzonen
Baufläche Kulturland Nutzungszonen, Landwirtschaftszone
16,0 ha
Schutzzone, Naturschutzzone
1,2 ha
Schutzzone, Uferschutzzone
2,1 ha
Kulturlandfläche
19,3 ha
Gebäude Wohngebäude
639
Davon Einfamilienhäuser
357
Mehrfamilienhäuser
180
versch. Wohngebäude (Pfarrhaus, Bahnhof, u.a.m.)
102
unbewohnte Gebäude
334
Total Gebäude
973
Rangordnung Turgi ... ... ist nach Fläche die 9. kleinste Gemeinde im Aargau (Kaiserstuhl 32 ha/Sins 2’028 ha) ... ist nach Acker- und Wiesland sogar die 5. kleinste Gemeinde (Stilli 9 ha/Sins 1’487 ha) ... hat mit 1’558 Einw/km2 aber die 4. grösste Bevölkerungsdichte (Linn 43 E/km2/Aarau 1’752 E/km2)
Schmid Erich, Turgi
Praxisarbeit IPM, 30. August 2002
52
GEMEINDE TURGI
Lokal handeln
3.6.4
Finanzielle Entwicklung
Lokale Agenda 21
In den Jahren 1995-1997 schlossen 32 Prozent aller Schweizer Gemeinden mit einem Defizit ab und 19 Prozent mussten den Steuerfuss seit 1994 erhöhen. Trotzdem gibt es immer noch 68 Prozent Gemeinden, die einen Ertragsüberschuss oder eine ausgeglichene Rechnung vorlegen konnten. Die Gemeinden insgesamt stehen deutlich besser da als der Bund und der Kanton.
Ein Vergleich der Rechnungsabschlüsse von 1995-1997 und 1991-1993 zeigt, dass knapp die Hälfte aller Gemeinden, welche ihre Rechnung bereits zwischen 1991 und 1993 mit einem Aufwandüberschuss abschlossen, dies auch in den Jahren 1995-1997 taten. Es ist zu vermuten, dass es im Aargau eine Vielzahl von Gemeinden gibt, deren finanziellen Probleme strukturellen Charakter haben.
Dank nachhaltiger Projektierung können laufende Kosten reduziert werden.
Die Finanzpolitik der Gemeinde Turgi ist auf einen mit der Region vergleichbaren Steuerfuss ausgelegt, welcher die Attraktivität von Turgi als Wohngemeinde sowie als Standort für gewerbliche und industrielle Geschäftstätigkeit wahrt. Die Ziele der Investitionspolitik liegen in der prioritären Erhaltung der Substanz und dem sinnvollen, den veränderten wirtschaftlichen und sozialen Bedürfnissen entsprechenden Ausbau der Infrastruktur. Dank dieser umsichtigen Finanz- und Investitionspolitik gelang es der Gemeinde Turgi in den vergangenen 10 Jahren, trotz erheblicher Investitionstätigkeit den Steuerfuss von 121 % auf 113 % zu senken und zudem die Nettoverschuldung auf ein erträgliches Mass zu reduzieren.
Schmid Erich, Turgi
Praxisarbeit IPM, 30. August 2002
53
GEMEINDE TURGI
Lokal handeln
Lokale Agenda 21
Die Konstanz der Finanz- und Investitionspolitik der vergangenen Jahre wird es der Gemeinde Turgi in Zukunft ermöglichen, die anstehenden Investitionsvorhaben zu realisieren, aber auch den Steuerfuss im Bereich der Region zu belassen. Trotz knappen finanziellen Ressourcen konnten in den vergangenen 15 Jahren enorme Bauvorhaben in der Grössenordnung von knapp 20 Millionen Franken getätigt werden, z. B.: 04.12.1987 04.12.1987 09.06.1989 24.11.1989 30.11.1990 30.11.1990 29.11.1991 29.11.1991 29.11.1991 04.12.1992 04.06.1993 04.06.1993 26.11.1993 26.11.1993 10.06.1994 02.12.1994 02.12.1994 24.11.1995 24.11.1995 07.06.1996 07.06.1996 29.11.1996 29.11.1996 29.11.1996 29.11.1996 06.06.1997 05.06.1998 27.11.1998 11.06.1999 26.11.1999 19.05.2000 19.05.2000 24.11.2000 08.06.2001 08.06.2001 08.06.2001 23.11.2001 23.11.2001 23.11.2001
Investitionen Erweiterung Bezirksschule mit Energiesanierung 2'950'000.-Nutzungsplanung 78'000.-Sanierung Holzbrücke 500'000.-Umbau Bahnhof mit Ideenwettbewerb 863'000.-Sanierung Hochzonenreservoir 155'000.-Sanierung Behelfsbrücke Turgi-Ennetturgi 65'000.-Umbau Kindergarten Dorf, Energiesanierung 725'000.-Entwässerungsplan (GEP) 80'000.-Generelles Wasserprojekt (GWP) 65'000.-Fusswegverbindung Bahnhof-/Friedhofquartier 192'000.-Schulhauserweiterung Dorf, Gasheizung, Energiesan. 2'518'000.-Altstoffsammelstelle, neue Organisation Recycling 30'400.-Ausbau Bahnhofstrasse, Verkehrsregime, Fussgänger 1'930'000.-Erstellung Fangkanal ABB-Brücke 652'000.-Ausbau regionale Kläranlage Laufäcker 232'900.-neue Bushaltestelle Gehling 160'000.-Dachsanierung Mehrzweckhalle Gut 79'000.-Erweiterung und Sanierung Reservoiranlage 800'000.-Erneuerung/Erweiterung Kanalisation Weichlen 79'000.-Neugestaltung Weichlen-/Wildenstichstrasse 116'000.-Dorfpark, Umgestaltung mit einfachen Mitteln 60'000.-Rad- und Gehweg Untersiggenthal- Turgi , Schulweg 461'300.-Bahnhof Turgi, Vorplatzgestaltung, P+R, Veloständer 340'000.-Bauernhaus an der Limmat. Umbau, Energiesanier. 1'362'000.-Regenbecken SBB-Brücke, Wasserentlastung 1'060'000.-Gestaltung Aussenanlage Bezirksschulhaus Gut 397'000.-Friedhoferweiterung, Neubau Friedhofgebäude 520'000.-Mehrzweckhalle Gut, Energiesanierung 700'000.-Beteiligung an Fernwärme Siggenthal AG 460'000.-Sanierung Grenzstrasse, Werkleitungen 360'000.-Anschaffung Bauamtsfahrzeug, Ersatz 134'000.-Sanierung Rutschgebiet „Wilermatten“ 80'000.-Kindergarten Allmend; Sanierung Fernwärmeanschl. 190'000.-Bezirksschulhaus „Gut“, Sanierung Flachdach 92'500.-Werkhof Weichlen, Anschluss Fernwärme 48'800.-Gemeindeschulhaus, Sanierung Fenster/Storen 253'000.-Lehrerhaus Gartenstrasse 2, Balkonanbau 68'000.-Mehrzweckhalle „Gut“, Sanierung Duschanlagen 170'000.-Kronenstrasse, Sanierung Kanalis. Wasser und Strasse 490'900.--
Schmid Erich, Turgi
Praxisarbeit IPM, 30. August 2002
54
GEMEINDE TURGI
Lokal handeln
Lokale Agenda 21
3.7
Bevölkerung Ein gewisser Teil der Bevölkerung identifiziert sich nicht mehr im früheren Masse mit der Gemeinde. Vor allem die grösseren Wohnsiedlungen werden oft nur als Schlafstätten genutzt – was sonst in der Gemeinschaft passiert, interessiert weniger!
3.7.1
Einwohnerentwicklung Die Gemeinde Turgi wurde 1884 mit rund 600 Einwohnerinnen und Einwohnern aus der Abspaltung von der Muttergemeinde Gebenstorf "gegründet". In einer ersten Bestandesaufnahme im Jahr 1888 zählte die Gemeinde Turgi 645 Einwohner, davon waren gut 5 % ausländische Staatsangehörige. Ueber 1/5 der Bevölkerung waren Ortsbürger (138 Personen). Im Zuge der Entwicklung wuchs die Bevölkerungszahl auf 1’642 Personen im Jahr 1950. Erstaunlicherweise sank die Ausländerquote wieder auf rund 5 %, obwohl in der Zwischenzeit z. B. im Jahr 1910 ein Höchstanteil von 20 % erreicht wurde. In den 60er Jahren sind verschiedene Wohnsiedlungen erstellt worden (Grub, Sitten), die zu einer Einwohnerzahl im Jahr 1967 von 2’388 führten. Nachdem der Höchststand von 2’749 Personen im Jahr 1984 erreicht wurde, fällt die Einwohnerzahl seit 1985 kontinuierlich um durchschnittlich etwa 25 Personen und steigt wieder seit 1999. Am 1.1.2002 zählt die Gemeinde Turgi wieder 2'575 Einwohnerinnen und Einwohner, davon sind 970 oder 37,6 % ausländischer Nationalität.
3000 Einwohnerentwicklung von Turgi
2500
Einwohner
Einwohnerzahl
2000
G
G
1500 1000
Schmid Erich, Turgi
Praxisarbeit IPM, 30. August 2002
2002
2001
2000
1999
1998
1997
1996
1995
1994
1993
1992
1991
1990
1989
1988
1987
1986
1985
1984
1983
1982
1981
1980
1979
1978
1977
1976
1975
1974
1973
1972
1971
1970
1969
1968
1967
1966
1965
1964
1963
1962
1961
1960
1959
1958
1957
1956
1955
1954
1953
1952
1951
1950
1941
1930
1920
1910
1900
0
1888
500
55
GEMEINDE TURGI
Lokal handeln
3.7.2
Fluktuation
Lokale Agenda 21
Allein innert fünf Jahren sind insgesamt 1’746 Personen von Turgi weggezogen. Das sind 73 % der heutigen Bevölkerungszahl. Unsere Bevölkerung setzt sich also rein statistisch gesehen in knapp 7 Jahren um. Dies ist eine äusserst erschreckende Feststellung, wenn man bedenkt, welche Arbeiten und Aufwendungen eine An- oder Abmeldung verursacht (Mutation Einwohnerkontrolle, Steueramt, Schule, etc.). Es fällt auf, dass das Durchschnittsalter bei den Zu- und Wegzügern in allen Jahren bei etwa 28-29 Jahren liegt. Mehr als die Hälfte der zügelfreudigen Mitbewohner kommen und gehen als Single. Währenddem mehr Schweizer wegziehen, ziehen mehr Ausländer in unsere Gemeinde zu (Bilanz: Schweizer - 308, Ausländer + 102). Im Durchschnitt wohnten die 1’747 Personen lediglich 5 1/2 Jahre in unserem Dorf. Ein Viertel dieser Leute zügelte nach weniger als einem Jahr bereits wieder in ein anderes Dorf weiter. Der Exodus findet vor allem mit grossem Mehr in den Bahnhofblöcken sowie in der Sittenstrasse 1 und Grubstrasse 7 statt. Das sind Wohnsiedlungen im grösseren Stil für die Gemeinde Turgi. Bahnhofstrasse 2 153 Bahnhofstrasse 4 109 Sittenstrasse 1 82 Bahnhofstrasse 6 58 Grubstrasse 7 55 Bahnhofstrasse 20 39 Nelkenstrasse 3 36 Landstrasse 10 34 Neumättlistrasse 19 34 Baumgartenweg 10 33 Neumättlistrasse 21 33 Grubstrasse 9 32 Hofäckerstrasse 10 32
8.8 % 6.2 % 4.7 % 3.3 % 3.2 % 2.2 % 2.1 % 1.9 % 1.9 % 1.9 % 1.9 % 1.8 % 1.8 %
MFH, 64 Wohnungen MFH, 64 Wohnungen MFH, 42 Wohnungen MFH, 27 Wohnungen MFH, 36 Wohnungen Hotel Krone MFH, 12 Kleinwohnungen MFH, 10 Wohnungen MFH, 22 Wohnungen Arbeiterunterkunft Gfeller AG MFH, 10 Wohnungen MFH, 18 Wohnungen MFH, 12 Wohnungen
Zieht man Bilanz der Weg- und Zuzugsgemeinden, ist ersichtlich, dass in eine aargauische Gemeinde 1’291 Personen weggezogen sind, aber nur 944 (73 %) von einer anderen aarg. Gemeinde zugezogen sind. Von unseren Wegzügern „profitiert“ die Gemeinde Untersiggenthal am meisten, zogen doch 168 Personen in diese Nachbargemeinde, während lediglich 97 Personen von Untersiggenthal nach Turgi zügelten. Nach Gebenstorf meldeten sich 122 ab und 94
Schmid Erich, Turgi
Praxisarbeit IPM, 30. August 2002
56
GEMEINDE TURGI
Lokal handeln
Lokale Agenda 21
meldeten sich an. Einzig von Baden können wir einen positiven Zuwachs von 26 Personen zählen.
3.7.3
Zu- und Wegzugsgründe In der Gemeindeverwaltung Turgi haben wir während einem Jahr alle Zu- und Wegzüger nach ihren Gründen gefragt. Die Wegzüger verweigerten eher, eine Auskunft zu geben. Das Resultat der ausgewerteten Antworten zeigt aber doch ein gewisses repräsentatives Bild. Währenddem bei den Zuzügern mehr als ein Drittel die Arbeitsstelle, ein knapper Drittel die gute Wohnqualität und schöne Ortschaft und ein knapper Viertel die gute Verkehrserschliessung als Zügelgründe angaben, waren beispielsweise die günstigen Wohnungen (z. B. in den Wohnblöcken) kein Argument.
s ne de ie ch Ve
G
ut
e
Ve
rk
eh
rs
er
Er w er b
rs
ss ie hl sc
Ei ge nh ei m
g un
le el st its be Ar
Zuzugsgründe
35% 30% 25% 20% 15% 10% 5% 0%
kt In
fra
st
ru
ha rs te Al
ab de H
au
s
Er
w
w
ur
er
ur
er lb
se ris ge
er eu
b
St
nh ge Ei
fu
ei
ss
m
lle te
its be Ar
Wegzugsgründe
30% 25% 20% 15% 10% 5% 0%
n
Bei den Wegzügen waren nebst den persönlichen Gründen eine grössere Wohnung, bzw. der Erwerb eines Eigenheims und vor allem die Arbeitsstelle Argumente für den Umzug. Jeder 10. Wegzüger nannte aber auch den damaligen hohen Steuerfuss von 117 %.
Schmid Erich, Turgi
Praxisarbeit IPM, 30. August 2002
57
GEMEINDE TURGI
Lokal handeln
Lokale Agenda 21
3.7.4
Kleinere Familien Die Entwicklung der Haushaltungen hat sich ganz der konjunkturbedingten Bautätigkeit angepasst und sich von 140 Wohnungen zur Gründungszeit um fast das 10fache auf nunmehr 1’359 Haushaltungen erhöht. Waren um die Jahrhundertwende noch rund 4.6 Einwohner pro Haushalt zu zählen, ist die Familiengrösse in den 70er Jahren unter 3 Personen gefallen und seit 1998 betrug die durchschnittliche Familiengrösse erstmals weniger als 2 Personen.
5.0 4.8 4.6 4.4
Einwohner
4.2 3.8 3.6 3.4 3.2 3.0 2.8 2.6
Haushaltungen 2.4 2.2 2.0 1.8 1.6 1.4 1.2
Ausländer
1.0 0.8 0.6 0.4
Schmid Erich, Turgi
Praxisarbeit IPM, 30. August 2002
2002
2000
1998
1996
1994
1992
1990
1988
1986
1984
1982
1980
1978
1976
1974
1972
1970
1968
1966
1964
1962
1960
1958
1956
1954
1952
1950
1930
0.2 0.0
58
Haushaltgrösse
Winterhalde
Pestalozzistrasse
Bahnhofblöcke
Grub/Sitten
Sitten, Neumättli
Haushaltgrösse
Wilermatten, Neumättli
4.0
1910
2900 2800 2700 2600 2500 2400 2300 2200 2100 2000 1900 1800 1700 1600 1500 1400 1300 1200 1100 1000 900 800 700 600 500 400 300 200 100 0
1888
Einwohnerzahl
Würden wir die heutigen 1’359 Wohnungen mit Familien der 70er Jahre besetzen (3 Personen/Familie), könnte Turgi 4’077 Einwohnerinnen und Einwohner zählen. Könnten wir gar die 50er Jahre mit 3 1/2 Personen pro Familie zurückholen, würde sich die heutige Turgemer Bevölkerung auf 4’756 Einwohner fast verdoppeln.
GEMEINDE TURGI
Lokal handeln
3.8
Leitbild
Lokale Agenda 21
Leitbild 2000 Als Grundlage für die Nutzungsplanung Kulturland und Baugebiet wurde im Jahr 1990 in umfassender Weise ein Leitbild erstellt. Die Bearbeitung des Leitbildes Turgi stellt das Wohlergehen brachte Behörden, Kommissionen und vor allem der von Mensch und Umwelt ins Bevölkerung das Bewusstsein der Besonderheiten Zentrum seiner Politik. des Turgemer Dorfbildes wesentlich näher. In einer breitgefächerten Vernehmlassung nahmen die Vereine, Bevölkerung, Parteien und Kommissionen sehr engagiert zu den Themen für die Zukunft Stellung und verabschiedeten die Endfassung im Sommer 1991. Turgi stellt das Wohlergehen
von Mensch und Umwelt ins Zentrum seiner Politik
Das Leitbild 2000 umfasst Zukunftsgedanken zur Bevölkerung, zum Dorfbild und zur Siedlungspolitik. Aber auch zu den Themen Bildung und Kultur, Freizeit und Sport wurden Zukunftsideen kreiert. Ein besonderes Augenmerk galt der Umwelt, der Energie, der Entsorgung, dem Verkehr und der Erschliessung, wie auch der Industrie und dem Gewerbe. Nicht vergessen wurden die Finanzen sowie die Nachbargemeinden und die Region.
Schmid Erich, Turgi
Praxisarbeit IPM, 30. August 2002
59
GEMEINDE TURGI
Lokal handeln
Lokale Agenda 21
Im Rahmen der Vorbereitung einer eigenen Homepage wurden Mitte 2000 zwei Workshops für Exekutivbehörde und Verwaltung organisiert. Aus den intensiven Gesprächen sind folgende Visionen, Leitsätze und Ziele hervorgegangen:
Visionen
Leitsätze
Die Gemeinde Turgi verfolgt folgende Visionen •
Die Gemeinde ermöglicht, dass man in Turgi auch ohne Auto mobil ist
•
Wer in Turgi arbeitet soll auch in Turgi wohnen können
•
Um die neue Bahnhofanlage soll eine attraktive, verdichtete Überbauung entstehen, welche gegenüber der Bahnhofstrasse den Dorfcharakter abrundet
•
Turgi wächst auf 3'000 Einwohner um eine eigenständige Berechtigung auch in Zukunft wahren zu können
•
Turgi setzt sich auch für alternative Wohnformen ein, wie z.B. Wohngemeinschaften älterer Einwohner, um einen sonst allfälligen Wegzug zu verhindern
Die Gemeinde Turgi richtet sich nach folgenden Leitsätzen • •
• • • • • • •
Schmid Erich, Turgi
Sie stellt das Wohlergehen von Mensch und Umwelt ins Zentrum seiner Politik Sie erhält die gewachsenen Baustrukturen im Dorfkern und in den Quartieren lebendig und berücksichtigt bei der Gestaltung des Dorfes die Interessen der Bewohner Sie betreibt eine aktive Baupolitik mit dem Ziel, verdichtetes Bauen zu fördern Sie legt Wert auf gute Ausbildungsmöglichkeiten und hält die Schultradition hoch Sie fördert die aktive Freizeitbeschäftigung und unterstützt die Vereine Sie fördert die Sicherstellung zukunftsgerichteter Arbeitsplätze Sie erhält die gut erschlossene Lage nahe von Erholungsraum im Wald und an der Limmat Sie bietet eine attraktive Wohn- und Arbeitslage Sie schreibt Geschichte und unterhält mit ihrem Industrie-Kulturpfad gut erhaltene Zeitzeugen
Praxisarbeit IPM, 30. August 2002
60
GEMEINDE TURGI
Lokal handeln
Lokale Agenda 21
Ziele
Die Gemeinde Turgi will in den nächsten Jahren folgende Ziele erreichen: Kommunikationsziele • Turgi bietet eine schöne und attraktive Wohnlage • Turgi hat Interesse und Platz für weitere Gewerbebetriebe • In Turgi profitiert man von einer günstigen und zentralen Verkehrslage • In Turgi ist man auch ohne Auto mobil - Turgi, ein Dorf mit Energielabel • In Turgi findet man nahes Erholungsgebiet mit Wald und Wasser • Turgi ist Teil der Industrie-Geschichte (Industriekulturpfad)
Dienstleistungsziele • Turgi fördert die Jugend und betreibt eine aktive Jugendpolitik • Turgi setzt sich für alternative Wohnformen (wie z.B. Alters-WG) ein • Turgi engagiert sich dafür, dass man in Turgi auch ohne Auto mobil bleibt Wachstumsziele • Turgi unterstützt Investoren und SBB, damit eine interessante Wohnüberbauung „Bahnhof“ realisiert wird • Turgi fördert die Voraussetzung, dass 3000 Leute in Turgi wohnen können und in Turgi interessante Arbeitsmöglichkeiten finden
Schmid Erich, Turgi
Praxisarbeit IPM, 30. August 2002
61
GEMEINDE TURGI
Lokal handeln
3.9
Siedlung
Jede Sekunde verschwinden in der Schweiz knapp 1,3 m2 Kulturland, wovon rund zwei Drittel neuen Siedlungs-flächen weichen müssen.
3.9.1
Lokale Agenda 21
Die Siedlungsfläche pro Kopf hat innert 12 Jahren gesamthaft um 3,8 % zugenommen. Insbesondere fürs Wohnen wird ein immer grösserer Flächenanteil genutzt. Der Grund dafür liegt nicht allein in der Bevölkerungszunahme, sondern auch in der Aenderung der Bevölkerungsstruktur, der Wohlstandssteigerung und der zunehmenden Zersiedelung.
