KUDU Lesemagazin

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inhalt Editorial 3 Petra Hartlieb – Über den schönsten aller Berufe 13-Bücher-Fragen an Root Leeb und Rafik Schami Andreas Wunn, Mutters Flucht Bücher zu Flucht, Vertreibung & Migration

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Armstrong, Weltraum und 50 Jahre Mondlandung – ein Interview mit Torben Kuhlmann 14 Bücher zu Mond, Mondlandung & Raumfahrt 16 Welle(n) in der Nacht – Radio Ankerherz Bücher über das Meer

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Nur Mut – lesen Sie mal ein Kinderbuch! Kinderbücher für alle

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Kinder- und Jugendbücher 32 Belletristik 36 Krimis 40 Sachbücher 42 Hörbücher 44 Bücher ohne Verfallsdatum 46 Besondere Bücher 48 Ein Foto und seine Geschichte – Uwe Kalkowski, Der Sessel

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Impressum 2

CARTOON

Simple? Simple! – ein Kochversuch mit Patty Jabs 7x Kochen 1x Gin

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Fremde Früchtchen – Alarm im Supermarktregal

impressum KUDU – Lesemagazin März 2019 / Auflage 20.000 Stück Bei den Buchbesprechungen finden Sie kleine Icons, die darauf hinweisen, dass dieser Titel auch als E-Book und/oder Hörbuch erhältlich ist.

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KUDU

Herausgeber: Buchwert GmbH & Co. KG Elpke 109 · 33605 Bielefeld Geschäftsführer: Michael Rosch buchwert-service.de Chefredaktion: Thomas Schmitz (V.i.S.d.P.) Lektorat: Anna Sophia Herfert Herstellung: Rheinische DruckMedien GmbH rheinischedruckmedien.de

Mitwirkende: Petra Hartlieb, Monika Hasemann (mh), Dennis Hasemann (dh), Patty Jabs, Uwe Kalkowski, Torben Kuhlmann, Root Leeb, Anika Neuwald (an), Mareike Niehaus (mn), Mechthild Römer (mr), Sandra Rudel (sr), Rafik Schami, Elena Schmitz (es), Thomas Schmitz (ts), Kathrin Schwamborn (ks), Andreas Wunn Cartoons: Thomas Plassmann Gestaltung/Illustrationen: erste liga_büro für gestaltung, ersteliga.de Schutzgebühr 3.- Euro


© Ingo Pertramer

editorial

Guten Tag! KUDU ist ein Lesemagazin, von dem wir uns wünschen, dass Sie es kennen- und vielleicht sogar lieben lernen. KUDU ist in erster Linie ein Projekt von Buchhändlerinnen und Buchhändlern. Das zu erwähnen finden wir sehr wichtig, sind wir doch quasi ein langer Arm, der bis in Ihre Stammbuchhandlung greift. Wir arbeiten auch ähnlich wie unsere Kolleginnen und Kollegen vor Ort. Wir stellen Ihnen zum Beispiel in unserem Magazin nur Bücher vor, die wir für Sie ausgesucht haben (diese Arbeit hat uns keiner abgenommen). Dabei sind die Besprechungen echt und alle positiv (weil die Zeit zu schade ist, um über schlechte Bücher zu reden). Wir empfehlen Ihnen Bücher, die uns gefallen und von denen wir glauben, sie könnten auch Ihnen gefallen. Genauso wie in Ihrer Lieblingsbuchhandlung Begeisterung weitergegeben wird. Außerdem erzählen wir Ihnen Geschichten, weil wir gerne Geschichten erzählen. Das machen wir aber nicht allein: Geholfen hat uns in dieser Ausgabe zum Beispiel Andreas Wunn, Redaktionsleiter des ZDF-Morgen- und Mittagsmagazins. Er spricht über eine Flucht nach Deutschland, die sich vor siebzig Jahren ereignet hat. Torben Kuhlmann, erfolgreicher Bilderbuch-Illustrator, macht sich Gedanken über ein Ereignis, das vor seiner Geburt stattgefunden und eher seine Elterngeneration euphorisiert hat. Rafik Schami und seine Frau Root Leeb beantworten unsere 13 Bücherfragen. Wir stellen aber auch ein spannendes Radioprogramm vor, das jede Nacht in Tiefenentspannung übergeht, wir machen einen ultimativen Kochversuch und möchten Sie ermutigen, doch auch einmal wieder ein Kinder- oder Jugendbuch in die Hand zu nehmen. Ja richtig, nicht um es vorzulesen, sondern zum eigenen Vergnügen. Sie werden feststellen, wie schön das sein kann. Jetzt sind Sie aber am Zug. Jetzt wünschen wir Ihnen viel Spaß mit KUDU. Ihr KUDU-Team

Noch eine kleine Anmerkung: Und wieso KUDU? Nein, der Titel erklärt sich wirklich nicht ohne Weiteres. Aber muss er das? Als wir ihn zum ersten Mal einer noch kleinen Leserschaft vorstellten, dachten einige sofort an ein Wortspiel oder eine Abkürzung. KUnst und DU? KUltur und DU. Nein, Kudu bezeichnet ein Tier. Eine afrikanische Antilopenart, um es genau zu sagen. Wenn ein Szenemagazin Marabu heißen darf, eine Kinderzeitschrift nach dem Gecko benannt ist, ein Kinderbuchpreis auf den Namen Luchs hört, warum dann nicht einfach und einprägsam KUDU. Schauen Sie sich das Tier einmal an: Es ist anmutig, es ist stolz, es ist kräftig und selbstbewusst, wir finden die »Rallyestreifen« witzig und das Gehörn ist so wunderbar geschwungen, wie möglicherweise das Denken die Richtung wechselt. Und all das würden wir uns für unser – nein, Ihr Lesemagazin doch wünschen.

Gebunden. € (D) 22,– Verfügbar auch als E-Book

VEA KAISERS NEUER ROMAN – EIN SCHILLERNDES FAMILIENEPOS Drei Tanten, ein toter Onkel und ihr Drittel-Life-Crisis geplagter Neffe begeben sich auf eine tragikomische Reise durch die Jahrzehnte von Wien bis nach Montenegro.

www.kiwi-verlag.deKUDU

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- Der Welt -

Beruf

Buchhändlerin

Der schönste

petra hartlieb

& Autorin

Sehr romantisch stellten wir uns das damals vor: unsere eigene kleine Buchhandlung, ein oder zwei Angestellte, Plaudern und Kaffeetrinken mit netten, belesenen Kunden, die selbstverständlich nur gute Bücher kaufen. Und damit würden wir auch noch Geld verdienen! Ganz so ist es nicht gekommen, wir plaudern wenig, trinken noch weniger Kaffee, und wir verkaufen in der Tat nicht nur gute Bücher. Wir arbeiten richtig viel und manchmal haben wir sogar Kunden, die gar nicht so nett sind. Oft werde ich gefragt, ob ich den Schritt in die Selbständigkeit und zur eigenen Buchhandlung je bereut habe, und ich kann nur im Brustton der Überzeugung sagen: Ich kann mir nicht vorstellen, einen anderen Job zu haben. Daran ändert auch die ewige Litanei vom Untergang des Buches nichts. Wir hören und lesen es ständig: Niemand liest mehr, keiner besucht mehr eine Buchhandlung und überhaupt wird das Buch bald aussterben, denn Millionen Leser sind unweigerlich verloren. Klar, man kann die Zahlen nicht wegdiskutieren und natürlich verbringen wir alle viel zu viel Zeit im Internet und die verregneten Wochenenden, an denen man als Jugendliche mal schnell 500 Seiten weggelesen hat, sind unwiderruflich vorbei, seit es Netflix, Apple-TV und dreißig Fernsehkanäle gibt. Dadurch hat sich auch das Image unseres Berufes geändert. Erwähnte ich früher auf Partys, dass ich Buchhändlerin sei, erntete ich uneingeschränkte Bewunderung, ja manchmal geradezu Neid, doch in den letzten Jahren passiert es immer öfter, dass mein Gegenüber mich mitleidig, oft sogar bestürzt ansieht: »Und? Wie geht es dir? Gibt es das überhaupt noch? Kannst du davon leben?« Ja, wir können davon leben und wir können unsere Angestellten bezahlen. Wir haben eine warme Wohnung, ein Wochenendhäuschen und fahren in den Urlaub. Natürlich sind wir nicht reich, wir wussten allerdings auch vor fünfzehn Jahren schon, dass wir nicht reich werden, und daran hat sich nichts geändert. Wenn du eine Buchhandlung eröffnest, dann weißt du, dass du kleine Brötchen backen wirst, und du entscheidest dich trotzdem dafür. Warum? Gute Frage, aber jeder Buchliebhaber weiß, wovon ich spreche.

Petra Hartlieb Meine wundervolle Buchhandlung DuMont Buchverlag, 9,99 Euro

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Vor ein paar Wochen war ich zu Besuch in der Buchhändlerschule in Frankfurt. Ich durfte am Abend vor über hundert angehenden Buchhändlern vorlesen, die danach Anekdoten aus ihrem Berufsleben zum Besten gaben. Der Höhepunkt des Besuchs aber war der Morgen danach. Ich verzichtete aufs Ausschlafen und setzte mich freiwillig in den Literaturkundeunterricht. Das war eine gute Entscheidung, denn von diesen Stunden werde ich noch jahrelang zehren: zwei Stunden, in denen ein begeisterter Dozent seiner Klasse Arno Schmidt und Wolfgang Koeppen näherbrachte. Immer wieder betonte er, ihnen müsse das nicht gefallen und er erachte es dennoch für wichtig, dass sie ein bisschen verstehen, was Arno Schmidt sich dabei dachte, als er dieses – eigentlich unlesbare – Stück Literatur verfasste. Die Schüler machten begeistert mit, ließen sich hinreißen zu Textinterpretationen, Fragen und Analysen. Junge Männer und Frauen aus allen Teilen Deutschlands, aus großen und kleinen Buchhandlungen, schüchterne und forsche, coole mit Piercings und Tattoos, unscheinbare mit grauen Kapuzenpullis und Haaren, die ihnen ins Gesicht hingen. Der Raum vibrierte, ich beneidete sie alle um ihre Jugend, ihre Unverbrauchtheit und ihre Begeisterungsfähigkeit und hätte jeden Einzelnen von ihnen sofort in meinem Laden angestellt. Nach diesen zwei Stunden hatte ich definitiv nicht das Gefühl, einer untergehenden Spezies anzugehören. Und auch wenn diese angehenden Buchhändler in Zukunft wahrscheinlich eher selten die Gelegenheit haben, » Zettels Traum« aktiv zu verkaufen, haben sie in diesen zwei Stunden etwas Wichtiges gelernt. Sich einzulassen auf Schwieriges und Neues, offen zu sein für Abwegiges und ein bisschen über den Horizont »Gefällt mir – gefällt mir nicht« hinauszuschauen. Natürlich bin ich nicht blind, sehe, dass sich auch Menschen in meinem Umfeld öfter über die neue Staffel einer Serie austauschen als über den neuesten Buchpreisträger. Immer wieder schließen Buchhandlungen und es gibt Gegenden, in denen sich während eines ganzen Vormittags kein Kunde in den Laden verirrt. Doch nicht jede geschlossene Buchhandlung bedeutet den Untergang einer ganzen Branche, auch wenn sich das in den Schlagzeilen des Feuilletons so gut macht. Die Gründe für Schließungen sind – wie in jeder Branche – vielfältig, und alle totzuschreiben ist leider ein neuer Trend.


Foto:© Pamela Rußmann

Petra Hartlieb »Vor zehn Jahren hätte ich nicht im Traum daran gedacht, dass ich nebe n meiner Tätigkeit als Buchhändleri n einen anderen Job haben werde, der für mich fast genauso wichtig ist und auch gut zum Bücherverkaufen pass t«, sagt Petra Hartlieb und jetzt ist die Wahl-Wienerin beides: Buchhändleri n aus Leidenschaft und Autorin, rich tigerweise, wenn man den Superlat iv benutzen darf, Bestsellerautorin. In diesem Jahr gehört Petra Hartlieb obendrein der Jury für den Deutsche n Buchpreis an. Nach eigener Aussage hat der Daue rseller »Meine wundervolle Buchhandlung « (nur eines ihrer vielen Bücher), in dem sie ihren Alltag in der Buch handlung Hartliebs Bücher im Wiener Stadtteil Währing beschreibt, ihr Lebe n ordentlich verändert. Er zog vielfält ige Lesereisen nach sich und von über allher kommen die Leute in ihre Buch handlung, unter anderem um nachzuprüfen , ob es dort wirklich so aussieht, wie im Buch beschrieben …

Denn es gibt den Lesern, die es ja nach wie vor gibt, das Gefühl, Teil einer untergehenden Gesellschaft zu sein, die, um an das begehrte Produkt Buch zu kommen, depressive, fast tote Läden aufsuchen und sich dabei mit jammernden Verkäufern rumschlagen muss. Aber wir wollen nicht, dass Menschen aus Mitleid zu uns kommen, uns geht´s gut und wir haben Spaß an unserem Job. Meistens jedenfalls. Wir lieben es, die richtigen Geschenke zu finden, das perfekte Buch fürs verregnete Wochenende oder den lang ersehnten Urlaub. Wir haben das Beste an Material, das es gibt, nämlich Geschichten, und was wir damit machen, dem sind keine Grenzen gesetzt. Meine neue 29-jährige (sic!) Mitarbeiterin hat in den letzten zwei Monaten nicht nur einen Harry-Potter-Lesekreis ins Leben gerufen, bei dem sie nach achtzig Anmeldungen die Liste schließen musste, nein, sie hat auch ein »Speed-Dating mit Lieblingsbuch« in der Buchhandlung veranstaltet (ebenfalls überbucht) und jetzt plant sie eine Runde für Erwachsene, die gerne Jugendbücher lesen. Es gibt unzählige Beispiele in einer vielfältigen Buchhandlungslandschaft und das hat nichts mit sogenannten Events zu tun, über die manch hehre Bewahrer der guten alten Zeit die Nase rümpfen. Das hat damit zu tun, dass sich Branchen verändern, dass neue Dinge entstehen und dass das nicht immer nur schlecht ist. Und das Schönste ist wohl die Vielfältigkeit, die wir jeden Tag erleben dürfen: Wir blättern gemeinsam mit Kunden den Bildband über Thomas Bernhards Häuser durch, versuchen den neuen Beckett packend zu erzählen, ohne das Ende zu verraten, diskutieren mit der Fünfjährigen, welches Stickerbuch das schönste ist, überlegen, ob die Rezepte aus dem Ottolenghi für die Wochenendeinladung gelingen könnten, und trösten den pickeligen Jugendlichen, weil die neue Poznanski wirklich erst am Montag ausgeliefert wird. Und das alles innerhalb einiger Stunden, welcher Job kann da mithalten? Bücher zu verkaufen ist nicht einfach nur Verkaufen, obwohl es natürlich wichtig ist, dass am Abend etwas in der Kasse ist. Aber es geht darum, was wir verkaufen, und ich könnte nichts anderes als Bücher verkaufen. Na gut, hin und wieder ein Lesezeichen oder eine lustige Postkarte, aber niemals Schuhe, Waschmaschinen oder Autos. Wir verkaufen Geschichten, Träume, Denkanstöße und ich möchte gar nicht wissen, was wir mit unseren Lesetipps manchmal anrichten: Bücher können der Anstoß sein, Urlaubsdestinationen zu wählen, Berufe zu wechseln, einen Seitensprung zu riskieren, sich zu verlieben oder zu trennen, ja manchmal sogar grundlegende Lebensveränderungen zu wagen. Zum Glück müssen wir dafür keine Verantwortung übernehmen!

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» Root Leeb Was war Ihr Lieblingsbuch als Kind? Gerdt von Bassewitz, »Peterchens Mondfahrt«. Astrid Lindgren, »Pippi Langstrumpf« (alle Bände). Selma Lagerlöf, »Die wunderbare Reise des kleinen Nils Holgersson mit den Wildgänsen«. Wie heißt Ihr Lieblingsbuch heute? Das ändert sich tatsächlich fast täglich. Heute (10. 2. 2019) ist es Giwi Margwelaschwilis »Verfasser unser« (Verbrecher Verlag). Gibt es ein Buch, von dem Sie sagen können, es hat Ihr Leben geprägt? Tania Blixens »Die Träumer und andere seltsame Erzählungen«, ein dtv Taschenbuch, das ich auf Reisen (mangels anderem an einer Tankstelle gekauft) von den Geschwistern zum siebten (!) Geburtstag bekam. Ich habe es langsam, aber konzentriert gelesen. Später dann immer wieder. Welches Buch steht auf Ihrer »Hab ich immer noch nicht gelesen«-Liste ganz oben? Moshe Zuckermann, »Der allgegenwärtige Antisemit« (Westend).

Rafik Schami wurde 1946 in Damaskus geboren und kam im Alter von 25 Jahren nach Deutschland. Hier schloss er 1979 sein Chemiestudium mit der Promotion ab, arbeitete einige Jahre in der Industrie, bevor er sich seiner eigentlichen Leidenschaft, der Literatur und dem Erzählen, zuwandte. Heute zählt Rafik Schami zu den bedeutendsten Autoren deutscher Sprache. Seine Bücher wurden in 31 Sprachen übersetzt. An seiner Seite ist seit vielen Jahren schon die Künstlerin Root Leeb. Geboren 1955 in Würzburg, studierte sie Germanistik, Philosophie und Sozialpädagogik. Sie arbeitete als Deutschlehrerin und Straßenbahnfahrerin in München. Heute ist sie freischaffende Autorin, Malerin und Zeichnerin. Die Verbindung von Literatur und Malerei ist für sie elementar. So wird die Zahl der von ihr gestalteten Buchcover immer größer. Gemeinsam leben die beiden in Rheinland-Pfalz.

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Bücherfragen

Was freuen wir uns, dieses Paar gleich in der ersten Ausgabe des Lesemagazins KUDU unsere gedoppelten 13 Bücherfragen beantworten zu lassen: Rafik Schami und Root Leeb.

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Welches Buch oder welche Bücher halten Sie für völlig überflüssig? Alle Bücher von Eva Heller, Hera Lind und Gaby Hauptmann (die sogenannte He-Li-Ha-Literatur, die zwar in dieser Form wohl verschwunden ist, aber immer wieder Nachahmerinnen findet). Also alles, was ein falsches Frauenbild festschreibt. Ebenso alles Populistische im politischen Bereich. Gibt es ein Buch, das Sie immer wieder verschenken möchten? John Berger, »Auf dem Weg zur Hochzeit« (Hanser Verlag). Wolfgang Ullrich, »Des Geistes Gegenwart« und, ebenfalls von ihm, »Siegerkunst« (beide erschienen im Wagenbach Verlag). Und dazu alle Bücher, die mich trösten können (s.u.). Welches Buch lesen Sie gerade? Naira Gelaschwili, »Ich bin sie« (Verbrecher Verlag). Mit welcher Romanfigur möchten Sie am liebsten einen Tag den Platz tauschen? Mit Ludwik Wiewurka, dem Heizungsableser in Radek Knapps »Der Gipfeldieb« (Piper Verlag). Und am nächsten Tag dann (nur für einen Tag!) mit der Triebwagenführerin Laura in Irmtraud Morgners »Leben und Abenteuer der Trobadora Beatriz nach Zeugnissen ihrer Spielfrau Laura« (Luchterhand Verlag). Wo lesen Sie am liebsten? Im Zug, in der Tram, auf der Wiese, im Bett. Haben Sie schon einmal bei einem Buch weinen müssen – und wenn ja, bei welchem? Meistens weine ich nur bei Filmen. Ein einziges Mal (peinlicherweise) beim Vorlesen einer eigenen Geschichte (Windgeflüster in: »Sommerabenteuer«, erschienen bei dtv). Welches Buch kann Sie trösten? John Berger, »Auf dem Weg zur Hochzeit« (Hanser Verlag). Franz Hohler, »Das Päckchen« (Luchterhand Verlag). Seneca, »Von der Seelenruhe« (Bechtermünz Verlag). Jane Gardam, »Eine treue Frau« (Hanser Verlag). Was ist Ihr Lebensmotto? Andere zum Lächeln bringen. Welches Buch würden Sie Rafik Schami empfehlen? Die Wahl eines einzigen Buchs fällt schwer. Eigentlich alle oben genannten Titel. Dazu würde ich ihm von Günter Kunert »Aus meinem Schattenreich« (Hanser Verlag) empfehlen und von Margaret Mazzantini »Das schönste Wort der Welt« (DuMont Verlag).


DIESER THRILLER BEGINNT, WO ANDERE ENDEN.

Rafik Schami « Was war Ihr Lieblingsbuch als Kind? Als kleines Kind ein lustiges Buch über Streiche des alten Hodscha Nasreddin. Ein alter Mann, der zwischen Weisheit und Dummheit, Schlauheit und Einfalt pendelt. Aber später verschlang ich die Bücher meines Vaters, vor allem das Buch, das er uns verboten hat: »Die grausamen Todesurteile der Geschichte«. Wie heißt Ihr Lieblingsbuch heute? »Don Quijote« in der neuen Übersetzung von Susanne Lange (Hanser Verlag). Gibt es ein Buch, von dem Sie sagen können, es hat Ihr Leben geprägt? »1001 Nacht«, vor allem die großartige Scheherazade, die mir die Weisheit beibrachte: Erzählen gleicht Leben, Schweigen dem Tod. Welches Buch steht auf Ihrer »Hab ich immer noch nicht gelesen«-Liste ganz oben? Oh je, es ist ein Stapel neben meinem Sofa im Arbeitszimmer. Ganz oben liegt »Die Hauptstadt« von Robert Menasse (Suhrkamp Verlag). Welches Buch oder welche Bücher halten Sie für völlig überflüssig? Alle Bücher von Thilo Sarrazin. Gibt es ein Buch, das Sie immer wieder verschenken möchten? Ja, es sind drei: »Suppen für Syrien« (DuMont Verlag), »Always Coca-Cola« von Alexandra Chreiteh (Verlag Hans Schiler) und »Lob der Ehe« (Manesse Verlag). Welches Buch lesen Sie gerade? »Schnauze, Alexa« von Johannes Bröckers (Westend Verlag) und von Nietzsche »Götzen-Dämmerung« (dtv). Mit welcher Romanfigur möchten Sie am liebsten einen Tag den Platz tauschen? Mit dem Kutscher Salim aus »Eine Hand voller Sterne« und »Erzähler der Nacht«. Wo lesen Sie am liebsten? In meinem Arbeitszimmer auf dem Sofa oder im ICE-Zug mit Kopfhörer (Klassik). Haben Sie schon einmal bei einem Buch weinen müssen – und wenn ja, bei welchem? Merkwürdigerweise weine ich nie beim Lesen, sondern sehr oft beim Filmschauen und beim Schreiben meiner Geschichten. Zum Beispiel beim Tod des Kutschers Salim in »Eine Hand voller Sterne« oder bei der gefangenen Mutter in »Sami«, die in der völlig dunklen Zelle ihrem Kind erklärt, was ein Vogel oder eine Blume ist. Der Junge ist in der Dunkelheit dieser Zelle geboren. Auch bei Abschieds- oder Gefängnisszenen aus »Die dunkle Seite der Liebe« musste ich das Schreiben immer wieder unterbrechen, weil ich bitter geweint habe.

432 Seiten € 15,90 ISBN 978-3-423-26229-3 Auch als eBook

Eine einsame Hütte im Wald.

Welches Buch kann Sie trösten? Die Karikaturbücher von Sempé (Diogenes Verlag).

Eine krankhafte Vorstellung von Familie.

Was ist Ihr Lebensmotto? Gehe geradeaus. Das verwirrt deine Feinde. Welches Buch würden Sie Root Leeb empfehlen? Ein leeres Buch, damit sie es mir mit Geschichten füllt.

© 123RF-Foto

Fotos:© Peter-Andreas Hassiepen

Ein Opfer, dessen Albtraum beginnt, als er eigentlich vorbei sein sollte.

www.dtv.de/handel

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Jahrzehntelang hat Andreas Wunns Mutter dazu geschwiegen, wie sie als donauschwäbisches Kind nach dem Zweiten Weltkrieg aus Jugoslawien nach Deutschland floh. In seinem Buch »Mutters Flucht« beschreibt der TV-Moderator, wie seine Mutter und er sich genau siebzig Jahre später auf die Spuren einer verlorenen Heimat begeben – entlang ihrer damaligen Fluchtroute, die heute als »Balkanroute« bekannt ist.