Siedlungsqualität Fühlen wir uns wohl im Quartier? Ist der Verkehrslärm erträglich? Haben wir genügend Einkaufsmöglichkeiten in der Nähe? Gibt es Bauten in unserer Nachbarschaft, die uns stören? Wenn wir dies fragen, dann beschäftigen wir uns mit der Siedlungsqualität. Es lohnt sich also, sich mit der Frage der Siedlungsqualität auseinander zusetzen. Der Begriff Siedlungsqualität wird unterschiedlich verwendet und kann nicht abschliessend definiert werden. Er ist in zahlreichen Planungs- und baurechtlichen Grundlagen verankert. Zusammenfassend ergeben sich Rahmenbedingungen wie -
Umnutzung oder Neunutzung alter Industriebauten Verkehrsberuhigungen und Verkehrsentlastung Erhaltung und Erneuerung des historischen Ortsbildes Gewerbe- und Industrieneubau mit besonderen Qualitäten ökologisches Bauen, Siedlungsökologie.
Die Siedlungsqualität lässt sich nicht in einem Leitfaden oder einer Verordnung festlegen. Siedlungsqualität entsteht, wenn der Wille da ist, sich mit der Bebauung, der Erschliessung oder der Gestaltung der Aussenräume auseinander zu setzen. Dabei sind funktionale und gestalterische Aspekte ebenso wichtig, wie das engagierte Mitwirken aller Beteiligten. Nur wenn alle relevanten Aspekte (Bebauung, Erschliessung, Besonnung, Aussenräume, usw.) zusammenwirken, kann hohe Qualität entstehen. Aus ein paar repräsentativen Beispielen können folgende Lehrstücke entnommen werden: -
Ein römischer Meilenstein in Unterwil erinnert an die Anwesenheit der Römer in diesem Gebiet.
Schmid Erich, Turgi
Mehrere sehr dichte Gebäudegruppen wechseln sich mit grosszügigen und vielfältig nutzbaren Grünräumen ab. Die innere autofreie Erschliessungsstrasse trägt entscheidend zur Gesamtqualität der Siedlung bei. Die grosszügigen Grünräume zwischen den Siedlungsteilen kontrastieren mit der dichten Bebauung und deren innenliegenden, städtisch anmuten-
Praxisarbeit IPM, 30. August 2002
62
GEMEINDE TURGI
Lokal handeln
-
-
-
-
-
-
-
Lokale Agenda 21
den Höfen. Bei der hohen Dichte (AZ 0,77) fördert die Autofreiheit die Sieldungsqualität.19 Aus einer ehemaligen Gerberei entstanden in vielen kleinen Schritten attraktive und günstige Gewerbe-, Atelier- und Wohnräume. Die neue gewerbliche Nutzung entspricht sinngemäss der ursprünglichen. In den mit Küche und Bad ausgestatteten Wohnateliers wird gelebt. Die Umnutzung integrierte bauökologische Anliegen und griff möglichst sanft in die bestehende Substanz ein. Zudem konnte ein Industrieensemble von hohem Wert integral erhalten werden.20 Mit der flächendeckenden Verkehrsberuhigung wurde eine Siedlungsqualität erreicht, die allen Bewohnern zugute kommt: höhere Verkehrssicherheit für alle, sichere Schulwege, Spielplätze für die Kinder, reduzierter Lärm, weniger Abgase und attraktive Strassenräume.21 Neu- oder Ersatzbauten in historischen Ortsbildern sind äusserst heikel und trotzdem oft notwendig, um eine zukunftsgerichtete Entwicklung zu ermöglichen. Dank einer sorgfältigen Anordnung und Gestaltung der Vorplätze werten die Neubauten den Dorfkern auf.22 Der Um- und Weiterbau der Alten Mühle beweist, dass auch vom Zerfall bedrohte Bausubstanz erhalten werden kann und gut gestaltete An- und Neubauten das historische Objekt sogar aufwerten.23 Der Umbau des Bauernhauses zeigt, wie die zahlreich vorhandenen Oekonomieteile der Bauernhäuser zu attraktiven Nutzungen umgestaltet werden können.24 Mit einer Hofrandbebauung reagierte die Bauherrschaft auf die lärmige Lage an einer Umfahrungsstrasse und einer Hauptachse der SBB. Es entstand ein ruhiger Innenhof. Ziel war es, trotz hoher Dichte eine möglichst grosse Fläche ökologisch und nutzbar zu gestalten. Die Ueberbauung zeigt, welches Potential manchmal in nutzlos erscheinenden Orten schlummert.25 Drei Sichtbetonkuben - zwei Wohnbauten und eine „Stadtküche“ - gruppieren sich um einen wohnlichen Innenhof. Das Dachwasser wird im ehemaligen Oeltank gesammelt und zur WC-Spülung benützt (Brauchwassernutzung). Die Wärmebrücken wurden eliminiert und die Lebensdauer der Gebäude um mindestens 30 Jahre verlängert.26
19
Spreitenbach, Wohnen in der Schleipfe Ennetbaden, Umnutzung Limmatau 21 Widen, Verkehrsberuhigung 22 Frick, Ersatzbauen im Dorfzentrum 23 Eiken, Erhaltung alte Mühle 24 Turgi, Umbau Bauernhaus an der Limmat 25 Brugg, Büro- und Wohnbau Stahlrein 26 Zürich, Alterssiedlung Letten 20
Schmid Erich, Turgi
Praxisarbeit IPM, 30. August 2002
63
GEMEINDE TURGI
Lokal handeln
Lokale Agenda 21
3.9.2
Checkliste für die Beurteilung von Siedlungsqualität Die nachfolgenden Fragen27 dienen allen am Planungs- und Bauprozess Beteiligten als Anregung bei der Beurteilung von Bauvorhaben. Sie sind nicht abschliessend. Je nach Vorhaben sind unterschiedliche Schwerpunkte zu setzen oder weitere Aspekte zu berücksichtigen.
Einordnung
Erschliessung
Setzt sich das Projekt mit seiner baulichen und landschaftlichen Umgebung auseinander? Stichworte sind Orts- und Landschaftsbild, Topographie, bestehende Bauten. Ist die Erschliessung durchdacht? Ist sie richtig dimensioniert? Bietet sie allen Beteiligten (Kinder, Schulkinder, Velofahrer, Autos) etwas? Ist sie sicher? Verbindet sie die Siedlung sinnvoll mit dem Dorf/Zentrum oder den Haltestellen des öffentlichen Verkehrs?
Aussenraum
Setzt sich das Projekt auch mit dem Aussenraum auseinander? Bietet der Aussenraum Optionen für eine vielfältige Nutzung (Spiel- und Ruheflächen, gemeinschaftliche Teile und private Teile)? Mit welchem Material wird er gebaut?
Gemeinschaftliche Anlagen
Sieht das Projekt Flächen und Anlagen für die Begegnung, Anlagen die Freizeit und die Erholung vor?
Bestehende Strukturen
Bezieht das Projekt allenfalls bestehende, wertvolle und historische Bausubstanz mit ein?
Immissionsschutz und Orientierung
Wie löst das Projekt Fragen des Immissionsschutzes? Fördert das Projekt die Wohnqualität (Belichtung, Besonnung, Grundrissgestaltung, Neben- und Abstellräume, Privatbereich)?
Architektonische Gestaltung
Wie ist die architektonische Gestaltung (kubische Gliederung und Probportionierung, Fassadengestaltung, Materialwahl)?
Ökologie
Sind energiesparende und ökologische Massnahmen ein Thema? Wie ist die Umgebungsgestaltung?
Prozessgestaltung
Wie läuft das Projekt ab? Wer ist vom Projekt direkt oder indirekt betroffen? Sind die Gemeinde und weitere Betroffene einbezogen? Braucht es eine verstärkte Öffentlichkeitsarbeit?
27
Baudepartement Abteilung Raumplanung; Siedlungsqualität, Aargauer Beispiele, Juni 1999
Schmid Erich, Turgi
Praxisarbeit IPM, 30. August 2002
64
GEMEINDE TURGI
Lokal handeln
3.9.3
Siedlungsfläche für Einfamilienhäuser
Lokale Agenda 21
Einfamilienhäuser haben in den letzten Jahren weit mehr Fläche beansprucht als ihrem Anteil an der Wohnbauproduktion entspricht. Ein Trend zur Siedlungsentwicklung nach innen lässt sich nicht erkennen! Seit Mitte der 80-er Jahre nahm der Wohnungsbestand in der Schweiz jedes Jahr um durchschnittlich 42'000 Einheiten zu. Der Anteil neu erstellter Einfamilienhäuser am gesamten Wohnungszuwachs beläuft sich im längerfristigen Mittel auf mehr als einen Viertel. Seit Mitte der 90-er Jahren ist dieser Anteil stark im Steigen begriffen. 1999 betrug er nicht weniger als 40 %. Auch in absoluten Zahlen hat der Einfamilienhausbau trotz Rezession deutlich zugelegt. Mit über 14'000 Einheiten wurde 1999 ein Stand erreicht, der letztmals um 1980 registriert wurde. Was diese Entwicklung bezüglich des Flächenverbrauchs bedeutet, zeigt die kürzlich vom Bundesamt für Statistik publizierte Arealstatistik. Allein die Gebäudefläche und die Fläche des Gebäudeumschwungs haben während der letzten 12 Jahre zusammen um 20'000 ha oder rund 17 % zugenommen. Diese Zunahme entfällt laut Bundesamt für Statistik zu über 63 % auf Ein- und Zweifamilienhäuser. Bemerkenswert ist im Übrigen, dass die Fläche des Gebäudeumschwungs stärker zugenommen hat als die eigentliche Gebäudefläche. Ein Trend zur Siedlungsentwicklung nach innen lässt sich daraus nicht ablesen - die pro Gebäude durchschnittlich beanspruchte Landfläche ist im Gegenteil leicht gestiegen. Aus raumplanerischer Sicht interessiert vor allem, wo neue Wohnungen und Einfamilienhäuser gebaut wurden, d.h. wo das Wachstum der Siedlungsfläche vor allem stattgefunden hat. Betraf es vor allem die ländlichen Gebiete oder fand das Siedlungswachstum konzentriert statt, so wie es das Raumplanungsgesetz anstrebt? Dass der Bau von Einfamilienhäusern nicht zwangsläufig dazu beiträgt, die Bevölkerungszahl zu erhöhen, zeigt sich, wenn die Zahl der neuerstellten Einfamilienhäuser mit der Bevölkerungsveränderung korreliert wird. Es lassen sich folgende Feststellungen machen:
Schmid Erich, Turgi
Praxisarbeit IPM, 30. August 2002
65
GEMEINDE TURGI
Lokal handeln
Lokale Agenda 21
1. Der Bau von Einfamilienhäusern leistet (nach wie vor) einen bedeutenden Beitrag zur Ausdehnung der Siedlungsflächen. Ein Trend zur Siedlungsentwicklung nach innen lässt sich nicht erkennen. 2. Die Errichtung von Einfamilienhäusern führt nicht zwangsläufig zu einem Wachstum der Einwohnerzahlen.
3.9.4
Infrastrukturkosten Die siedlungsplanerischen Massnahmen einer Gemeinde müssen in Bezug auf die Beeinflussung ihrer Finanzen immer im Einzelfall geprüft werden. Es gibt kein Patentrezept. Dies ist die Quintessenz einer Studie, welche die Raumplanungsämter der Kantone AG, BL und SO in Zusammenarbeit mit dem ARE bei der Plattner Schulz Partner AG in Basel in Auftrag gegeben haben. Der gesamte Aufwand (laufende Rechnung und Investitionsrechnung) einer Gemeinde setzt sich zu 80% aus sozio-demografisch bedingtem und zu 20% aus baulich-technisch bedingtem Aufwand (Erschliessung) zusammen. Der grösste Teil des Erschliessungsaufwandes kann in der Regel den Verursachern direkt belastet werden, während der Aufwand für Schulen, Sportanlagen, Heime, Kultur und Verwaltung vorwiegend über Steuereinnahmen finanziert werden muss. Die Schlüsse bezüglich der baulich-technisch bedingten Aufwendungen sind nicht überraschend: Je kompakter die Siedlungsstruktur, je höher die Anschlussdichte, desto kostengünstiger die Erschliessung. Folglich schneiden hier dünn überbaute Einfamilienhausquartiere schlechter ab. Ein Wachstum der Gemeinde ist dann ausgabenpolitisch günstig zu beurteilen, wenn damit Kapazitätsreserven genutzt werden können. Über- und Unterdimensionierungen erweisen sich im Infrastrukturbereich als kostspielig. Die Steuererträge der natürlichen Personen sind die wichtigste Einnahmenquelle der Gemeinden. Deshalb ist eine die Steuern günstig beeinflussende Siedlungsstruktur besonders zu fördern. Das Einkommenssteuerpotential je Steuerpflichtigen steigt zwar, je grösser die Parzelle ist, und ist am höchsten bei der freistehenden Villa. Bei knapper verfügbarer Baulandfläche bringt aber eine massvoll verdichtete Überbauung mit Reiheneinfamilienund Mehrfamilienhäusern mehr Einkommenssteuern als freistehende Einfamilienhäuser. Besonders kurz- und mittelfristig sind wegen der hohen Abzugsmöglichkeiten für Verschuldung nur relativ geringe flächenbezogene Erträge aus Einfamilienhausge-
Schmid Erich, Turgi
Praxisarbeit IPM, 30. August 2002
66
GEMEINDE TURGI
Lokal handeln
Lokale Agenda 21
bieten zu erwarten. Ob langfristig wieder steigende Einkommen und die Immobilienpreise für die Gemeinden nochmals so günstige Steuerverhältnisse schaffen wie in den Siebziger- und Achtzigerjahren, ist derzeit sehr ungewiss. Die neusten Zahlen der Arealstatistik zur Siedlungsentwicklung zeigen ein ernüchterndes Bild: die Zersiedlung schreitet praktisch ungebremst voran. Die Siedlungsfläche wächst bedeutend stärker als die Bevölkerung. Eine Entwicklung, die keineswegs nachhaltig und vor allem nicht im Einklang mit den Zielen der Raumplanung ist. Keine Gemeinde kann es sich leisten, eine Siedlungsentwicklung zu begünstigen, welche ihre finanziellen Möglichkeiten übersteigt. Siedlungsplanerische Massnahmen haben sich deshalb nicht nur an den Zielen und Grundsätzen der Raumplanung auszurichten, sie müssen auch finanziell verkraftet werden können. Bei einer räumlich zerstreuten Siedlungsentwicklung können die Infrastrukturen für Wasser- und Stromversorgung, Abwasserentsorgung und Verkehrserschliessung pro Kopf rund drei Mal teurer zu stehen kommen als bei einer verdichteten Siedlungsentwicklung nach innen. Das belegt die Studie „Siedlungsentwicklung und Infrastrukturkosten“ des Berner Büros Ecoplan Das Verursacherprinzip wird zuhanden des Bundesamtes für Raumentwicklung eine steuernde Wirkung ha(ARE). ben.
So braucht es in einem baulich kaum verdichteten Gebiet beispielsweise ein deutlich längeres Kanalnetz, um die einzelnen Gebäude an das Abwasserentsorgungssystem anzuschliessen. Die Infrastrukturkosten pro Kopf nehmen ab, je dichter die Besiedlung ist. In einer wenig verdichteten Einfamilienhaussiedlung belaufen sie sich auf rund Fr. 2'000.-- pro Einwohner und Jahr. Wäre die gleiche Fläche mit einer Reiheneinfamilienhaussieldung überbaut, würden sie um rund 25 % tiefer liegen. Bei einer stark verdichteten Bauweise mit mehr als dreigeschossigen Wohnbauten und Hochhäusern würden sich gar nur halb so hohe Infrastrukturkosten pro Kopf ergeben. Die höchsten Kosten fallen bei der Verkehrsinfrastruktur an. Eine Zersiedlung dürfte langfristig nicht mehr finanzierbar sein. Das Siedlungswachstum hat sich vielmehr nach innen „aufzufüllen“. Die bestehenden Infrastrukturanlagen können mitbenutzt werden. Die Verdichtung verursacht geringfügig höhere Unterhaltskosten; längerfristig müssen die Kapazitäten der bestehenden Anlagen etwas ausgebaut werden. Während sich die Pro-KopfJahreskosten bei einer zersiedelten, flächigen Erweiterung auf weit über Fr. 3'000.-- belaufen, betragen sie beim Auffüllen weniger als Fr. 1'000.--. Anderseits sei aber auch davor gewarnt, dass in allzu kompakten Verhältnissen die „Kosten der Enge“ entstehen. Wenn z. B. in städtischen Strassenzügen die Werklei-
Schmid Erich, Turgi
Praxisarbeit IPM, 30. August 2002
67
GEMEINDE TURGI
Lokal handeln
Lokale Agenda 21
tungen von Hand freigelegt werden müssen, entstehen hohe Kosten. Die öffentliche Hand zieht sich immer stärker aus der Subventionierung der Wasserversorgung und Abwasserentsorgung zurück. So werden künftig vermehrt die Konsumentinnen und Konsumenten die Kosten der Infrastrukturkosten zu tragen haben. Es gibt in dieser Frage also kein einfaches Rezept. Die Abschätzung der Zweckmässigkeit von siedlungsplanerischen Massnahmen im Hinblick auf die finanzielle Situation einer Gemeinde muss immer im Einzelfall erfolgen. Es hängt insbesondere von der Entwicklung der Bevölkerungsstruktur und der Auslastung der bestehenden Infrastrukturanlagen ab, ob die raumplanerisch erwünschte Verdichtung der Besiedlung mit ihrem geringeren Landverbrauch pro Person auch die Finanzlage der Gemeinde verbessern kann. Es kann durchaus sein, dass bei dichteren Siedlungsformen Bevölkerungsgruppen angezogen werden, welche der Gemeinde zumindest kurzfristig hohe sozio-demografisch bedingte Mehraufwendungen verursachen (Infrastrukturkosten, insbesondere Schulkosten; Sozialkosten). Dies ist bei Infrastrukturanlagen dann der Fall, wenn Schwellenwerte überschritten werden, bei denen Zusatzinvestitionen erforderlich werden (Sprungkosten). Kleine Gemeinden können bei grossen Neuüberbauungen aus diesen Gründen am schnellsten in Schwierigkeiten geraten.
3.9.5
Verdichtung Mit der baulichen Verdichtung wird eine bessere Ausnutzung des Bodens (Bauzonen) und der Infrastruktur (öffentliche Bauten und Anlagen, Verkehr usw.) angestrebt. Verdichtungsmassnahmen müssen aber mit einer Verbesserung der Qualität und Nutzung im Quartier verbunden sein. Damit kann das Risiko minimiert werden, dass punktuelle Verdichtungsmassnahmen negative Auswirkungen auf die Quartierentwicklung haben. .Eine Verdichtung, die nur eine Vergrösserung des Bauvolumens bewirkt, ohne zusätzlichen Raum für weitere Einwohner oder Arbeitsplätze zu schaffen, widerspricht der Zielsetzung der haushälterischen Nutzung. Verdichtungsmassnahmen bewirken eine verbesserte Nutzung der zentralen Einrichtungen und der öffentlichen Verkehrsinfrastruktur. Verdichtung kann zusätzlich Dichte des Erlebens, der Erfahrungen und Beziehungen, Vielgestaltigkeit der Verdichtung nicht richtig eingesetzt, kann sie Quartierbilder langfristig beeinträchtigen und entwerten, kann sie Monotonie und Enge entstehen las-
Schmid Erich, Turgi
Praxisarbeit IPM, 30. August 2002
68
GEMEINDE TURGI
Lokal handeln
Lokale Agenda 21
sen, Erlebnisräume verdrängen und Sicherheit im öffentlichen Raum reduzieren. Verdichtungsmassnahmen sind deshalb immer im konkreten Umfeld zu beurteilen. Sie sollten in empfindlichen Quartieren immer auf der Grundlage einer Bewertung der vorhandenen Siedlungsstrukturen in den Quartieren und der ökologischen Gegebenheiten getroffen werden. Verdichtungsmassnahmen sollen zusätzlichen Wohnraum und Möglichkeiten für eine bessere Nutzungsdurchmischung schaffen und fehlende Nutzungen ins Quartier einbringen. Verdichtungsmassnahmen können aber auch zur Dorfreparatur eingesetzt werden, zum Beispiel durch Wiederherstellung einer begreifbaren räumlichen Ordnung und Ergänzung städtebaulicher Lücken.
Turin 1682
Schmid Erich, Turgi
Verdichtungsmassnahmen sollen schlussendlich aber auch Orte schaffen, mit denen sich die Bewohner und Arbeitenden identifizieren können. Sie sollen den angestrebten Quartiercharakter unterstützen, durch Schaffung von massstäblichen Freiräumen, Erhaltung der Grünflächen durch Konzentration des Bauvolumens. Deshalb können Verdichtungsmassnahmen nur zusammen mit den Betroffenen entwickelt werden, den der Einbezug schafft die nötigen Voraussetzungen zur Umsetzung.
Praxisarbeit IPM, 30. August 2002
69
GEMEINDE TURGI
Lokal handeln
3.10
Oeffentlicher Raum
Lokale Agenda 21
Rund 70 % der Schweizer Bevölkerung lebt und arbeitet in städtischen Gebieten. Die Lebensqualität in diesen Gebieten wird unter anderem von der Qualität der „öffentlichen Räume“ bestimmt. Es sind Räume zu schaffen, die zum Aufenthalt einladen. Am Beispiel von Turgi zeigt sich, dass dank situativer Vorgehensweise die Aufwertung von öffentlichen Räumen nicht aufwändig sein muss und somit auch für kleinere Gemeinden realisierbar ist.
Schmid Erich, Turgi
Praxisarbeit IPM, 30. August 2002
70
GEMEINDE TURGI
Lokal handeln
3.11
Raumplanung
Lokale Agenda 21
Raumplanung gibt die Antwort auf die Frage, wie unser Lebensraum angesichts der zahlreichen und zum Teil miteinander in Konflikt stehenden Bedürfnisse genutzt werden soll. Ziel der Raumplanung ist es, die vielen, unterschiedlichen Bedürfnisse an unseren Lebensraum aufeinander abzustimmen und so für eine nachhaltige, das heisst ökonomische, ökologische und sozial ausgewogene Entwicklung des Raumes zu sorgen. Hilfsmittel ist das kommunale Leitbild. Die Raumplanung ist eine öffentliche Aufgabe, weil die vielen sich gegenseitig widersprechenden Interessen in einem demokratischen Ablauf auf einander abzustimmen und wichtige Entscheide in einem rechtstaatlich korrekten Verfahren festzusetzen sind. Gemeinden, Kanton und Bund haben je ihren Zuständigkeitsbereich. Dem Subsidiaritätsprinzip entsprechend wird die Raumplanung auf möglichst tiefer Entscheidungsstufe umgesetzt: Oertliche Raumplanungsfragen werden von den Gemeinden, regionale von den Regionen oder Kantonen, nationale vom Bund entschieden.