Andreas Wunn Mutters Flucht Ullstein Verlag, 20,– Euro

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August 1947. Stiefel rammen sich ihren Weg durch die trockene Erde. Plötzlich Hundegebell im Sonnenblumenfeld. Die ungarische Grenzpolizei macht Jagd auf deutsche Flüchtlinge, die aus Jugoslawien kommen. Meine Urgroßmutter und die beiden Kinder sind im Schatten der Sonnenblumenköpfe eingeschlafen, nur meine Großmutter, damals eine junge Frau, ist noch wach. Durch das Grün der Blätter sieht sie die Schnauze zuerst. Der Hund kommt schnüffelnd näher, Schritt für Schritt. Jetzt steht er direkt vor ihr und starrt sie an. Er hechelt, doch macht sonst keinen Laut. Ein einziges Bellen, und es wäre vorbei. Sie würden entdeckt und zurückgeschickt werden. Meine Großmutter ist davon überzeugt, dass dies den Tod bedeuten würde. Sie sieht dem Hund in die Augen und bewegt sich nicht. Sie starren sich gegenseitig an. Endlose Sekunden lang. Und dann macht er kehrt und trottet davon, ohne Hast, ohne Bellen. Niemand entdeckt meine Familie. Sie können ihre Flucht fortsetzen. Richtung Deutschland.

Wann immer ich an die Flucht meiner Mutter denke, sehe ich das Sonnenblumenfeld vor meinem Auge. Und irgendwo darin stelle ich mir meine schlafende Mutter als Kind vor und den Hund und die Grenzsoldaten. Eigentlich hat meine Mutter nie wirklich von früher erzählt. Nicht von ihrer Kindheit als Deutsche in Jugoslawien, nicht von der Flucht, nicht vom Ankommen in Deutschland. Für sie war das Dorf, in dem sie 1941 geboren wurde, ein untergegangener Sehnsuchtsort. Und jetzt werden wir genau an diesen Ort fahren, in das Dorf Setschan, in der nordserbischen Region Banat. >

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Das Schicksal der Donauschwaben ist bis heute in Deutschland wenig bekannt. Rund 550.000 von ihnen lebten bis zum Zweiten Weltkrieg als Angehörige der deutschen Minderheit im damaligen Jugoslawien. Ihre Vorfahren, meist Handwerker und Bauern, waren vor 250 Jahren dorthin ausgewandert. Doch mit dem Zweiten Weltkrieg änderte sich für die Donauschwaben alles. Viele von ihnen hatten mit Hitler sympathisiert. Dafür wurden sie nach dem Krieg von jugoslawischen Partisanen verfolgt. Historiker gehen davon aus, dass bereits in den beiden letzten Kriegsjahren mehr als die Hälfte von ihnen vertrieben war, Zehntausende der Zurückgebliebenen kamen in den jugoslawischen Internierungslagern ums Leben, darunter zahlreiche Kinder; viele von ihnen sind verhungert. Meine Mutter und der Großteil ihrer Familie überlebten nach 1945 zwei Jahre in verschiedenen jugoslawischen Lagern, bis ihnen Mitte 1947 die Flucht über die jugoslawisch-ungarische Grenze gelang. Heute sollen in Serbien nur noch rund 4000 Deutschstämmige leben. Über ihre Erlebnisse als Flüchtlingskind hat meine Mutter nie viel gesprochen. Doch die Flüchtlingsbewegung im Jahr 2015 war für sie ein Wendepunkt. Und sie stellte fest: Die Balkanroute war genau der Weg, den auch sie auf ihrer Flucht genommen hat. Von Serbien (damals Jugoslawien) über Ungarn und Österreich bis nach Bayern. »Jetzt könnt ihr mich alles fragen«, sagte meine Mutter an einem kalten Februartag 2017. Draußen stürmte der dunkle Berliner Winter. Sie hielt mir sieben handgeschriebene Seiten hin, auf denen ich sofort ihre akkurate Lehrerinnenschrift erkannte. Sie hatte die wenigen Erlebnisse ihrer Flucht notiert, an die sie sich erinnern kann. Und sie zeigte mir einen kleinen Zettel, den meine Großmutter geschrieben hatte und den ich zum ersten Mal sah: Akribisch hatte sie dort die Stationen ihrer Flucht festgehalten, mit Orten und genauen Daten. Aus diesen Skizzen und vielen Fragen entstand die Idee zu einer Reise – eine Fahrt zurück in die Vergangenheit meiner Mutter, auf den Monat genau siebzig Jahre nach ihrer Flucht. Begonnen haben wir unsere Reise in dem kleinen pfälzischen Dorf Hauenstein, wo meine Mutter ab 1950 aufgewachsen ist. Dann fuhren wir nach Bayern und Österreich, auf den Spuren ihrer ersten Jahre als Kind in deutschen Flüchtlingslagern. Wir sind zum 1700 Meter hohen Purtschellerhaus, einer Hütte in den Berchtesgadener Alpen, geklettert, die genau auf der deutsch-österreichischen Grenze steht, wo meine Mutter, ihre Mutter und Großmutter und ihr kleiner Bruder auf der Flucht Station gemacht haben. Wir sind die ungarisch-serbische Grenze entlanggefahren, haben Viktor Orbáns Grenzzaun gesehen. In Serbien standen wir vor einer verlassenen Fabrikhalle mit zerborstenen Fenstern, in der wahrscheinlich mein Großvater von jugoslawischen Partisanen erschossen wurde.

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Wir besuchten Orte, an denen früher die Lager standen, wo meine Mutter als Kind Hunger gelitten hat. Wir sahen die Ruinen der Mühle meiner Urgroßmutter. Wir besuchten das heruntergekommene Geburtshaus meiner Mutter, die frühere Apotheke meines Großvaters, und trafen einen ehemaligen Bewohner, der uns alte, schmutzige Apothekerfläschchen schenkte, die er auf dem Dachboden gefunden hatte, und er beteuerte, sie stammten aus der Vorkriegszeit, mein Großvater habe sie benutzt. Und im Nachbarort suchten und fanden wir das Haus meines Urgroßvaters, die alte Poststation; es ist luxussaniert und gehört heute einer millionenschweren Geschäftsfrau aus Bukarest. Unsere Reise in den serbischen Spätsommer war eine Reise voller Überraschungen und Unwahrscheinlichkeiten. Wir drangen immer tiefer in die Familiengeschichte meiner Mutter vor. Eine Geschichte von Idylle, Krieg, Vertreibung, Flucht, Heimat und Sprachlosigkeit – aber auch eine Geschichte über das Wesen der Erinnerung. »Findest du das nicht merkwürdig, dass du dich an nichts erinnerst?«, frage ich meine Mutter irgendwann. »Bei der Flucht warst du immerhin fast sechs Jahre alt.« »Ich weiß es nicht. Meine Erinnerung beginnt erst 1947 in Deutschland.« »Vielleicht ist es ein automatischer Schutz, dass du alles verdrängt hast?« »Ich weiß es nicht. Oder vielleicht habe ich irgendetwas gesehen, das mich schockiert hat.« »Und dein Bruder? Konnte er sich erinnern?« »Ich glaube nicht. Aber ich weiß es nicht. Wir haben nie darüber gesprochen.« »Ihr beide habt nie miteinander darüber gesprochen?« »Nein.« »Warum nicht?« »Ich weiß es nicht.« Wie immer komme ich bei ihr nicht weiter. Es ist, als gebe es eine Tresortür in ihrem Kopf, die sich nicht öffnen lässt. Sie verschließt alles, was vor der Ankunft in Deutschland geschah. Sie weiß nicht, was sich hinter der Tür verbirgt, die sie fest verschlossen hält. Und sie will es auch nicht mehr wissen. Verdrängen und Schweigen, das hat sie von ihrer Mutter gelernt, es liegt in der Familie. In so vielen Familien. Und dann stehen wir vor einem Sonnenblumenfeld an der ungarisch-serbischen Grenze. Es erstreckt sich fast bis zum Horizont. Die Sonne liegt warm und drückend auf dem Land. »Gehen wir hinein«, sage ich schließlich. »Wirklich?«, fragt meine Mutter. »Na klar«, sage ich.


Fotos:© Privat, Andreas Wunn

Andreas Wunn leitet die Redaktion des ZDF-Morgenmagazins und des ZDF-Mittagsmagazins in Berlin. Für beide Sendungen steht er auch als Moderator vor der Kamera. Zuvor war er sechs Jahre lang SüdamerikaKorrespondent des ZDF in Rio de Janeiro. Seine TV-Dokumentationen wurden mehrfach ausgezeichnet, seine beiden Bücher über Brasilien waren Bestseller.

Foto:© Selim Humbaraci

Ich schiebe die dicken Pflanzenstiele auseinander und bahne uns einen Weg. Die Blumen wirken schwer und trocken, ihre Köpfe neigen sich schon Richtung Boden, die Blütenblätter sind an vielen Stellen braun ausgebrannt. Bald werden sie geerntet werden. Jetzt stehen wir mittendrin. Die Blumen reichen mir bis zum Hals. Meine Mutter wird von ihnen überragt. »Jetzt sind wir also hier«, sage ich. Ich gehe in die Knie, und meine Mutter tut es mir nach. Jetzt hocken wir im Feld, sind völlig eingetaucht. Um uns herum die grünen Stiele und surrende Insekten. »Eigentlich ein angenehmer Ort. Da wir so müde waren, haben wir geschlafen. Nur die Mutti hat gewacht«, sagt meine Mutter. »Die Geschichte mit dem Hund hast du oft erzählt bekommen, oder?« »Ja, weil es doch fast ein Wunder war, dass der Hund uns nicht verraten hat.« »Irgendwo hier könntet ihr euch versteckt haben.« »Es ist ein gutes Versteck«, sagt meine Mutter. »Kannst du dir deine Flucht jetzt besser vorstellen?« »Es muss schlimm gewesen sein. Die Angst, erwischt zu werden. Wir waren ja noch so klein. Für meine Mutter und meine Großmutter war das sicher nicht einfach. Es lag ja an uns Kindern, dass wir nicht so schnell vorankamen.« Wir reden nicht mehr viel. Es ist merkwürdig, dass wir beide nun hier in diesem Sonnenblumenfeld hocken. Es fühlt sich inszeniert und echt zugleich an. Zum Schluss möchte ich noch ein Foto machen. Und genau in diesem Moment fliegt ein Hubschrauber in einem Bogen relativ tief über uns hinweg, wie zur Kontrolle. Grenzpolizei. Ich winke kurz in die Luft. Damals gab es hier keine Hubschrauber. Nur Hunde. Andreas Wunn

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Ulrich Alexander Boschwitz Der Reisende Klett Cotta, 20,– Euro

Claude K. Dubois Akim rennt Aus dem Französischen von Tobias Scheffel Moritz Verlag, 12,95 Euro Gerade noch hat Akim mit seinen Freunden am Fluss gespielt und der Krieg schien so weit weg. Plötzlich aber nähern sich Flugzeuge, es wird geschossen, sein Zuhause findet er zerstört wieder, seine Eltern sind verschwunden. Unterschlupf findet er mit vielen anderen in einem Haus, das von dem Angriff verschont blieb. Auch dort von seinen Eltern keine Spur. Zusammen mit anderen Kindern wird er von Soldaten gefangen genommen, doch in einem unbeobachteten Moment gelingt Akim die Flucht. Er läuft und läuft, trifft auf weitere Flüchtlinge und landet schließlich in einem Auffanglager im Nachbarland. Dort findet er nach einer langen, traurigen Zeit seine Mutter wieder. Ein kleines Buch, das von den ausdrucksstarken Bildern lebt und lange nachhallt. Claude K. Dubois gelingt es meisterhaft, in ihren skizzenhaften Zeichnungen Akims Gefühle und Ängste einzufangen, ohne ins Detail zu gehen. Die Unbarmherzigkeit des Krieges und das traurige Schicksal der Flüchtenden werden so für Kinder leichter begreifbar. (sr) Ab 6 Jahren.

* * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * Rüdiger Bertram / Heribert Schulmeyer (Ill.) Der Pfad. Die Geschichte einer Flucht in die Freiheit cbt, 8,99 Euro Marseille, 1941. Rolf und sein Vater genießen den Frühlingstag und baden ausgelassen im Meer. Doch die Idylle trügt, denn sie befinden sich auf der Flucht vor den Nazis und wollen schon bald mit dem Schiff nach New York reisen, wo Rolfs Mutter auf sie wartet. Es kommt aber zu Komplikationen, da die Franzosen ihnen die Ausreisegenehmigung verweigern. Jetzt können sie Frankreich nur noch auf dem Landweg über die Pyrenäen nach Spanien verlassen. Und das ist alles andere als ein Spaziergang! Der Hirtenjunge Manuel, der um die Gefahren weiß, begleitet Vater und Sohn auf ihrem Weg. Sie sind noch nicht lange unterwegs, als sie von Soldaten überrascht werden, die den Vater verhaften. Die Jungen konnten sich verstecken, sind nun aber auf sich gestellt und ihre gefährliche Reise ist noch lange nicht zu Ende. Diesen Pfad gab es wirklich und er war für viele deutsche Emigranten die letzte Möglichkeit, Frankreich zu verlassen. Rüdiger Bertram erzählt vor diesem geschichtlichen Hintergrund eine packende Freundschaftsgeschichte, die das Flüchtlingsthema aus einem ganz anderen Blickwinkel beleuchtet. (sr) Ab 12 Jahren.

Unmittelbar nach der Reichspogromnacht im November 1938 begann Ulrich Alexander Boschwitz die Arbeit an diesem Roman. Er erzählt eine kurze Passage aus dem Leben des Kaufmanns Otto Silbermann, der mit der Reichsbahn kreuz und quer durch das damalige Deutschland fährt, um den Nazischergen zu entkommen. In Zügen, auf Bahnsteigen, in Bahnhofrestaurants trifft er auf Juden, Flüchtlinge, Nazis, gute wie schlechte Menschen auf beiden Seiten. Dabei verliert er erst seinen ganzen Besitz, danach seine Würde, zum Schluss seinen Verstand. Ein eindringliches Zeitdokument eines Mannes, der damals erst 23 Jahre alt gewesen ist. Neu entdeckt, ist es vor einem Jahr bei Klett Cotta zum ersten Mal auf Deutsch erschienen. (ts)

* * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * Dietrich Garstka Das schweigende Klassenzimmer Ullstein Verlag, 12,– Euro Die Geschichte war lange in Vergessenheit geraten, bis der gleichnamige Film von Lars Kraume im letzten Jahr in die Kinos kam. Stalinstadt, 1956. Aus Solidarität mit den Arbeitern in Ungarn nach der Niederschlagung des Volksaufstandes organisiert eine DDR-Abiturklasse eine Schweigeminute. Der Direktor der Schule möchte diese Angelegenheit unter den Teppich kehren. In seinen Augen sind es Kinder, denen er ihre Zukunft nicht verbauen will. Doch die Stasi bekommt Informationen zugespielt und beginnt mit den Ermittlungen, die im Laufe der Ereignisse immer brutaler werden. Die Täter werden nie gefasst, aber mit Ausnahme von zwei oder drei Schülern flieht die komplette Klasse in den Westen, um dort ihr Abitur nachzumachen und sich ein neues, freieres Leben aufzubauen. (ts)

* * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * Erich Maria Remarque Die Nacht von Lissabon Kiepenheuer & Witsch, 12,– Euro Lissabon ist für viele Exilanten die einzige Hoffnung, das von den Nazis besetzte Europa verlassen zu können. Hier im Hafen starrt ein Mann auf ein Schiff, das ihn und seine Frau außer Landes bringen könnte. Allerdings hat er weder Papiere noch Geld. Da spricht ihn ein Fremder an und macht ihm ein unglaubliches Angebot: zwei Schiffspassagen gegen eine Nacht, in der der Fremde seine Geschichte erzählen möchte. Das Buch vom Autor des weltberühmten Romans »Im Westen nichts Neues« ist spannend wie ein Krimi. (ts)

* * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * Rafik Schami Ich wollte nur Geschichten erzählen. Mosaik der Fremde Schiler Verlag, 18,– Euro Kennen Sie Rafik Schami, den sicherlich besten Erzähler Deutschlands? Wahrscheinlich schon. Ich habe ihn oft gehört und geglaubt, alle seine Geschichten zu kennen. Ein Irrtum! In letzter Zeit schleichen sich immer wieder auch ernstere Themen in seine Erzählabende. Rafik Schami lässt jetzt durchblicken, wie viele Hürden er auf dem Weg in ein Schriftstellerleben zu überwinden hatte, was die deutsche Sprache mit ihm gemacht hat und wie er damit umgeht, dass eine wachsende Zahl von Menschen wissen möchten, wie man erfolgreich schreibt. (Unter uns: Er gibt ihnen Tipps, und zwar gleich 25 an der Zahl.) »Ich wollte nur Geschichten erzählen« sind fünfzig Mosaiksteine, so nennt er seine Statements, und wenn auch überwiegend ernst, so kommen sie doch immer leichtfüßig, humorvoll und warmherzig daher. (ts)

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Der neue Roman von

* * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * Andreas Wunn Mutters Flucht Ullstein Verlag, 20,– Euro Über ihre Flucht aus Jugoslawien nach Deutschland nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges hat seine Mutter kaum gesprochen. Doch als 2015 die Balkanroute als Fluchtweg Hunderttausender Menschen weltberühmt wird, bricht sie ihr Schweigen und vertraut sich ihrem Sohn, dem Fernsehmoderator und Redaktionsleiter des Morgenmagazins Andreas Wunn, an: Über dieselbe Route sind wir damals nach Deutschland gekommen. Wunn möchte Familiengeschichte aufarbeiten und bittet seine Mutter, eine Reise in die Vergangenheit zu unternehmen. Sie willigt ein und so begeben sich die beiden gemeinsam mit Wunns Bruder auf eine Reise über die Balkanroute nach Jugoslawien, wo die Donauschwäbin geboren, wo ihr Vater ermordet wurde und wo ihre Flucht im Jahr 1947 begann. Es wird ein beeindruckendes Zeitdokument auch über ein Volk, das zu jener Zeit aus dem Fokus der Weltöffentlichkeit geraten war. Neben allen dramatischen Geschichten hat mich sehr beeindruckt, wie diszipliniert, empathisch, aber ausgesprochen wortkarg die mittlerweile alte Dame diese Reise überstanden hat. Chapeau! (ts)

Foto: Maurice Haas / © Diogenes Verlag

»Das siebte Kreuz« machte Anna Seghers weltberühmt. Noch in den 40er Jahren des vergangenen Jahrhunderts wurde es in Amerika verfilmt, sehr bewegend. »Transit« ist nicht weniger eindringlich. Marseille, 1940: Wer hier strandet, versucht vor den Nazis zu fliehen – bevorzugt nach Übersee. Man hetzt nach Visa, Bescheinigungen und Stempeln, ohne die man Frankreich und damit Europa nicht verlassen kann. Die verschiedensten Wege kreuzen sich in Cafés, Amtsstuben, Konsulaten. Einer erhascht eine Schiffspassage mit den Papieren eines Toten. Zu spät wird dem Mann dann allerdings klar, dass er die Reise gar nicht wird antreten können. Anna Seghers hat diesen Roman bereits während ihrer Flucht ins mexikanische Exil begonnen. Heinrich Böll bezeichnete ihn als ihren schönsten. (ts)

Bücher zum thema flucht, vertreibung & migration

Anna Seghers Transit Aufbau Taschenbuch, 12,– Euro

Daniela Krien

Daniela Krien Die Liebe im Ernstfall Roman · Diogenes

288 Seiten, auch als eBook und Hörbuch

Fünf Frauen versuchen das Unmögliche: Lieben, stark sein – und sich treu bleiben. Kunstvoll verwoben, tief berührend und erschütternd. XXL-Leseprobe auf diogenes.ch/danielakrien

Diogenes KUDU

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„Armstrong – Die abenteuerliche Reise einer Maus zum Mond“ von Torben Kuhlmann © 2016 NordSüd Verlag AG, Zürich/ Schweiz

Lieber Torben Kuhlmann, Sie sind Jahrgang 1982. Miterlebt haben Sie die Ära und den Hype um die Apollo-Missionen nicht – es war ja eher ein Thema unserer Väter. Woher kommt Ihre Faszination dafür?

Ist es nicht eine Schande, dass dieser Pioniergeist ein wenig verloren gegangen ist? Mit vereinten Kräften und einer hochtechnisierten vernetzten Welt, da würde sich doch bestimmt ein interessantes Gedankenspiel ergeben?

Stimmt, die Jahrzehnte des Wettlaufs zum Mond habe ich verpasst, allerdings hat diese unglaubliche Leistung auch Jahrzehnte später nichts an Faszination eingebüßt. Wenn man sich genauer mit dem Thema auseinandersetzt, erkennt man, welche enormen Hürden damals genommen wurden, um dieses beispiellos ambitionierte Ziel zu erreichen; einen Menschen zum Mond und wieder zurück zu bringen. Es beginnt schon mit der häufig erzählten Anekdote über die Missionscomputer; ganze Schrankwände, die in ihrer Leistung wohl am besten mit heutigen Taschenrechnern zu vergleichen wären. Dieses Streben der Menschen nach dem eigentlich Unmöglichen finde ich sehr respekteinflößend und vor allem inspirierend. Bei »Lindbergh« war es der alte Traum vom Fliegen und die ersten Pioniere und Erfinder, die wagemutig im Selbstversuch erste Flugapparate testeten. Ein klein wenig versteht sich das Buch als Denkmal für diese frühen Pioniere der Luftfahrt. Und noch mehr war dies der Gedanke hinter »Armstrong«, ein Lobgesang auf den Wagemut und die Ingenieurskunst der Apollo-Missionen. (Auch wenn ich in der Geschichte die Leistung der Menschen etwas schmälere, da ich behaupte, die Technik sei nur von einer Maus abgekupfert.)

Ich weiß nicht, ob dieser Pioniergeist verschwunden ist, aber er ist sicherlich etwas schwerer zu erkennen. Es keimen ja oft genug Pläne auf, zum Mond zurückzukehren oder diesen gar als Ausgangspunkt für eine Reise zum Mars zu nutzen. Doch die notwendige Euphorie springt oft nicht über, das Kosten-Nutzen-Verhältnis wird hinterfragt, politische Reibereien bremsen. Ich selbst würde mich sehr freuen, wenn die Welt für ein so ambitioniertes Ziel noch zu meinen Lebzeiten zusammenfände. Da wäre so viel Potenzial vorhanden – brillante Köpfe, die zusammen tüfteln, und eine Welt, die mitfiebert. Vielleicht muss uns einfach eine weitere Maus den Weg in die Zukunft weisen?!

Armstrong, Weltraum und 50 Jahre Mondlandung – ein Interview mit Torben Kuhlmann

Ist denn schon ein weiteres Mäuseabenteuer in Ihrem Kopf – vielleicht sogar ein zukunftsweisendes? Das Schöne bei der Arbeit als Illustrator ist, dass man manchmal bei der meditativen Mal- und Zeichenarbeit für das eine Buch schon weitere Ideen für weitere Geschichten ausbrüten kann. Tatsächlich habe ich mir grade eine kleine »Mause-Pause« nach »Edison« und der Arbeit an der »Armstrong«-Sonderausgabe verhängt. Aktuell grübele ich vielmehr an einer ganz und gar mäuselosen Erzählung, aber tatsächlich schimmert am Horizont auch ein weiteres Mäuseabenteuer. Und zum Stichwort »zukunftsweisend«. Diese Orientierung könnte diese Geschichte dann wohl tatsächlich haben, was auch immer das heißen mag … Apropos zukunftsweisend. Sie sprechen etwas an, was in nicht allzu ferner Zukunft liegt: Am 25. April erscheint im NordSüd Verlag die »Armstrong«-Sonderausgabe. Worauf dürfen wir uns in dieser speziellen Ausgabe freuen? Auf diese Sonderausgabe bin ich tatsächlich recht stolz. Es hat mich sehr gefreut, dass NordSüd diese Idee anlässlich des fünfzigsten Jahrestages der Mondlandung ins Spiel gebracht hat – und damit bei mir gleich eine offene Tür einrannte. In dieser Ausgabe findet sich, wie schon in der Originalausgabe, die Geschichte einer Maus, die die Reise zum Mond wagt. Das Drumherum stellt aber noch mehr die Mondlandung 1969 in den Mittelpunkt – und die eventuellen Verbindungen zu einer kleinen Maus. Am auffälligsten ist das neue Cover, das die unterschiedlichen irdischen Spezies – Mensch und Maus – einmal zusammen auf dem Mond zeigt. Auch typografisch atmet es nun den Geist der Apollo-Missionen. Im Buch selbst gibt es ein neues Vorwort, weitere oder erweiterte Illustrationen und eine umfänglichere Geschichte der (menschlichen) Mondreise. Und nicht zu vergessen: einen Mission-Patch zum Aufbügeln – für besonders ambitionierte Mäuse-Astronauten.

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„Edison – Das Rätsel des verschollenen Mauseschatzes“ von Torben Kuhlmann © 2018 NordSüd Verlag AG, Zürich/ Schweiz

In meinem Atelier stehen zwei Schreibtische, die wie ein großes L um mich angeordnet sind. Auf dem einen Schreibtisch stehen meine Monitore. Hier mache ich meine digitalen Arbeiten: Layout- und Bildbearbeitungen oder Animationen. Und am Rechner beginnt auch meistens der Tag mit Organisatorischem. Der zweite Schreibtisch ist mein Zeichentisch, vollgepackt mit Aquarellkästen und Gläsern voller Pinsel und Stifte. An diesem verbringe ich wohl die meiste Zeit des Tages, höchstens mal von einer Kaffeepause im danebenstehenden Sessel unterbrochen. Und so ganz nebenbei sind Sie auf Lesereise? Lesereisen gehören mittlerweile in der Tat zu meinem Berufsleben dazu. Ich stelle sehr gerne vor Kindern meine Arbeit und meine Abenteuergeschichten vor. Am Anfang – mit »Lindbergh« – war ich da noch etwas zögerlich. Ich wusste nicht, ob ich ein so kritisches Publikum, meistens Grundschülerinnen und -schüler, wirklich 45 Minuten oder vielleicht sogar über eine Stunde unterhalten bekomme. Aber die Sorgen verflogen sehr schnell, als ich erlebte, wie sehr die Kinder bei den Geschichten mitfiebern. Kinder sind ja so herrlich direkt in ihren Reaktionen. Dadurch sind insbesondere die »Armstrong«-Lesungen auch für mich ein großer Spaß. Hier regen sich die Kinder oft am vehementesten über die »naiven« Erfindungen der Maus auf und sind dann umso begeisterter, wenn die Rakete dann am Ende doch fliegt und die Maus Kurs nimmt Richtung Mond. Das Einzige, was sich oftmals als etwas schwierig erweist, ist die zeitliche Koordinierung. Lesereisen, üppige Buchprojekte und Auftragsarbeiten müssen unter einen Hut gebracht werden – manchmal eine wirkliche Herausforderung. Bleibt Ihnen bei all der Arbeit noch Zeit, um zu lesen? Haben Sie ein All-Time-Lieblingsbuch? Tatsächlich komme ich gar nicht mehr so oft dazu, wirklich etwas zu lesen, manchmal auf längeren Zugfahrten. Allerdings habe ich in den letzten Jahren Hörbücher für mich entdeckt, die ich bestens während meiner Mal- und Zeichenarbeit laufen lassen kann. Das unterstützt sogar noch den manchmal meditativen Zustand beim Illustrieren. Die Frage nach einem All-Time-Lieblingsbuch ist schwierig. Ich habe recht viele Bücher im Schrank, die ich einst mit großer Begeisterung gelesen habe. Am prägendsten war vielleicht in meiner Jugend der Gruselroman »Dracula« von Bram Stoker oder später »Coraline« von Neil Gaiman.

Foto:© NordSüd Verlag AG, Zürich/ Schweiz

Und wie arbeiten Sie? Digital oder ganz klassisch mit Papier und Pinsel?

Torben Kuhlmann wurde 1982 in Sulingen geboren. Er studierte Illustration und Kommunikationsdesign an der HAW Hamburg mit Schwerpunkt Buchillustration. Im Juni 2012 schloss er sein Studium mit dem Kinderbuch »Lindbergh – Die abenteuerliche Geschichte einer fliegenden Maus« ab. Das Debüt wurde international vielfach ausgezeichnet und war für den Deutschen Jugendliteraturpreis 2015 nominiert. Im Juli 2016 folgte »Armstrong – Die abenteuerliche Reise einer Maus zum Mond«. Sein neuester Geniestreich »Edison – Das Rätsel des verschollenen Mauseschatzes« erschien im August 2018 und landete auf der SPIEGEL-Bestsellerliste auf Platz 1. Torben Kuhlmann lebt und arbeitet in Hamburg.

Lieber Torben Kuhlmann, herzlichen Dank für das Gespräch! Das Interview führte Dennis Hasemann

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Bücher zu Mond, Mondlandung & Raumfahrt 16

Matt Fitch / Chris Baker / Mike Collins (Ill.) Apollo 11 Aus dem Englischen von Ebi Naumann Knesebeck Verlag, 24,– Euro

Torben Kuhlmann Armstrong. Die abenteuerliche Reise einer Maus zum Mond NordSüd Verlag, 20,– Euro Dass Mäuse äußerst clevere und umtriebige Tiere sind, wissen wir, seit der Illustrator Torben Kuhlmann ihre Abenteuer festhält. Auch bei »Armstrong« verknüpft er in seinen großartigen Bildern, die Kleine wie Große stundenlang betrachten können, fantasievoll Geschichte und Mäusemärchen miteinander. Armstrongs Abenteuer beginnt mit seinen Mondbeobachtungen. Während seine Mäusekumpel noch glauben, der Mond sei ein riesiger Käse, weiß Armstrong es besser. Und er findet auch einen Unterstützer, nämlich Lindbergh, den Mäuserich, der einst als Erster den Atlantik überquerte. Der macht Armstrong auch Mut, an seinem Traum, zum Mond zu reisen, festzuhalten. Mut braucht es tatsächlich, ebenso Ausdauer und Kraft, um Rückschläge wegzustecken und weiterzumachen. Glücklicherweise gibt Armstrong nie auf und so werden wir Zeuge seiner spektakulären Mondlandung. Als Familienunterhaltung ist auch die von Bastian Pastewka lebhaft eingelesene Hörfassung sehr zu empfehlen. (sr) Ab 6 Jahren.

* * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * Joachim Brandenberg Ein kleiner Schritt für die Menschheit Jaja Verlag, 18,– Euro Wenn man nur lange genug Richtung Osten wandere, müsse man schon irgendwann an der Stelle ankommen, wo der Mond aufgeht! Zumindest denken genau das die drei Wissenschaftler, die wir in dieser Graphic Novel auf ihrer Reise begleiten dürfen. Dabei widmet sich dieses Buch, trotz des berühmten Zitats im Titel, nicht der gelungenen Landung, sondern eher den gescheiterten Versuchen, den Mond zu bereisen. Dabei spielt natürlich das im Mittelalter vorherrschende Weltbild die größte Rolle. Ist die Erde flach, sollte es doch gar kein Problem darstellen, den Punkt zu erreichen, an dem der Mond aus der Erde kriecht. Die beschwerliche Reise der drei Wissenschaftler wird dabei immer skurriler. Je weiter die drei reisen, umso mehr versteifen sie sich auf ihren Glauben daran, dass es doch klappen muss. Eine fantastische Reise in eine Zeit, in der die Astronomie noch in den Kinderschuhen steckte, und eine Geschichte darüber, ob eigentlich mal jemand den Mond gefragt hat, ob er überhaupt von Neil Armstrong besucht werden möchte. (dh)

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Die Geschichte der ersten Mondlandung als Graphic Novel. Authentisch und im Comic-Stil der 60er Jahre gehalten, ist dieses Buch nicht nur eines für eingefleischte Comic-Fans, sondern auch für Interessierte, die sich mit der Geschichte der drei Astronauten näher befassen möchten. Wir begleiten Neil Armstrong, Buzz Aldrin und Michael Collins bei ihrem Werdegang, ihrer Ausbildung und bei der Vorbereitung für die Mondlandung. Das Hauptaugenmerk gilt natürlich der gefährlichen Mondmission, aber eben auch den ganz persönlichen Geschichten, Ängsten und Sorgen der drei Helden in der Columbia-Kapsel. Überaus unterhaltsam dürfen wir den dreien über die Schulter und in den Kopf schauen. Über was mögen die drei nachgedacht haben? Wie gingen die Astronauten mit dem Risiko um, das allgegenwärtig war? (dh)

* * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * Alexander Gerst & Lars Abromeit 166 Tage im All Frederking & Thaler Verlag, 40,– Euro 2014 war es so weit. Der deutsche ESA-Astronaut startete mit seiner »Blue-Dot-Mission« von Baikonur aus ins Weltall zur Internationalen Raumstation ISS. Dass diese Mission das Interesse von vielen Tausenden erwecken würde, war zu Beginn seiner Reise noch gar nicht greifbar. Spätestens aber mit dem Beginn der Social-Media-Aktivitäten (auf Twitter und Facebook) durch Alexander Gerst wuchs die Begeisterung von Tag zu Tag. Tagesaktuell dokumentierte der Wahlkölner fotografisch seine Eindrücke auf der Raumstation in 400 km Höhe und nicht nur das: Er hielt unglaubliche Momente mit seiner Kamera fest, die für die meisten von uns Erdenbewohnern so niemals sichtbar wären. Das Polarlicht aus Sicht der ISS, die zerbrechliche Erdatmosphäre, Sonnenauf- und -untergänge im Neunzig-Minuten-Takt. Unvergessen sind dabei seine Plädoyers für mehr Nachhaltigkeit und Besonnenheit im Umgang mit unserem Planeten. In diesem Bildband sind die schönsten und bewegendsten Aufnahmen von seiner 166 Tage dauernden Mission zusammengefasst und kommentiert. Ein eindringlicher und, nicht nur für Wissenschaftsfreunde, wichtiger Bildband. (dh)

* * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * Floris Heyne mit Joel Meter, Simon Phillipson und Delano Steenmeijer Apollo VII–XVII (englischsprachig) teNeues Verlag, 50,– Euro Was hatten Karl Lagerfeld und sämtliche Apollo-Astronauten gemeinsam? Sie alle waren Hasselblad-Fotografen. Die NASA wollte sicherstellen, dass Film- und Fotoaufnahmen bei den Missionen hundertprozentig gelingen. Die Technik dafür musste noch entwickelt werden und Hasselblad erhielt damals den Zuschlag. In der Folge entwickelten die Schweden eine technisch zuverlässige und sehr einfach zu bedienende Kamera. Die Resultate sind heute weltbekannt – das Foto von Buzz Aldrin im Meer der Ruhe, die aufgehende Erde aus dem Seitenfenster der Apollo-8-Kapsel. Diese und viele weitere atemberaubende Aufnahmen aus den Archiven der NASA haben die Autoren zusammengetragen, ausgewählt und in diesem wunderbaren Bildband abdrucken lassen. (dh)


emons:

Seit jeher finde ich es unheimlich packend, wenn mir Menschen von ihren persönlichen Erinnerungen an den 20. Juli 1969 berichten. Ob sie vor dem Fernseher oder dem Radio lagen, Augen und Ohren gespitzt, auf eine der wichtigsten Nachrichten der Menschheitsgeschichte wartend: »Houston, Tranquility Base here – the Eagle has landed!« Fünfzig Jahre ist das nun her, hat nichts von der Faszination eingebüßt und es gilt immer noch als das größte Abenteuer der Menschheitsgeschichte. »Apollo« greift genau diese Faszination auf und bereitet wichtige Daten und Abläufe in illustrierter Form auf. Jede Phase der einzigartigen Reise von Neil Armstrong, Buzz Aldrin und Michael Collins, von der Planung bis zur Landung, wird mit detaillierten Informationstexten eindrucksvoll aufs Papier gebracht. (dh)

* * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * Mondglobus Columbus Verlag, UVP 99,90 Euro Fra Mauro, das Meer der Ruhe, der Ozean der Stürme, die Hadley-Rille, das Descartes-Hochplateau und Taurus-Littrow: die sechs Landestellen der Apollo-Missionen von 1969 bis 1972. Der Mond übt nach wie vor eine immense Anziehungskraft auf uns Menschen aus. Und auch in Zukunft wird er wohl eine wichtige Rolle in der Raumfahrt spielen. Grund genug, sich intensiver mit unserem Erdtrabanten auseinanderzusetzen. Dieser Globus veranschaulicht nicht nur die Schwierigkeiten, die bei den Apollo-Landungen fast zum Scheitern der ersten Mondlandung geführt haben. Endlich können wir auch einen Blick auf die Rückseite unseres Nachbarn werfen. (dh)

ISBN 978-3-7408-0522-7 · € (D) 14,95

* * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * Zack Scott Apollo Aus dem Englischen von Thomas Pfeiffer Droemer Knaur, 28,– Euro

ISBN 978-3-7408-0499-2 · € (D) 14,95

Auf der Raumstation MIR gab es zwei Toiletten – zum Ärger der dort arbeitenden Kosmo- und Astronauten war eine davon direkt neben dem Essbereich der Station. Statt langweiliger Astronautenkost futtern Astronauten einfach die für ein Experiment gedachten Zwiebeln, die eingelagert wurden. Kuriose und spannende Geschichten rund um die Raumfahrt gehören genauso in dieses Buch wie auch die aus dem gesamten Themenkomplex entwickelten Superhelden und Science-Fiction-Werke, die schon wesentlich älter als die Raumfahrt selber sind. Dieses Buch bietet einen Überblick über ein herrliches Kuriositätenkabinett sowie Wissenswertes über Merkwürdigkeiten und Geschichtsträchtiges. (dh)

ISBN 978-3-7408-0505-0 · € (D) 10,90

Ulrike Schmitzer & Martin Thomas Pesl Houston, wir haben ein Problem Edition Atelier, 23,– Euro

ISBN 978-3-7408-0530-2 · € (D) 14,95

immer ein guter thriller

www.emons-verlag.de KUDU

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welle(n) in der nacht RADIO ANKERHERZ

Manchmal weiß man wirklich nicht, welchen Faden man zuerst aufnehmen soll, um eine Geschichte zu beginnen. Ist es der allererste Kontakt mit Helgoland? Wir betreten die Insel und verwünschen uns, weil wir die Rückfahrt erst für den nächsten Tag gebucht haben. Was sollten wir hier? Ist es die Geschichte zweier Männer, die sich hier treffen, beide (im positiven Sinne) verrückt genug, um aus dem Nichts Radio zu machen, ohne Vorkenntnisse? Oder beginne ich die Geschichte ganz woanders, viel profaner, in meinem Arbeitszimmer an einem gewöhnlichen Wochentag wenige Minuten vor Mitternacht? Ich höre Radio Ankerherz. Den Sender kenne ich erst seit ganz kurzem, den namensgebenden Verlag aus Hollenstedt vor den Toren Hamburgs und seinen Verleger Stefan Kruecken seit ein paar Jahren. Stefan Kruecken ist nicht immer Verleger gewesen. Reporter war er, ein Jahr sogar als Polizeireporter in einer amerikanischen Großstadt unterwegs. Mit 32 Jahren entschied er sich, mit nur einem Buch einen Verlag zu gründen. »Wir sind damals volles Risiko gegangen, ohne Netz und doppelten Boden. Das tun wir bis heute.« In der Tat versteht Kruecken seinen Verlag auch nicht als reines Buchgeschäft, sondern als Gesamtkonzept, Geschichten zu erzählen von See und Seefahrt, von Helden des Alltags, egal ob Seenotretter, Bergmann oder Nonne. Spannend müssen die Geschichten sein, sonst hat nichts eine Relevanz. Doch damit nicht genug. Stefan Kruecken lässt in Island Pullover stricken und bietet sie über seinen Verlag an. Er stellt aus alten Marinebeständen neue Seemanns-Parka her. Er importiert das isländische Nationalgetränk Brennivin (der schwarze Tod) und

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er organisiert Kreuzfahrten vor der Haustür (Heimathäfen-Tour nach Sylt-Helgoland-Borkum), aber auch über den Nordatlantik nach Island. Im Januar, mit vorhersehbaren Sturmböen. Und jetzt also Radio Ankerherz – die Welle zum Meer. Die Uhr zeigt Mitternacht und plötzlich verstummt die Musik, verzieht sich der Moderator. Stattdessen nur noch Meeresrauschen: Wellen, die am Strand ausrollen, das Zischen und Kribbeln von Steinchen, Muscheln, Sand, wenn das Wasser sich zurückzieht. Wasser, das sich an Klippen bricht, gewaltige Brandung, glucksende Gleichmäßigkeit. Alles, was ein Meer ausmachen kann in einer Nacht. Nein, in jeder Nacht, immer von null bis sechs Uhr. Sehr beruhigend. Warum Helgoland? Wäre der Sender nicht am Verlagssitz in Hollenstedt besser aufgehoben gewesen? Eine Welle vom Meer muss aus dem Meer kommen, ist wohl die emotionalere der beiden Antworten, die Stefan Kruecken mir gibt. Die andere macht dann auch praktisch Sinn. Bei einer seiner Heimathäfen-Kreuzfahrten habe er Thore Laufenberg getroffen, der wenige Wochen zuvor Radio Helgoland gegründet hatte. »Geh da mal hin. Den Typen musst du kennenlernen. Der ist so verrückt wie du«, sagte man Kruecken. Die beiden hätten dann ein bisschen »gequatscht« (O-Ton Laufenberg) und »zwei Tage später hat Stefan mich angerufen und gefragt, ob ich mir vorstellen könne, mit ihm Radio Ankerherz ins Leben zu rufen«. Rein technisch scheint Internet-Radio »wirklich kein Hexenwerk« zu sein, bestätigen die beiden. Man kann eine Menge automatisieren und standardisieren. Deshalb könne man sich aufs Programm konzentrieren. Stefan und Thore teilen sich die Moderationsarbeit. Dabei ist es ihnen wichtig, dass niemand Chef ist.


Fotos:© Dirk Uhlenbrock

Foto:© Ankerherz

»Wir sind hier hierarchiefrei. Jeder darf alles und macht es auch«, sagt Laufenberg und schiebt dann noch einen Insider-Gag hinterher: »Du darfst über alles reden, nur nicht über Zweidreißig.« Es braucht eine Weile, bis ich die alte Reporterfaustformel begreife. Das Studio befindet sich in der Siemensterrasse in einem ehemaligen kleinen Modegeschäft. Sobald die Temperaturen es zulassen, werden die bodentiefen Fenster geöffnet, dann arbeitet man quasi auf der Straße mitten im Geschehen. »Das war nicht von Anfang an so«, erzählt Laufenberg. »In den ersten Wochen war ich auf anderthalb Quadratmetern untergebracht, sozusagen in nicht artgerechter Moderatorenhaltung.« Die Themen von Radio Ankerherz sind das Meer und Menschen, die mit ihm leben, und natürlich ehrlicherweise Musik. Sie ist tatsächlich einer der Gründe, warum Stefan Kruecken den Sprung ins Internetradio gewagt hat. Es war nicht die Aussicht auf schnellen Profit, »... aber es wäre nicht verkehrt, wenn wir langsam Werbepartner finden, um die Kosten zu decken.« Nein, es ist seine Liebe zur Musik: »Ich liebe Musik, Al Green, Aretha Franklin, Gregory Porter, Jason Isbell, die werden aber selten bis nie im Format-Radio gespielt ... Und bitte morgens kein Gelaber. Ich finde es furchtbar, wenn man im Radio um sechs Uhr gute Laune spielt und so laut lacht. Wir haben deshalb die ›Moin-Show‹. Da sagen wir manchmal nur ›Moin‹ und ansonsten wird Musik gespielt.« Mittlerweile sind wir einige Stunden auf der Insel und beginnen unsere Vorurteile der gröberen Art zu revidieren. Das Wetter meint es gut an diesem Februartag. Und dass die Helgoländer es geschafft haben, Ende der 1950er Jahre ihre Insel aus dem Nichts wieder bewohnbar zu machen, ist ihnen hoch anzurechnen. Natürlich war Architektur damals sehr zweckmäßig und einfach. Die beiden Orte im Ober- und Unterland sind zudem sehr dicht bebaut. Wahrscheinlich rückt man näher zusammen bei zehn Windstärken. Und die gibt es bald alle vierzehn Tage hier. Am meisten beeindruckt haben uns aber die Leute. Sie sind geradeheraus, bisweilen etwas störrisch, aber immer herzlich. Und sie probieren Dinge aus, die nirgendwo anders besser getestet werden können als auf Helgoland. Zum Beispiel einen Radiosender, ohne auch nur eine Ahnung davon zu haben, wie man Radio macht. »Die erste Moderation war, glaube ich, nicht so gut«, sagt Thore Laufenberg. Und Stefan Kruecken? Auf die beiden Fragen »Können Sie Radio? Haben Sie das gelernt?« antwortet er: »Nein und nein! Die ersten Moderationen sind entsprechend gruselig. Inzwischen geht es aber ganz gut, schreiben zumindest die Hörer.« Die Zahlen sprechen für sich und 400.000 Hörer pro Monat können sich sehen lassen. »Experiment geglückt«, sagen wir und verabschieden uns mit der kleinen Freude, doch noch einen Tag länger auf dieser speziellen Insel bleiben zu dürfen. Thomas Schmitz KUDU

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bücher über das MEER

Isabelle Autissier Herz auf Eis Aus dem Französischen von Kirsten Gleinig mare, 22,– Euro

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Louise und Ludovic, ein junges Paar aus Paris, könnten zufrieden sein, denn sie führen ein erfolgreiches Leben in der Hauptstadt mit guten Jobs und vielen Freunden. Wäre da nur nicht die Angst vor der Mittelmäßigkeit der Generation Y, der Sorge vor dem Abstumpfen im Alltag, der dringliche Wunsch, das Leben so richtig zu spüren, bevor man zu alt ist. Aus all diesen Gründen brechen die beiden zu einer Segeltour auf und schippern von den Kanaren über Brasilien Richtung Patagonien. Sie fühlen sich frei und sie sind glücklich. Bis sie auf einer unbewohnten Insel an Land gehen und ihr Boot bei einem Sturm sinkt. Ab dann geht es um existenziellere Dinge – um Hunger, Kälte und das Überleben. Die schlichte Sprache unterstreicht den Überlebenskampf und gleichzeitig die Schönheit und Größe der Natur in einer grandiosen Art und Weise. Dies ist ein Roman, der mit voller Wucht zuschlägt. (es)

Suzy Lee Welle 360 Grad, 14,– Euro Die Sonne scheint, die Möwen fliegen über den Strand, das kleine Mädchen ist glücklich, am Meer zu sein! Neugierig verfolgt sie das Spiel der Wellen, weiß noch nicht, wie sie das Kommen und Gehen des Wassers einordnen soll. Schnell wird sie mutiger, nähert sich und erschrickt fürchterlich, als sie von einer Welle überrascht wird. Doch die hinterlässt Geschenke, die die Kleine versöhnlich stimmen. Suzy Lee braucht für ihr Bilderbuch keine Worte, sie schafft es mit wunderbar leichten zweifarbigen Illustrationen, die Gefühle des kleinen Mädchens, das am Strand steht und mit der Welle spielt, derart einzufangen, dass man ganz genau weiß, was in dem Kind vorgeht. Poetisch, leise und einfach wunderschön! (sr) Ab 3 Jahren.

* * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * Uwe Bahn (Hrsg.) Inselstolz. Zwischen Strandkorb und Sturmflut Ankerherz, 29,90 Euro Der Ankerherz Verlag ist ein kleiner, feiner Verlag, der am liebsten Bücher verlegt, die am Meer spielen, noch viel lieber über Menschen, die dort leben und zu wahren Alltagshelden wurden. »Inselstolz« erzählt in 25 Geschichten über 25 Menschen, die in irgendeiner Weise etwas mit dem Meer zu tun haben. Ein Inselwirt von Neuwerk kommt zu Wort, der Chef von Sylts legendärem Grandhotel, ein Mädchen beschreibt seinen Alltag in einer Halligschule, eine Münchnerin findet auf Hooge ihren Frieden. Spannende Lektüre, die Lust auf mehr (Meer) macht, in edlen Leinendeckeln mit Schutzumschlag und Lesebändchen. (ts)

* * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * Piotr Karski Meer! Das Wissens- und Mitmachbuch Aus dem Polnischen von Marlena Breuer Moritz Verlag, 19,– Euro

* * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * Tom Blass Die Nordsee. Landschaften, Menschen und Geschichte einer rauen Küste Aus dem Englischen von Tobias Rothenbücher mare, 28,– Euro

Wissensvermittlung par excellence – das ist »Meer!«. Auf jeder Doppelseite finden junge Forscher Aufträge und Anregungen, die dazu dienen, sich ganz spielerisch mit allem, was mit Meer und Wasser zu tun hat, auseinanderzusetzen. Angefangen von Magellans berühmter See-Expedition, die man mit Stift und Finger nachreisen kann, über Knotenkunde und Wolkenbeobachtungen hin zum Aufspüren von Betrügerfischen und dem Nachbau einer Qualle: Die Themen und Beschäftigungsvorschläge sind nicht nur extrem vielfältig, sondern auch wunderbar grafisch aufbereitet. (sr) Ab 9 Jahren.