Das wichtigste Instrument für die haushälterische Nutzung des Bodens ist die strikte Trennung der Bauzonen von den Nichtbauzonen.
Für die grundeigentümerverbindliche Umsetzung der Raumplanung ist in erster Linie die Gemeinde zuständig. Sie entscheidet im Rahmen der Vorgaben über die gewünschte Entwicklung der Gemeinde und insbesondere über die Bauzonengrenzen. Sie untersteht dabei der kantonalen Aufsicht. Der Kanton konzentriert sich auf die Planung und Koordination übergeordneter Werke wie Kantonsstrassen, grosse Infrastrukturanlagen, die grundsätzliche räumliche Ordnung (Siedlungs-/ Freihalteräume), die Erhaltung wertvoller Landschafts- und Naturräume sowie Kulturgüter von kantonaler Bedeutung. Der Bund erstellt in seinem Zuständigkeitsbereich Konzepte und Sachpläne, um die gesamtschweizerischen Interessen zu definieren. Sie sind für die Bundesbehörden verbindlich und bilden wichtige Grundlagen für die Raumplanung der Kantone. Von den rund 41'000 km2 Fläche der Schweiz ist nur ein Drittel intensiv nutzbar, die übrigen zwei Drittel sind Gebirge, Wald, Gewässer und Alpweiden. Pro Kopf der Bevölkerung stehen somit für Siedlung, Landwirtschaft und Verkehr weniger als 2‘000 m2 zur Verfügung - etwa ein Drittel eines Fussballfeldes. In den letzten Jahrzehnten dehnten sich vor allem die Siedlungs- und Verkehrsflächen sowie der Wald zu Lasten der Landwirtschaft aus.
Schmid Erich, Turgi
Praxisarbeit IPM, 30. August 2002
71
GEMEINDE TURGI
Lokal handeln
Lokale Agenda 21
Richtplan Aargau
Die Raumplanung in der Gemeinde will Einzelentscheide der Behörden und einzelne Massnahmen in einen grösseren Zusammenhang bringen und dadurch Sachzwänge verhindern helfen. Nachdem Turgi seit 1995 über eine vollständige, moderne, dem Raumplanungsgesetz entsprechende Ortsplanung verfügt, wird das Schwergewicht in den nächsten Jahren auf der Anpassung der Pläne und Bestimmungen an geänderte Bedürfnisse liegen. Dabei steht vor allem hier in Turgi entsprechend den Turgi betreibt eine aktive Zielen des Raumplanungsgesetzes und des kantonalen Baupolitik mit dem Ziel, Richtplanes die qualitative Entwicklung nach innen klar verdichtetes Bauen zu im Vordergrund. Dies bedeutet, dass die Verbesserung der fördern. Siedlungsqualität, Verdichtungs-, Sanierungs- und Umnutzungsmöglichkeiten vermehrtes Gewicht erhalten, währenddem die Ausweitung der Bauzonen zurückhaltend vorzunehmen wäre.
Schmid Erich, Turgi
Praxisarbeit IPM, 30. August 2002
72
GEMEINDE TURGI
Lokal handeln
Lokale Agenda 21
3.11.1
Primäre Aufgaben der kommunalen Raumplanung Ausgehend von einer gemeindebezogenen Entwicklungsvorstellung (Leitbild) und im Rahmen der übergeordneten Vorgaben (Ziele und Grundsätze der Raumplanung, übergeordnete Richtpläne) ordnet die Ortsplanung den verfügbaren Raum so, dass die Bedürfnisse von Bevölkerung, Wirtschaft und Umwelt möglichst konfliktfrei befriedigt werden können. Die Arbeit besteht nicht nur in der Bezeichnung von Zonen, sondern erfordert eine kluge Abstimmung mit der Finanz- und Investitionsplanung und den weiteren Gemeindeaufgaben. Ortsplanung ist damit ein zentraler Teil der Gemeindepolitik, wobei laufende Anpassungen an neue Aufgaben sowie an Veränderungen in Gesellschaft, Wirtschaft und Umwelt unerlässlich sind.
Wichtige Anliegen sind zur Zeit insbesondere: • • • • • • • • •
Ausrichtung der Siedlungsentwicklung entlang der Achsen des öffentlichen Verkehrs Siedlungserneuerung in Wohngebieten (Entwicklung nach innen) unter Wahrung und Förderung einer hohen Siedlungsqualität Umstrukturierungen in den Arbeitsplatzgebieten mit flexiblen Regelungen für neue Nutzungen u.a. auch für Wohnen, Erholung und Freizeit Aufwertung der Gemeindezentren als Ort der Begegnung und des Einkaufens sowie die Pflege des öffentlichen Raumes Landschaftsentwicklung für ein verträgliches Nebeneinander von Landschaft, Landwirtschaft, Natur und Erholung Bewältigung der nach wie vor steigenden Mobilität bei gleichzeitiger Minderung der negativen Auswirkungen Lärmschutz längs Strassen und Bahnlinien Strategien zur Verbesserung der Luftqualität, namentlich in den Bereichen der Heizungen und des Verkehrs Zweckmässige und wirtschaftliche Lösungen für die Angebote an öffentlichen Einrichtungen in den Bereichen Bildung, Kultur, Fürsorge, Sicherheit usw. Diese und viele andere gemeindespezifischen Anliegen sind im Rahmen des Ortsplanungsprozesses aufeinander abzustimmen. Es gilt Prioritäten zu setzen, um die beschränkten öffentlichen Mittel sinnvoll einsetzen zu können.
Bei der Raumplanung geht es insbesondere darum • • • •
die Siedlungen nach den Bedürfnissen der Bevölkerung und der Wirtschaft zu gestalten und in ihrer Ausdehnung zu begrenzen Die Landschaft, die Umwelt und die natürlichen Ressourcen zu schonen die erforderliche Infrastruktur bereitzustellen die sachgerechten Standorte für Bauten und Anlagen im öffentlichen Interesse zu bestimmen
Schmid Erich, Turgi
Praxisarbeit IPM, 30. August 2002
73
GEMEINDE TURGI
Lokal handeln
3.11.2
Die Planungsinstrumente der Gemeinde
Lokale Agenda 21
a) Allgemeine Nutzungsplanung (grundeigentümerverbindlich) Die allgemeine Nutzungsplanung bestimmt, wo und auf welche Weise der Boden innerhalb des Gemeindegebietes genutzt und überbaut werden darf und umfasst folgende drei Elemente: 1. Die Bau- und Nutzungsordnung (BNO) ergänzt soweit nötig die übergeordneten eidgenössischen und kantonalen Bestimmungen mit spezifischen Vorschriften auf Gemeindeebene. Sie enthält insbesondere genaue Zonenbestimmungen, Vorschriften für Schutzobjekte und Regelungen, welche sich auf die besonderen Verhältnisse in der jeweiligen Gemeinde beziehen. 2. Der Bauzonenplan teilt das Baugebiet der Gemeinde in verschiedene Bauzonen ein. Ergänzend kann er überlagerte Zonen (z.B. Ortsbildschutzzonen) ausweisen. Nach Bedarf bezeichnet er im weiteren geschützte Natur- und Kulturobjekte, Flächen mit Sondernutzungsplanungspflicht usw. 3. Der Kulturlandplan umfasst alle Flächen ausserhalb des Baugebietes mit Ausnahme des Waldes und der Gewässer, deren Nutzung anderweitig geregelt ist. Analog dem Bauzonenplan kann er überlagerte Zonen (z.B. Landschaftsschutzzonen) enthalten und geschützte Natur- und Kulturobjekte usw. bezeichnen. Leitbilder, Konzepte und Teilrichtpläne: Obwohl fakultativ, empfiehlt es sich bei umfassenden Revisionen, die grundsätzlichen Rahmenbedingungen und Ziele einer Planung vorerst anhand von Leitbildern, Konzepten oder Teilrichtplänen festzulegen. Meistens ist zumindest ein Verkehrsrichtplan erforderlich und mit der Nutzungsplanung zu koordinieren. Erschliessungsprogramm: Die Gemeinden sind verpflichtet, Umfang und Zeitpunkt der Erschliessung ihrer noch nicht erschlossenen Bauzonenflächen in einem Erschliessungsprogramm darzulegen. Dieses ist öffentlich und bei Bedarf periodisch nachzuführen.
b) Sondernutzungsplanung Für grössere, noch nicht erschlossene oder bezüglich ihrer Bebauung besonders heikle Flächen ist ein Sondernutzungsplan erforderlich, bevor das Gebiet baureif ist. Betrifft die Planung allein die Erschliessung, genügt ein Erschliessungsplan. Ein Gestaltungsplan ist angezeigt, wenn zusätzliche Festlegungen betreffend Stellung und Umfang der Bauten, Lärmschutzmassnahmen, Grünräume usw. zu treffen sind.
Schmid Erich, Turgi
Praxisarbeit IPM, 30. August 2002
74
GEMEINDE TURGI
Lokal handeln
Lokale Agenda 21
c) Kommunale Richtpläne (behördenverbindlich) Richtpläne haben für die betroffenen Grundeigentümer keine direkten Folgen. Für die Behörden bilden sie jedoch eine verbindliche Grundlage. Richtpläne zeigen die erwünschte räumliche Entwicklung auf. Sie enthalten Konzepte zu einzelnen Raumplanung ist neben der Gebieten oder Sachbereichen wie Siedlung, Verkehr, Finanz- und WirtschaftspoFreiraumgestaltung, Natur- und Landschaft, usw. Die litik und der Sozialpolitik Richtpläne sind behördenverbindlich und für die nachfolein wichtiger Teil der Gegende Planung wegleitend. Der Richtplan ist ein Fühmeindepolitik. rungsinstrument und wird sich als solches auch durchsetzen können. Als ersten Planungsschritt formuliert der Richtplan städtebauliche, architektonische und nutzungsspezifische Ziele. Er dient als Basis für weitere Schritte wie die Anpassung der Zonenordnung, die Begründung einer und die Aenderung bestehender Grunddienstbarkeiten, etc. Der neue Richtplan für das 18'212 m2 grosse Gebiet „Spinnereiareal“ in Turgi schafft die Voraussetzung für eine kommende, qualitativ hochstehende Umnutzung des Werk-Areals. Es sollte insbesondere neben der bestehenden Dienstleistungsnutzung auch das Wohnen ermöglicht werden. Das Spinnereiareal bildet den nördlichen Abschluss des Ortskernes der Gemeinde Turgi. Dessen Lage in der Limmatschleife weist landschaftlich und städtebaulich eine hohe Attraktivität auf. Der Bahnhof ist zu Fuss in wenigen Gehminuten erreichbar
Schmid Erich, Turgi
Praxisarbeit IPM, 30. August 2002
75
GEMEINDE TURGI
Lokal handeln
3.11.3
Bau- und Nutzungsplanung
Lokale Agenda 21
Für die Erarbeitung des Zonenplanes von Turgi war das Leitbild wegweisend. Die wichtigsten Ziele wurden als Planungsgrundsätze in die Bau- und Nutzungsordnung aufgenommen und im Zonenplan umgesetzt. Diese gesetzlichen Grundlagen wurden von der Gemeindeversammlung am 24. November 1995 beschlossen und ein Jahr später vom Grossen Rat des Kantons Aargau genehmigt.
Neben dem bereits bestehenden landwirtschaftlichen Gebiet „Rüti“ wurde neu das Gebiet „Weichlen“ der Landwirtschaftszone zugewiesen. Trotzdem ist die Bauzone nach wie vor rechnerisch um ca. 7 ha zu gross dimensioniert. Der grösste Teil der unüberbauten Flächen liegt jedoch innerhalb des mehrheitlich überbauten Gebietes in der Dorfzone, in „Wil“ und in der „Halde“. Im Bereich der Siedlungserneuerung, der Verdichtung und der Erhaltung und Verbesserung der Siedlungsqualität ist die Planung vorbildlich28. Dem Anliegen der Siedlungserneuerung und Verdichtung unter Wahrung und Optimierung der Siedlungsqualität wurde grösste Beachtung geschenkt. So ist in allen Bauzonen offene und geschlossene Bauweise zulässig, mit Ausnahme der Wohnund Gewerbezone „Bahnhof“.
28
Schmid Erich, Turgi
Botschaft des Regierungsrates an den Grossen Rat vom 29.8.1996
Praxisarbeit IPM, 30. August 2002
76
GEMEINDE TURGI
Lokal handeln
Lokale Agenda 21
Eine Besonderheit Turgi’s sind die Fabrikantenvillen mit ihren ausgedehnten Parkanlagen. Für sie wurden speziell neu geschaffenen Parkzonen ausgeschieden, um so die Erhaltung dieser vorhandenen kulturhistorischen Qualitäten zu gewährleisten. Für das ehemalige Spinnereiareal wurde eine Spezialzone geschaffen, welche die Erhaltung dieser kulturgeschichtlich bedeutsamen Bauten und Anlagen bezweckt und für allfällige Umgestaltungen ein Gesamtkonzept verlangt. Die schützenswerten Gebiete und Objekte wurden als Schutzzone und Schutzobjekte in den Zonenplan aufgenommen. Durch die Tatsache, dass viele Schutzobjekte sich im Siedlungsgebiet befinden, mussten geeignete Massnahmen in der Nutzungsordnung gefunden werden, die sowohl dem Schutzinteresse wie auch dem Bauinteresse Rechnung tragen.
Zonenplan Turgi
Für einzelne Bereiche im Gemeindegebiet wurde das Mittel des Gestaltungsplanes (Sondernutzungsplan) gewählt. Der Gestaltungsplan diente der baurechtlichen Sicherstellung: Im Zentrum der Gemeinde Turgi befindet sich am Ausgang der Bahnhofstrasse, angrenzend an die Limmat, ein Baukomplex, der weitgehend renoviert werden muss. Es war daher notwendig, für Neubauten in diesem Gebiet eine neue Planungsgrundlage zu schaffen. Gleichzeitig soll im Bereich der Bahnhofstrasse eine verbesserte Verkehrsführung und eine differenzierte Aussenraumgestaltung ermöglicht werden. Auf dem südlichen Areal des neugestalteten Bahnhofes entstand Wohnfläche in unmittelbarer Nähe des öffentlichen Verkehrs. Der Gestaltungsplan für dieses Gebiet ist Grundlage für die
Schmid Erich, Turgi
Praxisarbeit IPM, 30. August 2002
77
GEMEINDE TURGI
Lokal handeln
Lokale Agenda 21
Überbauung. Das Konzept für die Bebauung nimmt im Speziellen Bezug auf die Lärm- und Besonnungssituation. Für einzelne Ortsbereiche wurde die Erstellung von Richtplänen verlangt (Spinnereizone) oder angeregt (Areal „Gut“). Die Richtplanung erlaubt eine frühzeitige Überprüfung der Planungsparameter und eine Abwägung von privaten und öffentlichen Interessen. Als offenes Planungsinstrument kann sie jederzeit an die sich verändernden Bedingungen angepasst werden. So wurde mit Rücksichtnahme auf die industriearcheologische Bedeutung der ursprünglichen Industriegebäude im Gebiet der ehemaligen Spinnerei zusammen mit der Grundeigentümerin ein Richtplan verfasst und mit einer privatrechtlichen Vereinbarung sogar bestärkt. Das Areal „Gut“ liegt in der Ortsmitte und hat hohe Standortqualitäten insbesondere für den Wohnungsbau. Um die Zielvorstellungen verwirklichen zu können, nämlich vor allem hochwertige Eigentumswohnungen zu erstellen, ist in Abstimmung mit den öffentlichen Interessen eine Baumassenstudie verfasst worden. Die Aufwertung des Spinnereiensembels soll zu gleichen Teilen durch Umnutzung, Renovation und Pflege der alten Bausubstanz wie auch durch sinnvolle Ergänzung mit Neubauten geschehen. Aufgrund der umfangsreichen Abklärungen soll als Grundnutzung eine Mischung aus vielfältigen Gewerbenutzungen mit Wohnungen angestrebt werden. Allseits unerwünscht sind grossflächige Einkaufsgeschäfte, lärmintensive Werkstätten und Produktionsbetriebe und Nutzungen, die zu einem grossen Verkehrsaufkommen führen. Aus raumplanerischer Sicht ist die Schaffung durchmischter Nutzungsstrukturen an diesem Ort zweckmässig. Sie führt zu einer Belebung und zu einer Erhöhung der Sicherheit im Quartier. Gemäss dem Richtplan können bald 130 bis 250 Personen (43 bis 79 Wohnungen) in der alten Spinnerei wohnen. Die alten Bauten stehen weiterhin unter Substanzschutz. Ausserdem sind drei neue Baukörper geplant. Sie sollen bewusst modern gestaltet sein und mit einer eigenständigen neuen Architektur eine städtebauliche Einheit schaffen. Die Bau- und Planungskommission sowie der Ortsplaner beraten nicht nur die politischen Exekutivbehörden sondern begleiten verschiedene Bauherrschaften bei ihren Bauvorhaben. So können ortsbildfördernde Massnahmen gezielt eingebracht werden.
Schmid Erich, Turgi
Praxisarbeit IPM, 30. August 2002
78
GEMEINDE TURGI
Lokal handeln
Lokale Agenda 21
3.11.4
Mitwirkung, Mitarbeit und Rechtsschutz in der Raumplanung Die Planung muss durch eine möglichst breite Bevölkerungsschicht getragen werden. Für das Gelingen einer Ortsplanung ist es wichtig, dass die Anliegen und Wünsche der Bevölkerung und aller interessierten Gruppierungen in den Planungsprozess mit einbezogen werden. Neben den öffentlichen Interessen ist auch denjenigen der Bevölkerung und der Wirtschaft Rechnung zu tragen. Wird eine Planungskommission eingesetzt, ist den Beteiligten eine direkte Mitarbeit an der Planung möglich. Interessengruppen und Private können auf diese Weise ihre Anliegen direkt und frühzeitig in den Entstehungsprozess der Entwürfe einbringen. Das Raumplanungsgesetz fordert bei raumplanerischen Erlassen für die gesamte Bevölkerung eine Möglichkeit zur Mitwirkung. Die Art und Weise dieses Verfahrensschrittes ist im Kanton Aargau gesetzlich nicht genau festgelegt. In der Regel werden jedoch die Unterlagen während mindestens 30 Tagen zur Einsichtnahme aufgelegt, oft ergänzt durch Informations- oder Diskussionsveranstaltungen. Im Mitwirkungsverfahren können sich alle Interessierten zum Inhalt der Planung äussern und Einwendungen machen. Bei der Allgemeinen Nutzungsplanung besteht eine weitere, letzte Möglichkeit für Abänderungsanträge anlässlich des Beschlusses in der Gemeindeversammlung. Einfluss nehmen können direkt Betroffene auch im Rechtsmittelverfahren durch Einsprachen gegen die aufgelegten Entwürfe oder durch Beschwerden gegen getroffene Entscheide. Dadurch können sie sich insbesondere vor willkürlichen Beschlüssen schützen oder bei Auslegungsfragen Klarheit schaffen. Die Mitwirkung bietet die Möglichkeit, Nutzungskonzepte von Anfang an mit allen beteiligten Akteuren auszuhandeln (Detailhandel, Gastgewerbe, Bewohner, Grundeigentümer, usw.). In der Ortsplanung von Turgi hat sich gezeigt, dass die frühzeitige Einbindung der Bevölkerung das Interesse an den öffentlichen Ueberlegungen weckt. Nur so konnten z. B. die Villen im Dorf unter kommunalen Schutz gestellt werden (Parkzonen).
Schmid Erich, Turgi
Praxisarbeit IPM, 30. August 2002
79
GEMEINDE TURGI
Lokal handeln
3.11.5
Inventar schützenswerter Bauten
Lokale Agenda 21
Um festzustellen, welche schützenswerten Objekte und Gebiete in Turgi vorhanden sind, wurde durch fachkundige Personen aus der Gemeinde ein ausführliches Inventar als Grundlage für die Nutzungsplanung erstellt. Alle Objekte sind auf Inventarblättern beschrieben und mit einer Fotoaufnahme dokumentiert und die Schutzziele formuliert. Architektonische Qualität und historische Bedeutung für die Ortsgeschichte sind die Auswahlkriterien. Es wird versucht, ein möglichst breites Spektrum von Bauten zu erfassen, das auch einfache Bauten der Alltagsarchitektur umfasst. Ein Grossteil der inventarisierten Gebäude wurde durch die Nutzungsplanung unter kommunalen Schutz gestellt. Einzig die Ludwigskapelle als Beispiel einer privaten Begräbnisstätte steht auch unter kantonalem Denkmalschutz.
Mit der Erarbeitung des Inventars konnte festgestellt werden, welche interessanten Zeugen der Baugeschichte vorhanden und schützenswert sind.
Schmid Erich, Turgi
Praxisarbeit IPM, 30. August 2002
80
GEMEINDE TURGI
Lokal handeln
Lokale Agenda 21
3.11.6
Nachhaltig Bauen Bauen im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung heisst, dass schon die Bauidee oder das Bauprojekt grundsätzlich hinterfragt wird. Nachhaltigkeit beim Bauen fängt also nicht erst beim Bauen an, sondern schon bei der Ueberlegung „Sollen wir überhaupt bauen?“. Denn zu Beginn haben wir noch alle Möglichkeiten, auch diejenige, auf einen Bau zu verzichten. Sodann bedeutet nachhaltiges Bauen, in jeder Phase des Projektes alle Handlungsmöglichkeiten, die sich bieten, zu prüfen. Dabei ist klar, dass bei jedem weiteren Planungsschritt der Spielraum für nachhaltiges Bauen abnimmt. Wichtig ist aber auch, dass man von der Sachzwangpolitik wegkommt. Steigende Schülerzahlen bedeuten z. B. nicht a priori den Zwang zum Bau eines neuen Schulhauses. Der Zweck des Bauens - genügend Schulraum - sollte in den Vordergrund gerückt werden und nicht etwa das Prestige. Wichtig ist schliesslich nicht das Bauprojekt an sich, sondern der Zweck, den es zu erfüllen hat.
Die Turnhalle wurde aufgestockt
Wer „nachhaltig“ bauen will, macht seine Ueberlegungen meistens aus der Optik des zukünftigen Objektes. Jedes Bauen verändert aber auch die nähere und weitere Umwelt. Ein sehr wichtiger externer Aspekt ist z. B. die Folgemobilität durch das neue Gebäude. Nur wenn die zukünftige Mobilität, andere externe Effekte und deren Folgen in die Planung miteinbezogen werden, darf von Bauen im Sinne nachhaltiger Entwicklung gesprochen werden.