»Wer hätte gedacht, dass ein Buch über eine tückische Weite aus eiskaltem, graugrünem Wasser solch ein Vergnügen bereiten kann«, schreibt die Daily Mail nach Erscheinen der englischen Originalausgabe. So habe ich die Nordsee eigentlich noch nie betrachtet, aber als alter Ameland-Fahrer kenne ich ja auch nur einen kleinen, von Urlaubslaune getränkten Teil des Meeres. Und wenn es hier auf der holländischen Nordseeinsel schon ordentlich kibbelig werden kann, möchte ich mir nicht ausmalen, wie es weiter im Norden zugeht, wenn Schlechtwetter aufzieht. Tom Blass ist bis an die entlegensten Küstenstreifen, in die kleinsten Buchten gefahren und hat mit Fischern, Künstlern, Historikern und Bürgermeistern gesprochen. Gesammelt hat er alles: Mythen, Legenden, Anekdoten, Kuriositäten. Entstanden ist ein opulentes Buch, das die Vielseitigkeit der Nordsee, ihrer Anrainerstaaten und Bewohner widerspiegelt. Und nach der Lektüre zeigt sich, so unversöhnlich, wie die Nordsee manchmal erscheinen mag, ist sie ganz sicher nicht. (ts)

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Der Klassiker der Meeresliteratur Endlich bei mare – in ungekürzter Neuübersetzung

Nick Dybek Der Himmel über Greene Harbor Aus dem Amerikanischen von Frank Fingerhuth mare, 10,– Euro Cal, der vierzehnjährige Sohn eines Hochseefischers, wächst an der amerikanischen Pazifikküste im äußersten Nordwesten auf. Zu seinem Vater, der jeden Herbst monatelang auf Krabbenfang in der Beringsee ist, hat er ein distanziertes Verhältnis. Dramatisch wird es in dem Ort, als der Besitzer der Fangflotte John Gaunt ziemlich plötzlich verstirbt und in dem Städtchen durchsickert, dass der einzige Sohn Richard wenig Interesse an dem Erbe hat und die Fanglizenzen womöglich an die Japaner verkaufen möchte. Niemand in dem Ort will in die drohende Erwerbslosigkeit und so schmieden die Fischer offenbar einen Plan, sich des Problems zu entledigen und Richard zu töten. Cal, der das konspirative Zusammentreffen der Fischer belauscht hat, steckt in einem Dilemma. Entscheidet er sich für Recht oder Gesetz (und wie unterscheidet man beides)? Verrät er die Fischer und damit seinen Vater? Oder schickt er Richard in den Tod? Ein atemraubendes Buch, lakonisch, melancholisch, überraschend und geschrieben von einem Menschen, der gerade einmal über dreißig Jahre alt war. (ts)

* * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * John Ironmonger Der Wal und das Ende der Welt Aus dem Englischen von Maria Poets und Tobias Schnettler S. Fischer Verlag, 22,– Euro Der Wal strandet im kleinen, verschlafenen Fischerdorf namens St. Piran irgendwo an der englischen Küste, wo die Uhren stehen geblieben sind und ein jeder seinen Nachbarn kennt. So unbedeutend St. Piran für den Rest der Welt sein mag, bedeutet es für seine Bewohner alles. Es liegt beinahe so versteckt, dass nur der Wal es finden kann, für Menschen ist es vom Land aus mit nur einer einzigen Zufahrtsstraße um einiges schwerer zu entdecken. Genau wie der Wal taucht fast zeitgleich der unbekannte Londoner Joe auf und krempelt sogleich alles um. Er kann die Einheimischen bei der Rettungsaktion des Meeressäugers für sich einnehmen und mietet sich im Kirchturm ein, wo er Konserven und andere Nahrungsmittel für kargere Zeiten einlagert. Doch ganz geheuer ist Joe längst nicht allen. Vielleicht zu Recht, denn die unbeschwerte Idylle ist schnell vorüber und Joe bringt die gesamte Dorfgemeinschaft in einen lebensbedrohlichen Schlamassel. Eine wahrlich eigentümliche Geschichte, in der der Wal und der Zeitenlauf nicht nur die Küstenbewohner so manches Mal aus der Bahn werfen können und kaum ein Ereignis vorhersehbar ist. (mh)

416 Seiten, Leineneinband mit Lesebändchen im Schuber € 42,– ISBN 978-3-86648-291-3

www.mare.de

»Robinson Crusoe ist das eine Buch, das uns alles lehrt, was Bücher uns lehren können.« Jean-Jacques Rousseau

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© VladimirCeresnak / Shutterstock.coms

Man sollte ein Buch ja nicht nach seinem Cover beurteilen, das haben in diesem Fall aber doch nicht wenige Menschen getan. Es spiegelt so ziemlich das wider, was man vom Buch zumindest erwarten möchte: Drama auf hoher See in ferner Zeit und die Aussicht, einen Seefahrerroman mit literarischem Tiefgang zu lesen. Die Volunteer, ein englisches Walfangschiff, nimmt Mitte des 19. Jahrhunderts Kurs auf die in arktischen Gewässern liegende Baffin-Bucht. Mit an Bord sind Henry Drax, Harpunierer ohne jedes Gewissen, und Patrick Summer, ein Arzt mit zweifelhafter Biografie. Die Lage an Bord spitzt sich zu, als Summer den Harpunierer des Mordes an einem kleinen Schiffsjungen überführt. Und während sich der Konflikt zwischen den beiden immer weiter verschärft, wird auch der abgrundtiefe Sinn dieser Expedition deutlich. Hier geht es nicht mehr um Walfang – und das Schiff darf englisches Gewässer nie wieder erreichen. (ts)

mare KUDU

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Für mich waren die Kochbücher ein Segen, die warben, mit sechs, vier oder gar drei Zutaten auszukommen. Neulich hatte ich sogar eines in der Hand, das sinngemäß hieß »Kochen mit nur zwei Zutaten«. Da wurde ich dann doch etwas stutzig. Aber drei gute Zutaten, das habe ich mir immer gewünscht – Kochen ohne Hexeneinmaleins.

Fotos:© Thomas Schmitz

Dann aber entdeckte ich die Kochbücher von Yotam Ottolenghi und kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. Israelisch-palästinensische Küche eines Starkochs, der in London ein Erste-Liga-Restaurant betreibt, das Nopi in Soho. Plötzlich war alles anders, ich fand mich in orientalischen Supermärkten wieder, um Gewürze und Lebensmittel zu besorgen, die es bei Aldi, REWE und Co. nicht gibt, und versuchte mich an Zutaten wie Isot Biber, Sumach oder eingelegten Zitronen. Vor wenigen Monaten erschien nun ein weiteres Kochbuch des Wahl-Londoners mit dem verheißungsvollen Titel »Simple«. Die Einschränkung folgt aber gleich in der Einleitung: lediglich zehn Zutaten benötige man, um ein echtes Ottolenghi-Gericht auf den Tisch zu bringen. Diese Vielfalt klingt gar nicht so einfach, denke ich mir und lese, dass es für Yotam Ottolenghi ebenfalls eine Herausforderung war. Er konnte sich nämlich nicht vorstellen, mit nur zehn Zutaten überhaupt kochen zu können. Deshalb merkt er auch gleich an, Salz und Pfeffer, Zwiebeln und Knoblauch würde er, bitte schön, extra zählen. Was dem Profi also einfach und unkompliziert erscheint, kann für einen Gelegenheitskoch der reinste Alptraum werden. Ich möchte es genauer wissen und stelle die Frage einem Profikoch: Ist es ein Widerspruch in sich, in der Küche von »simpel« zu sprechen, wenn man immer noch zehn Zutaten gleichzeitig verarbeiten muss? Patty Jabs, 46 Jahre, ist gelernter Koch, arbeitete unter anderem im Team Witzigmann und trat als Fernsehkoch in der Show »Kochalarm« auf, bevor er sich entschloss, gemeinsam mit seiner Frau Steffi in einer alten Fabrikhalle im schönsten aller Essener Stadtteile, in Werden, eine Kochschule zu eröffnen. Seit sieben Jahren kocht er mit immer der gleichen großen Leidenschaft in seinem »Lecker Werden«. »Wir müssen es ausprobieren, danach können wir uns ein Urteil erlauben«, meint Jabs und blättert (durchaus interessiert) in dem Kochbuch mit der knallgelben Zitrone auf dem Cover. Drei Gerichte sind es, für die wir uns entscheiden, ein komplettes Menü. Als Vorspeise soll es gefüllte Zucchini geben, als Hauptgericht gebackenen Reis mit einer orientalischen Salsa und Lammfrikadellen, zum Dessert ein spannendes Feigengericht. »Du bringst noch zwei Leute mit, ich besorge die Zutaten, wir veranschlagen drei Stunden. Das muss reichen.« Die Sätze sind kurz, die Anweisungen knapp und klar. Ich bekomme eine Ahnung davon, wie in Profiküchen kommuniziert wird, wenn ein Gericht nach dem anderen ins Restaurant getragen werden muss. Wir treffen uns an einem Dienstag, einem der beiden Ruhetage von »Lecker Werden«. Ich habe Dennis und Mechthild an meiner Seite, Kollege und Kollegin mit Kocherfahrung, aber eben keine Profis. Patty Jabs hat schon vorgearbeitet. Zutaten und Werkzeuge liegen bereit, er studiert letzte Details in den Rezepten, begrüßt seine Helfer und verteilt bestimmt die Aufgaben. »Eins musst du dir merken«, meint er zu mir und erwartet, dass ich mitschreibe. »Egal, was du machst, du brauchst immer gute Zutaten und die sind nicht billig. Die können gar nicht billig sein.« Habe ich Lektion eins also schon einmal gelernt! Und Lektion zwei folgt auf dem Fuße: »Du kannst bei Ottolenghi nicht kochen, ohne dir vorher einen Einkaufszettel geschrieben zu haben. Das gehört einfach dazu. Hier geht es um Fülle, Vielfalt und Überraschungen. Das hat man ja nicht alles im Kopf.« Dann aber kommt die erste Entwarnung. Viele der Arbeitsschritte sind bestens vorzubereiten. Gut, wenn Gäste kommen, dann kann man alles kurz vor dem Servieren zusammenfügen. Das hilft auch dem Ungeübten, muss er doch nicht alles zeitgleich erledigen. 22

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Simple? Simple! Ein Kochversuch

Die Vorspeise: Zucchini mit einer Pinienkernsalsa. Die Zutaten (abgesehen von zwei großen Zucchini): Knoblauch (zählt nicht), verquirltes Ei, fein zerkleinertes Sauerteigbrot, Zitrone, Oregano, Pinienkerne, Olivenöl. Pfeffer und Salz versteht sich von selbst. Die Salsa ist schnell gemacht und kann an die Seite gestellt werden. Die Zucchini werden der Länge nach aufgeschnitten, das Fruchtfleisch ausgeschabt und ausgedrückt. Hier kommt ein erster kleiner Profitipp. Patty Jabs fügt dem Fruchtfleisch Salz hinzu. So verliert es wesentlich mehr Wasser und die Vorspeise wird noch aromatischer. Salsa auf die Zucchini verteilen und zu gegebener Zeit zwanzig Minuten in den Backofen. Fertig. Der Hauptgang: Gebackener Reis mit Minze und Granatapfel-Oliven-Salsa. Lammfrikadelle mit Sumach-Joghurt. Denkbar einfach ist die Zubereitung des Reises. Reis in eine Schale geben, doppelte Menge Wasser dazu, Butter hinzugeben und ebenfalls für einige Zeit in die Röhre. Patty Jabs kocht Reis immer mit Brühe statt mit Wasser, das sei einfach würziger. Ich frage ihn, warum man den Reis nicht einfach im Kochtopf gart. Vermutlich, meint er, würde der Reis so lockerer bleiben. Wie bei der Vorspeise lässt sich die Salsa gut und einfach vorbereiten: entsteinte Oliven, Granatapfelsirup, Granatapfelkerne, geröstete Walnusskerne, Knoblauch, Olivenöl vermengen. Tatsächlich konnte auch unser Chefkoch etwas lernen. Granatapfelkerne mit einem Holzlöffel aus der Frucht zu klopfen, das hatte er wohl noch nie gesehen. Zum Reis gibt es Lammfrikadellen (letztendlich so einfach zuzubereiten wie andere Frikadellen auch). Nur beim Sumach-Joghurt runzelt Patty Jabs die Stirn, er findet ihn einfach nicht gut gewürzt. Versalzen könne man alles, überwürzen aber nur weniges, sagt er und nimmt die doppelte Menge Sumach. Etwas ruppig, finde ich, aber jetzt schmeckt es tatsächlich. Das Dessert lassen wir ausfallen. Es wäre am Mittag zu viel des Guten, könnten wir anbringen, aber der eigentliche Grund sind fehlende Feigen, es gibt einfach keine richtig reifen zu dieser Jahreszeit. Verschieben wir also Clafoutis (eine Mischung aus Auflauf und Kuchen) mit Feigen und Thymian auf einen nächsten Kochversuch. Lohnen würde es sich bestimmt.

SIE MUSS DAS HERZ DES PRINZEN STEHLEN. IM WAHRSTEN SINNE DES WORTES.

SARA WOLF Heartless Band 1: Der Kuss der Diebin ISBN 978-3-473-40178-9 € [A] 19,60 / SFr. 27.90 / € [D] 18,99

Um ihre Freiheit zurückzugewinnen, muss eine junge Diebin das Herz des Kronprinzen stehlen – und zwar im wahrsten Sinne des Wortes. Doch sie hat nicht damit gerechnet, Gefühle für ihr Opfer zu entwickeln …

www.ravensburger.info/heartless

Und das Resultat? First of all: Alles hat wunderbar geschmeckt. Und ja, »Simple« ist kein Hexenwerk und uneingeschränkt zu empfehlen! Übrigens haben die drei Köche statt drei nur zwei Stunden benötigt. Blieb eine mehr zum Essen und Plaudern. Das gehört schließlich dazu. Thomas Schmitz

Yotam Ottolenghi Simple – Das Kochbuch Dorling Kindersley, 28,– Euro

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Sophia Hoffmann Zero Waste Küche ZS Verlag, 24,99 Euro

7x KOCHEN, 1x gin

»Ich sehe keine Mängel, sondern Möglichkeiten.« Das neue Kochbuch von Sophia Hoffmann ist wirklich eine Bereicherung der Zero-Waste-Familie. Es ist sowohl für Einsteiger als auch für Fortgeschrittene im Bereich Kochen und Müllvermeidung geeignet. Hier werden Lebensmittel wertgeschätzt. Die Fakten zu Lebensmittelverschwendung, Mindesthaltbarkeit, Nachhaltigkeit, Öko-Landbau, Einkaufen und Saisonkalender helfen, das Einkaufen zu organisieren und dabei möglichst wenig Müll zu produzieren. Im nächsten Kapitel erklärt die Köchin und Foodbloggerin, wie man die vierzig von ihr ausgesuchten Lebensmittel am effektivsten verwenden kann. Wie kann man beim Einkaufen Müll vermeiden? Wie sieht es mit der Haltbarkeit aus? Wie werden Obst oder Gemüse am besten gelagert? Aufgepeppt wird alles mit kulturgeschichtlichen Fakten und Sophia Hoffmanns ganz persönlichen Erfahrungen. Die Rezepte im letzten Teil sind mehr als kreative Resteverwertung: meist alltagstauglich, vielseitig untereinander kombinierbar und einfach lecker! (mn)

Liza Asseily / Ziad Asseily Libanon. Das Kochbuch. Mezze, Manakish und Taboulé Aus dem Französischen von Sibylle Segovia Dorling Kindersley Verlag, 24,95 Euro

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Im April 2005 eröffneten Liza und Ziad Asseily in Paris in der Rue de la Banque das Restaurant Liza und sind seitdem damit sehr erfolgreich. Mit diesem Buch laden sie uns ein, das Land zu entdecken, die Menschen und die libanesische Küche mit all ihren Köstlichkeiten kennenzulernen – von der Limonade bis zur Mezze-Tafel. Gleich am Anfang werden die wichtigsten Zutaten vorgestellt: Bulgur, Freekeh, Granatapfelsirup, Halloumi, Labneh, Olivenöl, Orangenwasser, Sumach und viele mehr. Es geht weiter mit dem Frühstück und Brunch, wobei im Libanon mit Dicken Bohnen und Kichererbsentopf recht deftig in den Tag gestartet wird. Es folgen Mittag- und Abendessen mit köstlichen Gerichten wie Rote-Bete-Salat mit Spargel oder gebratenem Halloumi und Tomatenkonfitüre. Es ist ein herrliches Buch, das beim Blättern einfach Lust macht, gleich loszukochen. (mr)

Was passiert, wenn man eine Illustratorin und Grafikerin ein Kochbuch nicht nur schreiben und illustrieren, sondern auch gleich ganz gestalten lässt, sieht man an diesem Buch. Klein, originell, mit Verlaub: etwas chaotisch, dabei aber ungemein sympathisch. Und hat man sich erst einmal an das ganze Gewusel, das unnötige witzig-schöne Beiwerk gewöhnt, dann, ja dann kann man damit sogar arbeiten und daraus kochen. Kat Menschik, erfolgreiche Illustratorin und Buchgestalterin, hat sich einem ihrer Lieblingsthemen gewidmet und Familienrezepte aufgeschrieben. Manches kennt und kann man aus dem FF (Hühnersuppe, Kartoffelgratin), anderes ist schon unbekannter und trotzdem nachkochbar (Chatschapuri, Tschakapuli – Frau Menschik hat offenbar ein Faible für Georgien), wieder anderes kommt einfach nur sympathisch altbacken daher (Schmorgurke, Eierlikör). Sollten Sie darüber nachdenken, ein solches Buch zu verschenken, dann kaufen Sie gleich zwei und behalten eins! Es lohnt sich! (ts)

* * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * Henry Firth & Ian Theasby Bosh. Einfach – Aufregend – Vegan Aus dem Englischen von Stefanie Schaeffler Edition Michael Fischer, 22,– Euro Vegane Ernährung ist ja Gott sei Dank mittlerweile von dem Stigma befreit, Küche für Langweiler zu sein. BOSH, die beiden Foodblogger Henry Firth und Ian Theasby, sind aus ihrer Online-Welt herausgekommen und haben ein ziemlich schönes Kochbuch auf den Markt gebracht. Die beiden, die einen YouTube-Kanal mit einem Millionenpublikum haben, treten an, allen, die pflanzlich kochen möchten, aber nicht so recht wissen, wie sie es anstellen sollen, einen perfekten Einstieg zu bieten. Die Rezepte sind einfach nachzukochen, die allermeisten Zutaten findet man auf dem Markt oder im Supermarktregal. Das Kochbuch selbst ist ausgesprochen übersichtlich und schon allein die Bilder machen Appetit auf eine immer stärker ins Bewusstsein der Menschen tretende neue Koch- und Esskultur. (ts)

* * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * Mochi / Vanessa Maas & Christian Nilson (Fotos) Izakaya. Japanisches Barfood für Zuhause – Das Kultbuch zum Kultlokal Mochi Brandstätter Verlag, 30,– Euro »Izakaya ist der beliebteste Treffpunkt für den Feierabend mit Freunden und Kollegen in Japan.« Dieser Treffpunkt ist eine Art japanische Kneipe, hier wird nicht nur getrunken, sondern zu jedem Getränk, das über den Tresen geht, gibt es immer eine Kleinigkeit zu essen. So kann es passieren, dass man mit Freunden, Kollegen, der Familie und mit diesen Köstlichkeiten einen gemütlichen Abend versitzt und verplaudert. Das Mochi ist ein Restaurant in Wien und die Mochi-Geschichte handelt von vier Freunden und ihrer Begeisterung für die japanische Esskultur. In diesem wunderschönen Kochbuch bekommen wir einen Überblick der beliebtesten Rezepte, bei denen japanische Kochprinzipien mit europäischen Zutaten verschmolzen werden. Dabei sind die köstlichen Gerichte einfach nachzukochen und die dazugehörigen Getränke runden diese Geschmackskombinationen ab. (mr)

* * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * My Feldt Apfelduft & Heidelbeerblau. Backen mit Früchten, Beeren und Blüten Aus dem Schwedischen von Jenny-Anne von Rußdorf AT Verlag, 29,– Euro

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My Feldt ist Köchin und Konditorin. Sie führt in Halmstad, zwischen Malmö und Göteborg, ihre eigene Bäckerei/Konditorei. Ihr ungewöhnliches Backbuch ist besonders schön und liebevoll gestaltet. Die prächtigen Fotos von Linda Lomelino laden ein zum Träumen und die herrlichen Rezepte für Tartes und Tartelettes, Kekse und Kuchen und weitere süße Leckereien wecken Neugier und Backlust. Die Begeisterung und Freude am Backen spürt man in den siebzig Rezepten, die nach Jahreszeiten ausgewählt wurden. Das Frühlingserwachen zum Beispiel mit einem wunderbaren Rezept für Rhabarberkompott, der Frühsommer wird begleitet von Fliedersirup, Fliedersaft, Flieder-Rosen-Zucker und vielen ausgefallenen Erdbeerrezepten. Sommerduft und Beerenrausch im Hochsommer mit himmlischen Torten, Tartes und Marmeladen. Ja, auch die Herbst- und Winterrezepte lesen sich so verlockend, dass man diese ebenfalls sofort ausprobieren möchte. (mr)


EINE FÜR ALLE, ALLE FÜR DICH!

Johan Rockström Eat Good. Das Kochbuch, das die Welt verändert Aus dem Schwedischen von Elke Adams Gerstenberg Verlag, 34,– Euro Nachhaltigkeit und Saisonalität spielen in deutschen Küchen eine immer größere Rolle. Im Prinzip sind diese Eigenschaften auf jedes Kochbuch anwendbar und eigentlich sollten sie in der heutigen Zeit selbstverständlich sein. Wenn man Johan Rockström Glauben schenken darf, haben die Schweden aus ihrer vergangenen Versorgungsnot eine kulinarische Tugend entwickelt und auch bis heute beibehalten. Oben genannte Eigenschaften werden beherzigt und gelebt. Typisch skandinavische Küche wird hier mit saisonalem Flair und reichlich Variationsmöglichkeiten dargeboten. Dabei bestechen die Rezeptangebote durch ihre einfache Aufmachung und Umsetzung. Einkaufs-, Vorrats- und Kochtipps selbstverständlich inklusive. Zugegeben, manche Zutat mag etwas exotisch wirken, aber am besten man überzeugt sich selbst von den Rezepten. Persönliche Empfehlung zum Nachkochen: das Wildschwein »bourguignon« auf Seite 120. (dh)

* * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * Frédéric Du Bois & Isabel Boons Gin & Tonic. Das ultimative Handbuch für den perfekten Mix Aus dem Englischen von Anke Wagner-Wolff und Michael Auwers Gerstenberg Verlag, 29,95 Euro Nach dem vielen Essen wird es jetzt aber Zeit für einen Absacker! Wobei Gin Tonic eher nicht zu den klassischen Absackern zählt. Vielmehr ist Gin, trotz seiner schon langen Geschichte, seit einigen Jahren das In-Getränk in sämtlichen Bars … Vor dem Essen, nach dem Essen, den ganzen Abend lang. Ein regelrechter Gin-Boom hat dafür gesorgt, dass der Laie bei immer neuen Gin-Sorten und Tonic-Kombinationen schnell den Überblick verliert. Hier hilft dieses ultimative Handbuch. Es stellt die wichtigsten Gins vor, verrät Herkunft, Geschmack und Aroma und, falls bekannt, die Zutaten. Außerdem natürlich, wie sie am besten zu kombinieren sind. Wer seinen Gin am liebsten vom Profi gemixt genießen will, dem werden die besten Gin-Bars vorgestellt, und Köche, die auf das Trend-Getränk nicht verzichten wollen, finden einige außergewöhnliche Rezepte für Gerichte mit Gin und Tonic. Auch die Theorie kommt in diesem Handbuch nicht zu kurz. Die Geschichte des Gins – von seiner ersten Erwähnung 1552 über die Gin-Epidemie in England im 18. Jahrhundert, die Prohibition in Amerika und seine Glanzzeit in den 20er Jahren bis zur aktuellen Beliebtheit – wird kurz und unterhaltsam erzählt. Ein perfektes Geschenk für Gin-Liebhaber und (Hobby-) Barkeeper. (an)

Ab 10 · 224 Seiten · 11,00 € · ISBN 978-3-522-50611-3

MIT COOLER INNENGESTALTUNG

MIT STICKER ZUM ABZIEHEN, ZIMMERVERSCHÖNERN ODER VERSCHENKEN!

Bonnie hat sich schon immer eine Schwester gewünscht. Eine Verbündete, die mit ihr durch dick und dünn geht. Smilla, Nuca, Monti und Jo geht es ganz genauso. Die fünf Mädchen sind zwar nicht gerade die allerbesten Freundinnen, aber aus der Not heraus beschließen sie viel mehr zu sein als das nämlich: Sicret Sistahz – total geheime Schwesterherzen! Gemeinsam kämpfen die fünf für Gerechtigkeit, mehr Taschengeld und die Weltherrschaft!

www.planet-verlag.de

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Nur Mut –

lesen Sie mal ein Kinderbuch! Es passiert. Immer öfter und sowieso viel öfter, als Sie vermuten würden. Erwachsene betreten die Buchhandlung, gehen schnurstracks in die Kinder- und Jugendbuchabteilung, schauen sich um, blättern hier und dort rein, kaufen dann ein Buch oder auch gleich mehrere, um damit kein Kind, sondern sich selbst zu beglücken. Verrückt, oder? Sie, als vielleicht eingefleischter Belletristikleser oder Liebhaber von Sachbüchern, fragen sich nun, warum ein Erwachsener ein Kinderbuch lesen sollte. Ich könnte mit Fakten kommen. Zum Beispiel mit der Studie der GfK, nach der wir allein zwischen 2012 und 2016 über sechs Millionen Buchkäufer verloren haben. Und laut dem Institut für Demoskopie Allensbach waren es 2013 noch 38 Prozent der Befragten, die täglich oder mehrmals in der Woche ein Buch in die Hand nahmen. 2017 waren es nur noch 32 Prozent. Und das, obwohl viele Befragte ihr eigenes Leseverhalten bedauern, schließlich sei es früher wunderbar entspannend gewesen, dem stressigen Alltag mit einer Geschichte zu entfliehen. Die Gründe für die Abwendung vom Buch sind vielfältig, Facebook, Instagram, Videostreaming sind nur einige. Man will informiert sein, hastet von einer Meldung zur nächsten oder suchtet mal eben am Wochenende die neueste Lieblingsserie durch. Meist kann man sich darüber auch besser mit Freunden oder Kollegen austauschen, weil über Bücher ja doch nicht so wahnsinnig viel gesprochen wird. Es ist durchaus auch der Zeitfaktor, der viele davon abhält, mal wieder zu einem Buch zu greifen.

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Nüchtern betrachtet könnte man nun meinen, Erwachsene läsen Kinderbücher, weil’s schneller geht, weil es eine vermeintlich leichte Lektüre ist. Mag sein, es gibt aber viel mehr gute Gründe, in der Kinderbuchabteilung Ihrer Lieblingsbuchhandlung zu stöbern. Wenn Sie sich unsicher sind, beginnen Sie mit einem Buch aus Ihrer Kindheit. Nehmen Sie sich Michael Ende, Erich Kästner, Astrid Lindgren, Otfried Preußler, irgendwelche Märchenbücher oder was auch immer Sie als Kind begeistert und fasziniert hat. Weckt das nicht Erinnerungen, auch weit über das Gelesene hinaus? Schön auch, dass man mit der erlangten Lebenserfahrung ganz neue Nuancen wahrnimmt, mehr zwischen den Zeilen liest, subtile Botschaften erkennt. Und wagen Sie einen Perspektivenwechsel! Nehmen Sie die Welt mal wieder aus Kinderaugen wahr. Das ist sehr erfrischend und inspirierend für den eigenen Alltag. Jede Geschichte der Niederländerin Anna Woltz sei Ihnen ans Herz gelegt, denn sie schafft es mühelos, schwere Themen leicht zu verpacken, sie lässt ihre Heldinnen und Helden Wut, Trauer oder Einsamkeit erleben und zeigt ihnen mit großartigem Humor und sehr klarer Sprache einen Weg hinaus aus ihrer misslichen Situation. Erwachsene spielen in Anna Woltz’ Romanen (Carlsen Verlag) allenfalls eine Nebenrolle, die Kinder und Jugendlichen haben den Freiraum, ihre Probleme auf ihre Art zu lösen. Was diesen Aspekt angeht, ist auch »Sommer mit Opa« von Sarah Welk (ars edition) ein ausgezeichnetes Buch. Den Alt-Hippie-Opa, der mit seinen Enkeln im VW-Bus nach Italien will und mit ihnen fast um die Ecke an einem kleinen See strandet, möchte man am liebsten adoptieren. Er ist so herrlich unpädagogisch, verliert aber nie die Kinder und ihre Nöte aus den Augen.


Daniela Kulots neues

Pappbilderbuch

All die großen Themen der Literatur, Liebe und Tod, Abschied und Neuanfang, Freundschaft und Familie, Fremde und Heimat, finden auch für die jüngeren Leser statt. Pointierter in der Sprache und ohne lange Vorreden. Ich kenne so viele Erwachsene, die nach der Lektüre von »Sieben Minuten nach Mitternacht« von Patrick Ness und Siobhan Dowd (cbj / Goldmann Verlag) Rotz und Wasser geheult haben, weil die Geschichte über Conor und dessen krebskranke Mutter so eine Wucht entwickelt. Überhaupt das Thema Tod … Es gibt unzählige und ganz unterschiedliche Geschichten darüber. Als echter Klassiker im Bilderbuch ist »Ente, Tod und Tulpe« von Wolf Erlbruch (Kunstmann Verlag) nicht nur ein behutsamer Zugang für Kinder zu diesem Thema, sondern nimmt auch Erwachsenen den Schrecken davor. Ebenso das von Katja Gehrmann zart illustrierte Bilderbuch »Für immer« von Kai Lüftner (Beltz Verlag), das vom kleinen Egon erzählt, dessen Vater gestorben ist, vom Unvermögen der anderen, normal mit ihm umzugehen, vom langsamen Verstehen, was »für immer« überhaupt bedeutet – ein ungemein wichtiges Buch für die Trauerarbeit mit Kindern, aber auch für Erwachsene unglaublich berührend. Vom Bilderbuch übers Kinderbuch hin zum Jugendbuch gibt es eine Fülle von Geschichten, die sich mit dem Sterben und dem Tod beschäftigen. Gemeinsam ist ihnen die Klarheit in der Sprache, die behutsame, zum Teil sehr poetische Art zu erzählen und ein Schluss, der kleinen und großen Lesern Trost spendet. Ein Griff zu diesen Büchern kann sicherlich auch Erwachsenen helfen, einen Verlust zu verarbeiten. Sie können auch einfach mal im Sachbuchregal stöbern. Was hat sich doch in den letzten Jahren dort getan! Größer, schöner, spezieller und so unglaublich gut lesbar – da lernt man auch als Erwachsener lustvoll dazu. Seien es die Bücher von Piotr Socha »Bienen« und »Bäume« (beide im Gerstenberg Verlag erschienen), »Das Planetarium« von Raman K. Prinja mit den fast fotorealistischen Illustrationen von Chris Wormell

(Prestel Junior), die Biografien über Alexander von Humboldt und Marco Polo (ebenfalls Gerstenberg), »Wie man mit dem Feuer philosophiert« von Jens Soentgen und meisterlich illustriert von Vitali Konstantinov (Peter Hammer Verlag), das sehr launig alles rund um die Chemie erklärt, oder, ganz frisch im Beltz Verlag erschienen, das nostalgisch anmutende »Die Natur« von Maria Ana Peixe Dias und Ines Teixeira do Rosario, illustriert von Bernardo P. Carvalho, das förmlich dazu einlädt, erst gemütlich darin auf dem Sofa zu stöbern und sich dann wetterfest anzuziehen, das Handy zu Hause zu lassen und einfach mal rauszugehen: wieder ein Kind sein, die Natur mit allen kleinen Wundern wahrnehmen. Dieses Bedürfnis stellt sich auch unweigerlich ein, wenn man sich das Bilderbuch von Beatrice Alemagna »Ein großer Tag, an dem fast nichts passierte« (ebenfalls Beltz Verlag) anschaut oder zu »Calpurnias (r)evolutionäre Entdeckungen« von Jacqueline Kelly (dtv / Reihe Hanser) greift. Der Platz reicht leider nicht aus, um Ihnen noch mehr Bücher ans Herz zu legen, zumindest finden Sie sieben weitere und ein Hörbuch auf den folgenden Seiten – viel mehr garantiert in Ihrer Buchhandlung. Nur keine Scham, versuchen Sie es mal! Entdecken Sie das Kind in sich neu, lesen Sie, was Ihre Kinder bewegt, lassen Sie sich inspirieren und vor allem, bleiben Sie neugierig, vergessen Sie nie die schönste Frage der Welt, die nach dem »Warum«! So wie die Dame in dem Bilderbuch »Warum?, fragt Frau Blum« von Barbara van den Speulhof, illustriert von Annette Swoboda (Fischer Sauerländer), die irgendwann feststellt: Warum hat sie bloß aufgehört, nach den Geheimnissen der Welt zu fragen? Und beschließt, wieder damit anzufangen.

Daniela Kulot

Ich auch!

30 Seiten, durchgehend farbig Pappbuch, ab 2 Jahre ISBN 978-3-8369-5684-0 · € (D) 9,95

Das Schwein hat einen runden Bauch. Ich auch! Kinder lieben es, ihren Körper von Kopf bis Fuß spielerisch zu erforschen und kennenzulernen. Und zusammen mit Mama und Papa ist es gleich doppelt so schön. Ein Mitmachbuch, um mit viel Spaß den eigenen Körper zu erleben. Zum gemeinsamen Anschauen, Vorlesen, Mitreimen und miteinander spielen!

Sandra Rudel

www.gerstenberg-verlag.de

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Alterslose Kinderbücher

Christian Duda / Julia Friese (Ill.) Elke. Ein schmales Buch über die Wirkung von Kuchen Beltz & Gelberg, 6,95 Euro

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Martin Baltscheit / Wiebke Rauers (Ill.) Nur ein Tag Dressler Verlag, 12,99 Euro Als Fuchs und Wildschwein einer Eintagsfliege beim Schlüpfen zusehen, ist ihnen klar, dass sie sich gar nicht näher mit ihr befassen müssen. Das lohnt sich halt nicht. Aber die kleine Fliege ist so süß und bezaubernd und weiß zudem überhaupt nichts von ihrem tragischen Schicksal. Erzählen wollen ihr das Fuchs und Wildschwein auch nicht, stattdessen tun die beiden Freunde so, als ob der Fuchs nur noch einen Tag zu leben hätte. Die Eintagsfliege setzt nun alles daran, ihm noch einen wunderschönen Tag zu bereiten. Gemeinsam spielen sie das komplette Leben einmal im Zeitraffer durch und haben einfach viel Spaß. Bis die Fliege, die sich für eine Maifliege hält, erfährt, was sie in Wirklichkeit ist. Lachen und Ergriffenheit liegen bei dieser wunderbar witzigen, weisen und philosophischen Geschichte ganz dicht beieinander. (sr)

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Russischer Zupfkuchen spielt eine große Rolle in diesem Buch, denn ohne ihn wären Elke und Kasimir vielleicht nie ins Gespräch gekommen. Was überaus schade gewesen wäre, denn das hätte bedeutet, dass auch Uwe in seinem kleinen Café einsam geblieben wäre und die Bewohner der Lubitsch-Straße weiterhin Fremde. Dieses schmale Buch sollte eigentlich jeder (vor-)lesen, weil es so klug ist, berührt und bereichert. Christian Duda erzählt mit einem ganz zärtlichen Blick auf seine Figuren von Begegnungen, von Gemeinsamkeiten und Unterschieden, von Toleranz und Offenheit, von Freundschaft und Verantwortung und von vielem, vielem mehr. Zum Vorlesen und für den Gedankenaustausch allerbestens geeignet. Auch das Hörbuch, das Nina Petri so wunderbar eingelesen hat, sei an dieser Stelle allen sehr ans Herz gelegt! (sr)

* * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * Stefanie Höfler Der große schwarze Vogel Beltz & Gelberg, 13,95 Euro Dieses Buch ist wie das Leben, mal furchtbar traurig, mal bewegend, dann aber wieder luftig leicht und bunt. Stefanie Höfler beginnt ihre Geschichte mit dem Tod von Bens Mutter. Plötzlich stehen der Vierzehnjährige, sein kleiner Bruder Krümel und der Vater ohne den geliebten Menschen da, der alle mit seinen verrückten Ideen anstecken oder auch mal nerven konnte. Ohne etwas zu beschönigen, erzählt sie, wie ganz unterschiedlich die Hinterbliebenen mit ihrer Trauer umgehen. Während Ben sich eher in die Vergangenheit flüchtet und vielen gemeinsamen Momenten mit seiner Mutter nachspürt, ist Krümel wesentlich handfester und will ihr etwas von sich mitgeben. Am hilflosesten ist der Vater und es dauert, bis alle drei wieder zusammenfinden. Zu viel sollte man zu diesem Buch auch gar nicht erzählen, man muss es einfach lesen! Beeindruckend, sensibel und klug formuliert, sehr authentisch und nachfühlbar – ein wahrer Buchschatz! (sr)

* * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * Raquel J. Palacio Wunder Aus dem Englischen von André Mumot dtv / Reihe Hanser, 9,95 Euro Als August zur Welt kam, fiel der Arzt in Ohnmacht – so groß war das Erschrecken beim Anblick des Neugeborenen, der durch einen seltenen genetischen Defekt völlig verunstaltet ist. Augusts Überlebenschancen sind gering, doch er ist zäh und in mehreren Operationen gelingt es den Ärzten, sein Gesicht halbwegs wiederherzustellen. Mit zehn Jahren soll er endlich zur Schule gehen. Nichts, was ihn erfreut, denn in den Jahren zuvor hat er oft genug erlebt, wie andere Kinder auf ihn reagieren. Andererseits ist die Vorstellung, ein normales Leben zu führen und endlich Freunde zu finden, für August viel zu verlockend, um dieser Herausforderung zu widerstehen. In Summer und Jack findet er sogar recht schnell zwei Mitschüler, die gerne Zeit mit ihm verbringen und ihn wegen seines großartigen Humors mögen. Alles läuft gut für August, bis er an Halloween ein Gespräch zwischen Jack und seinen Freunden belauscht. Dabei erfährt er ein Geheimnis, das seinen Traum von einem normalen Leben zum Zerplatzen bringt. Beim Lesen fragt man sich unweigerlich, inwieweit die eigenen Vorurteile unser Denken und Handeln beeinflussen, wie tolerant, wie offen wir wirklich sind. Freundschaft, Mut, das alltägliche Miteinander, Hoffnungen und Enttäuschungen – all das hat Raquel J. Palacio in eine wahrhaft wunderbare und berührende Geschichte um den schlagfertigen, witzigen und liebenswerten August verpackt. (sr)


* * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * Anna Woltz Gips oder Wie ich an einem einzigen Tag die Welt reparierte Aus dem Niederländischen von Andrea Kluitmann Carlsen Verlag, 5,99 Euro Für Fitz ist die Welt zusammengebrochen. Ihre Eltern haben sich getrennt, sie ist wütend, traurig und enttäuscht zugleich, vor allem aber hat sie den Glauben an die Liebe verloren. Wie sich innerhalb eines Tages alles zum Besseren wendet, schildert Anna Woltz in ihrer warmherzigen, ehrlichen und mitreißenden Weise. Dabei gelingt es ihr, dass ausgerechnet in der beklemmenden Atmosphäre eines Krankenhauses alles wieder fast gut wird. Dorthin muss Fitz’ kleine Schwester Bente nämlich gebracht werden, nachdem sie sich bei einem Sturz vom Fahrrad verletzt hatte. Während die Ärzte sich um die Kleine kümmern, stromert Fitz durchs Krankenhaus und überlegt dabei, wie sie die Ehe ihrer Eltern vielleicht doch noch retten kann. Unterwegs trifft sie auf Adam und Primula. Er muss sich um seinen zu früh geborenen Bruder kümmern, sie wurde am Herz operiert. Das seltsame Trio muss sich erst noch zusammenraufen, bis sie so weit sind und einander vertrauen. Dann aber schmieden sie einen Plan, der überhaupt nicht schiefgehen kann … (sr)

137 S., geb., € 12,95, ISBN 978-

Friedrich Ganse ist Missionar in einem kleinen afrikanischen Dorf in den 30ern. Als er von einem kurzen Schlichtungsgespräch zurückkommt, findet er seine Frau tot und seine kleine Tochter schwer krank vor. Der Medizinmann des Dorfes rät ihm dringend, sie in ein Hospital zu bringen, das mit dem Floß fünf Tagesreisen entfernt ist. Natürlich setzt der Missionar alles daran, seine Tochter zu retten, und macht sich auf den gefährlichen Weg. In den Nächten macht er halt in kleinen Dörfern, in denen seine Tochter von Heilern versorgt wird. Zunächst betrachtet Ganse das Ganze sehr skeptisch, hält er doch nichts von den Ritualen der Einheimischen. Irritiert ist er auch über den immer wieder auftauchenden Ratschlag: Reden Sie mit Ihrer Tochter. Und das macht er auch, er erzählt von seiner Kindheit, dem eigenen Vater. Anfangs glaubt er noch, seine Tochter liege im Koma oder schlafe, aber sie lauscht mit geschlossenen Augen, ganz ruhig und andächtig. Und erlebt ihren Vater so, wie sie ihn bislang überhaupt nicht kannte. Auf dieser Reise sieht Ganse zum ersten Mal Afrika in all seiner Ursprünglichkeit und nicht mit den Augen eines Missionars, zugleich stellt er seine eigene Funktion als Missionar in Frage. Eine ebenso ruhige wie fesselnde Erzählung eines Mannes und seiner Tochter, die im Laufe der Reise wieder zueinanderfinden. Wunderschön! (sr)

3-407-81236-0

Hermann Schulz / Wolf Erlbruch (Ill.) Auf dem Strom dtv / Reihe Hanser, 14,95 Euro

Mitten in der Nacht schreckt Flo aus dem Schlaf hoch. Vor ihm steht ein Mädchen und fragt nach einem Zahn. Moment mal! Sie will einen Zahn von ihm? Ist das die Zahnfee? Aber die gibt es doch gar nicht, das weiß Flo sicher. Mit ihrem Umhang und der blassen Haut sieht sie auch eher aus wie ein ... Ach, du nachtschwarze Zwölf, ein Vampir! Ein mitreißender Lesespaß für Kinder, schaurig-komisch illustriert von Tine Schulz.

* * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * Michael Ende Die unendliche Geschichte Gelesen von Gert Heidenreich Silberfisch, 12 CDs , 30,– Euro Für alle, die viel unterwegs sind, ist Hören eine gute Alternative zum Buch. Und wenn der Sprecher dann noch so großartig liest wie in diesem Fall Gert Heidenreich, ist es fast so, als säße ein guter Freund neben Ihnen und erzähle eine Geschichte. Anlässlich des 40. Geburtstags der »Unendlichen Geschichte« hat der Thienemann Verlag ihr ein neues, edles Gewand verliehen, gestaltet von Eva Schöffmann-Davidov. Wahrscheinlich werden Sie Bastians Geschichte ohnehin kennen. Die Geschichte des Jungen, der sich in einem Buch namens »Die unendliche Geschichte« mehr und mehr verliert, bis er ein Teil Phantásiens wird. Und ja, diese Geschichte passt hervorragend zum Thema, ist es doch eine Hommage an die Fantasie, die wir uns auch als Erwachsene bewahren sollten und aus der viele für den Alltag hilfreiche Ideen und Gedanken entstehen können. (sr)

Leseproben: beltz.de Illustrationen: Tine Schulz

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Kinder- und jugendbuch 32

Daniela Kulot Pssst, ein Bär! Thienemann Verlag, 9,99 Euro

Marta Altés Äffchen Aus dem Englischen von Gertrud Posch Bohem Verlag, 16,95 Euro

Jory John / Lane Smith (Ill.) Roberta und Henry Aus dem Englischen von Andreas Steinhöfel Carlsen Verlag, 15,– Euro

Mark Janssen Dinos gibt’s doch nicht Aus dem Niederländischen von Eva Schweikart Fischer Sauerländer, 16,99 Euro

Maus, Kaninchen, Ratte und Hamster machen eine gigantische Entdeckung: Mitten im Blumenfeld liegt ein riesengroßer schlafender Bär. Boah, hat der große Füße, mit denen er bestimmt all die wunderschönen Blumen niedertrampeln wird, stellt das Kaninchen fest. Und die Maus ist erstaunt ob des langen Felles, das gewiss müffelt. Mit Respekt betrachtet der Hamster den dicken Bärenbauch. Da passt eine Menge rein! Und bei dem großen Maul macht sich die Maus Sorgen, dass er sie alle mit einem Happs verspeisen wird. Und dann wird der Bär wach und verspürt einen Riesenhunger. Da kommen ihm doch die vier kleinen Freunde gerade recht, oder? Das Spiel mit Vorurteilen löst Daniela Kulot mit viel Humor auf und zeigt so schon den Kleinsten, dass nicht immer alles so ist, wie es scheint, und ein zweiter Blick durchaus lohnt! (sr) Ab 2 ½ Jahren.

Äffchen ist es leid. Für ihn als Kleinsten seiner Meute ist alles entweder zu hoch oder zu tief oder viel zu gefährlich. Dabei möchte er, wie alle anderen Affen auch, Abenteuer erleben! In den höchsten Baum des Dschungels wird er klettern und damit allen anderen beweisen, dass er schon ganz schön groß ist. Der Weg dorthin ist weit, gefährlich und voller überraschender Bekanntschaften. Doch gibt es darunter eine, die Äffchen lieber nicht machen möchte: Vom Äffchen unbemerkt, schleicht ein Tiger hinter ihm her. Und während der Kleine frohen Mutes sein Ziel verfolgt, bangen die Betrachter bei jedem Weiterblättern mehr um den kleinen Helden. »Je kleiner du bist, desto größer können deine Abenteuer sein!« Wohl wahr! Ein Mut machendes und ganz fröhlich illustriertes Bilderbuch für alle, die sich manchmal auch zu klein fühlen. (sr) Ab 4 Jahren.

Zu scheckig. Zu streckig. Zu erhoben. Einfach viel zu halsig, findet Roberta ihren langen Hals. Sie mag es gar nicht, wie ihn alle anstarren, und den Hals von unten bis oben mit Schals, Krawatten und Fliegen zu verzieren, lässt ihn weder verschwinden noch unauffälliger erscheinen. Schon ein wenig neidisch schaut sich Roberta die anderen Tiere an – die haben alle einen wunderhübschen kurzen oder kräftigen oder gar prächtigen Hals, so wie der Löwe. Stolz auf ihren Hals zu sein, wie ihre Mutter rät, schafft sie einfach nicht. Bis sie Henry, der Schildkröte, begegnet. Die nämlich hat die Giraffe schon lange wegen ihres herrlich langen Halses bewundert. Sosehr sie den ihren auch reckt und streckt, mit ihrem absolut unhalsigen Hals kann sie wenig anstellen. Zu erfahren, dass auch andere Tiere ihre Probleme haben, schweißt die beiden zusammen und ist der Beginn einer außergewöhnlichen Freundschaft. Trotz des an sich ernsten Themas ist es auch Andreas Steinhöfels humorvoller Übersetzung zu verdanken, dass beim Vorlesen Tränen gelacht werden können. (sr) Ab 4 Jahren.

Die Bilder sind dunkel, mögen Sie denken. Ja, sind sie. Schließlich ist es schon spät, als sich die beiden Brüder hinaus in den Wald schleichen. Nur mit einer Taschenlampe bewaffnet, machen sie sich auf die Suche nach einem Dinosaurier, den sie fangen wollen. Hundertmal größer als ein Elefant wird der Riesendino sein, da ist sich Tim, der Ältere der beiden, ganz sicher. Während er ganz in seiner Suche aufgeht, wandert der Blick des kleinen Bruders hin und her, nach oben und unten und entdeckt dabei einiges, das erschreckend nach Dino aussieht. Quatsch, befindet Tim, das Ganze sei doch nur ein Spiel. Dinos gibt’s doch gar nicht. Ob er sich da wirklich sicher sein kann? Wie schön, dass die Kinder den beiden gefahrlos in den düsteren Wald folgen können, der durch die Ausklappseiten eine ordentliche Dimension erhält. Mark Janssens Liebe zum Detail, sein Spiel mit Größen, Licht, Dunkelheit und Farbe und nicht zuletzt sein Humor zeichnen dieses fantasievolle Bilderbuch aus. (sr) Ab 4 Jahren.