Schmid Erich, Turgi
Praxisarbeit IPM, 30. August 2002
81
GEMEINDE TURGI
Lokal handeln
Lokale Agenda 21
3.12
Verkehrsmanagement Der Ausbau der Verkehrsinfrastruktur auch ausserhalb des dichtbesiedelten Gebietes hat ein markantes Mobilitätswachstum erlaubt: Der Strassenverkehr beispielsweise hat sich seit 1960 verfünffacht. Raumplanerisch fällt der Pendlerverkehr ins Gewicht, weil er sich auf wenige Stunden am Tag konzentriert. Am schnellsten wächst aber der Freizeitverkehr, auf den schon heute mehr als jeder zweite zurückgelegte Personenkilometer entfällt. Das Dreieck Oekologie, Wirtschaft und Gesellschaft kann für eine nachhaltige Verkehrsplanung mittels verschiedener Kriterien konkretisiert werden. Für jedes Kriterium wird die anzustrebende Entwicklung angegeben. Die so entstandene Nachhaltigkeitsrose erlaubt Aussagen über die Richtung der Veränderungen als Folge eines Projektes. Blüht sie auf, wird es nachhaltiger.
K lim a Z u s ta n d m it M assnahm en L ä rm
L u fts c h a d s to ffe Z u s ta n d h e u te
P re is
P a rtiz ip a tio n S ic h e rh e it
Z u s ta n d o h n e M assnahm en
METRON, Themenheft 17
Der Verkehr hat das 20. Jahrhundert markant mitgeprägt. Mengenprobleme und Grenzen sind unübersehbar. Nachhaltiger Verkehr und Angebotsplanung sind angesagt.
In Turgi ist man auch ohne Auto mobil.
Gemäss der schweiz. Strassenrechnung kommt der motorisierte Individualverkehr für seine Infrastrukturkosten praktisch vollständig auf. Die Gemeinden geben aber bedeutend mehr für die Verkehrsinfrastruktur aus, als sie von Bund und Kanton im Rahmen der Rückverteilung der Einnahmen aus dem Verkehr erhalten. Das Mobilitätswachstum verursacht einen entsprechenden hohen Landverbrauch und teilweise problematische Luft- und Lärmbelastungen. Die Konflikte führen zu harten politischen und juristischen Auseinandersetzungen
Schmid Erich, Turgi
Praxisarbeit IPM, 30. August 2002
82
GEMEINDE TURGI
Lokal handeln
3.13
Wald
Lokale Agenda 21
“Katastrophen haben unsere Vorfahren vor 125 Jahren gezwungen, den Wald rigoros zu schützen. Die Schweiz hat den Wald reden hören, seine Warnungen ernst genommen und mit Bundespräsident Moritz Leuenberger im Vorwort der “Umwelt”. “Heute wollen wir nicht Katastrophen abwarten, sondern in der Umweltpolitik vorausschauend handeln.” Das revolutionär Neue am Forstpolizeigesetz von 1876 war sein Grundsatz der Nachhaltigkeit: Die Erkenntnis, dass jede Generation Anrecht auf die gleichen Ertragsmöglichkeiten haben soll, dass immer nur die Zinsen – das nachwachsende Holz – genutzt werden dürfen, dass das Kapital – der Holzvorrat – aber unangetastet bleiben soll. Das Forstpolizeigesetz von 1876 war und ist internationales Vorbild. Die Schweizer Waldfläche konnte sich innerhalb der letzten 125 Jahre markant vergrössern. Einst kahle Berge sind heute wieder bewaldet, und die Gebirgstäler sind wieder bewohnbar, weil der Wald sie schützt. Naturkatastrophen – Überschwemmungen, Steinschläge, Rutschungen und Lawinen –, wie sie sich im 19. Jahrhundert gehäuft hatten, sind dank dem höheren Bewaldungsprozent und dank Waldpflege anstelle von Raubbau und Kahlschlag stark zurückgegangen. „Doch heute“, meint Bundespräsident und Umweltminister Leuenberger, “äussert der Wald einmal mehr sein Unwohlsein”. Der Sturm Lothar vom Dezember 1999 hat gezeigt, wie fragil unsere Wälder sind. Der Gesundheitszustand unserer Wälder hat sich zwar weniger schnell verschlechtert, als in den 80er-Jahren befürchtet. Er hat sich aber auch nicht verbessert. Tatsache ist, dass die Schadstoffbelastungen nach wie vor zu hoch sind und ein erhebliches Langzeitrisiko darstellen. Die Bäume reagieren mit Vitalitätsverlust und verminderter Standfestigkeit. Schwerpunkt der heutigen Wald-, resp. der gesamten Umweltpolitik ist es daher, die Schadstoffbelastungen auf einem erträglichen Mass zu halten, bzw. sie zu reduzieren. Ueber den Wald von Turgi besteht ein Waldwirtschaftsplan, seit 1887 der Zehnte. Er regelt die nachhaltige Nutzung der Bestände. Bis in die Mitte des letzten Jahrhunderts hinein prägten in den oberen, steileren Hanglagen Stockausschlagbestände das Waldbild. Ihre Ueberführung in Hochwald, bzw. ihre Verjüngung wurde Ende vierziger Jahre in Angriff genommen. Am geologischen Aufbau der Hänge, auf denen der Turgemer Wald stockt, sind auf engem Raum verschiedenste Formationen beteiligt (Meeres- und Süsswassermolassesandstein, Nagelfluh, Deckenschotter)29.
29
Schmid Erich, Turgi
Waldwirtschaftsplan Turgi, 1990
Praxisarbeit IPM, 30. August 2002
83
GEMEINDE TURGI
Lokal handeln
Lokale Agenda 21
Seit 1979 ist der Turgemer Wald pflanzensoziologisch kartiert. Der vielfältige geologische Aufbau spiegelt sich im Reichtum an unterschiedlichen Pflanzengesellschaften wieder. Insgesamt wurden 22 unterschiedliche Assoziationen und Subassoziationen unterschieden. Aufgrund seiner Lage am Ausgang des dicht besiedelten Limmattales kommt dem Turgemer Wald besondere Bedeutung für die Erholung der Bevölkerung zu. Die Molassesandsteinfelsen der Anzflue sind nicht nur interessante und landschaftlich reizvolle Zeugen der erdgeschichtlichen Vergangenheit, sondern werden auch als Aussichtspunkt mit Blick über das Limmattal und auf die Lägern gern aufgesucht. Die Hangschuttmassen, auf denen der Gemeindewald grösstenteils steht, sind rutschgefährdet, besonders in vernässten Bereichen. Wenn der Wald das Auftreten von Rutschungen zwar nicht verhindern kann30, setzt er jedoch die Gefahr herab, indem die Bäume durch ihren Wasserverbrauch der übermässigen Vernässung entgegenwirkt. Rütibuck
Der Westteil des Turgemer Waldes dient der Trinkwasserversorgung. Die Quellfassungen wurden mit Schutzzonen gesichert.
30
Schmid Erich, Turgi
Hangrutsch im Gebiet Sitten, 1975
Praxisarbeit IPM, 30. August 2002
84
GEMEINDE TURGI
Lokal handeln
3.14
Wasser
Lokale Agenda 21
Die Wasserreserven der Erde sind nicht grenzenlos und Wasser lässt sich nicht vermehren. In rund 80 Ländern der Welt, in denen 40 % der Weltbevölkerung lebt, herrscht Wasserknappheit. Am stärksten betroffen sind der Nahe Osten, Zentralasien und Afrika. Aufgrund einer Studie der Weltgesundheitsorganisation (WHO) haben etwa 1 Milliarde Menschen keinen direkten Zugang zu Trinkwasser, während 1,7 Milliarden nicht über ausreichende sanitäre Anlagen verfügen. Ein kurzer Dreh am Wasserhahn, und schon fliesst es in der Küche, im Badezimmer, im Garten. Wir nehmen das als Selbstverständlichkeit hin und vergeuden keine Zeit damit, darüber nachzudenken, was für ein kostbares Gut Wasser eigentlich ist. Wasser schützt den Körper via Schwitzen vor Ueberhitzung, führt Abfallprodukte aus dem Stoffwechsel ab, erhöht die Konzentrationsfähigkeit und ist ein Wundermittel erster Güte. Zu zwei Drittel besteht der menschliche Organismus aus Wasser. Es ist ein wichtiger Bestandteil aller Zellen und Gefässe (alleine im Blut beträgt der Wasseranteil 80 %), wo es als Baustoff sowie als Lösungs- und Transportmittel für Nähr- und Wirkstoffe dient. Gehirnforscher haben zudem herausgefunden, dass Aufmerksamkeit direkt vom Wasserkonsum abhängig ist. Vor kniffligen Situationen, vor Prüfungen oder vorhersehbarem Stress sollte man daher genügend Wasser trinken. Nicht zuletzt ist Wasser auch ein Lebensraum für viele Pflanzen und Tiere, eine nicht zu unterschätzende Energiequelle und ein wichtiger Bestandteil zahlreicher chemischer Abläufe: Ohne Wasser wäre unser Planet schlicht nicht bewohnbar. In Turgi werden täglich rund 700 m3 Frischwasser verbraucht, das sind pro Einwohner rund 270 Liter. Zehn Jahre früher waren es sogar 1'200 m3, resp. 450 Liter. Etwa 90 Prozent wird aus dem Grundwasser der Limmat ins Reservoir gefördert. Nur gerade 10 % fliesst aus den Quellen des Gebenstorfer Horns.
Schmid Erich, Turgi
Praxisarbeit IPM, 30. August 2002
85
GEMEINDE TURGI
575
Lokal handeln
Lokale Agenda 21
x 1'000 m3
550 525
Quellwasser Grundwasser
50
500 475
479
450 425
25
49
400
26 410
375
384
350 325
39 383
27
32
401 19 388 386 29
16 422
14 349
357
342
Einf端hrung W asseruhren
300
24 16 283
275 250
310
33
24 18 19 264 257 258 11 256 244
225 200
25 21 228 219
175 150 125 100 75 50 25 2001
2000
1999
1998
1997
1996
1995
1994
1993
1992
1991
1990
1989
1988
1987
1986
1985
1984
1983
1982
-
Wasserverbrauch in Turgi 1'600.0
durchschn. total m3 pro Tag Trendlinie
m3
1'448.2 1'500.0 m 1'400.0 1'300.0 1'200.0
1'193.6 1'171.7 1'199.8 1'120.0 1'147.0 1'115.4 1'055.3 1'038.5 991.5
1'187.6
1'100.0 1'000.0
915.4
900.0
821.5
800.0 700.0
815.3 765.9 755.3 753.3 698.3 692.7 656.5
600.0 500.0 400.0 300.0 200.0 100.0
Schmid Erich, Turgi
Praxisarbeit IPM, 30. August 2002
2000
1998
1996
1994
1992
1990
1988
1986
1984
1982
-
86
GEMEINDE TURGI
Lokal handeln
Lokale Agenda 21
3.15
Label „Energiestadt Turgi“ Energiestädte leisten mit dem Label Energiestadt einen wichtigen Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung: Der Einsatz von erneuerbaren Energien beispielsweise kommt der Luftreinhaltung zugute und schafft regionale Arbeitsplätze. Das Label Energiestadt ist der Baustein für die nachhaltige Entwicklung einer Gemeinde. Turgi ist nach Magden die zweite Gemeinde im Kanton Aargau und die erste in der Region, die mit freiwilligen Massnahmen im Energiebereich einen wesentlichen Beitrag zur Entwicklung der Energiezukunft geleistet hat und weiterhin leisten wird und deshalb im Oktober 2001 das Label „Energiestadt Turgi“ erhalten hat. Dass es dazu kam, ist einer weitsichtigen, vernetzten Planung und Zusammenarbeit aller politischen und behördlichen Gremien zu verdanken und einer Bevölkerung, die wichtige Beschlüsse unterstützend mitgetragen hat. Im Oktober 2001 wurde die nachhaltige Gemeinde Turgi mit dem Label „Energiestadt“ ausgezeichnet. Das Label erhalten Gemeinden jeder Grösse, wenn sie ausgesuchte energiepolitische Massnahmen realisiert haben. Es ist Leistungsausweis für eine konsequente und ergebnisorientierte Energiepolitik. Kernstück der Marke „Energiestadt“ ist ein standardisierter Massnahmekatalog, der in sechs Bereichen die energiepolitischen Resultate einer Gemeinde misst und streng kontrolliert. Walter Kubik, Präsident Labelkommission, Gemeindeammann Peter Heiniger und Regierungsrat Peter C. Beyeler bei der Labelübergabe.
Turgi hat sich besonders hervorgetan in den Bereichen Bau/Planung, Wasser/Abwasser sowie Verkehr/Mobilität.
Schmid Erich, Turgi
Praxisarbeit IPM, 30. August 2002
87
GEMEINDE TURGI
Lokal handeln
Lokale Agenda 21
Das Label „Energiestadt“ erreichte Turgi unter anderem wegen der zukunftsgerichteten Verkehrspolitik. Verkehrstechnisch ist die Gemeinde sehr gut erschlossen. Der SBB-Bahnhof Turgi (Einweihung 1997) verfügt über S-Bahnanschlüsse nach Brugg, Baden/Zürich und Zurzach. Natürlich gibt es auch einen Mobility-CarSharing-Standplatz. Die regionalen Verkehrbetriebe Baden-Wettingen (RVBW) erschliessen das gesamte Gemeindegebiet mit einem dichten Netz von Haltestellen. Mit der verkehrsberuhigten Bahnhofstrasse (Einweihung 1995) zeigt Turgi, dass auch kleine Gemeinden im Zentrum attraktive fussgängerfreundliche Lösungen realisieren können. Auch Bau- und Zonenordnung nehmen Rücksicht auf eine gute Erschliessung durch den öffentlichen Verkehr und die Energieversorgung. Der Beitritt zur Fernwärme Siggenthal AG (2000/2001) ist zum Beispiel ein wichtiger Schritt in Richtung nachhaltige Energieversorgung auf Gemeindegebiet. All diese und weitere Massnahmen haben dafür gesorgt, dass sich Turgi in der „Rangliste“ der kommunalen Energiepolitik von 60 mit dem Label „Energiestadt“ ausgezeichneten Gemeinden an 22.-ster Stelle klassiert.
Schmid Erich, Turgi
Praxisarbeit IPM, 30. August 2002
88
GEMEINDE TURGI
Lokal handeln
Lokale Agenda 21
Die Gemeinde Turgi hat 68,5 Punkte von insgesamt 118 Totalpunkten (58 %) in folgenden Bereichen erarbeitet: Massnahmen 1 Planung und Baubewilligung 1.1 Zielsetzungen energie- und klimapolitische Zielsetzungen 1.2 Energiebilanz 1.3 Durchführung einer Energieplanung 1.4 Stark verkehrserzeugende Öffentlicher Verkehr, verdichtete NutNutzung zung 1.5 Erschliessungsplanung, Bau- Öffentlicher Verkehr, Energieversorund Zonenvorschriften gung 1.6 Bedarfsregelung Fahrzeug- Erstellungspflicht Veloabstell-, Laterabstellplätze nenparkplätze 1.7 Sondernutzungspläne Energiekonzept für grössere Bauvorhaben 1.8 Baubewilligungen 1.9 Baubewilligung Solaranlagen 1.10 Baukontrolle
Punktierung mögli. effekt. in % 20 1
10.5 0.5
53% 50%
1 3 2
0 1 2
33% 100%
3
2
67%
3
3
100%
2
0
2 1 2
0.5 0.5 1
25% 50% 50%
2 Gemeindeeigene Bauten 2.1 Nutzung erneuerbarer Energien und rationelle Wärmeerzeugung 2.2 Führung einer detaillierten Energiebuchhaltung 2.3 Sanierungskonzept 2.4 Organisation von Hauswartkursen 2.5 Mustergültige kommunale Bauernhaus, MZH, Veloständer BahnBauten hof 2.6 Kalkulatorische Energiepreiszuschläge 2.7 Öffentliche Beleuchtung Konzept zur Optimierung erarbeiten 2.8 Bewirtschaftung der Parkkeine Gebühren für Angestellte plätze 2.9 Durchführen von EnergieZusammenarbeit mit lokalen + regiosparwochen in Gemeindenalen Energieversorger häusern
15.5 3 2 2 1 3
9.5 3 1 1 1 1.5
61% 100% 50% 50% 100% 50%
2 1 1
2 0 0
100%
0.5
0
3 Energieversorgung allgemein 3.1 Vereinbarungen mit Grossverbraucher 3.2 Konzessionen Überprüfung bestehender Konzessionen 3.3 Zweckgebundene Verwendung 3.4 Ökostrom gewisser Anteil als Ökostrom beziehen
6 2 1
0 0 0
1 2
0 0
7 Spezifisch Nah- und Fernwärme 7.1 Aufbau und Unterhalt von Nahwärmeversorgung für die gesamte Gde. 7.2 Abwärme, Nah- bzw. Fernwärmeversorgung
6 3
6 3
100% 100%
3
3
100%
Schmid Erich, Turgi
Praxisarbeit IPM, 30. August 2002
89
GEMEINDE TURGI
Lokal handeln
8 Wasser 8.1 Sauberwasserkonzept 8.2 Elektrizitätssparprogramm
Lokale Agenda 21
8 2 2
5.5 2 1
69% 100% 50%
1 1 1
1 1 0
100% 100%
1
0.5
50%
4 2
4 2
100% 100%
2
2
100%
2 2
1 1
50% 50%
11 Verkehrsberuhigung 11.1 Tempo-Reduktion auf Haupt- Wildenstich: Trottoir achsen 11.2 Verkehrsberuhigung inneunterer Dorfteil Tempo 30, oberer rorts Dorfteil Tempo 40
6 3
3.5 1.5
58% 50%
3
2
67%
12 Zufussgehen fördern 12.1 Fusswegnetz 12.2 Aufwertung des öffentlichen Raumes 12.3 Attraktivierung 12.4 FüssgängerInnen-Aktionen
7 2 2
5 1.5 2
71% 75% 100%
1 1
1 0
100%
1
0.5
50%
5 3 1 1
2 1 1 0
40% 33% 100%
5
4.5
90%
2 1 1 1
2 0.5 1 1
100% 50% 100% 100%
energ. Beurteilungskriterien überprüfen 8.3 Gemeindeeigene wassereffiziente Sanitäranlagen 8.4 Verursachergerechte Tarife Wasser/Abwasser 8.5 Förderung bei Kunden energie- und wassereffiziente Sanitäranlagen 8.6 Vergleich Wasser-/ Auf Rechnung mit Vorjahr + DurchAbwasserverbrauch schnitt 9 Abwasser 9.1 Durchführung energetischer Analysen 9.2 Interne Abwärmenutzung 10 Parkieren 10.1 Bewirtschaftung
12.5 Fussweg-Information 13 Veloverkehr fördern 13.1 Velowegnetz 13.2 Abstellanlagen 13.3 Velo-Aktionen
energetische Analysen der ARA ARA mit/ohne Wärmepumpen, Bau von BHKW-Anlagen
Anwohnerpriviligierung, Nachtparkgebühr, P&R
Schulwegsicherung Park Bushaltestellen Vorbild-Aktion "Ich gehe zu Fuss", Bonussystem Beschilderung für Wanderwege, Industrielehrpfad
Radweg nach Untersiggenthal Velofahrkurse, Gesundheitsberatung, Bonussystem
14 Öffentlicher Verkehr fördern 14.1 Ausbau des öffentlichen Verkehrs (ÖV) 14.2 Bevorzugung des ÖV Busschleuse Richtung Baden 14.3 Aktive Kundenwerbung Abgabe von Gratisbillett für RVBW 14.4 Bedarfssysteme Mobility am Bahnhof
Schmid Erich, Turgi
Praxisarbeit IPM, 30. August 2002
90
GEMEINDE TURGI
Lokal handeln
15 Corporate Identity 15.1 Sensibilisierungsprojekte 15.2 Einkaufsrichtlinien 15.3 Regelmässiger Dialog 15.4 Durchführen von Energiesparwochen in Schulen 15.5 Institutionalisierter Kontakt mit Kirchgemeinden 15.6 Entwicklungsprojekte
Solarpreis, Energie-Umwelt-Charta energieeffiziente Autos und Geräte Zusammenarbeit mit Naturschutzkommission Zusammenarbeit mit Schulbehörde + Energieversorgung Gemeinde unterstützt Entwicklungsprojekte
16 Information und Beratung 16.1 Öffentliche Energieberatung Beratungsstelle für Energie- und Klimaschutzfragen 16.2 Mobilitätsberatung Beratungsstelle für Firmen, Detailhandel, etc. 16.3 Erfolgskontrolle und Öffentli- Rechenschaftsbericht, Gemeindeche Berichterstattung nachrichten 16.4 Umwelt-Energie-Infoblatt 16.5 Gemeinde-Standortmarketing Standortvorteile zur Imagepflege der Gemeinde 16.6 Kurse 16.7 Veranstaltungen Energie- und/oder Klimatag 16.8 Energiewochen prozessmoderierte Begleitgruppe der Bevölkerung 16.9 Hauswartkurse für Private 6.10 Förderung der EcoEinsatz des Fahrsimulators für EinFahrweise wohner/innen 17 Fördermassnahmen 17.1 (Finanzielles) Förderprogramm 17.2 Gebührenregelungen 17.3 Anreizinstrumente
energietechnisch mustergültige Sanierungen Red./Erlass bei eff. Energie- und Wassernutzung z.B. Steuerermässigungen
18 Organisation des Energiewesens 18.1 Fachgremium 18.2 Fachstelle Anschluss an die Energieberatungsstelle 18.3 Interne Weiterbildung 18.4 Reglemente/Pflichtenhefte/Spesen 18.5 Externe Beratung 18.6 Zusammenarbeit Total
Schmid Erich, Turgi
Praxisarbeit IPM, 30. August 2002
Lokale Agenda 21
8 2 2 1
4.5 1.5 1 0.5
56% 75% 50% 50%
1
0.5
50%
1
1
100%
1
0
13.5 2
5 1
1
0
2
1.5
75%
1 1
0 0.5
50%
0.5 2 2
0.5 1 0
100% 50%
1 1
0.5 0
50%
3 2
1 1
33% 50%
1
0
0
0
9 3 2
6.5 3 2
72% 100% 100%
1 1 1 1
0 0 1 0.5
100% 50%
118
68,5
58 %
37% 50%
91
GEMEINDE TURGI
Lokal handeln
Lokale Agenda 21
Die Gemeinde Turgi und insbesondere die Energiekommission sind laufend daran, die Punktezahl zu verbessern. So sind für das laufende Jahr folgende Ziele in Angriff genommen worden:
Schmid Erich, Turgi
• •
Beitritt zur regionalen Energieberatungsstelle, Ennetbaden Beitritt beim Trägerverein Energiestadt
•
Beleuchtungsmodernisierung im Quartier Wil Ersatz Quecksilberdampflampen durch Natriumleuchtmittel. Damit können rund 1/3 des Storms gespart werden.