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Oliver Scherz / Daniel Napp (Ill.) Drei Helden für Mathilda Thienemann Verlag, 14,– Euro

Jens Sparschuh / Julia Dürr (Ill.) Jakobs Muschel Gerstenberg Verlag, 13,95 Euro

Es ist schon eine ungewöhnliche Ansammlung von Tieren, die auf das kleine graue Wesen runterschauen. Wildschwein neben Dachs, Waldmaus neben Reh und vom Ast kommentiert der Waldkauz, der sich für den klugen Uhu hält, das Geschehen. Die Hellsten sind sie aber alle nicht, sonst hätten sie längst erkannt, dass es sich bei dem Jungtier, das so jämmerlich nach seiner Mutter ruft, um einen kleinen Fuchs handelt. Dass man so ein junges Tier nicht sich selbst überlassen kann, wissen sie zwar, aber einen Fuchs will keiner in seiner Familie haben. Nur Mama Reh fasst sich ein Herz und nimmt ihn als viertes Kind auf, ganz so, als wäre es ihr eigenes. Blau-Auge, wie der Fuchs fortan genannt wird, kann zwar nicht über Zäune springen, ist aber ebenso mutig und lebensfreudig wie seine neuen Geschwister. Gerade hat er seinen Platz in der Rehfamilie gefunden, als im Wald böse Gerüchte kursieren. Eine kleine Waldmaus wird vermisst und die anderen Tiere sind fest davon überzeugt, dass sie von Blau-Auge gefressen wurde. Traurig schleicht er davon, seine richtige Familie will er finden und seiner neuen, die ihn so vorurteilsfrei aufgenommen hat, beweisen, dass er vollkommen unschuldig ist. Ein friedvolles Miteinander liegt Kirsten Boie sehr am Herzen und das spürt man in dieser wunderbaren Vorlesegeschichte in jeder Szene! (sr) Ab 5 Jahren.

Was für ein Schreck in der Früh! Da will Fitze seine langen Plüscharme liebevoll um Mathilda legen, aber das Bett ist leer. In heller Aufregung weckt Fitze seine Freunde Bummel-Bom und Wim. Bestimmt wurde ihre Freundin entführt und wartet schon sehnsüchtig auf die Rettung durch ihre drei kuscheligen Begleiter. Schnell ist alles verfügbare Material verknotet und eine kunterbunte Kleiderschlange wird aus dem Fenster geworfen, an der die drei Stoffhelden sich in die wilde und gefährliche Stadt abseilen. Die Suche nach Mathilda gestaltet sich höchst turbulent und so manches Gramm Wattefüllung bleibt auf der Strecke, doch Aufgeben kommt für die drei Helden nicht in Frage! Bis zur überraschenden Auflösung werden die kleinen Zuhörer gebannt mitverfolgen, welche Abenteuer Fitze, Bummel-Bom und Wim noch bestehen müssen, bis sie endlich Mathilda wiedersehen. Ein großartiges Vorlesevergnügen! (sr) Ab 5 Jahren.

Ferien. Und mit der perlmuttfarbenen Muschel möchte sich Jakob ein Stück Urlaubserinnerung zurückholen. »Einfach büschen ans Ohr halten, mien Jung, schon hörst du dat Meer drin rauschen«, hat ihm der Vermieter ihrer Ferienwohnung versprochen. Aber nichts rauscht in dieser Muschel. Vielleicht ist der Empfang draußen besser, denkt sich Jakob und läuft zum Spielplatz. Dort bleibt er nicht lange allein. Ausgerechnet der hundsgemeine Jonas, dem Jakob in der Schule grundsätzlich aus dem Weg geht, steigt zu ihm aufs Klettergerüst. Und schnappt sich die Muschel. Das will sich Jakob unter keinen Umständen gefallen lassen und entspinnt mit seiner Muschel, von Jonas verächtlich als Handy tituliert, eine atemberaubende Geschichte rund um Seeräuber, blinde Passagiere und gefährliche Handgemenge. Dass sein Protagonist Jonny durchaus Ähnlichkeit mit Jonas hat, geht diesem auch irgendwann auf … Das sparsame Szenario lenkt die Aufmerksamkeit komplett auf die beiden Protagonisten, die sich anfangs nicht grün sind. Umso spannender liest sich die allmähliche Annäherung der beiden Jungen, für die Jens Sparschuh die perfekten Worte findet. (sr) Ab 8 Jahren.

Barbara van den Speulhof / Astrid Henn (Ill.) Die nahezu unerschrockenen 5 Fischer KJB, 13,– Euro Diesem Tag hat Linus, jüngstes Bandenmitglied der »Nahezu unerschrockenen Fünf« mit Aufregung und Bangen entgegengefiebert. Dem Tag, an dem er seine Mutprobe ablegen soll, um endlich voll und ganz dazuzugehören. Ob er wohl auf dem Dorfplatz Weihnachtslieder singen muss, so wie Tilda? Oh nein, für Linus hat sich Tilda etwas ganz Fieses ausgedacht: Er soll sich in die Küche der schrulligen alten Wanda schleichen und einen Kochlöffel einstecken. Ausgerechnet! Schließlich weiß doch jedes Kind im Dorf, dass Wanda eine Hexe ist und kleine Kinder verspeist. Kneifen gilt aber nicht und so rafft Linus all seinen Mut zusammen, nur um schnell festzustellen, dass Wanda alles andere als eine Hexe ist. Im Gegenteil: Sie ist supernett, backt für die ganze Bande Pfannkuchen und kocht mit ihnen Marmelade. Als ihr kleiner Hof einem Luxushotel weichen soll, sind sich die Kinder einig, dass sie das mit ihren bescheidenen Mitteln unbedingt verhindern wollen. Und das ist das Schöne an diesem warmherzig erzählten Roman: dass die Kleinen ganz Großes leisten, sie sich nicht von den Vorurteilen der Erwachsenen beeinflussen lassen, sondern ihre eigene Meinung haben und auch noch ganz nebenbei eine riesige Sauerei aufdecken. (sr) Ab 9 Jahren.

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Kinder- und jugendbuch

Kirsten Boie / Barbara Scholz (Ill.) Vom Fuchs, der ein Reh sein wollte Oetinger Verlag, 16,– Euro

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Kinder- und jugendbuch 34

Ross Welford Der 1000-jährige Junge Aus dem Englischen von Petra Knese Coppenrath Verlag, 16,– Euro »Möchtet ihr ewig leben? Ich kann es leider nicht empfehlen.« So beginnt Alfies unglaubliche Schilderung seines 1000-jährigen Lebens. Im Nachhinein war es wirklich eine blöde Idee, im Jahre 1014, mit gerade mal elf Jahren, eine der kostbaren Lebensperlen zu nehmen, denn die ließ ihn zum Nimmertoten werden. Gut tausend Jahre später läuft Alfie immer noch als Elfjähriger durchs Leben und wünscht sich nichts sehnlicher, als endlich zu altern. Denn wer immer elf ist, wird zwangsläufig sehr einsam. Die Begegnung mit der unerschrockenen Roxy und ihrem Freund Aidan lässt Alfie hoffen. Die beiden schlucken tatsächlich seine verrückte Geschichte und erklären sich bereit, ihm zu helfen – eine winzig kleine Hoffnung auf Alterung gibt es nämlich tatsächlich für den Nimmertoten … »Der 1000-jährige Junge« ist eine sehr außergewöhnliche Freundschaftsgeschichte, dazu ziemlich spannend, gespickt mit kleineren geschichtlichen Exkursionen und reichlich Witz. (sr) Ab 10 Jahren.

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Chris Colfer Land of Stories. Die Suche nach dem Wunschzauber Aus dem Amerikanischen von Fabienne Pfeiffer Fischer Sauerländer, 18,– Euro Es war einmal … So beginnen die meisten Märchen und diese fast magischen Worte sind wie eine Einladung in eine Welt, in der alles möglich ist. Und in so eine Welt werden Alex und ihr Zwillingsbruder Conner katapultiert. Mit die schönsten Stunden ihrer Kindheit verbrachten die Geschwister bei ihrer Großmutter, die immer wieder ihr prachtvolles Märchenbuch hervorholte und daraus vorlas. Und so freut es die beiden ungeheuer, als ihre Großmutter unverhofft an ihrem zwölften Geburtstag vor der Tür steht, das alte Märchenbuch als Geschenk für ihre Enkel im Gepäck. Dass es weit mehr als ein gewöhnliches Buch ist, stellt Alex schnell fest, denn ein unheimliches Summen und Leuchten geht von ihm aus. Und es scheint eine Art Portal zu sein, denn alles, was sie auf die leuchtenden Seiten legt, verschwindet. Auch Conner staunt nicht schlecht, als sie ihm genau das zunächst demonstriert und dann selbst im Buch verschwindet. Mutig springt Conner hinterher und findet sich im Land der Märchen wieder. Die beiden begegnen dort all den Figuren, die sie durch ihre Großmutter kennengelernt haben und die in ihrer Welt ihr ganz eigenes Leben leben. Während die beiden einen Weg zurück suchen, ahnen sie noch nicht, dass ihre Familie tief verwurzelt in diesem Märchenland ist. Chris Colfers Roman verzaubert von der ersten Seite an und er begeistert durch seine große Fabulierkunst, mit der er altbekannte Märchen frisch durchmischt. (sr) Ab 11 Jahren.

Alyssa Hollingsworth 1x Pech und 11x Glück Aus dem Amerikanischen von Ann Lecker Loewe Verlag, 14,95 Euro Ausgerechnet die Rubab, das Instrument, das sein Großvater gehütet hat wie seinen Augapfel, das die lange Flucht von Afghanistan über den Iran, die Türkei, Griechenland bis in die USA unversehrt überstanden hatte, die wichtigste Erinnerung an ihre Heimat – ausgerechnet die Rubab wird dem junge Sami in der U-Bahn aus den Händen gerissen. Sein Baba ist am Boden zerstört und Sami beschließt, das Instrument zurückzuholen, koste es, was es wolle. Doch woher soll er die 700 Dollar nehmen, die der Musikhändler verlangt, bei dem Sami die Rubab endlich findet? Er hat doch nichts, womit sich Geld verdienen lässt. Oder doch? Mithilfe neuer Freunde und einer ungewöhnlichen Idee kommt er nach und nach seinem Ziel ein Stück näher ... Eine warmherzige Geschichte über alte und neue Heimat und darüber, wie wichtig Freunde und Erinnerungen für das Heimatgefühl sind. (an) Ab 11 Jahren.

Lena Hach Grüne Gurken mixtvision, 17,– Euro Frisch nach Berlin gezogen, tapert Lotte zum gegenüberliegenden Späti. In ihrem Pyjama, Papas Mantel und den Krümelmonster-Hausschuhen fällt sie in ihrem neuen Kiez nicht auf, dennoch blöd, dass sie sich ausgesperrt hat und die Eltern erst spät nach Hause kommen. Ihre Schusseligkeit stellt sich aber schnell als absoluter Glücksfall heraus, denn der Besitzer des Spätis, Yunus, spannt sie kurzerhand in seinen Laden ein. Und schon wird die fremde Stadt immer mehr zu einem Zuhause. Zumal immer montags dieser aufregende Junge zehn süße grüne Gurken kauft und Lotte tatsächlich dazu bringt, ihre Schüchternheit ad acta zu legen. Die erste Liebe, Wünsche und Träume rund ums Erwachsenwerden, die Abnabelung von den Eltern, Gedanken, die im Dreieck hüpfen – hier ist es das volle Pfund Pubertät, von dem Lena Hach mit ihrem trockenen Humor sehr kurzweilig erzählt. Die genialen Infografiken von Katja Berlin sind dabei das i-Tüpfelchen und bringen Lottes Gedanken und Beobachtungen herrlich auf den Punkt. (sr) Ab 12 Jahren.


Keine langen Vorreden, Arno Strobel kommt direkt zur Sache und schmeißt seinen jungen Helden gleich auf den ersten Seiten mitten ins packende Geschehen. Nick, knapp dreizehn, glaubt fest an eine Geburtstagsüberraschung seines Vaters, als er von einem Unbekannten das Angebot erhält, an eine geheime Schule für begabte Nachwuchskräfte der Bundesregierung zu wechseln. Absurd, denkt Nick, ebenso das Gerede vom Verschwinden seines Vaters, der angeblich zu den besten Agenten des Landes gehören soll. Er geht auf den Deal ein, nur um schnell festzustellen, dass das, was er für eine geniale Inszenierung hält, Realität ist. Er IST auf einer Schule des BND und sein Vater IST verschwunden. Drei Jahre später erhält er einen Hinweis auf dessen Verbleib, und der führt ihn nach London … Adrenalingeladen und voller Überraschungen ist Arno Strobels Auftakt zu seiner Reihe um den Nachwuchsagenten Nick, die im Herbst fortgesetzt wird. (sr) Ab 12 Jahren.

Dieses Buch ist wie ein geheimnisvoller Dachboden, auf dem in jeder Ecke lauter kleinere und größere Abenteuer warten. Für einige von ihnen müssen die jungen Helden nicht einmal die Wohnung verlassen, nur ein paar Utensilien sollten in Reichweite sein. Ein Seil zum Beispiel, um allerhand Knoten zu lernen, die gewiss einmal aus misslichen Situationen retten können. Oder Karton, Trinkhalm, Holzspieße und eine große Perle, um eine Wetterstation zu bauen. Draußenspiele, die vielleicht schon in Vergessenheit geraten sind, wie Steine auf dem Wasser hüpfen lassen, kommen hier ebenso vor wie Bauanleitungen für verschiedenste Arten von Schleudern oder für den perfekten Bogen. Die Natur erkunden, mit dem selbstgebauten Teleskop Sterne beobachten oder in der frisch errichteten Baumhütte oder handgefertigten Hängematte eine Nacht verbringen – alle Anregungen für schöne aufregende Alltagsabenteuer sind anschaulich erklärt und ohne viel Brimborium umzusetzen. Eine echte Fundgrube für alle Abenteuerlustigen! (sr) Ab 8 Jahren.

Martin Jenkins / Tom Frost (Ill.) Seltene Tiere. Ein Atlas der bedrohten Arten Aus dem Englischen von Ebi Naumann Thienemann Verlag, 20,– Euro

Sibylle Sailer (Hrsg.) / SaBine Büchner Sieben kecke Schnirkelschnecken. Lustige Kindergedichte und Reimspaß zum Lachen Arena Verlag, 14,– Euro

Wie konnte es passieren, dass innerhalb von hundert Jahren die Wandertaube, die im 19. Jahrhundert zu den am weitesten verbreiteten Vogelarten zählte, ausstarb? Diese Frage trieb Martin Jenkins um und er machte sich auf die Suche nach den Ursachen, die nicht nur für das Verschwinden dieser Taubenart verantwortlich sind. Nicht weiter verwunderlich, dass der Mensch in den meisten Fällen schuld ist, der mittlerweile aber begriffen hat, wie wichtig die Artenvielfalt der Flora und Fauna auch für unseren Fortbestand ist. Vorgestellt werden in diesem wunderschön illustrierten Familienbuch dreißig gefährdete oder vom Aussterben bedrohte Tiere aus allen Ecken der Welt, wie zum Beispiel der Mandschurenkranich. Dieser große Flugvogel wurde früher in Japan verehrt, bis nach und nach alte Traditionen in Vergessenheit gerieten und der Kranich im Kochtopf landete. Und manchmal braucht es den Zufall, um Erdbewohner wie diesen Mandschurenkranich oder den Harlekinfrosch in Costa Rica doch noch in letzter Minute zu retten. Weniger Atlas als vielmehr ein so spannendes wie trauriges Erinnerungsalbum und Mahnung zugleich. (sr) Ab 7 Jahren.

Der Titel und die Coverillustration versprechen genau das, was die kurzen Texte im Inneren halten: Reime für Kleine und Große, die gute Laune verbreiten, dabei voller Wortwitz und Sprachspaß stecken. Bekannte Namen wie Josef Guggenmos und Joachim Ringelnatz treffen sich zu einem unterhaltsamen Stelldichein mit weniger bekannten. Begleitet werden die Gedichte von SaBine Büchners liebevoll verrückten Wesen, die allein schon beim Anschauen ein Lächeln hervorzaubern. Die große Schrift und die kurzen Texte eignen sich zudem prima für erste gemeinsame heitere Leseübungen, die zeigen, wie unterhaltsam unsere Sprache sein kann. Kurz: ein schnirkelschneckenkeckes Gedichtesammelsurium für die ganze Familie! (sr)

KUDU

Kinder- und jugendbuch

Arno Strobel Spy. Highspeed London Loewe Verlag, 9,95 Euro

Paul Beaupère / Florian Thouret (Ill.) Das große Handbuch der Abenteuer für drinnen und draußen Aus dem Französischen von Silvia Bartholl Ravensburger Verlag, 14,99 Euro

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BELLETRISTIK 36

Julian Barnes Die einzige Geschichte Aus dem Englischen von Gertraude Krueger Kiepenheuer & Witsch, 22,– Euro

Mathijs Deen Unter den Menschen Aus dem Niederländischen von Andreas Ecke mare, 20,– Euro

Elena Ferrante Frau im Dunkeln Aus dem Italienischen von Anja Nattefort Suhrkamp Verlag, 22,– Euro

Brigitte Glaser Rheinblick List Verlag, 20,– Euro

»Würden Sie lieber mehr lieben und dafür mehr leiden? Oder weniger lieben und dafür weniger leiden? Das ist, glaube ich, am Ende die einzig wahre Frage.« Was für ein fulminanter Auftakt für einen Roman. Wie viel Ratlosigkeit bleibt auf der ersten Seite? Julian Barnes erzählt die Liebesgeschichte eines heranwachsenden Studenten zu einer 28 Jahre älteren Frau. Das kann nicht gut gehen, sagen Sie. Stimmt! Aber immerhin sind die beiden über viele, viele Jahre ein Paar. Das ist ungewöhnlich genug und schafft Raum für einen großartigen, bisweilen ironischen oder sogar sarkastischen Roman. Sprachgewaltige, fabulierfreudige, glänzend übersetzte 300 Seiten. Allein die Lektüre der Seiten 103 bis 105 lohnt die Anschaffung des Buches, der etwas überhebliche Ich-Erzähler erklärt mit wachsender Entrüstung, warum er nie, nie erwachsen werden möchte, obwohl sich das seine um viele Jahre ältere Geliebte so sehr wünscht. Das ist ganz großes Kino! (ts)

So ein Leben auf dem Deich hat schon etwas Unbeschwertes und Leichtes. Man kann sich der Landschaft hingeben, dem Meer, seine Gedanken schweifen lassen. Genau diese Unbeschwertheit versucht Jan nach dem Tod seiner Eltern hier wieder zu finden. Einzig die Einsamkeit nagt an ihm. Da sollte sich doch etwas ändern lassen – eine Kontaktanzeige soll Abhilfe schaffen. Die junge, vom Schicksal gezeichnete Wil meldet sich. Sie will einfach nur raus aus der Stadt. Weg von den Menschen, die ihr nicht gutgetan haben. Einziges Kriterium und einziger Anspruch an die neue Unterkunft: Blick aufs Meer. Jan ist ihr zunächst herzlich egal. Und so leben die beiden erst aneinander vorbei und irgendwann sogar nebeneinander in den Alltag hinein. Mit all ihren Unterschieden. Kann das auf Dauer gut gehen? Eine Geschichte über eine merkwürdige Beziehung zweier völlig unterschiedlicher Menschen vor einer traumhaften Kulisse. (dh)

Leda, knapp fünfzig, Anglistikprofessorin, modern und selbstbewusst, fährt allein an die süditalienische Küste in den Urlaub. Sie möchte dort einige entspannte Tage verbringen. Anspruchsvolle Bücher, Sonne, Meer – es scheint ein perfekter Urlaub zu werden. Doch dann bemerkt sie eine junge Mutter und deren kleines Mädchen und sie beginnt die beiden über Tage mit großer Faszination zu beobachten, zunächst durchaus mit Wohlwollen. Nina, die Mutter, und die kleine Elena haben großen Spaß, Elena hat immer eine kleine Puppe dabei und bezieht sie in die Strandspiele ein. Doch plötzlich verdüstert sich die Idylle für Leda und sie kann dieses Familienglück nicht mehr ertragen. Verdrängte Erinnerungen breiten sich aus. Ihr Elternhaus, die Ehe, die Beziehung zu ihren Töchtern, nichts davon war wirklich idyllisch, im Gegenteil. Leda hadert schon lange mit ihrem Leben, ihre Wut steigert sich und die sonst so beherrschte Frau lässt sich zu einer unbegreiflichen Tat hinreißen. Der Roman ist emotional, beklemmend und hat eine sehr nachhaltige Wirkung. (mr)

Mit »Bühlerhöhe«, dem Roman aus der Adenauerzeit, gelang Brigitte Glaser der Sprung in die Bestsellerlisten. Nun hat sie mit »Rheinblick«, ebenfalls angesiedelt in der Bonner Republik, einen Roman nachgelegt, der zeitlich der Brandt-Ära zuzuordnen ist. Hilde ist die Besitzerin des Rheinblicks, eines legendären Wirtshauses. Dort treffen sich alle: Minister, Abgeordnete, Sekretärinnen, Journalisten, Taxifahrer. Es ist eine spannende Zeit. Die erste sozialliberale Koalition bröckelt, der Oppositionsführer Barzel strebt ein Misstrauensvotum an. Vielen ist die Brandt’sche Ostpolitik ein Dorn im Auge. Im Rheinblick laufen Fäden zusammen, werden Absprachen getroffen, manchmal fließt sogar ordentlich Geld ... Gleichzeitig, nur wenige Kilometer entfernt, versucht in einer abgeschiedenen Klinik eine Logotherapeutin die Stimme Willy Brandts zu retten. Sie ist die letzte Hoffnung für den Kanzler, der sich in den Wochen zuvor völlig übernommen hat. »Rheinblick« ist eine spannende Geschichte über Politik, Intrigen, Erpressungen und das Leben der ganz normalen Leute. (ts)

KUDU


Frank, genannt Fränge, wohnt in Berlin und genießt sein junges Leben in vollen Zügen. Er hat gleich zwei Freundinnen parallel, und das ist ja auch einfach in einer geteilten Stadt: Marta im Westen und Rosa im Osten. Natürlich sollen beide nichts voneinander wissen. Doch dann besuchen ihn drei Freunde aus Bochum, die sein Leben ordentlich durcheinanderbringen. Und schließlich haben wir ja auch noch den Sommer der Wende. Fränge und seine Freunde erleben – ohne es zu ahnen – die letzten Zuckungen eines geteilten Deutschland. Eine Liebesgeschichte mit kabarettistischen Einschüben und gleichermaßen eine Hommage an eine Zeit, in der große Hoffnung auf vermeintlich viel Neues steckte. (ts)

Kent Haruf lesen ist wie nach Hause kommen. Man schlägt die erste Seite auf und ist in der kleinen (fiktiven) Stadt Holt, Colorado. Hier scheint die Welt noch in Ordnung, Alltagsprobleme klärt man untereinander, das Leben nimmt seinen Lauf. Zwei alte Viehzüchter zum Beispiel müssen verkraften, dass ihre Ziehtochter, die sie als Hochschwangere bei sich aufgenommen haben, nun ihrer Wege zieht. Eine völlig verarmte Familie versucht in einem verwahrlosten Trailer ein Stück Würde zu behalten. Ein elfjähriger Junge kümmert sich rührend um seinen Großvater. Alles harmlose kleine Alltagsgeschichten, die Kent Haruf aber zu einem wunderbaren Roman formt. Geradlinig, schnörkellos, nie zynisch, aber immer den Menschen zugewandt. Das ist das eigentlich Großartige an diesem Roman. (ts)

Daniela Krien Die Liebe im Ernstfall Diogenes Verlag, 22,– Euro Daniela Krien schreibt in ihrem Debüt eindringlich über das Gefühl der Wehmut bei verlorenen Lieben und das zaghafte Hoffen auf ein erfülltes Leben. Wir lernen fünf Frauen kennen: Paula, Judith, Brida, Malika und Jorinde. Alle verlieren viel und spüren mehr als einmal ihre eigenen Grenzen genau dort, wo eigentlich ihre Freiheit beginnen sollte. Dies ist ein ganz besonderer Roman über fünf starke Protagonistinnen, die sich durch ihr Leben kämpfen, mit der Liebe ringen und damit nie aufhören. Völlig unkitschig, tief und nahegehend. (es)

Édouard Louis Wer hat meinen Vater umgebracht Aus dem Französischen von Hinrich Schmidt-Henkel S. Fischer Verlag, 16,– Euro

BELLETRISTIK

Frank Goosen Kein Wunder Kiepenheuer & Witsch, 20,– Euro

Kent Haruf Abendrot Aus dem Englischen von pociao Diogenes Verlag, 24,– Euro

Mit seinem Debütroman »Das Ende von Eddy« sorgte Édouard Louis 2015 für einen literarischen und soziologischen Paukenschlag. Eine gnadenlose Abrechnung mit seinem homophoben und seinen Sohn verstoßenden Vater, der unter ärmlichsten Verhältnissen keinerlei Skrupel hatte, die Familie mit in den sozialen Abgrund rauschen zu lassen. Nach einem Arbeitsunfall sitzt Louis’ Vater im Rollstuhl. Und hier beginnt das neue Buch des französischen Autors. Es ist weder ein Roman noch eine Erzählung. Am ehesten ist es als Plädoyer zu verstehen. Für seinen Vater, der gezeichnet von seinem Zustand und den Folgen der Gesundheits- und Sozialreformen in Frankreich auf der Talsohle seines Lebens angekommen ist. Louis wirft der vergangenen und der aktuellen französischen Regierung Versagen vor und gibt ihnen die Schuld für die sozialen Missstände. Ein Buch voller Wut, Vaterliebe und ehrlichem Bestreben, eine positive Änderung für die Schwächsten der Gesellschaft herbeiführen zu wollen. (dh)

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BELLETRISTIK 38

Katharina Mevissen Ich kann dich hören Wagenbach, 19,– Euro

Stefan Moster Alleingang mare, 24,– Euro

Ein Roman so zart, wie es manchmal erste Lieben sind. Wo der Kopf voll von Musik und die Welt ganz leise ist. Es ist Sommer in einer Großstadt. Osman Engels übt Cello und ab und an kocht er Nudeln mit seiner Mitbewohnerin Luise, danach sitzen sie zusammen am Fenster und rauchen. Die Nähe zwischen ihnen ist fein, aber sie ist da. Osmans Leben wird jedoch durcheinandergewirbelt, als sich sein Vater, ebenfalls Musiker, die Hand bricht und seine Tante (und Ersatzmutter) nach Paris auswandern will. In seinem ratlosen Streunen durch die Stadt findet er ein Aufnahmegerät, welches einer gehörlosen jungen Frau gehört und ihm eine neue Welt eröffnet. Es ist eine besondere Zeit für den verträumten Musiker, in der er sich zum ersten Mal mit manchen Themen auseinandersetzt und nach Antworten auf Fragen sucht, von deren Existenz er bis vor kurzem noch nichts geahnt hat. (es)

Dass die Geschichte nicht gut enden kann, verrät eigentlich schon ihr Anfang. Nach langer Gefängnisstrafe wird ein junger Mann entlassen und beginnt seine Geschichte zu erzählen: die Geschichte von Freddy und Tom. Freddy, aus einfachen Verhältnissen, der nach der Schule eine Automechanikerlehre absolviert, Tom, der zeitgleich in eine alternative Studenten-WG zieht und sich politisch positioniert. Man protestiert gerade gegen Pershings, die Startbahn West und gegen Kernkraft sowieso. Früher waren sie unzertrennlich. Früher schauten sie heimlich nachts Muhammad Ali gegen George Foreman und spielten auf der Straße Baader-Meinhof. Irgendwann ist aber alles anders, irgendwann trennen sich die Wege und Freddy ist eigentlich nur noch der Seht-mal-her-mit-wem-ich-michso-abgebe-Typ, einer, der gerade noch erduldet wird und das auch nicht mehr lange. Freddy sieht das anders, er, der lieber handelt als redet, ist bereit, aus Freundschaft bis zum Äußersten zu gehen. Der Preis dafür wird jedoch sehr hoch sein. (ts)

KUDU

Jocelyne Saucier Niemals ohne sie Aus dem Französischen von Sonja Finck und Frank Weigand Insel Verlag, 20,– Euro

Kit de Waal Die Zeit und was sie heilt Aus dem Englischen von Katharina Naumann Rowohlt Verlag, 22,– Euro

»Als der alte Zausel mit den nikotinglänzenden Zähnen die Frage stellte, dachte ich, jetzt ginge das übliche Theater los. Ich habe nichts dagegen. Ich liebe den Moment, wenn sich unsere Familie in das Gespräch einschleicht und ich merke, dass mir mein Gegenüber gleich die Frage stellen wird: Und wie viele wart ihr genau?« Einundzwanzig! Einundzwanzig Kinder! Diese Familie ist wirklich einzigartig, allein wegen ihrer insgesamt dreiundzwanzig Köpfe fallen sie auf, ihre Unberechenbarkeit, Wildheit, ohne Angst und immer zum Äußersten bereit, wenn es um familiäre Dinge geht. Der Vater entdeckt in einem kanadischen Dorf Zink und die Familie rechnet natürlich, aus verständlichen Gründen, mit einem Anteil am Gewinn. Doch es kommt alles ganz anders und plötzlich geht es um nicht weniger als die Rettung der Familienehre. Ein berührender Roman über eine außergewöhnliche Familie. (mr)

Für diesen Roman von Kit de Waal muss man wieder das russische Sprichwort bemühen, demzufolge das Leben schön und traurig zugleich ist. England, vermutlich in einer kleinen Stadt an der Küste, die ein bisschen vor sich hin schläft und ein wenig vom Tourismus lebt. Dort hat Mona einen kleinen Laden, in dem sie Puppen herstellt, die schönsten in der ganzen Gegend. Immer wieder passiert es, dass Mona besucht wird von stillen trauernden Frauen, die alle eines gemein haben, nämlich die Trauer um ihr totgeborenes Kind. Mona wird es regelmäßig gelingen, diesen Frauen zu helfen. Dabei bräuchte sie selbst Hilfe, hat sie doch ein furchtbares Trauma nie verarbeiten können. Kit de Waal erzählt in (fast zu) schöner Sprache mit melancholischem Unterton vom Leben einfacher Leute, die leise und stolz versuchen, am Rande der Gesellschaft ihr kleines und doch so großartiges Leben zu leben. (ts)


Takis Würger Stella Hanser Verlag, 22,– Euro

Eine spießige Einfamilienreihenhaus-Siedlung in Köln, Ende der 60er Jahre. Hier wächst der elfjährige Tobias auf. Sein Vater Ingenieur, Techniker durch und durch, die Mutter Hausfrau, wie es sich nun einmal ziemt. Ins Nachbarhaus ziehen Leute ein, die so ganz anders sind: politisch engagiert, bekennende Linke und ein wenig flippig. Die dreizehnjährige Tochter Rosa (benannt nach Rosa Luxemburg) ist eine frühreife junge Person, die sich laut eigener Aussage mehr für Popmusik als für Mädchenkram interessiert. Zwischen allen Protagonisten entwickeln sich am Vorabend der ersten Mondlandung Beziehungen. Die Eltern diskutieren, die Kinder kommen sich näher. Das Interesse der Erwachsenen ist wechselseitig und beginnt kompliziert zu werden, als die Mutter von Tobias eine Arbeit als Übersetzerin aufnehmen möchte und von der Nachbarin darin unterstützt wird. Plötzlich ist nichts mehr so, wie es noch kurze Zeit zuvor war. Während Tobias und Rosa ihre ersten erotischen Erfahrungen machen, kommen sich auch die beiden Frauen näher. Das führt unweigerlich in eine Sackgasse. Als der Junge es seinem Vater gleichtut und sich nach Bekanntwerden der Liebesbeziehung angewidert von der Mutter abwendet, endet das vermeintliche Vorortidyll in einer Katastrophe, die eine der sechs Personen nicht überleben wird. »Der Sommer meiner Mutter« ist ein absolut lesenswertes Buch, wenn man einen kleinen Kunstgriff anwendet: Man denkt sich die beiden Kinder, mindestens aber den Jungen, zwei Jahre älter ... (ts)

Ein einfacher und schnörkelloser Roman: Erzählt wird die Geschichte der Jüdin Stella Goldberg, die während der Nazizeit versteckt lebende Juden an ihre Peiniger verraten hat. Insofern ist Stella eine historische Figur. An ihre Seite setzt Takis Würger einen jungen Schweizer Naivling. Mutter Nazigläubige, Künstlerin, Alkoholikerin; der Vater Freigeist. 1942 beschließt der verwöhnte Junge, sich doch einmal die Welt anzuschauen, und bricht nach Berlin auf (wohlgemerkt befinden wir uns im dritten Kriegsjahr). Dort trifft er Stella, die sich Kristin nennt, in einer Malschule und verliebt sich in sie. Sie zeigt ihm ihr Berlin der Nachtclubs und Jazzschuppen, bis eines Tages Unglaubliches geschieht. Kristin alias Stella wird von der Gestapo festgenommen, gefoltert und vor die Wahl gestellt: entweder das Leben ihrer Eltern oder sie denunziert andere Juden ... Das Buch wird in Deutschland derzeit äußerst kontrovers diskutiert. Vom Feuilleton überwiegend verrissen, von Buchhändlern und Lesern eher geliebt. Bilden Sie sich am besten Ihre eigene Meinung. (ts)

Markus Zusak Nichts weniger als ein Wunder Aus dem Englischen von Alexandra Ernst Limes Verlag, 22,– EUR

Nachdem Hanya Yanagihara mit ihrem Erstlingswerk »Ein wenig Leben« die Massen derart begeistert und berührt hat, stellt sich natürlich die Frage, wie man das als Schriftstellerin noch toppen kann. Es ist wohl das Beste für die Leserschaft, die beiden Romane erst gar nicht miteinander zu vergleichen, denn so entsteht keine Wehmut, dass das Buch so anders ist, und man registriert schnell, wie packend auch dieses hier ist. Der Wissenschaftler Norton Perina erzählt uns seine Lebensgeschichte, die vor allem nach dem Studium spannend wird. Eine Expedition führt ihn auf die Insel Ivu‘ivu, wo er ein Mittel gegen Sterblichkeit gefunden zu haben scheint. Was ihn zur Berühmtheit macht, sorgt zugleich für die Kolonialisierung und Zerstörung der Insel. Und schließlich die große Frage, ob große Erkenntnisse noch etwas wert sind, wenn Natur und Menschenleben zerstört werden und, wie dem Wissenschaftler vorgeworfen wird, Kinder missbraucht werden. Dieser Roman ist ein düsteres, soghaftes Gedankenexperiment und dadurch ein sehr intensives Leseerlebnis. (es)

In seinem neuesten Werk erzählt Markus Zusak von der Familie Dunbar mit ihren fünf Söhnen und den Schicksalsfäden im Strom der Zeit. Er nimmt uns mit ans andere Ende der Welt, nämlich nach Australien. Tragische Verluste und große Gefühle suchen die Dunbars nicht nur einmal heim. Besonders Sohn Clay leidet unter der Last der Vergangenheit und so beschließt er im Erwachsenenalter, als Zeichen der Versöhnung eine große Brücke zu bauen. Clays Idee spannt sich wie ein leuchtender Bogen durch die Jahrzehnte. Zusaks Figuren sind auch in diesem Buch wunderbar komponiert und vielschichtig, mal düster, mal umwoben von Geheimnissen. Die einzelnen Handlungsstränge fügen sich erst ganz zum Schluss zu einem Mosaik zusammen. (mh)

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BELLETRISTIK

Ulrich Woelk Der Sommer meiner Mutter C.H.Beck, 19,95 Euro

Hanya Yanagihara Das Volk der Bäume Aus dem Englischen von Stephan Kleiner Hanser Berlin, 25,– Euro

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sachbuch Frank Bösch Zeitenwende 1979. Als die Welt von heute begann C.H.Beck, 28,– Euro Es hat mich schon nachdenklich gemacht. Da erlebt man ein Jahr hautnah, liest von der Iranischen Revolution und ihrem Führer Chomeni, sieht erschreckende Bilder der vietnamesischen Boatpeople und ahnt nicht wirklich, dass ein Papst die komplette sozialistische Welt auf den Kopf stellt. Margret Thatcher stemmt sich gegen die Allmacht der englischen Gewerkschaften und zerschlägt sie, wir kaufen das erste Mal Nicaragua-Kaffee. All das passiert im Jahr 1979. Damals ahnte jedoch noch keiner, dass eine neue Zeitrechnung angebrochen war. Bösch, Professor für Europäische Politik, erzählt packend, zoomt ganz nah an Ereignisse heran, vergisst aber nie den Blick auf das Ganze. Eine spannende Zeitreise zu den Anfängen unserer neuen Gegenwart. (ts)

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KUDU

Robert Habeck Wer wir sein könnten Kiepenheuer & Witsch, 14,– Euro Gerne gebe ich leicht abgeändert ein Zitat von Schopenhauer von mir, immer wenn es denn gerade passt: »Die Grenzen meiner Sprache sind die Grenzen meiner Welt!« Robert Habeck wird Ähnliches gemeint haben, wenn er schreibt: »Wie wir sprechen, entscheidet darüber, wer wir sind – auch und gerade in der Politik.« Nach langer Zeit der politischen Sprachlosigkeit ist längst die Zeit des Brüllens und Niedermachens angebrochen. Doch was macht eine solche Sprache (was macht Sprache überhaupt) mit uns Menschen, mit einem Volk? Robert Habecks angenehm schmales Büchlein seziert die Aggressivität der heutigen Sprache und entwirft die Skizze eines politischen Sprechens, das offen und vielfältig ist, damit Menschen in all ihrer Unterschiedlichkeit zusammenfinden können. (ts)

Ulrike Herrmann Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung Piper Verlag, 11,– Euro

Harald Jähner Wolfszeit. Deutschland und die Deutschen 1945–1955 Rowohlt Verlag, 26,– Euro

Ulrike Herrmann kann eine Menge. Sie ist ausgebildete Bankkauffrau, hat seit Jahrzehnten einen äußerst kritischen Blick auf Kapitalismus und Ökonomie und als Wirtschaftskorrespondentin der taz kann sie auch noch gut schreiben. In ihrem neuen Buch seziert sie die Krise der heutigen Ökonomie. Sie wundert sich, dass Ökonomen auf einfachste (Kinder)fragen keine eindeutigen Antworten haben. Warum kommt es zu Finanzkrisen? Warum sind die Reichen reich und die Armen arm? Was genau ist Geld und wieso hat es so viel Macht? Ökonomen verfangen sich in theoretischen Modellen, die mit der Realität nichts mehr gemein haben, nur dass darauf beruhende Irrtümer zig Milliarden kosten. Jedes Mal. Ulrike Herrmann sucht nach Antworten und findet Kluges in der Vergangenheit bei den Philosophen Adam Smith, Karl Marx und dem bedeutendsten Ökonomen des 20. Jahrhunderts Keynes. Für alle, die mehr verstehen wollen, als der Wirtschaftsteil einer Tageszeitung jemals hergeben kann. (ts)

Das Deutsche Reich existiert nicht mehr, es hat den Zweiten Weltkrieg verloren. Jetzt befindet sich das Land in Auflösung und jeder muss sehen, wo er bleibt. Die einen bauen neu auf, die anderen plündern. Die einen kommen als Vertriebene, Versprengte, Entlassene zurück, die anderen verschaffen sich eine neue Identität. Man fängt an bei null. Aber kann man das überhaupt? Wie konnte aus Chaos wieder eine Gesellschaft entstehen? Harald Jähner hat die ersten zehn Nachkriegsjahre seziert und neu bewertet. Das reich bebilderte Buch beleuchtet nicht nur das Jahrzehnt des Scheiterns und des Neubeginns – bei aller Sachlichkeit ist es hervorragend zu lesen. (ts)


sachbuch

Michael Köhlmeier Erwarten Sie nicht, dass ich mich dumm stelle dtv, 8,– Euro 4. Mail 2018, Gedenktag gegen Gewalt und Rassismus. Michael Köhlmeier wurde eingeladen, eine Rede in der Wiener Hofburg zu diesem Anlass zu halten. Dass es in ihm gebrodelt haben muss, merkt man schon bei seinem ersten Satz: »Erwarten Sie nicht, dass ich mich dumm stelle!« Köhlmeier holt aus zu einem Rundumschlag gegen die populistischen Versuche, die Gesellschaft auszuhöhlen, und ermahnt seine Zuhörer zu Obacht und Feinsinnigkeit. Diese Rede kann man nicht nur in diesem Buch nachlesen, sie ist selbstverständlich auch als Video im Internet verfügbar. Warum also die gedruckten Reden? Weil Sie hier nachhaltig wichtige und mahnende Worte eines klugen und weitsichtigen Mannes finden, die die Gabe haben zu mobilisieren und aufzuwecken. Nicht nur in Österreich, auch in Deutschland darf und sollte man sich Köhlmeiers Worte zu Herzen nehmen. Worte gegen Gewalt, Rassismus und gegen die Beschwichtigung unserer Verantwortung. Köhlmeiers Intention zieht sich durch seine Reden wie ein roter Faden. Diese Zusammenstellung ist nicht nur rhetorisch eindrucksvoll, sie ist auch voller Menschlichkeit und guter Ideen in Bezug auf Zusammenleben und Gesellschaft. (dh)

Mai Thi Nguyen-Kim Komisch, alles chemisch Droemer/Knaur, 16,99 Euro

Sina Trinkwalder Zukunft ist ein guter Ort Droemer/Knaur, 18,– Euro

Sie ist Ranga Yogeshwars Nachfolgerin als Moderatorin der Wissenssendung »Quarks & Co«, hat einen Doktortitel in Chemie und arbeitet außerdem als Wissenschaftsjournalistin. Die Harvard-Absolventin gründete den YouTube-Kanal »The Secret of Science« und startete damit den Versuch, Wissenschaft alltagsverständlich zu machen. In ihrem neuen Buch geht es genau darum. Chemie – häufig eines der unbeliebtesten Schulfächer – in all ihren Facetten begreifbar zu machen. Der eigene Tagesablauf dient dabei als roter Faden: die Chemie des Aufwachens zum Beispiel mit Melatonin- und Cortisol-Spiegel, vom richtigen Augenblick für den ersten Kaffee und warum das Chaos auf dem Schreibtisch vom Universum so gewollt ist. Und, ganz spannend: Was muss passieren, damit zwei Menschen sich mögen? Sie kennen das geflügelte Wort von der Chemie, die stimmen muss ... Dieses Buch schafft eines auf jeden Fall, nämlich Lust auf Chemie zu machen. (ts)

Sina Trinkwalder interessiert sich nur am Rande für die Ratschläge vermeintlicher Experten. Sie redet wohl mit ihnen, trifft dann aber ihre eigenen Entscheidungen. Völlig abgeraten hat man ihr zum Beispiel von der Idee einer Kleidermanufaktur, die sie mithilfe ehemals langzeitarbeitsloser Näherinnen aufbauen wollte. Sie scherte sich nicht darum, gründete die Firma, die heute mit ihren vielen Mitarbeitern nachhaltig, regional und, allen Unkenrufen zum Trotz, sehr erfolgreich Kleidung produziert und verkauft. Für dieses geglückte Experiment ist sie vielfach ausgezeichnet worden. Wenn so eine Frau über ihre Ideen von Zusammenhalt und Zusammenwirken in der Gesellschaft spricht, will man ihr gerne zuhören. Ihre Vorstellungen von Zukunft, ihre Utopien hat sie jetzt in einem Buch zusammengefasst. Sina Trinkwalder nimmt uns mit auf eine Reise in eine nicht ferne Zeit, in der Nachhaltigkeit und soziale Gerechtigkeit in der Wirtschaft die treibenden Faktoren sein sollen. Kritisch setzt sie sich mit dem Ist-Zustand unserer Gesellschaft auseinander. Da, wo andere aber Dystopien aufzeigen, dreht sie die Medaille ins Positive, zeigt Wege aus den kollabierenden Systemen hin zu einer lebenswerteren Zukunft. (ts)

Lorenz Wagner Der Junge, der zu viel fühlte. Wie ein weltbekannter Hirnforscher und sein Sohn unser Bild von Autisten für immer verändern Europa Verlag, 18,90 EUR Als Henry und Anat Markrams Sohn Kai zur Welt kommt, wird schnell klar, Kai ist Kai. Er ist besonders, manchmal muss sich die Welt um ihn drehen, damit sie sich weiter dreht. Sein Vater hatte schon als Kind den Drang zu verstehen, was mit Menschen passiert, wenn sie unter neurologischen Krankheiten leiden – sei es durch einen Unfall bedingt oder plötzlich ohne äußere Einwirkungen auftretend. Während Kai heranwächst, beobachten seine Eltern immer wieder, dass er sich so gänzlich anders entwickelt als die beiden Schwestern. Nach einer Ärzteodyssee, diversen Fehldiagnosen und medikamentösen Therapien dämmert dem berühmten Hirnforscher, dass die bisherigen Lehren auf sein Kind einfach nicht zutreffen. Mit der jungen Doktorandin Kamila macht er sich im Labor ans Werk. Mehr durch einen Zufall (und nach tiefer Verzweiflung) als durch einen Geistesblitz kann die »Theory of Mind«, nach der Autisten weniger empathisch sind, widerlegt werden. Ihre Erleichterung währt nicht lange, denn die Forschung scheint nicht bereit für die bahnbrechenden Erkenntnisse, dass die Gefühlswelt eines Autisten noch viel mehr Facetten aufweist als die eines normal entwickelten Menschen. Erst zögerlich findet der neue Ansatz einen Weg an die Öffentlichkeit und dieses so leicht verständliche wie eindrückliche Sachbuch von Lorenz Wagner über das Leben und die Arbeit der Markrams ist ein riesiger Schritt hinein in die Welt eines Autisten, um sie zumindest annähernd begreifen zu können. (mh)

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hörbuch Ulrike Beck Abenteuer & Wissen: Stephen Hawking. Der Superstar des Universums Gesprochen von Nicole Engeln, Bernd Reheuser, Thorben Kessler u.v.a. Headroom Verlag, 1 CD, 14,90 Euro »Mein Ziel ist einfach. Ich möchte das Universum ganz und gar verstehen.« Hawkings Ziel war natürlich alles andere als einfach und es ist mehr als spannend, ihn auf seinem Weg dahin zu begleiten. Die Autorin hat sich auf die Spurensuche begeben und schildert, wie die Weichen schon im Kindesalter gestellt wurden. Denn schon als kleiner Junge wollte Hawking verstehen, wie Dinge funktionieren. Er baute Modelle, die nicht die hübschesten waren, ihm war nur wichtig, dass sie das taten, was sie sollten. Seine unkonventionellen Eltern ermöglichten ihm und seinen beiden Schwestern die beste Schulbildung. Und so war es auch ein Lehrer, der schon früh sein Interesse für die Mathematik geweckt hat. Mit erst siebzehn erhält Hawking ein Stipendium in Oxford und wird dort, entgegen dem Wunsch des Vaters, er solle Medizin studieren, in Kosmologie promovieren. Bevor es aber so weit ist, erkrankt er an ALS, seine Nervenzellen werden absterben, er wird irgendwann nicht mehr sprechen können, die Ärzte geben ihm noch zwei Jahre. Es ist sicherlich seine »Jetzt erst recht«-Einstellung, die Hawking zum Vorbild vieler werden ließ. Er forschte weiter, gelangte zu neuen Kenntnissen über Schwarze Löcher, engagierte sich für den Frieden, für Umweltschutz und die Rechte Behinderter. Dieses aufwendig produzierte Hörbuch, bei dem auch ein ehemaliger Assistent Hawkings, der Professor für Astronomie und Astrophysik Dr. Jochen Weller, zu Wort kommt, ist höchst unterhaltsam, lehrreich und inspirierend für die ganze Familie. (sr)

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T. C. Boyle Das Licht Gesprochen von Florian Lukas Aus dem Englischen von Dirk van Gunsteren DHV, 1 MP3-CD, 25,– Euro Das neue Buch von Boyle ist wie immer eine ungemein lesbare Geschichte gespickt mit bis ins Detail recherchierten Fakten. Es geht um die Biografie von Timothy Leary, dem amerikanischen Psychoanalytiker, der sich in den 60er und 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts vehement für den freien Zugang zu bewusstseinsverändernden Drogen wie LSD einsetzte. Gelesen wird der hier leicht gekürzte Roman von dem Schauspieler Florian Lukas, der ihn mit seiner klaren, aber gleichzeitig fast sanften Stimme zu einem ganz besonderen Hörerlebnis macht. (ts)

Andreas Eschbach NSA – Nationales Sicherheits-Amt Gesprochen von Laura Maire Lübbe Audio, 10 CDs, 22,90 Euro Dass es die Totalüberwachung des Internets durch die NSA und andere Geheimdienste heutzutage gibt, ist seit Edward Snowden kein Geheimnis mehr. Wie weitreichend diese Überwachung ist und in die Privatsphäre eindringt, kann niemand mit Gewissheit sagen. Die Möglichkeiten für die Geheimdienste scheinen jedenfalls grenzenlos. Andreas Eschbach entwirft mit seinem neuen Roman »NSA – Nationales Sicherheits-Amt« ein schreckliches und gleichzeitig fesselndes Schreckensszenario und Gedankenspiel: Was wäre, wenn die Nazis die technischen Möglichkeiten und damit natürlich auch die Überwachungsmöglichkeiten von heute gehabt hätten? Zwei Charaktere, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Beide arbeiten für das NSA und beide versuchen eigene Vorteile aus ihrer Arbeit zu ziehen – der eine will ganz persönlichen Profit aus seiner Macht schlagen, die andere nur ihr Leben unter Kontrolle behalten. Ungeahnte Möglichkeiten, die sich durch die Überwachungstechnik für beide auftun. Es dauert nicht lang, bis auch diese beiden Opfer der Totalüberwachung werden, und eine dramatische Geschichte nimmt ihren Lauf. Laura Maire schafft es in diesem Hörbuch, durch ihre einfühlsame Stimme eine immer passende Dramaturgie und Spannung aufzubauen. Sowohl für zu Hause als auch für unterwegs im Auto eine spannende Unterhaltung. (dh)