•
Informationsveranstaltung am Dorffest 2002 Eigener Verpflegungspavillon mit Informationen zum sparsamen Umgang mit Energie. Die angebotenen Speisen wurden auf einem Induktionskochherd zubereitet. Für das Abwaschen wurde eine Solarzelle installiert, womit der Boiler geheizt werden konnte.
•
Teilnahme an der Umweltwoche in Saas Fee durch ein Mitglied der Energiekommission.
Praxisarbeit IPM, 30. August 2002
92
GEMEINDE TURGI
Lokal handeln
Lokale Agenda 21
3.16
Wakkerpreis 2002 Mit knapp 3000 Einwohnern gehört Turgi zu den kleineren Gemeinden in der Agglomerationslandschaft des schweizerischen Mittellandes. Die Gemeinde ist erst seit knapp 120 Jahren eigenständig. Obwohl Turgi keine grosse historische Vergangenheit und keinen pittoresken Ortskern besitzt, hat die Gemeinde zu ihrer Bausubstanz Sorge getragen und zwischen den Zentren Baden und Brugg eine eigene Identität entwickelt. Ihre Anstrengungen würdigt der Schweizer Heimatschutz mit dem Wakkerpreis 2002:
Dr. Carl Hürlimann, Präsident Schweizer Heimatschutz überreicht Gemeindeammann Theo Wenger den Wakker-Preis 2002
3.16.1 Bahnhofumbau, Schulhauserweiterungen, Jungwachthaus, Bauernhaus, Kindergarten Dorf, Friedhofgebäude, Sanierung Holzbrücke Umbau Langhaus, Kosthaus Brunnenweg
3.16.2
„Mit der Gemeinde Turgi zeichnet der Schweizer Heimatschutz eine kleine Gemeinde im schweizerischen Agglomerationsraum aus, die es geschafft hat, aus der baulichen Anonymität hervorzutreten. Trotz bescheidener Mittel nimmt Turgi seine Eigenverantwortung wahr und beweist, dass sich auch eine kleine Agglomerationsgemeinde erfolgreich für eine qualitative Weiterentwicklung des Ortsbildes einsetzen kann.“31
Förderung guter Gegenwartsarchitektur Bei der Errichtung eigener Bauten bemüht sich die Gemeinde, Architekturaufträge nach qualitativen Kriterien zu vergeben. Bei Neubauten, wie auch bei Umbauten unterstützt sie eine zeitgemässe Architektursprache.
Durch private Initiative wurden wichtige Beispiele früherer Arbeiterhäuser sachgerecht renoviert und in ihrem ortsprägenden Ausdruck erhalten.
Aufwertung des öffentlichen Raumes
Bahnhofstrasse
Die Bahnhofstrasse als Hauptachse im Dorfzentrum wird fussgängerfreundlich neu gestaltet.
Bahnhofplatz
Die Vorzone des Bahnhofgebäudes wird als öffentlicher Platz gestaltet. 31
Schmid Erich, Turgi
„Reise zum Wakkerpreis 2002 TURGI“
Praxisarbeit IPM, 30. August 2002
93
GEMEINDE TURGI
Dorfpark
3.16.3 Optimierung der Umsteigemöglichkeit Bus - Bahn, Tempo 30“-Zonen Dorfkern und Wil Verlängerung des Veloweges von Untersiggenthal bis zum Bahnhof
3.16.4 Schutz der Limmatinsel natürliche Uferbepflanzung
Schützenswerte Objekte
3.16.5
Industriekulturpfad Baden-Wettingen
Zai-Fest
Kulturgi
Schmid Erich, Turgi
Lokal handeln
Lokale Agenda 21
Ein ehemaliger Villengarten im Dorfzentrum wird zum Dorfpark. Mit einfachen Mitteln wird er erneuert und bietet Raum für verschiedene Anlässe und Feste, aber auch als Spielplatz und Ort der Erholung.
Verkehrsplanung zur Erhöhung der Wohnqualität Turgi ist nicht nur am Bahnnetz, sondern auch an das regionale Busnetz optimal angeschlossen und versucht diesen Vorteil zu nutzen: In den Wohnquartieren „Dorf“ und „Wil“ werden Tempo 30 Zonen geschaffen. Der Veloweg von Untersiggenthal nach Turgi wird bis zum Bahnhof verlängert.
Flusslandschaft, Parks und Einzelbäume Die Insel in der Limmat wird als Naturraum vollumfänglich geschützt. Die Uferbepflanzung entlang der Limmat wird als natürliche Ortsbegrenzung und als Raum für Tiere und Pflanzen erhalten. Die Bedeutung der Natur im Siedlungsraum wird ernst genommen Durch den Schutz der Villengärten und einzelner dominanter Bäume werden Naturelemente auch im Ortskern respektiert und gepflegt.
Öffentlichkeitsarbeit, Schaffen von Identifikationsmöglichkeiten Turgi ist Mitglied des Vereins Industriekulturpfad BadenWettingen. Der Industriekulturpfad führt Interessierte in unsere Gemeinde und verstärkt das Verständnis der Bevölkerung für die Besonderheit des Ortes. Die SP Turgi erinnert sich an eine ungewöhnliche Episode der Ortsgeschichte und bringt sie in theatralischer Form der Bevölkerung wieder ins Bewusstsein. Die Kulturkommission veranstaltet Vorträge und Exkursionen über die Anfänge der Industrialisierung.
Praxisarbeit IPM, 30. August 2002
94
GEMEINDE TURGI
Lokal handeln
3.17
Standortmarketing
3.17.1
Begriff
Lokale Agenda 21
Marketing ist ein betriebswirtschaftliches Konzept der Unternehmensführung, das sich aus USA kommend im Verlauf der letzten 2 - 3 Jahrzehnte mit stetig wachsender Bedeutung auch im europäischen Raum durchgesetzt hat. Dieses MaQuellen für Wachstum nagementkonzept zielt auf eine konsequente Ausrichtung und Erfolg sind des gesamten Unternehmens auf die Anforderungen und a) Kunden, die LeistunBedürfnisse des Marktes ab. Entscheidend ist, dass Markegen beim Unternehting einem ganzheitlichen, systematischen Ansatz folgt und men kaufen und nicht mittels einer losen Folge von Einzelaktionen betrieb) Leistungen, die ein ben wird. Es basiert auf einer klar definierten Strategie zur Unternehmen an Erreichung der qualitativen und quantitativen MarketingKunden verkauft. ziele, welche sich ihrerseits auf eine fundierte Marktanalyse abstützen. Produkte müssen auf dem Markt verkauft werden. Auch die Gemeinde, ihre Dienstleistung und deren Standort ist ein Markt. Das Marktvolumen ist die realisierte oder prognostizierte Absatzmenge einer Branche. Der Marktanteil ist der Umsatz, ausgedrückt als Prozentsatz des Marktvolumens. Diese Grössen müssen auch die Gemeinden mindestens glaubhaft abschätzen, logisch nachvollziehen und plausibel überprüfen können, um die Informationsquellen vergleichen zu können (Marktanalyse).
3.17.2
P-Modell Der Markt der Gemeinde kann nach dem 5-P-Modell wie folgt definiert werden, wobei der personelle Bereich nicht vergessen werden darf.
Promotion/Standortwerbung Personal
Oeffentlichkeitsarbeit, PR Publikationen, Inserate
Produkt Gemeinde öffentl. Dienstleistung Standort Gemeinde
jemand, der dahinter steht
Preis Markt
Landpreis, Mietpreis Steuerfuss Rahmenbedingungen (Gesetz/Regulierungen)
Place Distribution, Logistik Internet, Prospekt Direktanfragen
Schmid Erich, Turgi
Praxisarbeit IPM, 30. August 2002
95
GEMEINDE TURGI
Lokal handeln
Lokale Agenda 21
3.17.3
Standortattraktivität Die Attraktivität einer Wohngemeinde ist in jedem Fall subjektiv. Es ist meist eine Reihe von Bestimmungsgrössen, die das individuelle „Heimatgefühl“ prägt: Dorfbild Immissionen
Wirtschaftstätigkeit
Jugendförderung
Bevölkerungsstruktur Vereinsaktivität
Steuerbelastung
Standort-Vorteile
Bildungsangebot Oeffentlicher Verkehr
Einkaufsmöglichkeiten
Verkehrslage Kulturelles Angebot
Kommunikation Infrastruktur
Geografische Lage Image
Die öffentliche Verwaltung muss sich nach ihren Kunden orientieren: Der Kunde bzw. der Markt steht im Mittelpunkt (Customer Focus). So richtet sich auch die Unternehmenspolitik der Gemeinde auf die Markt- bzw. Kundenbedürfnisse aus. Eine Gemeinde ist nur attraktiv (sprich konkurrenzfähig), wenn sie die günstigste mit der besten Kostenstruktur ist (Kostenführerschaft) und wenn sie die Dienstleistungen (Produkte) richtig positioniert hat, also konkurrenzlos ist. Die Gemeinde hat herauszufinden, welches ihr Markt ist (Segmentierung in Stufen). Sie hat sich mit ihrem Standortmarketing richtig zu positionieren, denn unterschiedliche Positionen (z. B. Steuern, Preise / Lebensqualität, Image) beleben den Markt - die Wohnvielfalt.
Schmid Erich, Turgi
Praxisarbeit IPM, 30. August 2002
96
GEMEINDE TURGI
Lokal handeln
Lokale Agenda 21
Standortmarketing ist ein Führungsinstrument, das durch den Ausgleich der wesentlichen Interessen zu gegenseitigen abgestimmtem Handeln motiviert und die Gemeindeentwicklungsinstrumente zielgerichtet einsetzt. Für die ansässige Bevölkerung und die Wirtschaft werden Qualitäten und Mehrwerte entwickelt sowie Standortvorteile und Anreize für Zuzüger geschaffen, damit der Bürger-Sinn vermehrt zu Bedeutung kommt. Das „wirtschaftsfreundliche Klima“ beruht im Standortmarketing auf der partnerschaftlichen Kooperation zwischen Wirtschaft und Politik. Im Standortsmarketing-Prozess bieten sich optimale Gelegenheiten, die Bedürfnisse und Interessen gegenseitig und kontinuierlich abzuklären.
3.17.4
Standortmarketing-Konzept Das Standortmarketing-Konzept hat zu umschreiben, welche Soll-Zustände angestrebt werden müssten, die mittel- bis langfristig erreicht werden können, und es ist die Zusammenfassung aller wichtigen Elemente, welche der Konkretisierung der Strategien im Bereich der Standortpolitik dienen. Ein Standortmarketing-Konzept hat vor allem zu umschreiben:
♦ ♦ ♦ ♦ ♦ ♦
Produkt Markt Instrumente Organisation Leistungsauftrag Controlling
welche Dienstleistung vermarkten (Standortvorteile, USP32) welche internen/externen Märkte bearbeiten (Bevölkerung, Gewerbe) welche Marketing-Instrumente einsetzen (z.B. Broschüren, Werbung) welche Organisationsform/-Konzept wählen welchen Leistungsauftrag z. B. die Gemeindeverwaltung übernimmt. welche Controlling-Strategie wählen
Ablauf eines Standortmarketing-Prozesses Gestützt auf die rechtlichen Rahmenbedingungen (Budget, Verpflichtungskredit) sowie auf die Diagnose und Lagebeurteilung sind zunächst die herausragenden Stärken und Schwächen (interne Analyse) sowie die sich abzeichnenden Chancen und Risiken (Umweltanalyse) bzw. die strategischen Hauptherausforderungen für die Gemeindeentwicklung festzuhalten (SWOT-Analyse33). Daraus können aufgrund des Leitbildes und des Finanzplanes die Ziele formuliert werden, die mit dem Marketing erreicht werden sollen. Mit der Gemeindemarketing-Strategie (Handlungsoptionen) wird die strategische Stossrichtung definiert (politisches Marketing, Verwaltungs-, Kulturmarketing), wie sich die Ge32
USP heisst Unique Selling Proposition und bedeutet die Einmaligkeit eines Produktes 33 Stärke-Schwäche/Chancen-Risiken - Analyse
Schmid Erich, Turgi
Praxisarbeit IPM, 30. August 2002
97
GEMEINDE TURGI
Lokal handeln
Lokale Agenda 21
meinde inskünftig im Standortwettbewerb positionieren bzw. wie sie sich gegenüber ihren wichtigsten Mitbewerbern profilieren will. Gefragt ist ein möglichst klares, unverwechselbares und realistisches Profil, das wesentlich auf vorhandene Stärke aufbaut und spezifische Chancen zu nutzen weiss. Im weitern muss die Strategie aber auch klären, in welchen Teilmärkten (z.B. Tourismus, Gewerbe, Wohnen) sie Profil zeigen und welche Kundensegmente (z.B. Besucher, Gewerbetreibende, Bewohner) sie zu diesem Zweck pflegen will. Die Strategie dient als Grundlage für den Massnahmenplan und das Umsetzungskonzept schliesslich zeigt auf, in welchen Schritten und Etappen die Massnahmen realisiert werden sollen und welche Ressourcen dazu nötig sind. Das Strategie-Controlling gibt wieder Feedback in die externe und interne Analyse. Beim Standortmarketing dürften vornehmlich folgende Ziele im Vordergrund stehen: ♦ Das Image der Gemeinde zu verbessern, ♦ eine aktive Wirtschaftförderung zur Ansiedlung neuer Betriebe durchzuführen und ♦ die Gemeinde als Wohn- und Einkaufsort attraktiver zu gestalten, ♦ Stärken der Gemeinde herauszuheben und zu fördern und ♦ Entwicklungsprojekte zu planen und zu realisieren.
Folgerung Ist eine Gemeinde als Standort attraktiv, wirkt sich das positiv auf die Finanzen aus; die sozialen Kosten werden gesenkt, die Zuwanderung gefördert und die Steuererträge erhöht. Eine durch die ABB Immobilien AG an Steiner Zeugin Streich in Auftrag gegebene Marktanalyse beurteilt die Nachfragesituation insbesondere im Bereich Gewerberäume als eher kritisch und empfiehlt eine aktive Marketingstrategie in Richtung neuer Märkte zu schaffen. Wenn es keine Nachfrage gibt, muss man sie schaffen. Standortmarketing wird heute weniger als blosse Werbung für das eigene Dorf verwendet, sondern als Innovation im Bereich der breit angelegten, ergebnisorientierten Entwicklungsplanung und Entwicklungspolitik gesehen.
Schmid Erich, Turgi
Praxisarbeit IPM, 30. August 2002
98
GEMEINDE TURGI
Lokal handeln
3.18
Politik
Lokale Agenda 21
Die wahrgenommenen Probleme in den Gemeinden lassen sich heute nur noch mit Kommunikation steuern. Der Erfolg von Standortmarketing basiert deshalb auf der Basis von Kommunikation. Die politische Kultur muss neu belebt werden. Standortmarketing ist eine neuartige Kommunikationspolitik der Exekutive. Die gewünschte Einbindung politikabsenter Personen und Kräfte kann nur dann erfolgreich sein, wenn überzeugend kommuniziert und motiviert wird. Zusätzlich müssen Angebote offeriert werden, Diskussionen verbindlich geführt und die Ergebnisse ernsthaft erörtert werden. Die Kommunikation zwischen Menschen als Interessenträgern und Betroffenen macht es in den Gemeinden möglich, dass die Mitglieder der Exekutive in einer Doppelfunktion, quasi auch als „Privatperson“, auftreten. Die Themen bleiben hingegen komplex. Das Anforderungsprofil für Gemeinderäte und andere Ausführungsbehörden ist hoch. Im parteiübergreifenden Dialog wird den Politikern und Politikerinnen einiges abgefordert: Fachwissen, Flexibilität, Verhandlungsgeschick, Kontaktfreudigkeit, Ueberzeugungskraft, Sensibilität und Kompromissfähigkeit.
3.18.1 „Politik ist nicht etwas Langweiliges. Politik kann eine spannende Sache sein, wenn man sich damit auseinander setzt. Man merkt, dass wir gar nicht so wenig zu sagen haben, wie wir immer denken.“ Patrizia Motti Präsidentin Aarg. Jugendparlament
Schmid Erich, Turgi
Ehrenamtliche Arbeit Sicher ein Drittel der Schweizer Bevölkerung leistet freiwillige und ehrenamtliche Arbeit in Vereinen, im Militär, in Organisationen, in Kirche, im Sozial- und Bildungsdienst, in Organisationskomitees für Festanlässe und in der Politik. Die Schweiz baut wie kein anders Land in Europa auf das Milizsystem auf. Sogar Ständeräte betreiben Politik im Nebenamt. In der Schweiz gibt es rund 350'000 politische Aemter34. Das ist eine sehr hohe Zahl. In Turgi beträgt dieser Drittel über 800 Einwohnerinnen und Einwohner. Dies mag im ersten Eindruck als sehr hohe Zahl erscheinen. Wenn man aber die vielen vereinsmässigen Organisationen (Turgi hat 48 eingetragene Vereine), religiösen Institutionen und die 141 gemeindeeigenen Aemter und Kommissionen zusammenzählt, liegen wir mit dem Drittel in unserer Gemeinde nicht schlecht.
34
Dr. Andreas Ladner, Interview „in 10 Jahren gibt es nicht mehr die selben Gemeinden wie heute“
Praxisarbeit IPM, 30. August 2002
99
GEMEINDE TURGI
Lokal handeln
Lokale Agenda 21
Doch die Freiwilligenarbeit kommt immer mehr aus der Mode. Dies aus den folgenden Gründen: -
Individuum und Eigennutz stehen im Vordergrund Die Globalisierung verändert unser Leben von Grund auf Die berufliche Beanspruchung bietet kaum mehr Freiraum Entlöhnung und Bewertung der Leistungen sind in Konkurrenz mit der Berufsbesoldung Keine klaren Entscheidungswege
Warum stellen sich aber trotz vermeintlicher Nachteile immer wieder Personen in den freiwilligen Kommunaldienst? Nur weil irgend jemand die Gemeinschaftsarbeit machen muss? Nein, im heutigen Zeitalter des „Ego-Trips“ wohl selten. „Community work“ ist eine Win-Win-Situation für die Gesellschaft und den Einzelnen. Eine politisch aktive Person sammelt für sich eine reiche und wertvolle Erfahrung und vergrössert damit sein Fähigkeits-Horizont. Kommunalpolitik ist eine hervorragende Talentund Erfahrungsschmiede. Menschen suchen gerne reizvolle Herausforderungen. Die Kommunalpolitik bietet dieses Wissen. Der Einblick in den Mechanismus der Kommune öffnet neue Horizonte.
Dipl. El. Ing. ETH Familienfrau/ Kaufm. Angestellte Marketing-Verkaufsleiter Bezirksschullehrer lic. phil I Leiter Elektrobereich
Gemeinderat Turgi, 1.1.2002
Die Mitwirkung ist eine freie persönliche Entscheidung. Der Interessierte kann nach seinen Neigungen und nach seiner verfügbaren Zeit das Engagement mitbestimmen. Die meisten Milizpolitiker sind vielleicht gerade dank der Freiwilligkeit gut motiviert und strahlen eine ungezwungene Freude bei ihrer Arbeit aus. Die Umgebung der Kommunalpolitik bereichert also das Leben, der Politiker muss immer wieder in ungewohnte Situationen hineindenken. Menschen mit viel Unternehmergeist, Eigeninitiative und Tatendrang können in der Gemeinde Berge versetzten. Das ist wohl auch die Entschädigung für ihr Engagement.
Schmid Erich, Turgi
Praxisarbeit IPM, 30. August 2002
100
GEMEINDE TURGI
Lokal handeln
3.19
Verwaltung
Lokale Agenda 21
Die Gesellschaftsveränderung, die unaufhörlich wachsenden Bedürfnisse der Bevölkerung, das pulsierende Wirtschaftsleben, die unaufhaltsame Gesetzesmaschinerie und die versiegenden Ressourcen schwächen die Gemeinde. Das Management (Führung), die Strukturen (Organisationsformen, Betriebsabläufe) und der haushälterische Umgang mit Ressourcen (Personal, Finanzen, Infrastruktur) entsprechen nicht mehr der heutigen Zeit. Konkret äussert sich dies in drei Faktoren wie folgt:
3.19.1
Management -
-
3.19.2
Strukturen -
-
-
3.19.3
Die Gemeinde wird ohne operative Geschäftsleitung geführt Die Organigramme verhindern kooperative Führungsstrukturen und interdepartementale Zusammenarbeitsformen Betriebsabläufe sind (noch) nicht auf die modernen Kommunikationsmittel abgestimmt Die Strukturen sind vielerorts auf die Anwender (Verwaltung) aber nicht auf die Kunden (Bürger) ausgerichtet
Ressourcen -
-
Schmid Erich, Turgi
Fehlende Abgrenzung zwischen operativen und strategischen Führungsaufgaben Mangelnder Einbezug der Verwaltungspersonen in die Entscheidungsfindung
Das Personal erfüllt den notwendigen Ausbildungsstand nicht Der Finanzhaushalt wird nicht in der notwendigen Transparenz dargestellt Die Infrastrukturen sind ineffizient ausgeschöpft
Praxisarbeit IPM, 30. August 2002
101
GEMEINDE TURGI
Lokal handeln
Lokale Agenda 21
3.20
Merkmale einer nachhaltigen Kommunalpolitik Nachhaltigkeit des Gemeinwesens ist das Ergebnis eines gelebten lokalen Konsenses über Grundwerte, gesunde Lebensbedingungen und die notwendige Verteilungsgerechtigkeit zwischen den derzeit lebenden Menschen und den künftigen Generationen. Eine Gemeinde ist nachhaltig, wenn sozialer Zusammenhalt und Solidarität bestehen, sie ihren Einwohnern eine soziokulturelle Basis und offene Entwicklung bietet, sie die baulichen und ästhetischen Qualitäten erhält und weiterentwickelt, sie über eine soziale- und umweltverträgliche technische und soziale Infrastruktur verfügt, sie ihren Bewohnern einen gesunden, sicheren und attraktiven Lebensraum schafft.
Nachhaltigkeit des Wirtschaftssystems stützt sich auf menschliche Arbeit, erneuerbare Ressourcen und volkswirtschaftlich optimales Wirtschaften.
Ein lokales Wirtschaftssystem ist nachhaltig, wenn möglichst viele mit einer sinnvollen Tätigkeit daran beteiligt sind, die wirtschaftlichen Aktivitäten zukunftsorientiert sind, die lokalen Vorteile, Fähigkeiten und Ressourcen genutzt werden, die wirtschaftlichen Aktivitäten mit dem Gemeinwesen abgestimmt sind, die Umwelt- und sozialen Kosten durch die Wirtschaft mitgetragen werden. Ökologische Nachhaltigkeit schont die lokale Umwelt vor Schadstoffen, geht haushälterisch mit den natürlichen Ressourcen um und sichert damit das Wohlergehen der Menschen sowie das Leben und die Vielfalt von Pflanzen und Tieren in der Zukunft.
Konkret bedeutet dies für die Gemeinde, dass • der Schutz von Luft, Wasser und Boden gewährleistet ist, • die Möglichkeit der effizienten und erneuerbaren Energienutzung ausgeschöpft wird, • der Lebensraum der Menschen vor Lärm und anderen schädlichen Einflüssen bewahrt wird, • Landschaft und Naturraum mit Pflanzen und Tieren erhalten werden, und • der landwirtschaftlich nutzbarer Boden vor Beeinträchtigung der Fruchtbarkeit geschützt wird.
Schmid Erich, Turgi
Praxisarbeit IPM, 30. August 2002
102
GEMEINDE TURGI
Kommunale Handlungsfelder
4
Kommunale Handlungsfelder
Umwelt
Wirtschaft
Gesellschaft
Lokale Agenda 21
Die bisherigen Schilderungen zeigen, was Turgi in den vergangenen 15 Jahren vieles schon unternommen hat, obwohl der Begriff von Agenda 21 gar noch nicht bekannt war. Erst das Zusammentragen dieser Fakten hat gezeigt, wie innovativ, spontan und mutig die Turgemer Kommunalpolitik war und was sie bewirkt hat. Im Hinblick auf die Lokale Agenda 21 stehen noch viele Aufgaben bevor. Die nachfolgenden Ansätze zeigen die Vielfalt und Komplexität. Obwohl Turgi schon einiges in Richtung Nachhaltigkeit unternommen hat, sind der Themen noch viele. Zu einem wesentlichen Teil ist das Umweltrecht auf Gemeindestufe zu vollziehen. Da es inhaltlich sehr komplex ist und eine Vielzahl von weit verstreuten Normen zu beachten sind, ist der Vollzug des Umweltrechtes eine der schwierigsten Gemeindeaufgaben. Zu den alten Sünden der Vergangenheit kommen die neuen Bedrohungen: die zunehmende Verseuchung mit der elektromagnetischen Strahlung (Elektrosmog), vor der es wohl kein Entrinnen gibt, und die Gentechnologie, deren Risiken für das Oekosystem weitgehend bekannt sind. Das einzige, was zählt, sind Massnahmen, welche unseren Lebensraum entlasten. Aber man lässt jedermann gewähren und schaut freundlich zu: Motorflugzeuge, sinnlos herumkurvende Motorfahrzeuge (60 % der gefahrenen Kilometer dienen Freizeitaktivitäten), den über jede Vernunft hinaus gehenden Güterverkehr, Chemikalienproduktionen am Laufmeter, stinkende Feuerwerke bei jeder Geburtstagsparty, industrielle Schundproduktionen zur Unterstützung der Wegwerfmentalität. Lichtblicke sind vorhanden; sie sind im Dunkeln des ökologischen Geschehens besonders augenfällig. Es grenzt ans Wunderbare, dass der biologische Landbau mit der Vielfalt als Betriebsphilosophie ständig an Ansehen gewinnt (rund 8 % der noch verbliebenen Nutzflächen werden nach den Regeln des biologischen Landbaus bewirtschaftet). Es ist zu begrüssen, dass ökologisch produzierte Konsumartikel ständig mehr Beachtung finden und erneuerbare Energien (Holz, weitere Biomasse und Sonnenenergie, wie auch Fernwärme aus Kehrichtverbrennungsanlage) immer mehr Freunde um sich scharen.
Schmid Erich, Turgi
Praxisarbeit IPM, 30. August 2002
103
GEMEINDE TURGI
Wenn wir wollen, dass es in der Welt besser wird, müssen wir das, was wir dazu beitragen können, selber tun. H. Pestalozzi
Kommunale Handlungsfelder
Lokale Agenda 21
Die veränderten Rahmenbedingungen der global organisierten Wirtschaft begünstigt in der Schweiz massgeblich die Abwanderung von bedeutenden Wirtschaftsunternehmen. Mit MarketingAktivitäten sollen verlorene Arbeitsplätze durch neue kompensiert werden. Auf der Seite der Gemeinden steht die aktive Entwicklung und Förderung lokaler Qualitäten und Mehrwerte für bestimmte Unternehmen im Vordergrund. Ein Nutzen für die Unternehmen entsteht, wenn durch Standortsmarketing-Aktivitäten verbesserte lokale Rahmenbedingungen geschaffen werden (Flächenangebote, speditive Baubewilligungsverfahren, usw.). Seitens der Privatwirtschaft wäre ein „new private management“ denkbar, das bei Standortentscheiden die gebührende Berücksichtigung der kooperativ geteilten Ziele gewährleistet. Eine höhere Kontaktintensität zwischen den Unternehmensleitungen und den Gemeinbehörden kann sich durchaus positiv auf die langfristige, strategische Planung der Unternehmen auswirken. Für die Unternehmensleitungen ergeben sich dadurch Gelegenheiten, aktiv Einfluss auf die Gemeindeentwicklung zu nehmen.
Schmid Erich, Turgi
Praxisarbeit IPM, 30. August 2002
104
GEMEINDE TURGI
Kommunale Handlungsfelder
Lokale Agenda 21 Umwelt
4.1
Gesellschaft Wirtschaft
Gesellschaft
Lokale gesellschaftliche Nachhaltigkeit ist vor allem eine Frage des gemeinsamen Gestaltungs- und Konsensfindungsprozesses zur Umsetzung der Vision einer nachhaltigen Entwicklung. Dies wird erreicht durch ... Einbezug der Bevölkerung in die Entscheidungsfindung und den Interessenausgleich die Förderung lokaler Initiativen und Potentiale sowie lokaler Netzwerke eine transparente, aufgeschlossene und innovative Kommunalpolitik eine wirkungsorientierte und kostengünstige Verwaltung Förderung eines hohen Sicherheitsgefüges gegen Gefahren und soziale Risiken die Pflege von Dorfbild und Aufenthaltsqualität (Kultur, Freizeit, Erholung) angemessene Aktivitäten zur Unterstützung internationaler Solidarität zur Förderung der Nachhaltigkeit
4.1.1
Zufriedenheit der Einwohner/innen Allgemeine Zufriedenheit mit verschiedenen Aspekten des Lebens in der Gemeinde Turgi. Ein wichtiger Faktor ist die Zeit, die Zeit, die wir für einander haben müssen, die Zeit aber auch, die wir unseren Mitbewohnern zu widmen haben. Wir müssen Anlass bieten für Diskussionen und Meinungsaustausch. Ab nächstem Jahr wird allen Personen35, die seit 25 und mehr Jahren in Turgi wohnen, ein Brief geschrieben, in welchem wir uns bedanken für die Treue zu unserer Gemeinde. Als kleine Anerkennung wird dem Brief zur Identifizierung mit unserer Gemeinde ein Pin beigelegt. In nächster Zeit wird eine Umfrage bei allen Einwohnerinnen und Einwohnern über ihre Zufriedenheit mit der öffentlichen Hand. 35
Schmid Erich, Turgi
450 Personen wohnen seit mindestens 25 Jahren in Turgi 639 Personen wohnen seit 20 Jahren in Turgi 870 Personen wohnen seit 15 Jahren in Turgi
Praxisarbeit IPM, 30. August 2002
105
GEMEINDE TURGI
Kommunale Handlungsfelder
4.1.2
Information
Lokale Agenda 21
Die Gemeinde informiert offen, aktuell und möglichst attraktiv über Medien, Internet und das elektronische Zukunftsmedium des Newsletters. Zur Verstärkung des Dialoges zwischen Behörden und Bevölkerung werden in periodischen Abständen Informationsveranstaltungen organisiert (z. B. Turgi-Apéro, politischer Stammtisch). Dadurch nimmt die Bevölkerung aktiv am Gemeindeleben teil und hat Verständnis für die Aufgaben und Arbeiten der Gemeinde und deren Behörden. Das Internet ist so auszubauen, dass die Homepage auch als Plattform für Vereine, Organisationen und Private verwendet werden kann. Die Gemeindeverwaltung bietet in regelmässigen Abständen fachkundige Themenabende an, wo sich die Gemeindebürger konkret weiterbilden können (Ehe-, Erb- und Güterrecht, Steuerrecht, Bürgerrecht, Baurecht, etc.), verbunden mit einem „Tag der offenen Tür“, oder anderen Begegnungsmöglichkeiten.
4.1.3
Schulen Den Schulen als Partner der Gemeinde kommt eine Schlüsselrolle zu. Somit sind die Schulen auf allen Stufen in die Themen einer Nachhaltigen Entwicklung eingeschlossen. Spezielle Projektwochen fördern das Bewusstsein.
4.1.4
Kulturelle Identität Die Kultur wird als wichtiger Teil unseres Dorflebens gepflegt und gefördert. Die Bevölkerung ist ins Kulturleben einzubinden, indem zum Beispiel am kommenden 3. Internationalen Kindertheaterfestival alle Kinder in privaten Haushaltungen untergebracht werden und dadurch direkten Kontakt erhalten.
4.1.5
Freizeit Das lokale Freizeit- und Kulturangebot ist auszubauen und ein breites Angebot ist kostengünstig zur Verfügung zu stellen.
4.1.6
Sondertage In Zukunft stellt der Gemeinderat jedes Jahr unter ein Motto: • Vereine • Schule, Bildung • Kultur • Politik
Schmid Erich, Turgi
Praxisarbeit IPM, 30. August 2002
106
GEMEINDE TURGI
Kommunale Handlungsfelder
• • • • • •
Lokale Agenda 21
Wirtschaft Nachhaltigkeit Umwelt, Wald Energie Bevölkerung ...
Diesem Thema können sich alle Akteure (Vereine, Schule, Politiker, etc.) ein ganzes Jahr schwerpunktmässig widmen, Tag der offenen Türe gestalten, Besichtigungen organisieren und sich danach verhalten. Event mit wichtigen Köpfen von Turgi durchführen.
4.1.7
Vereine Die Vereinsaktivitäten werden unterstützt durch zur Verfügung stellen der Infrastruktur (Räumlichkeiten, Geräte. Homepage, usw.) und finanzielle Unterstützung für die Ausbildung der Funktionäre.
4.1.8
Quartierförderung Mit Quartier-Power die Lebensqualität im Dorf erhöhen. Quartiere zeigen ihr Gesicht. Ein Dorffest wie das diesjährige Wakkerfest könnte sehr wohl auch im Gehling oder Wil stattfinden.
4.1.9
Jugendförderung Die bestehenden Angebote für Jugendliche werden gefördert und gestärkt. Das Jugendkafi wird wie bisher durch die Jugendlichen selbst verwirklicht und betrieben. Die Jugendkommission ist dafür besorgt, die Jugendarbeit zu fördern.
4.1.10
Wohnen für Senioren Um die Selbständigkeit der Betagten möglichst lange zu wahren, sind Alterswohnungen im Dorf zu fördern. Eine gute Gelegenheit wird der Wohnungsbau beim Bahnhof sein. Der Gemeinderat regelt die finanzielle Beteiligung an solchen Wohnungen.
Schmid Erich, Turgi
Praxisarbeit IPM, 30. August 2002
107
GEMEINDE TURGI
Kommunale Handlungsfelder
4.1.11
Migration
Lokale Agenda 21
Möglichkeiten für Begegnungen mit der ausländischen Bevölkerung und den Zugezogenen müssen gefördert werden. Die Gemeinde bietet jedes Jahr eine Möglichkeit für die ganze Bevölkerung, sich zu treffen (Waldumgang, Gemeindeführung, Kulturführung, Tag der offenen Türe, Filmabend, Quartierfest, Bundesfeier, Dorffest, Spielnachmittag mit Dorfwettbewerb, Neuzuzügernachmittag, etc.)
4.1.12
Sicherheit Die Gemeinde beteiligt sich an einer effizienten regionalen Gemeindepolizeilösung und deckt die Sicherheit mit privaten Organisationen ab. Somit gewährleistet sie objektive wie subjektive Sicherheit, Sicherheitsvorsorge, Verkehrssicherheit und Schutz vor Kriminalität.
4.1.13
Gesundheit und Soziales Der Gesundheitsförderung in der Gemeinde ist der grösste Stellenwert einzuräumen. Zusammen mit Dorfarzt, Samariterverein, Zivilschutz, etc. sind Gesundheitskampagnen zu lancieren. Spitex ist kostengünstig und effizient mit der Nachbargemeinde zu bewältigen. Die Aufgaben der Sozialhilfe und Fürsorge sind mit den Seelsorgern der Kirchen zu koordinieren.
4.1.14
Arbeitsmöglichkeiten Arbeitsvermittlung, neue Beschäftigungsformen, Familienservice, Betreuungsangebot für Kinder sind ev. auf privater Ebene anzubieten und durch die Gemeinde in materieller Form zu unterstützen.
4.1.15
Lokal gelebte Demokratie Die Gemeindeversammlung ist in dreierlei Sicht attraktiv zu machen, erstens dürfen nur wichtige Entscheid zu Abstimmung kommen, zweitens müssen die Stimmbürger/innen sehr gut vorbereitet sein auf die Traktanden und drittens muss nach der Versammlung Gelegenheit bestehen, ungezwungen weiterzupolitisieren (bei einem Glas Wein, im Sommer am Grill, etc.).
Schmid Erich, Turgi
Praxisarbeit IPM, 30. August 2002
108
GEMEINDE TURGI
Kommunale Handlungsfelder
4.1.16
Zukunftsrat
Lokale Agenda 21
Die Stiftung Zukunftsrat wurde 1997 gegründet und setzt sich für die Schaffung von Zukunftsräten in Schulen, Gemeinden, Kantonen und in Betrieben ein. Im Aargau nahmen Oberkulm, Rheinfelden, Wölflinswil und Turgi als Pilotkommunen am Prozess teil. Im kommenden Aargauer Jubiläumsjahr soll ein Anlauf in Sachen Zukunftsrat genommen werden. Die Gemeinde Turgi wird sich auch in diesem Teil des „Zukunftsrates“ beteiligen.
4.1.17
Oertliches Angebot an öffentlichen Grünflächen Zugang des Bürgers zu nahegelegenen öffentlichen Grünflächen und Basisdienstleistungen. Der Friedhof ist als Ruhe- und Aufenthaltsort zu bewahren . Die hohen landschaftlichen Qualitäten von Turgi kommen auch in den Grünräumen des Dorfes zum Tragen.
4.1.18
Gemeindeorganisation Die Aufgabenverteilung im Gemeinderat ist so, dass kurze Entscheidungsabläufe möglich sind und die Qualität der Arbeit durch effizientes Arbeiten weiterhin gewährleistet bleibt. Der Gemeinderat prüft periodisch seine Organisation und legt bei Bedarf ein Konzept vor. Er prüft regionale Lösungen für kommunale Aufgaben. Turgi verfügt über eine effiziente und gut eingerichtete Verwaltung. Das eingespielte Team sichert eine hohe Qualität der Arbeit. Der Gemeinderat formuliert Zielvorgaben für die Verwaltung. Die individuelle Beratungsmöglichkeit durch die Gemeindeverwaltung wird durch Terminvereinbarungen verbessert. Das Baubewilligungsverfahren ist spätestens innert 2 Monaten erledigt. Es muss davon ausgegangen werden, dass die heute in der Gemeinde vorhandenen personellen und fachlichen Kapazitäten nicht ausreichen, um alle zukünftigen Aufgaben anzugehen. Deshalb sind vermehrt spezielle Aufgabengebiete an Spezialisten vergeben. Die Gemeinde Turgi tritt der Interessengemeinschaft „IG Benchmarking“ bei, um so Vergleichszahlen zu erhalten.
Schmid Erich, Turgi
Praxisarbeit IPM, 30. August 2002
109
GEMEINDE TURGI
Kommunale Handlungsfelder
Lokale Agenda 21
Umwelt
4.2
Umwelt Wirtschaft
Gesellschaft
Lokale ökologische Nachhaltigkeit muss die Begrenztheit der Ressourcen sowie den Grenzen der Belastbarkeit des Lebensraumes und der Lebewesen Rechnung tragen. Dies wird erreicht durch ... vorbildliches, umweltschonendes Verhalten der Gemeinde (ökologische Beschaffung, nachhaltige Landpolitik) wirtschafts- und sozialverträgliche Umsetzung der umweltrechtlichen Vorschriften Schaffen eines aktuellen Ueberblicks über den Umweltzustand und den Handlungsbedarf im Umweltbereich weitestgehende lokale Lösungen der Umweltprobleme angemessene Kooperationen mit anderen Gemeinden innovative Nutzung lokaler Potentiale und Erfahrungen anderer Gemeinden
4.2.1
Raum- und Flächennutzung Nutzunsplanung, Dorfbildplanung, Brachflächenrecycling in Bauzonen: Die hohen landschaftlichen Qualitäten von Turgi sollen auch in den Grünräumen des Dorfes zum Ausdruck kommen. Dazu sind geeignete Massnahmen zu ergreifen (Grünraumgestaltung Friedhof, Pausenplätze, Bäche, usw.). Gestaltung der gemeindeeigenen Anlagen, Gestaltung der Dorfeingänge, Begrünung bei Strassensanierungen. Die Zusammenarbeit mit Natur- und Vogelschutzverein, Pro Natura, IG Wasserschloss, Jagdgesellschaft und anderen Organisationen ist zu fördern.
4.2.2
Naturraum- und Landschaft Es ist ein Naturschutzleitbild resp. Ein Konzept und die Massnahmen zum Erhalt und zur Vernetzung der Lebensräume, kommunale Leitlinien für eine zukunftsbeständige räumliche Entwicklung zu erarbeiten.
Schmid Erich, Turgi
Praxisarbeit IPM, 30. August 2002
110
GEMEINDE TURGI
Kommunale Handlungsfelder
Lokale Agenda 21
Schutz der einheimischen Tiere und Pflanzen und ihrer Lebensräume. Informationen darüber an Waldumgängen, Gemeindeanlässen und schulischen Projektwochen.
4.2.3
Walderhaltung Die Forstwirtschaft wird konsequent auf eine nachhaltige Bewirtschaftung ausgerichtet. Es sind regelmässige Waldputzeten (Schüler, Oeffentlichkeit, Vereine) einzuführen. Die Waldränder werden gestuft ausgestaltet. Der naturnahe Wald ist zu erhalten. Der Gemeinderat prüft die Erstellung von Waldreservaten. Der Wald muss seine Schutzfunktionen wahrnehmen können (Wasserrückhaltung, Filter, Lunge). Der Wald ist als Lebensraum für eine vielfältige Flora und Fauna (Wild, Vögel, u. ä.) zu erhalten. Am Nordhang des Turgemer Waldes, wo infolge des steilen Hanges das bewirtschaften schwierig und kostenintensiv ist, muss ein Teil als Naturwaldreservat oder Altholzinsel ausgeschieden werden. Dort können bedrohte einheimische Arten gezielt gefördert werden (Biodiversität).
4.2.4
Hecken Die Hecken werden jährlich zusammen mit dem Natur- und Vogelschutzverein gepflegt, damit die dauerhaften Lebensräume erhalten und die ökologische Aufwertung für die Artenvielfalt gefördert werden kann.
4.2.5
Wildbahnvernetzung Für viele Wildtiere wirken Verkehrswege als Barrieren. Es sind konkrete Wege zu suchen, um die Wild-, Kriech- und Flugtiere zu vernetzen und zwar in der Flur (Reh- und Schwarzwild), im Wasser (Biber) wie auch in der Luft (Uferschwalben, Mauersegler). Die Zerschneidung von Landschaften und Lebensräumen darf nicht weitergeschehen.
4.2.6
Förderung seltener Tiere Mauereidechsen lieben sonnige Plätze wie Steinmauern. Im Rahmen der Gemeindehaussanierung ist der Parkplatz und die angrenzende Mauer der Strassenunterführung als Lebensraum für die Eidechsen zu erschliessen.
Schmid Erich, Turgi
Praxisarbeit IPM, 30. August 2002
111
GEMEINDE TURGI
Kommunale Handlungsfelder
Bohrlöcher anzubringen. Mit vorgelagerten Steinkörben kann eine öde Betonmauer zum Echsenparadies werden.
Lokale Agenda 21
Im Kanton Aargau kommen vier Echsenarten vor: die Zauneidechse, die Waldeidechse, die Mauereidechse und die Blindschleiche. Letztere ist keine Schlange, sondern eine Echsenart ohne Beine.
4.2.7
Landwirtschaft Bio-Landwirtschaft, v. a. biodynamische Landwirtschaft, ist nachhaltig, weil sie in fast geschlossenen Kreisläufen funktioniert. Dem einzigen Landwirt in der Gemeinde sind die einzigartigen Möglichkeiten aufzuzeigen und ihm den Verkauf ab Hof zu ermöglichen.
4.2.8
Energie Die Gemeinde Turgi verhält sich vorbildlich bei der Umsetzung ihrer energiepolitischen Zielsetzungen gemäss „Energielabel“. Sie fördert in erster Linie Massnahmen zur Reduktion des Energieverbrauchs und zur Verwendung erneuerbarer Energien. Die Energiekommission setzt die Massnahmen gemäss „Label Energiestadt“ um. Erneuerbare Energien wie Sonne, Wasser, Biomasse sind zu fördern und dafür finanzielle Anreize bereitzustellen. Durchführung einer Energiesparwoche in den Schulen von Turgi.
Verteilung eines Umwelt-Energie-Infoblattes der Gemeinde an die Bevölkerung (z. B. halbjährlich) inkl. Newsletter. 4.2.9
Lokale Energiebuchhaltung Die Gemeinde Turgi erstellt eine Kommunale Energie- und CO2Bilanz. Eine kant. Arbeitsgruppe hat Hilfsmittel erstellt, die den Gemeinden ein Instrument in die Hand geben, welches zeigt, wo die Gemeinden im Vergleich zu anderen bezüglich Energieverbrauch stehen. Die Energiebuchhaltung zeigt der Gemeinde, wie künftig Tendenzen im Energieverbrauch und CO2-Ausstoss zuverlässig und preiswert erfasst werden können.
Schmid Erich, Turgi
Praxisarbeit IPM, 30. August 2002
112
GEMEINDE TURGI
Kommunale Handlungsfelder
Lokale Agenda 21
Die kommunale Treibhausgasbilanz ist zu ermitteln um den Handlungsbedarf zu kennen und den Energieplan und das Energiekonzept mit Aktivitätsprogramm erstellen zu können. Erstmals wird neben dem Energieverbrauch in den Bereichen Haushalte, Gewerbe, Landwirtschaft, Industrie und Oeffentliche Hand auch der Verkehr als einer der grössten Energie- und CO2Faktoren in die Gemeindebilanz aufgenommen. Für die gemeindeeigenen Liegenschaften ist eine Energiebuchhaltung begonnen worden, sie muss noch vervollständigt und abgeschlossen werden.
4.2.10
Heizung Der Verbrauch von fossiler Energieträgern ist zu reduzieren. Der Einbau einer Holzschnitzelheizung ev. im Verbund mit der Nachbargemeinde Untersiggenthal ist zu prüfen.
4.2.11
Qualität der örtlichen Aussenluft Die Anzahl Tage mit guter Luftqualität sind zu ermitteln. Die Luftschadstoffe und die Feinstaubimmissionen sind zu verringern. Das Flechtengutachten hat gezeigt, dass sich die Luft in Turgi dank dem Rauchgasfiltereinbau in der Kehrichtverbrennungsanlage wesentlich verbessert hat.
4.2.12
Oberflächen-, Grundwasser Fliessgewässer-Revitalisierung (Oeffnen des Plattenbächli) differenzierter Grundwasserschutz Entsorgung verschmutzter/unverschmutzter Gewässer (Trennsystem, Versickerung, GEP) Hochwasserschutz Mit Ausdolungsaktionen den Anteil offener Gewässer erhöhen.
4.2.13
Ortsplanung Boden ist ein knappes Gut, nach wie vor gehen in der Schweiz pro Sekunde mehr als 1 m2 Kulturland verloren. Das Baugebiet wird vorerst nicht mehr vergrössert. Das verdichtete, qualitativ hochstehende Bauen nach innen wird gefördert. Moderaten Einfluss auf den Baulandmarkt ausüben.
Schmid Erich, Turgi
Praxisarbeit IPM, 30. August 2002
113
GEMEINDE TURGI
Kommunale Handlungsfelder
4.2.14
Verkehr
Lokale Agenda 21
Die Einrichtung eines öffentlichen Verkehrsmittels zwischen den Benutzungen des öffentlichen Verkehrs fördern. Die Verbilligung des öffentlichen Verkehrs kann mit einem GA-Flexi-Abo (Generalabo mit Tagskarte) der SBB den Einwohnerinnen und Einwohnern abgegeben werden. Finanzierung durch eine zusätzliche Verkehrskontrolle durch die Gemeindepolizei Turgi. Die Verkehrssicherheit, vor allem für die Kinder als schwächste Verkehrsteilnehmer, wird gesteigert (v. a. Weichlenstrasse, Quartiere). Die Verkehrskommission bezeichnet die gefahrenträchtigen Stellen des Verkehrsnetzes. Verkehrsteilnehmer werden über die Gefahrenpunkte informiert und aufgeklärt (Hinweistafeln, Sicherheitswochen, Geschwindigkeitskontrollen). Die konsequente Kontrolle erfolgt durch die Gemeindepolizei. Die „Vision Zero“ des Bundes werden unterstützt. Die Verbindung zum Altersheim ist ev. auf privater Basis zu fördern.
4.2.15
Fussgänger Die Fusswegverbindungen sind zu fördern, vor allem sind entlang von Fusswegen aus Gründen der Sicherheit Beleuchtungen aufzustellen. Die Wanderwege sind gut zu beschildern. Das Spazieren und Zufussgehen ist mit konkreten Aktionen zu fördern (Turnverein, Turnen für jedermann, Fussgängerbonus durch Gewerbe, etc.). Abgabe einer Fussgänger-Karte an Neuzuzüger
4.2.16
Velofahren Das Radwegnetz in Turgi ist zu verbinden und verkehrssicher zu gestalten. Die kombinierte Mobilität ist vor allem auf dem Bahnhof Turgi als wichtiger Beitrag zu einem nachhaltigen Verkehrssystem weiterhin zu fördern. Jährlich ist ein Velotag einzuführen. Velocheck und Beratung durch Velohändler.
4.2.17
Bodennutzung Die Böden sind während Jahrtausenden durch die Verwitterung des Ausgangsgesteins und durch die Verrottung von abgestorbenen Pflanzen und Tierresten entstanden. Ein gesunder Boden ist von unzähligen Bakterien, Pilzen, Algen, Milben, Spinnen, Würmern und Käfern belebt. Er ist ein lebendiger Organismus und ist
Schmid Erich, Turgi
Praxisarbeit IPM, 30. August 2002
114
GEMEINDE TURGI
Kommunale Handlungsfelder
Lokale Agenda 21
uns als unentbehrlicher Labensgrundlage. Der Boden ist also in seiner Fruchtbarkeit zu erhalten. Nachhaltige Entwicklung, Wiederherstellung und Schutz von überbauten Geländen und Gebieten in der Gemeinde, z.B. Kreisel Wil. Nachhaltige Bodenfruchtbarkeit und Bodenschutz fördern Altlastenkataster erstellen (Oeffentlicher kommunaler Altlastenkataster) Wiederherstellung und Schutz des Bodens (z.B. naturnahes Belassen des freiwerdenden Strassenraumes beim neuen Kreisel). Lagerung von Humus in der Baubewilligung verlangen. Düngeverbot im Winter konsequent durchsetzen
4.2.18
Lärmschutz Lärmbelastungen und mögliche Massnahmen v. a. entlang der Bahnlinie und der Kantonsstrassen durch die kantonale Lärmfachstellen abklären und verbessern lassen. Umsetzung Lärmschutzverordnung. Lärmkataster für Gemeindestrassen erstellen. Polizeireglement – Vollzug
4.2.19
Ohne Luft geht nichts!
Luftreinhaltung Unsere Luft ist heute mit Schadstoffen belastet. Diese können die menschliche Gesundheit vorübergehend beeinträchtigen oder bleibende Gesundheitsschäden verursachen (Atemwege durch Ozon, Herz und Gehirn durch Kohlenmonoxyd, Nervensystem, Blut, Nieren durch Blei, Nieren durch Kadmium). Somit ist allen Leuten bewusst zu machen, wie wertvoll Luft ist und wie stark wir auf reine Luft angewiesen sind. Motivation zum Handeln, Propagieren der Eco-Fahrweise und des Car-Sharing. Fahrtrainingskurs anbieten. Konsequente Feuerungskontrolle durch Kaminfeger Uebermässiges Feuern verbieten. Parkierungsmassnahmen (Parkplatzbeschränkung). Der Kanton Aargau gibt jedes Jahr einen Gesundheitsplaner heraus, eine Agenda mit wertvollen Hinweisen und Tipps für die Gesundheit. Diese Broschüre wird in Turgi auf Kosten der Gemeinde jeder Haushaltung zugestellt.
Schmid Erich, Turgi
Praxisarbeit IPM, 30. August 2002
115
GEMEINDE TURGI
Kommunale Handlungsfelder
4.2.20
Strahlung
Lokale Agenda 21
Bei starker Strahlenbelastung sind die schädlichen Auswirkungen zwar bewiesen und anerkannt. Bei schwachen Immissionen hingegen ist das Bild weniger klar. Gute Informationsveranstaltung mit kritischer Betrachtungsweisen organisieren.
4.2.21
Wasserverbrauch Der Gemeinderat ergreift die geeigneten Massnahmen zur Sicherung der hohen Wasserqualität (Qualitätssicherungskonzept, Notwasserplanung). Um die zufriedenstellende Infrastruktur zu erhalten, sind die defekten Wasserleitungen Schritt für Schritt zu ersetzt. Es ist ein Finanzplan für die Wasserversorgung zu erstellen. Mit einem umsichtigen Finanzplan wird eine ausgeglichene Wasserrechnung angestrebt. Der Gemeinderat und die Gemeindefunktionäre arbeiten konsequent darauf hin, den Trend der Wasserminderung fortzusetzen. 600.0 l m 550.0
Liter pro Einwohner und Tag Trendlinie
545.2
500.0 454.7
454.9 448.8 436.9 444.2 424.7 420.3 398.7 383.9 378.9
450.0 400.0
349.1 309.7 313.8 318.2 308.7 303.9 292.7 269.0 266.0
350.0 300.0 250.0 200.0 150.0 100.0 50.0
2000
1998
1996
1994
1992
1990
1988
1986
1984
1982
0.0
Der Gemeinderat informiert die Bevölkerung laufend über die Möglichkeiten für einen sparsamen Wasserverbrauch. Die Gemeinde geht mit gutem Beispiel voran, indem sie wassersparende Armaturen einbaut. Die vorhandenen Quellfassungen sind zu reaktivieren (Wasser aus den Quellen benötigt keine Pumpenförderkosten).
Schmid Erich, Turgi
Praxisarbeit IPM, 30. August 2002
116
GEMEINDE TURGI
Kommunale Handlungsfelder
Lokale Agenda 21
Das Regenwasser ist im privaten Garten zu sammeln, um nicht Trinkwasser für das Bewässern der Pflanzen benötigen zu müssen. Im Rahmen der Erarbeitung eines Reglements über die Erschliessungsfinanzierung sind Finanzierungshilfen aus den Anschlussgebühren zu generieren.
4.2.22
Abwasserentsorgung Die Umsetzung des Generellen Entwässerungsplanes GEP soll nach ökologischen und volkswirtschaftlichen Gesichtspunkten ausgeführt werden. Die Abwasserentsorgung wird nachhaltig sichergestellt.
4.2.23
Abfall Durch die Einführung der verursachergerechten Abfallgebühren brach der Abfallberg im Jahr 1989 auf fast die Hälfte zusammen.
1'000
Einführung Sackgebühr
900
Kehricht Grüngut
800
Altpapier
700 600 500 400
Einführung Grüngutgebühr
300 200 100
2001
2000
1999
1998
1997
1996
1995
1994
1993
1992
1991
1990
1989
1988
1987
1986
1985
1984
1983
1982
1981
1980
0
Dadurch konnte die Menge der Recycling-Artikel stark angehoben werden. Das zeigt sich sehr deutlich am Beispiel des Altglases, dessen Menge mit Einführung der Sackgebühr drastisch gestiegen ist:
Schmid Erich, Turgi
Praxisarbeit IPM, 30. August 2002
117
GEMEINDE TURGI
Kommunale Handlungsfelder
Lokale Agenda 21
25
400
20 300
Kehricht pro Einw. Grüngut pro Einw. Altpapier pro Einw. Altglas pro Einw.
200
15
10 100
5
0 2001
2000
1999
1998
1997
1996
1995
1994
1993
1992
1991
1990
1989
1988
1987
1986
1985
1984
1983
1982
1981
1980
0
Das Bewusstsein der sparsamen Kehrichtproduktion scheint allmählich wieder verloren zu gehen, denn die Pro-KopfKehrichtmenge steigt seit drei Jahren wieder leicht an. Es hat zuviel Gartenabfall im Kehricht. Eine intensive Information wird nötig. Oekoführer für abfallarmes Einkaufen erstellen. Abfallleitfaden und Abfallreglement überarbeiten, heute gibt es neue Erkenntnisse über die Entsorgungswege. Bereitstellen Sammelstelle Finanzierung durch verursachergerechte Gebühren Der Abfallberg ist weiter zu reduzieren. Das Recycling ist zu fördern. Das Gewerbe ist zu motivieren, wenig Verpackungen zu verwenden. Die Grünabfuhr verbraucht zu hohe Energiekosten – es sind private Kompostplätze (Grüngut) zu fördern (dezentrale Kompostierung) Eine kostendeckende Ver- und Entsorgung ist anzustreben. Um die differenzierte Entsorgung über Recycling zu fördern, ist das Sammelstellenkonzept zu überarbeiten (Oeffnungszeiten, Bedürfnisse der Bevölkerung abklären). Die Gemeinde stellt Ressourcen zum Sauberhalten der öffentlichen Plätze (Dorfpark, Bahnhofstrasse) zur Verfügung.
Schmid Erich, Turgi
Praxisarbeit IPM, 30. August 2002
118
GEMEINDE TURGI
Kommunale Handlungsfelder
Lokale Agenda 21
Es sind spezielle Umwelttage mit guten Anreizen zu organisieren. Finanzierung mit der vorgezogener Entsorgungsgebühr für Glasflaschen. Die finanziellen Anreize für ein nachhaltige Bewirtschaftung des Abfalles sind zu schaffen.
4.2.24
naturama – ein dreidimensionales Bilderbuch Am 19. April 2002 öffnete das „naturama“ in Aarau seine Pforten. An jährlich organisierten Besuchen durch die Gemeinde oder einen Verein ist das umweltbewusste Verhalten in anschaulicher Art zu demonstrieren. Der Besuch des äusserst interessant gestalteten naturama müsste für jede Einwohnerin und jeden Einwohner eine Pflicht sein.
Schmid Erich, Turgi
Praxisarbeit IPM, 30. August 2002
119
GEMEINDE TURGI
Kommunale Handlungsfelder
Lokale Agenda 21
Umwelt
4.3
Wirtschaft Wirtschaft
Gesellschaft
Lokale wirtschaftliche Nachhaltigkeit zeichnet sich durch eine gesunde Finanzlage der Gemeinde und eine förderliche Zusammenarbeit mit der lokalen Wirtschaft aus. Dies wird erreicht durch ... transparente Kommunikation und Abstimmung zwischen Gemeinde und Wirtschaft Unterstützen von umweltverträglichem und sozialverträglichem Wirtschaften (Umweltmanagementsysteme, Oekoeffizienz) Beteiligung der Wirtschaft an den externen sozialen und ökologischen Kosten (Abgaben-, Gebührenpolitik) Ausrichtung der Ansiedlungspolitik (Entwicklung der Gemeinde) auf die Finanzkraft der Gemeinde Einsatzprogramme für Erwerbslose in Zusammenarbeit mit der Wirtschaft und dauerhafte Eingliederung Erwerbsloser in die Wirtschaft
4.3.1
Wirtschaftsförderung Ein umfassendes Standortmarketing durchführen um neue Betriebe einzuführen und bestehendes Gewerbe zu behalten.
4.3.2
Aufschwung Die Gemeinde Turgi wird sich an der Plakatkampagne „Aufschwung ist ...“der Allgem. Plakatgesellschaft beteiligen. Plakate sind Teil unserer Volkswirtschaft und eignen sich sehr gut für geistige Werbung für den Aufschwung in der Schweizer Wirtschaft. Damit kann das positive Denken und Handeln gefördert werden.
Schmid Erich, Turgi
Praxisarbeit IPM, 30. August 2002
120
GEMEINDE TURGI
Kommunale Handlungsfelder
4.3.3
Kommunikationsprozess
Lokale Agenda 21
Die Gemeinde ist eine offene Ansprechpartnerin für die Wirtschaft. Sie nimmt die Anliegen des Gewerbes ernst und ist an einer gemeinsamen Lösungsfindung interessiert.
4.3.4
Vorhaben unterstützen Die Realisierungszeit für ein Vorhaben der Wirtschaft ist möglichst gering zu halten, dabei sollten Konflikte und Risiken möglichst vermieden oder zumindest ausdiskutiert werden.
4.3.5
Mobilität Parkplatzbewirtschaftung nach allen drei Handlungsfeldern abstimmen, Beschleunigung und Vereinfachung des öffentlichen Verkehrs. Gute Verbindungen schaffen zu den Quartieren und benachbarten Gemeinden.
4.3.6
Effekte optimieren Schaffung und Erhalt der räumlichen Voraussetzungen für die Wirtschaft (Agglomeration als Arbeitsstandort stärken).
4.3.7
Tourismus Es sind konkrete Anstrengungen zu unternehmen, um die Gemeinde Turgi als Wakker-Preisträgerin bekannt zu halten. Dabei sollen die geschützten Objekte, die erholsame Umgebung am Wasserschloss, im Wald oder im Zusammenhang mit dem Industrie-Kulturlehrpfad nicht ausser acht gelassen werden. Es sind Personen auszubilden, die unsere Gemeinde an Führungen ins vorteilhafte Licht rücken können (insbesondere im Hinblick auf unsere Sehenswertigkeiten und das nachhaltige Wirken im Dorf).
4.3.8
Information, Weiterbildung Mit den Gewerbebetrieben von Turgi wird ein regelmässiger Kontakt gepflegt. Der Gemeinderat lädt zu entsprechenden Meetings ein.
4.3.9
Arbeitsplätze Die heute vorhandenen Arbeitsplätze in Turgi und in der direkter Umgebung sind zu erhalten.
Schmid Erich, Turgi
Praxisarbeit IPM, 30. August 2002
121
GEMEINDE TURGI
Kommunale Handlungsfelder
4.3.10
Kommunales Gewerbe
Lokale Agenda 21
Die Einkaufsmöglichkeiten im Dorf sind zu erhalten und durch gute Verkehrserschliessung sowie interessante Gewerbeschauen zu fördern.
4.3.11
Regionale Wirtschaftsförderung Eine konkrete Wirtschaftsförderung kann nur regional Erfolg haben. Der Gemeinderat Turgi bestimmt in Zusammenarbeit mit den Nachbargemeinden ein Team, welches die Wirtschaftsförderung ins Leben ruft (Standortmarketing). Die Gemeinde ist verantwortlich, bei finanziell tragbarer Belastung eine gute Infrastruktur zu bieten.
4.3.12
Solidarität mit anderen Regionen Turgi sucht sich eine Partnergemeinde in einer anderen Region, wo mit Hilfe, Identifikation und Beziehungen z. B. bei einem Wiederaufbau geholfen werden kann.
4.3.13
Gemeindefinanzen Der Gemeinderat achtet im Rahmen seiner Finanzplanung auf die Umsetzung der Leitbildgrundsätze und beachtet dabei insbesondere eine hohe Kostentransparenz. Das Sparpotential wird laufend ausgelotet. Vor Neuanschaffungen von Fahrzeugen, Geräten und Maschinen ist zu prüfen, ob solche nicht von Privaten oder anderen Gemeinden ausgeliehen werden könnten.
Schmid Erich, Turgi
Praxisarbeit IPM, 30. August 2002
122
GEMEINDE TURGI
Umsetzung
Lokale Agenda 21
5
Umsetzung Lokale Agenda 21 Turgi
5.1
Qualität der Lokalen Agenda 21 Nicht jeder beliebige Zukunftsprozess ist automatisch zukunftsfähig! Welcher Weg auch immer gewählt wird, die folgenden fünf Leitideen führen zu einem qualitativ hochstehenden LokaleAgenda-21-Prozess: 1. Ziel ist die Nachhaltige Entwicklung Nicht irgendeine Entwicklung in die Zukunft ist das Ziel, sondern eine Entwicklung, die soziale, ökologische und wirtschaftliche Verträglichkeit sowie eine Gleichberechtigung von Nord und Süd auf Dauer ermöglicht. 2. Beteiligung der breiten Bevölkerung Der Prozess soll von allen wichtigen Interessengruppen in der Gemeinde getragen werden. Dazu gehören z.B. Vereine, Parteien, Kirchen, lokale Unternehmen, die Jugend, ältere Leute, Ausländerinnen und Ausländer, die Gemeindebehörde und verwaltung und die ganze Bevölkerung. Dies erfordert einen breiten Dialog und vielfältige Mitwirkungsmöglichkeiten. 3. Langfristiger Zeithorizont Es sollen nicht nur Lösungen für die anstehenden Tagesgeschäfte gesucht werden, sondern der Blick soll auf einen wesentlich grösseren Zeitraum, zum Beispiel zwanzig oder fünfzig Jahre, ausgeweitet werden. Was ist in den nächsten Jahren zu tun, damit in unserer Gemeinde auch im Jahre 2050 eine gute Lebensqualität möglich ist? 4. Auf lokalen Gegebenheiten aufbauen Es soll nicht gleich alles auf den Kopf gestellt werden. Gefragt ist eine Anknüpfung an gewachsene lokale Strukturen und Kulturen. Bisheriges kann unter neuen Aspekten beleuchtet werden und sich weiterentwickeln. Neues kann entstehen. 5. Schwung entwickeln Der Prozess soll Handeln auslösen, sowohl kurz-, mittel- als auch langfristig. Es empfiehlt sich, realisierbare Schritte anzusteuern, deren Erfolgserlebnisse zu weiteren Taten motivieren können. Spass, Lust und Freude sind sehr erwünscht für eine zukunftsfähige Entwicklung.
Schmid Erich, Turgi
Praxisarbeit IPM, 30. August 2002
123
GEMEINDE TURGI
Umsetzung
5.2
Prozessablauf Lokale Agenda 21 Turgi
Lokale Agenda 21
Bei der Einführung einer Lokalen Agenda 21 ist es wichtig, von der eigenen Interessenlage zurückzutreten. Es gelingt kaum, einen solchen Prozess in Gang zu bringen, wenn darin vor allem eigene Wünsche realisiert werden sollen. Der Weg zur nachhaltigen Entwicklung wird nicht von heute auf morgen zur Strasse. Es braucht viele Menschen an vielen Orten, die initiativ werden, um in einer Gemeinde Schritt für Schritt neue Horizonte zu entdecken. Die Grundlage zur Lokalen Agenda 21 ist ein offener Kommunikationsprozess, der Zeit und Verständnis braucht.
Die Initiative für einen Lokale-Agenda-21-Prozess kann von der Behörde oder von privaten Gruppen ergriffen werden. Sie kann etwa in eine Grundsatzerklärung des Gemeinderates oder der Gemeindeversammlung münden, die das Ingangsetzen des Lokale-Agenda-21-Prozesses beschliesst. Je breiter die Interessenvertretung innerhalb einer privaten Initiativgruppe bereits ist, desto grösser ist die Chance für einen erfolgreichen Start. Wichtig ist auch die Unterstützung von Integrationspersonen und von Persönlichkeiten. Eine Lokale Agenda 21 lässt sich nicht von heute auf morgen starten: Viele Gespräche und gute Kommunikationen sind notwendig, um wichtige Entscheidungsträgerinnen und träger zu gewinnen. Die Lokale Agenda 21 erklärt sich nicht von selbst, denn das Thema ist sehr komplex. Der Agenda-Prozess sollte möglichst breit abgestützt erfolgen. Die lokalen Akteure und Akteursgruppen müssen von Beginn an in den Prozess einbezogen und zur Mitarbeit angeregt werden. Akteure sind: •
Lokale Bevölkerung: Einwohnerinnen und Einwohner, spezielle Gruppierungen (Frauen, Jugendliche, Alte, Erwerbslose, Ausländerinnen und Ausländer), Gewerkschaften, kirchliche Gruppen, Vereine und Organisationen (Bildung, Umwelt, Gesundheit, Kultur, Verkehr, Sport, Freizeit, Jugend), Meinungsbildner, Parteien.
•
Öffentliche Einrichtungen: Behörde, Verwaltung, Schulen, Kommissionen, Spitäler, Altersheime, Nachbargemeinden, usw.
•
Wirtschaft: Kleine und mittlere Betriebe, Gewerbevereine, Landwirtschaft, Medien.
Um zu bestimmen, wie nachhaltig eine Gemeinde ist und wo Verbesserungspotenziale bestehen, ist es wichtig zu wissen, wo die Gemeinde zurzeit gerade steht.
Schmid Erich, Turgi
Praxisarbeit IPM, 30. August 2002
124
GEMEINDE TURGI
Umsetzung
Lokale Agenda 21
Mittels einer Bestandesaufnahme wird die ökologische, soziale und ökonomische Situation analysiert. Ausgehend von der systematischen Bestandesaufnahme können Indikatoren der Nachhaltigkeit entwickelt werden. Die Indikatoren ermöglichen es, Verbesserungen sowie Erfolge zu messen und darzustellen. Der Prozess für die Ein- und Durchführung einer Lokalen Agenda 21 für Turgi wird in vier Phasen gegliedert:
5.2.1
Vorbereitungsphase Die Vorbereitungsphase beinhaltet die grundsätzliche Informationsbeschaffung, die mit dieser Praxisarbeit abgeschlossen sein dürfte. Im weitern sind ein Agenda-Büro zu eröffnen, die Moderatorinnen und Moderatoren auszubilden und Oeffentlichkeitsarbeit (Medien) zu betreiben. Anschliessend muss die lokale Ausgangslage abgeklärt werden mit der Frage nach den drängenden Problemen und Anknüpfungspunkten für einen Entwicklungsprozess. Dabei sollte der lokale Nutzen eines solchen Prozesses für alle Interessengruppen frühzeitig abgeklärt werden. Sobald genug Leute aus verschiedenen Interessengruppen zusammen sind, kann die breite Öffentlichkeit sensibilisiert und ein gemeinsamer Vorstoss auf politischer Ebene gewagt werden. Ein Entscheid der Gemeindebehörde zum Einstieg in einen solch grundsätzlichen Entwicklungsprozess ist am ehesten positiv, wenn genügend Personen aus verschiedenen Interessengruppen der Gemeinde voll dahinterstehen.
5.2.2
Lokale Ausgangslage klären Zu Beginn der Planung werden in themenbezogenen Arbeitskreisen, Ziele und Massnahmenvorschläge erarbeitet. In dieser Phase wird das Standortmarketing durchgeführt, was zu einem Leitbild auf den Prinzipien der Nachhaltigkeit und als Ergebnis zum Nachhaltigkeitsbarometer führt.
5.2.3
Start-Event, Eröffnung der Lokalen Agenda 21 Im Rahmen einer grösseren Veranstaltung, z. B. eines Dorffestes wird gestartet. In attraktiver Art und Weise sind verschiedene Themenkreise darzustellen und die Bevölkerung zu motivieren, Ideen einzubringen. Dies kann ergänzt werden durch einen Innovationswettbewerb und Workshops.
Schmid Erich, Turgi
Praxisarbeit IPM, 30. August 2002
125
GEMEINDE TURGI
Umsetzung
5.2.4
Prozessoptimierung
Lokale Agenda 21
Nach Vorliegen eines Berichtes über die Ideen und Visionen werden aus den Vorschlägen in massnahmenbezogenen Projektgruppen, unterstützt von Fachleuten, konkrete Projekte ausgewählt und erarbeitet, die den Erfordernissen der Nachhaltigkeit entsprechen.
5.2.5
Umsetzung In der letzten Phase geht es darum, die vorhandenen Projektideen umzusetzen. Das fordert vor allem die Fachabteilungen der Verwaltung. Gilt es doch, die Projektideen so weiter zu bearbeiten, dass sie umgesetzt werden können. Eine laufend aktualisierte, öffentlich zugängliche Dokumentation ermöglicht allen Einwohnerinnen und Einwohnern, sich kontinuierlich über die Fortschritte des Agenda-21-Prozesses zu informieren und erleichtert neuen Gruppen den Einstieg in den Prozess.
Schmid Erich, Turgi
Praxisarbeit IPM, 30. August 2002
126
GEMEINDE TURGI
Umsetzung
5.3
Organe
Lokale Agenda 21
Die wesentlichen Organe des Prozesses sind:
5.3.1
Agenda-Rat (Lenkungsausschuss)
Gemeindeammann Gemeinderat Projektleiter Fachperson
5.3.2
Der Agenda-Rat legt die grundsätzliche Ausrichtung fest, verabschiedet das Leitbild, überwacht die Einhaltung der Nachhaltigkeit entsprechend der Agenda 21 und verankert die Nachhaltigkeit in der politischen Tätigkeit.
Agenda-Beirat Fachleute Agenda 21/ Nachhaltigkeit
5.3.3 Kadermitglied der Verwaltung
5.3.4
Die fachlichen Begleiter aus Privatwirtschaft und/oder BUWAL begleiten und unterstützen den Prozess.
Projektleitung Die Projektleitung ist Bindeglied zwischen Agenda-Büro und den Verwaltungsspitzen sowie den politischen Gremien und den Projektgruppen. Sie setzt mit Hilfe des Agenda-Büros die inhaltlichen Vorgaben des Agenda-Rates um.
Agenda-Büro Das Agenda-Büro ist für die Gesamtorganisation zuständig. Es setzt die Beschlüsse um und übernimmt die ausführenden Aufgaben der Projektleitung. Die Mitarbeiter des Agenda-Büros sind Ansprechpartner für alle am Prozess Beteiligten (Bürgerinnen und Bürger, Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Arbeitskreise, Moderatorinnen und Moderatoren, Medien usw.). Sie sind zudem für die organisatorische Koordination sämtlicher Anfragen und Aktivitäten zuständig.
Gemeindekanzlei
5.3.5 Projektgruppen Projektgruppen Projektgruppen Projektgruppen
Schmid Erich, Turgi
Projektgruppen die Projektgruppen sind aus verschiedenen interessierten Personen zusammengesetzt und arbeiten die einzelnen Ideen und Visionen aus. Diese themenbezogenen Arbeitsgruppen setzen sich aus Bürgerinnen und Bürgern, Interessenvertreterinnen und vertretern aus allen Bereichen der Gesellschaft und der Wirtschaft sowie aus Vertretern der Verwaltung zusammen.
Praxisarbeit IPM, 30. August 2002
127
GEMEINDE TURGI
Umsetzung
5.3.6
Koordinationsrunde
Lokale Agenda 21
Die Koordinationsrunde ist ebenfalls sehr heterogen zusammengesetzt aus Vertretern aller gesellschaftlichen Gruppen. Jeweils hinzugezogen werden Moderatorinnen und Moderatoren sowie Delegierte der betreffenden Arbeitskreise. Die Runde besch채ftigt sich mit der inhaltlichen Koordination der ArbeitskreisErgebnisse. Sie gibt Empfehlungen zur Weiterbehandlung, zur Erg채nzung oder Zusammenf체hrung von Themen oder Einzelaspekten ab. Die Arbeitskreise sind an die Empfehlungen nicht gebunden.
Schmid Erich, Turgi
Praxisarbeit IPM, 30. August 2002
128
GEMEINDE TURGI
Umsetzung
5.3.7
Ablauf
Lokale Agenda 21
Zuständig
Datum/bis
IPM-Schule FHS IPM-Schule FHS Gemeinderat und Verwaltung
GR Turgi E. Schmid E. Schmid
01.02.2002 30.08.2002 28.10.2002
Grundsatzentscheid
Einführung Lokale Agenda 21
GR
11.11.2002
Information Bevölkerung Information Medien
Wintergemeindeversammlung GR Medienkonferenz: Was ist LA21? E. Schmid
Finanzierungskonzept
Finanzplan für ganzen Prozess
E. Schmid
27.1.2003
Eröffnung Agenda-Büro Beauftragung Fachbüro Ausbildung
Gemeindekanzlei Begleitung durch Fachleute Moderatorinnen/Moderatoren
E. Schmid GR
2003 2003 2003
Einwohner, Frauen, Jugendliche, Senioren, Erwerbslose, Ausländer
GR
2003
2003
1 Vorbereitung Auftrag Konzept zu erarbeiten Praxisarbeit Lokale Agenda 21 M Präsentation
24.11.2002 01.12.2002
2 Lokale Ausgangslage klären Motivation versch. Interessengruppen
Gewerkschaften, Vereine, Parteien Kirchliche Organisationen Organisationen für Bildung, Umwelt, Gesundheit, Kultur, Verkehr, Sport, Freizeit, Jugend Behörden, Verwaltung, Schulen, Kommissionen, Nachbargemeinden Gewerbebetriebe, Gewerbeverein, Landwirtschaft, Forst Medien
SWOT-Analyse
Bestandesaufnahme Turgi
E. Schmid
Standortmarketing
Prozess
T. Burgener Sommer 2003
Leitbild auf den Prinzipien der Nachhaltigkeit Nachhaltigkeitsbarometer M Information an GR Organisation Budgetierung Aktionen 2004
Schmid Erich, Turgi
Bestimmung einzelner Organe
Praxisarbeit IPM, 30. August 2002
GR E. Schmid
Herbst 2003 Herbst 2003
E. Schmid GR GR
Herbst 2003 Herbst 2003 Herbst 2003
129
GEMEINDE TURGI
Umsetzung
Lokale Agenda 21
3 Start-Event, Eröffnung Vorbereitung
OK bestimmen, Ziele definieren
GR
Dorffest (3 Tage)
Lokal Agenda 21 Turgi-Workshop Energielabel, Wakkerpräsentation Gewerbeschau Jugendfest, Neuzuzüger
E. Schmid
Innovationswettbewerb
Bevölkerung gibt Visionen ein
Ideenbericht
Sammelbericht der Ideen und Visionen
M Information Budgetierung Aktionen 2005
anf. 2004 25.-27.6.2004
Sommer 2004 Fachstelle
Sommer 2004
Fachstelle
Herbst 2004
GR
Herbst 2004
4 Prozessoptimierung Projektgruppen
konkrete Projekte werden, unterstützt von Fachleuten, erarbeitet
M Information
5 Umsetzung
2005
GR
Herbst 2005
Aus den Visionen werden konkrete
GR
2006-2008
umsetzbare Projekte umgesetzt: - Prioritäten - Finanzplan - Budget-/Verpflichtungskredit
Verwaltung
Legende: GR Gemeinderat M Meilensteine
Schmid Erich, Turgi
Praxisarbeit IPM, 30. August 2002
130
GEMEINDE TURGI
Umsetzung
Lokale Agenda 21
5.4
Förderprogramm des Bundes für Nachhaltige Entwicklung Gestützt auf die Auswertung der Strategie Nachhaltige Entwicklung aus dem Jahre 1997 hat der Bundesrat im Hinblick auf das "Rio +10"-Jubiläum eine neue Strategie Nachhaltige Entwicklung 2002 erarbeitet. Die Leitgedanken der nationalen Strategie können jedoch nur umgesetzt werden, wenn die Akteure der betroffenen Interessengruppen auf nationaler, kantonaler, regionaler und lokaler Ebene für die Umsetzung einbezogen werden. Darauf zielt das Förderprogramm ab. Das Förderprogramm unterstützt Projekte, welche Prozesse der Nachhaltigen Entwicklung auf kommunaler, regionaler und kantonaler Ebene initiieren. Diese Projekte müssen innovativ und beispielhaft sein. Das ARE verfügte bisher nur über sehr beschränkte Mittel und konnte 2001 ca. 10 Projekte in den Bereichen Ökonomie, Bauwesen, Bildungswesen und der lokalen Agenda 21 mit einem Gesamtbetrag von Fr. 250'000.-- unterstützen. Für das Jahr 2002 konnte das Budget auf Fr. 650'000.-- erhöht werden. Damit soll ein Zeichen gesetzt werden, dass die Schweiz die internationalen Bemühungen im Bereich der Nachhaltigen Entwicklung durch eigene Aktivitäten unterstützt. Das Förderprogramm unterstützt Projekte der öffentlichen Hand (Kantone, Regionen, Gemeinden) sowie von Vertreter/innen der Zivilgesellschaft und privater Organisationen (Berufsverbände, Hilfswerke, Gewerkschaften, etc.) Im Allgemeinen beträgt der bewilligte Unterstützungsbeitrag maximal Fr. 25'000.--. Er darf 50% der budgetierten Projektkosten nicht übersteigen. Um Unterstützungsbeiträge zu erhalten, muss ein Projekt die folgenden zwingenden Kriterien erfüllen:
Schmid Erich, Turgi
•
Das Projekt berücksichtigt die drei Dimensionen der Nachhaltigen Entwicklung, also Gesellschaft, Wirtschaft und Umwelt.
•
Das Projekt ist innovativ, beispielhaft und lässt sich national und/oder auf andere Regionen übertragen.
Praxisarbeit IPM, 30. August 2002
131
GEMEINDE TURGI
Umsetzung
Lokale Agenda 21
•
Das Projekt hat langfristigen Einfluss. Es bewahrt den Handlungsspielraum künftiger Generationen.
•
Das Projekt verfolgt einen partizipativen Ansatz (Beteiligung und Einbindung der staatlichen und / oder nichtstaatlichen Akteure).
•
Das einzureichende Dossier belegt, dass das Projekt in der Zukunft weitergeführt werden kann.
Darüber hinaus wird Projekten der Vorzug gegeben, welche eines oder mehrere der folgenden Zusatzkriterien erfüllen: •
Das Projekt antwortet auf ein prioritäres Bedürfnis der Gemeinde oder Region.
•
Die Resultate sind sichtbar und einfach zu kommunizieren.
•
Die Themen und/oder die Vorgehensweise knüpfen an die Strategie Nachhaltige Entwicklung 2002 des Bundesrates an.
•
Das Projekt verfügt über eine deutlich erkennbare intergenerationelle Dimension.
•
Das Projekt lässt sich mit andern unterstützten Vorhaben des Förderprogramms verknüpfen.
•
Das Projekt ist einfach zu realisieren und verfügt über ein gutes Verhältnis von Kosten und Nutzen.
Gesuche sind an die folgende Adresse zu richten: Bundesamt für Raumentwicklung (ARE) Kochergasse 10 Nachhaltige Entwicklung CH-3003 Bern Auskünfte Anne Du Pasquier Tel. 031 325 06 25 anne.dupasquier@are.admin.ch Dr. Daniel Wachter Tel. 031 324 14 50 daniel.wachter@are.admin.ch
Schmid Erich, Turgi
Praxisarbeit IPM, 30. August 2002
132
GEMEINDE TURGI
Umsetzung
6
Schlusswort
Lokale Agenda 21
Fragt man Leute in Turgi, Jungbürger, Bürgerrechtsbewerber oder Senioren, was ihnen in Turgi nicht gefalle oder in ihren Augen noch fehle, brauchen die meisten Bedenkzeit. Im Grossen und Ganzen sind sie zufrieden und fühlen sich hier wohl. Hingegen können auch nach dem Energielabel und dem Wakkerpreis noch viele private wie öffentliche Verbesserungen erzielt werden. Dafür eignet sich die „Lokale Agenda 21“ ausgezeichnet. Mit der LA21 können Visionen, Ideen und Wünsche aus allen Schichten der Bevölkerung gesammelt und umgesetzt werden. Die Erfahrungen werden zeigen, dass sich die finanziellen Mittel für ein nachhaltiges Turgi mehr als rechtfertigen werden.
Diese vorliegende Praxisarbeit legt nicht Wert auf eine vollständige und abschliessende Erklärung der Lokalen Agenda 21. Sie ist viel mehr ein Grundlagenpapier zum Ergänzen und Weiterbearbeiten. Deshalb wird sie bereits von Anfang an in die Homepage der Gemeinde Turgi unter www.turgi.ch/agenda21 gestellt und der jeweilige aktuelle Stand präsentiert.
Schmid Erich, Turgi
Praxisarbeit IPM, 30. August 2002
133
GEMEINDE TURGI
ANHANG II 7
Lokale Agenda 21
Quellennachweis
Turgi - Reise zum Wakkerpreis 2002
Schweizer Heimatschutz
Mai.02 Broschüre
Von der frühindustriellen Siedlung zur modernen Agglomerationsgemeinde Willkommensbroschüre Turgi Chronik von Turgi UMWELT AAGAU, Lokale Agenda 21 Kommunalmagazin
Gemeinde Turgi
Nov.01 Broschüre
Gemeinde Turgi
Jun.02 Broschüre
Gemeinde Turgi Abt. Umweltschutz, Aarau
1984 Buch Apr.00 Broschüre
Forum Press AG, Schlieren
Nov.01 Zeitschrift
Siedlungsentwicklung und Infrastrukturkosten
Ecoplan, Bern
Statistische Jahrbücher
Stat. Amt, Aarau
Umsetzung von KMUManagement in Gemeinden Stadtmarketing in der Schweiz Raumplanung in der Gemeinde Raum & Umwelt 2001
Schmid Kurt, Lengnau/Jürg Stahl, Winterthur
div. 1999 Projektarbeit
Christian John
Mär.98 Umfrage 150 G'den
VLP-ASPAN, Bern
Jan.02 Broschüre
VLP-ASPAN, Bern
Kommunale Raumplanung Kurt Gilgen Siedlungsqualität
2000 Studie
Baudepartement AG
Silvio Bircher, Mensch und U. Hilfiker/HP Fricker/P. Wullschleger Politiker
2001 Sammelband 1999 Lehrbuch Jun.99 Bericht Okt.98 Biografie
Gemeindemanagement in Theorie und Praxis
Chr. Lengwiler, St. Kappeli
NATÜRLICH
AZ Fachverlag AG, Aarau
Manuskripte
IPM-Kurs
Vademecum zur nachhaltigen Kommunalpolitik
Stadt Winterthur
Dez. Vademecum 1998
Kommunalpolitik – die reizvolle Herausforderung
Kurt Schmid, Lengnau
Juli Buch 2001
Wolkswirtschaftl. Grundbegriffe und Zusammenhänge Integrales Management
Prof. Dr. U. Siegenthaler
Aug. Unterrichtsstoff 2001
Karl Schaufelbühl
1999 Unterrichtsstoff
Siedlungsqualität, Aargau- Baudepartement Aargau er Beispiele
Schmid Erich, Turgi
Praxisarbeit IPM, 30. August 2002
2001 Buch Aug.02 Zeitschrift div.
Juni Bericht 1999
GEMEINDE TURGI
Lokale Agenda 21
Gemeindereformen – zwischen Handlungsfähigkeit und Legitimation UMWELTAARGAU KABO AG
Dr. phil. Andrea Ladner
Bundesamt für Statistik Kommunale Richt- und Nutzungsplanung Kessler-Index
Bodennutzung im Wandel Kurt Gilgen
Abteilung Umwelt, Kanton Aargau Bodenbeobachtungsnetz Aargau
Baudepartement Aargau, Abt. Landschaft und Gewässer Eidg. Dep. für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation
Ziel- und Indikatorensystem nachhaltiger Verkehr UVEK Aspekte der Nachhaltigkeit Metron AG, Brugg Nachhaltige Entwicklung messen Einblick in MONET – das Schweizer Monitoringsystem Nachhaltige Entwicklung in der Schweiz Materialien für ein Indikatorensystem Nutzungsplanung Siedlung und Kulturland Richtplanung Aargau
BFS/BUWAL/ARE
Baudepartement des Kantons Aargau
Umwelt Schweiz
Bundesamt für Statistik
Die Luftqualität in der Zentralschweiz Bauen auf Altlasten
In LUFT
Diverse Febr. 2002 2001 2001
Informationsbulletin Sonderheft Abt. Umwelt Arealstatistik Lehrbuch
2001 Statistik Okt. Berichtsentwurf 2001 Juni Themenheft 17 2000 Aug. Broschüre 2002
Bundesamt für Statistik
1999 Pilotstudie
ARCOPLAN, Baden
April 1995 Juni 2001 Juli 2002 2001
Baudepartement des Kantons Aargau, Abt. Umweltschutz Lokale Zukunftsräte Stiftung Zukunftsrat Stapferhaus Lenzburg Mobilität in der Schweiz Bundesamt für Raumentwicklung ARE Bundesamt für Statistik BFS Grundzüge der Raumord- Bundesamt für Raumplanung BRP nung Schweiz Eidg. Justiz- und Polizeidepartement Gute Beispiele bodenspa- Schweiz. Vereinigung für Landesplarenden Bauens nung VLP Kantonale Richtplanung Eidg. Dep. für Umwelt, Verkehr, Enerund Nachhaltige Entwick- gie und Kommunikation und lung Bundesamt für Raumentwicklung Nachhaltigkeitsindikatoren B. Schultz, Dr. M. Keiner, prof. Dr. W. für die Stadt Zürich Schmid, ETH Zürich
Schmid Erich, Turgi
1999 Forschungsbericht
Praxisarbeit IPM, 30. August 2002
Bericht Bericht, Plan Bericht Jahresbericht
2001 Merkblatt Okt. Broschüre 1999 2000 Bericht Juni Bericht 1996 April Schriftenfolge 68 1997 Dez. Arbeitshilfe 2001 Juni Schlussbericht 2001
GEMEINDE TURGI
ANHANG III 8
Lokale Agenda 21
Nachhaltigkeitsbarometer Für die Fortschritte in der Nachhaltigkeitsdiskussion sind die konkreten Beurteilungen und Ueberprüfungen von Projekten und Vorhaben ausschlaggebend. Es liegen verschiedene Ansätze zu Kriterien- und Indikatorenrastern mit Blick auf Lokale Agenden, also für die Ebene der Kommunalpolitik, vor. Ein einfaches Beurteilungsinstrument, das auf einem Aspekteund Indikatorenraster basiert, soll ein Versuch darstellen, nachhaltige Projekte und Vorhaben zu beurteilen. Das Schema ist von der Stadt Winterthur entworfen und an die Verhältnisse einer Gemeinde wie Turgi angepasst worden. Mit Hilfe dieses Barometers als Checkliste soll überprüft werden können, ob die einzelnen Projekte tatsächlich nachhaltig sind:
Schmid Erich, Turgi
Praxisarbeit IPM, 30. August 2002