Michel Houellebecq Serotonin Aus dem Französischen von Stephan Kleiner Ungekürzte Lesung mit Christian Berkel DAV, 1 MP3-CD, 24,– Euro Michel Houellebecq ist einer der gefragtesten und meistdiskutierten Autoren Frankreichs. Bei Erscheinen eines neuen Romans des Goncourt-Preisträgers geht jedes Mal ein aufgeregtes Beben durch die Literaturund Kritikerszene und innerhalb kürzester Zeit finden sich im Feuilleton gleichermaßen Verrisse und Lobeshymnen. An Houellebecq, so scheint es, scheiden sich die Geister. Wird er von den einen als sexistisch und rassistisch beschimpft, sprechen die anderen von dem »umwerfendsten Schriftsteller unserer Gegenwart«. Serotonin ist bekannt als Glückshormon, das als Heilmittel gegen Depressionen eingesetzt wird. Dem 46-jährigen Protagonisten Florent-Claude scheint das alles nichts zu bringen. Er beschließt, aus dem Leben zu treten, da er sich als gescheitert ansieht, das neue revolutionäre Antidepressivum Captorix nicht anschlägt und ihm lediglich die Nerven und seine Libido raubt. Was vor dem geplanten Suizid erfolgt, ist ein Abwickeln seines bisherigen Lebens. Er kündigt seinen Job und löst seine Wohnung sowie sämtliche Beziehungen auf. Er zieht eine knallharte Bilanz ... Houellebecqs gnadenloser Roman wird von dem Schauspieler Christian Berkel, der mittlerweile selbst auch Autor ist, kongenial gelesen – bissig, lakonisch und mit sonorer Stimme interpretiert er den Text einfach großartig. (es)


hörbuch

Francesca Melandri Alle, außer mir Gelesen von Gabriele Blum Aus dem Italienischen von Esther Hansen Argon Verlag, 3 MP3-CDs, 29,95 Euro

Siri Pettersen Die Rabenringe. Odinskind & Fäulnis Aus dem Norwegischen von Dagmar Mißfeldt und Dagmar Lendt Gesprochen von Konstantin Graudus Hörcompany, jeweils 29,95 EUR

Silke Vry Verborgene Schätze, versunkene Welten. Große Archäologen und ihre Entdeckungen Gesprochen von Gerhard Garbers Hörcompany, 4 CDs, 18,95 Euro

Bob Woodward Furcht Gelesen von Richard Barenberg Aus dem Englischen von Sylvia Bieker, Pieke Biermann, Gisela Fichtl, Thomas Gunkel, Stephan Kleiner, Hainer Kober, Monika Köpfer, Elisabeth Liebl, Stefanie Römer, Karl Heinz Siber, Karsten Singelmann, Peter Torberg, Henriette Zeltner Argon Hörbuch, 2 MP3-CDs, 24,95 Euro

Mit Leichtigkeit liest Gabriele Blum jenes Buch, das im Herbst letzten Jahres vom unabhängigen Buchhandel zum Lieblingsbuch gekürt wurde. Klar und federnd interpretiert die Hörbuchsprecherin mit ihrer Stimme den Roman und kontrastiert somit die menschlichen Abgründe mehr als deutlich. Was, wenn man glaubt, den eigenen Vater zu kennen, und sich herausstellt, dass dieser mehr als ein bitteres Geheimnis hat? So ergeht es der Lehrerin Ilaria, als sie feststellt, dass ihr Vater nicht nur eine weitere Familie hat, sondern auch massiv in Italiens Kolonialbestrebungen verwickelt und nicht, wie behauptet, Widerstandskämpfer gegen Mussolini war. Francesgca Melandri zeichnet ein schonungsloses Porträt Italiens des 20. Jahrhunderts und schlägt dabei den Bogen zwischen der italienischen Kolonialgeschichte und heutigen Migrationsbewegungen. Dieses vielschichtige Hörbuch vereint Familiendrama, Dokumentation und Politthriller. (es)

»Das Odinskind« ist der Auftakt der Saga um die »Rabenringe«, die sich nahtlos zwischen großen Fantasyklassikern einreihen darf. Hirka wächst als schwanzloses Findelkind in einer mythischen Welt auf. Ihr Ziehvater will die Andersartigkeit des Mädchens verheimlichen, denn die Legenden lassen erahnen, dass nur Odinskinder ohne Schwanz auf der Erde wandeln können, und die Herrschenden sowie das Volk fürchten diese Geschöpfe. Die ureigene Magie des Umarmens ist Hirka fremd, so ist sie in größter Angst, was ihr nach dem Stichtag des Rituals im großen Saal vor dem mächtigen Seher als Strafe bevorsteht. In der Hörbuchvariante hat Konstantin Graudus diese fremdartige, verwunschene Welt ganz wunderbar stimmlich eingefangen. Im Frühjahr ist mit »Fäulnis« endlich die Fortsetzung erschienen, in der Hirkas Reise weitergeht, und noch dieses Jahr wird der finale dritte Teil den Fans die Auflösung des großen norwegischen Epos bescheren. (mh)

Auf Entdeckungsreise gehen, die entlegensten Gebiete erkunden und dabei sagenumwobene Schätze finden, ohne die heimischen vier Wände zu verlassen, gelingt prima mit diesem Hörbuch. Mit seiner ruhigen, sonoren Stimme entführt der Schauspieler und Sprecher Gerhard Garbers die Zuhörer nach Rom, wo wir die Entdeckung der Laokoon-Gruppe, einer Marmorskulptur aus römischer Zeit, miterleben. Und auf die Osterinsel mit ihren monumentalen Skulpturen aus Stein, im Südostpazifik gelegen und 1722 von dem Niederländer Jakob Roggeveen entdeckt. Angkor Wat in Kambodscha, die alten Stätten der Maja, das Grab Tutenchamuns in Ägypten oder die 1974 entdeckte Terrakottaarmee in China sind nur einige wenige Stationen auf dieser außergewöhnlichen Reise durch die Geschichte und über die Kontinente. (sr)

Bob Woodward ist wohl einer der berühmtesten Reporter unserer Zeit, seit er, für die Washington Post arbeitend, im Alter von gerade einmal dreißig Jahren in der sogenannten Watergate-Affäre Präsident Nixon zum Rücktritt zwang. Das ist lange her, die Hartnäckigkeit, die Bissigkeit und der Scharfsinn sind ihm auch als mittlerweile über Siebzigjährigem immer erhalten geblieben. So wurde sein Porträt über den derzeit amtierenden amerikanischen Präsidenten mit großer Spannung erwartet und – Sie werden es vermuten – er zeichnet ein äußerst düsteres Bild von den Geschehnissen im Weißen Haus. Richard Barenberg, Schauspieler und Sprecher, liest dieses Buch mit vorsichtiger Distanz und einer großen Sachlichkeit. Es ist wohl die einzige Chance, einem Bericht von derartiger Tragweite gerecht zu werden. (ts)

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krimis I. L. Callis Im Jahr der Finsternis Emons Verlag, 22,– Euro Europa am Abgrund. Zumindest wünschen sich das die Entführer der Tochter von Viktor Hellberg. Der Anwalt gerät zunehmend unter Druck. Die Entführer drohen damit, seine Tochter umzubringen, wenn er nicht kooperiert. Die Verbrecher entpuppen sich als Terroristen und verlangen Dokumente aus dem Nachlass seiner kürzlich verstorbenen Mutter. Brisantes Material, das kurz vor den Wahlen zum EU-Parlament verheerende Sprengkraft besitzt. Es steht viel auf dem Spiel. Nicht nur das Leben von Viktor Hellbergs Tochter, auch die Zukunft der Demokratie, wie wir sie kennen. I. L. Callis entwirft in diesem packenden Thriller ein realistisches Schreckensszenario, das in der nahen Zukunft spielt. Dabei greift sie auf wirklichkeitsnahe und aktuelle politische Konstellationen mit Wiedererkennungswert zurück. (dh)

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Tana French Der dunkle Garten Aus dem Englischen von Ulrike Wasel und Klaus Timmermann Fischer Scherz, 16,99 Euro Ein intaktes Elternhaus, ein interessanter Job, eine glückliche Beziehung und gute Freunde, Toby Hennessy führt in Dublin ein sorgenfreies Leben. Bis eine Nacht sein Leben für immer verändert. Toby überrascht zwei Einbrecher in seiner Wohnung und wird brutal zusammengeschlagen. Er überlebt den Überfall nur knapp, trägt neurologische Schäden davon und leidet fortan unter Angstzuständen. Der versehrte Toby zieht in das alte Anwesen der Familie, das Ivy Haus, um dort seinem sterbenden Onkel Hugo Gesellschaft zu leisten. Als bei einem Familientreffen im Garten in einem hohlen Baumstamm ein menschlicher Schädel gefunden wird, geraten die Familienmitglieder unter Mordverdacht. Und Toby muss feststellen, dass er durch die Folgen des Überfalls seinen eigenen Erinnerungen nicht mehr trauen kann. Mit dem Ich-Erzähler Toby steht in Tana Frenchs neuem Kriminalroman dieses Mal kein klassischer Ermittler im Mittelpunkt, sondern ein junger Mann, der einerseits Opfer und andererseits Verdächtiger ist. Ein literarischer, sprachlich brillanter und subtil spannender Krimi. (ks)

Linus Geschke Tannenstein dtv, 15,90 Euro Man muss keinen literarisch ausformulierten Roman schreiben, um ein guter Thrillerautor zu sein. Linus Geschke tritt den Beweis an. Tannenstein, ein fast verlassener Ort in Sachsen nahe der tschechischen Grenze. Hier wird in einer Nacht die halbe Bevölkerung von einem Unbekannten ausgelöscht. Profimäßig hingerichtet, ohne auch nur eine Andeutung von einem Motiv. Und der mutmaßliche Mörder, der in Polizeikreisen nur der Wanderer genannt wird, tötet weiter, als wäre er auf einem unsichtbaren Rachefeldzug. Ein Tankwart fällt ihm zum Opfer, ein Bordellbesitzer, eine Immobilienmaklerin. Ganz allmählich kann sich der Leser einen Reim auf all die Attacken machen, erkennt einen Zusammenhang zwischen Menschenhandel, Prostitution, Russenmafia und ahnt die Verstrickung der Polizei. Wie gesagt, literarisch eher mittelmäßig. Hat man aber einmal angefangen zu lesen, hört man nicht mehr auf, der Plot übt einen wahren Sog aus. Versprochen! (ts)

Un-Su Kim Die Plotter Aus dem Englischen von Rainer Schmidt Europa Verlag, 24,– Euro Skandinavische Thriller kennt wohl jeder, aber koreanische? Un-Su Kim entführt uns in die Welt von Korruption, Auftragsmorden, angeordnet von höchster Stelle, und Killern, die sich nur den Gesetzen des Marktes unterwerfen. Raeseng ist Killer. Auftragsmörder. Beruf und Berufung gehen dabei einher, seit er von Old Racoon als Kind aufgenommen wurde. Er hat ihm das Handwerk beigebracht. Jetzt lebt Raeseng versteckt an einem Seouler Rückzugsort, einer alten Bibliothek voller alter Bräuche. Er gehört zur Killer-Elite des Landes. Denn Old Racoon ist ein sogenannter Plotter. Er plante alle politisch angeordneten Morde der letzten Jahrzehnte. Doch seine Macht bröckelt im gleichen Maße, wie die Autorität der Diktatur schwindet. Als Raeseng vom angeordneten Plan des Plotters abweicht, eskaliert die Situation und Raeseng wird zum Ziel Nummer eins ... (ts)


krimis

Camilla Läckberg Golden Cage Aus dem Schwedischen von Katrin Frey List Verlag, 17,99 Euro Fayes Leben kreist um ihren Ehemann, den erfolgreichen Unternehmer Jack Adelheim. Ihm zu gefallen, scheint ihr einziges Gebot zu sein. Dabei hatte Faye selbst eine große Zukunft vor sich. Als super Studentin an der Handelshochschule hätten ihr alle Türen offengestanden. Doch Faye hat sich für Jacks Karriere entschieden, dafür, ihm den Rücken freizuhalten, eine sexy Ehefrau und fürsorgliche Mutter der gemeinsamen Tochter Julienne zu sein. Aber das scheint Jack nicht mehr zu reichen. Er straft sie mit Verachtung, egal, was Faye unternimmt. Als er sie schließlich vor die Tür setzt und die Scheidung einreicht, erwacht ihr Kampfgeist. Faye setzt alles daran, ihrem Mann das zu nehmen, was ihm am wichtigsten ist: seinen Erfolg! Doch als Julienne aus Jacks Obhut spurlos verschwindet und die Polizei ihre Blutspuren in seiner Wohnung findet, nimmt die Geschichte eine unerwartete Wendung. Camilla Läckberg hat mit »Golden Cage« ihren ersten Psychothriller geschrieben. Die Figuren – der manipulative Ehemann, die hörige, um Anerkennung bettelnde Ehefrau – fesseln den Leser von der ersten bis zur letzten Seite. (an)

Ursula Poznanski Vanitas. Schwarz wie Erde Knaur, 14,99 EUR In der neuen Reihe der Bestsellerautorin geht es in ihre Heimatstadt Wien. Hier versteckt sich Carolin, getarnt als Blumenhändlerin, vor ihren Gegenspielern aus Zeiten ihrer verdeckten Ermittlungen für die Polizei. In der Sprache der Blumen fühlt sich Carolin zu Hause, unter anderem kommuniziert sie so mit ihren Auftraggebern. Doch auch die bösen Mächte haben diesen Weg für ihre Botschaften entdeckt. Es ist wirklich perfide und beängstigend, wie sehr Ursula Poznanski ihre Leser in den Kopf ihrer Protagonistin blicken lässt, die omnipräsente Bedrohung ist in jeder Zeile greifbar. Nur häppchenweise lässt sie an die Oberfläche dringen, weshalb Carolin so auf ihre Sicherheit bedacht sein muss. Über allem schwebt eine tödliche Atmosphäre, die durch das Setting auf dem Friedhof unterstrichen wird. Ein vielversprechender Auftakt und eine Hauptfigur, über die wir in einer Fortsetzung hoffentlich bald noch mehr erfahren werden. (mh)

Don Winslow Jahre des Jägers Aus dem Englischen von Conny Lösch Droemer/Knaur, 26,– Euro Die Fangemeinde von Don Winslow wartet sehnsüchtig auf den dritten Teil und das furiose Finale des Epos über den mexikanisch-amerikanischen Drogenkrieg. Protagonist Art Keller von der US-Drogenfahndung steht vor einer schweren Aufgabe. Die amerikanische Drogenpolitik ist gescheitert. Die Folgen: immer mehr Heroin im Land, die Zahl der Abhängigen und einhergehend die Zahl der Drogentoten ist dramatisch gestiegen. Die mächtige mexikanische Drogenmafia versucht, Einfluss auf das Weiße Haus zu nehmen. Hier ist seit Monaten ein neuer, äußerst umstrittener Präsident an der Macht. Nach »Tage der Toten« und »Das Kartell« der krönende Abschluss und ein fulminanter Showdown. (ts)

Jeong Yu-Jeong Der gute Sohn Aus dem Koreanischen von Kyong-Hae Flügel Unionsverlag, 19,– Euro Früher arbeitete sie als Krankenschwester, heute wird Jeong Yu-Jeong als Koreas Stephen King gehandelt. Düster sind ihre Thriller, spannend und blutig. Eigentlich ist Yu-jin perfekt. Ein Number-one-Schüler, sportlich ein Ass, der beste Schwimmer seines Jahrgangs, der allerliebste Sohn ohnehin. Die Geschichte lässt aber gleich zu Beginn an all dem zweifeln: Yu-jin erwacht nachts blutüberströmt, folgt den blutigen Spuren durchs Treppenhaus und findet seine Mutter im Wohnzimmer mit sauber durchtrennter Kehle. Eine Erinnerung an die Stunden zuvor hat er keine. Als Täter fühlt er sich nicht, obwohl alle Indizien auf ihn deuten. Mühsam versucht er, aus Bruchstücken und Zerrbildern ein stimmiges Gesamtbild zusammenzusetzen … Das Buch bleibt spannend bis zum Schluss und der Leser hat keine Chance, dem Grauen zu entkommen. (ts)

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Bücher ohne Verfallsdatum 46

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Gioconda Belli Bewohnte Frau Aus dem nicaraguanischen Spanisch von Lutz Kliche dtv, 11,95 Euro

Nicholas Christopher Eine Reise zu den Sternen Aus dem Englischen von Roberto de Hollanda und Pociao dtv, 12,90 Euro

Carlos Ruiz Zafón Der Schatten des Windes Aus dem Spanischen von Peter Schwaar S. Fischer Verlag, 10,99 Euro

Bernard MacLaverty Cal Aus dem Englischen von Nikolaus Stingl Diogenes Verlag, 12,– Euro

Gioconda Belli, in Managua geboren, ist eine der meistgelesenen Autorinnen Lateinamerikas. 1970 beteiligte sie sich am Widerstand der Sandinisten gegen die Somoza-Diktatur und ging 1975 ins Exil. Mit dem Roman »Bewohnte Frau« gelang ihr 1988 der internationale Durchbruch und ihre zahlreichen Lyrikbände, Romane und auch ihre Autobiografie begeisterten viele Leser. Nach mehreren Jahren in den USA lebt sie mit ihrer Familie heute wieder in Nicaragua. Lavinia, eine junge Frau aus wohlhabender Familie, kehrt nach dem Architekturstudium aus Italien zurück. Gleich am Anfang verliebt sie sich in Felipe Iturbe. Sie kommen sich näher und dennoch hält Felipe irgendetwas vor ihr geheim. Als er eines Nachts einen angeschossenen Freund zu ihr nach Hause bringt, wird ihr bewusst, dass er der Nationalen Befreiungsbewegung gegen die Diktatur angehört. Lavinia ist verzweifelt und findet ihren Weg, um diese schwierige Situation zu bewältigen. Sie vertraut ihre Gefühle dem Orangenbaum in ihrem Garten an, der ein großes Geheimnis birgt. Lavinia hat sich mit der indianischen Widerstandskämpferin Itza, die im 16. Jahrhundert lebte, verbunden. Itzas Geist nimmt Lavinia durch die Früchte des Orangenbaums auf und wird dann ihren Weg gehen, um auch aktiv am Widerstand teilzunehmen. Es ist ein spannender südamerikanischer Gesellschaftsroman, der in den 70er Jahren spielt, und gleichzeitig eine mythologische gefühlvolle Liebesgeschichte. (mr)

Loren, ein verwaister zehnjähriger Junge, hat nur noch seine unwesentlich ältere Tante Alma, die sich um ihn kümmern kann. Die beiden nähern sich an, als sie feststellen, dass sie eine gemeinsame Liebe zu den Sternen haben, und besuchen eine Show im New Yorker Planetarium. Am Ende der Vorstellung findet sich Loren an der Hand einer fremden Frau wieder, die ihn zu einer Limousine führt und mit ihm verschwindet. Er hinterlässt eine völlig verzweifelte Alma. Es wird fünfzehn Jahre dauern, ehe sich die beiden wiedersehen. Der Roman erzählt die dramatischen Stationen in dieser Zeit immer abwechselnd aus der Perspektive des Jungen und seiner Tante. Christophers Roman sprüht nur so vor Einfallsreichtum und bleibt spannend und geheimnisvoll bis zum Schluss. (ts)

Auf der Suche nach passenden Adjektiven für diesen Roman muss man feststellen, dass man ohne die üblichen Vokabeln wie atemberaubend, magisch, spannend, mysteriös und fesselnd nicht herumkommt. Der Unterschied ist, dass sie bei diesem Buch zu hundert Prozent zutreffen. Die kleine familiengeführte Buchhandlung im Herzen von Barcelona ist Dreh- und Angelpunkt des Familienlebens der Familie Sempere. Daniel, der Sohn des Buchhändlers, wird nach und nach in die Feinheiten der Bücherwelt eingeführt und eines Tages wird er von seinem Vater in eine ganz besondere Bibliothek mitgenommen, den »Friedhof der vergessenen Bücher«. Hier bewahren Bibliothekare Einzelexemplare von Büchern auf, die, aus den verschiedensten Gründen, von der Bildfläche zu verschwinden drohen. Daniel soll sich ein Buch aus dieser Bibliothek aussuchen, es behüten und bewahren. Als er seine Wahl trifft, ahnt er noch nicht, dass diese Geschichte sein ganzes Leben auf den Kopf stellen wird. Denn je tiefer er in diese Geschichte und die Recherche rund um den Autor und die Charaktere eintaucht, desto bedrohlicher und gefährlicher wird es für alle Beteiligten. Daniel erlebt hier das Abenteuer seines Lebens und findet sich auf einmal in einer Ermittlung zu Verbrechen aus der Zeit des Spanischen Bürgerkrieges wieder. Ein Stich in ein Wespennest. (dh)

Nordirland während des Bürgerkrieges. Cal, ein junger Katholik, gerät mehr aus Langeweile denn aus Überzeugung in die Fänge der IRA. Bei einem Mordanschlag auf einen protestantischen Offizier macht er sich als Fahrer des Fluchtautos mitschuldig. Monate nach dem Ereignis verliebt sich Cal in eine Frau, die einige Jahre älter ist als er. Schnell wird ihm klar, dass es sich bei der überaus attraktiven Marcella um die Frau des getöteten Soldaten handelt. Fortan ist der Junge zerrissen zwischen Aufrichtigkeit und Verdrängen, zwischen Liebe und Schuld. »Cal« ist ein grandioser Roman, der auch nach Jahren der relativen Ruhe in Nordirland nichts von seiner Aktualität eingebüßt hat. In der Sprache zurückhaltend, nie reißerisch, in der Thematik fast universell. »Cal« ist in den 80er Jahren kongenial verfilmt worden. Allein die Filmmusik des damals jungen Mark Knopfler macht den Film schon sehens- beziehungsweise hörenswert. (ts)

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Vordergründig ein Krimi, ist Håkan Nessers Roman jedoch viel mehr. Nicht umsonst ist er in seinem Heimatland lange schon Schullektüre. Schweden in den 60er Jahren. Ein Sommerhaus an einem der unzähligen Seen. Aus verschiedenen Gründen sollen Erik und sein Freund Edmund hier ihre Ferien verbringen, nur ein wenig beaufsichtigt von Eriks älterem Bruder. Als der eines Abends mit seiner neuen Freundin ins Ferienhaus kommt, staunen die beiden nicht schlecht, ist es doch die äußerst attraktive Ewa Kaludis, eine Lehrerin, die sie in den letzten Schultagen unterrichtete. Eigentlich, das wissen die beiden, ist Ewa mit einem ziemlich brutalen Handballspieler liiert, den alle nur Kanonen-Berra nennen. Komplikationen sind also vorprogrammiert. Kurze Zeit später wird Kanonen-Berra in unmittelbarer Nähe des Sommerhauses tot aufgefunden: Er wurde mit einem Hammer erschlagen. Die Idylle am See endet abrupt, der Bruder wird verhaftet, die beiden Freunde werden pausenlos verhört, ein Täter wird nie ermittelt. Erst zehn Jahre später erscheint ein kleines Büchlein, in dem Nesser verrät, warum er den Täter nie nennen durfte. Auch »Die Wahrheit über Kim Novak und den Mord an Berra Albertsson« ist immer noch lieferbar und eigentlich genauso Pflichtlektüre. (ts)

David Guterson Schnee, der auf Zedern fällt Aus dem Amerikanischen von Christa Krüger dtv, 11,90 Euro Eine Szenerie, die vielleicht fremd, zu fremd sein könnte: eine kleine amerikanische Inselgruppe im Pazifik nahe der kanadischen Grenze, ein Streit zwischen einem deutschstämmigen Amerikaner und einem Japaner, Lachsfischerei und Erdbeerernte. Nicht gerade erfolgversprechend für ein spannendes Buch. Dann fängt man an zu lesen und kann ab Seite eins nicht mehr aufhören. Der Lachsfischer Kabuo Miyamoto sitzt wegen Mordes an seinem Kollegen Carl Heine auf der Anklagebank. Der stolze Japaner beteuert seine Unschuld und bleibt stumm, die Indizien und Zeugenaussagen sprechen gegen ihn. Er wird wohl verurteilt werden. Plötzlich findet der örtliche Reporter entlastendes Material, doch wird er damit an die Öffentlichkeit gehen? Eine Verurteilung käme ihm nicht ungelegen, schließlich hatte er ein Verhältnis mit Kabuos Frau und der Weg für einen Neuanfang wäre geebnet ... Literarisch hervorragend und spannend über mehr als 500 Seiten. (ts)

Juri Rytchëu Traum im Polarnebel Aus dem Russischen von Arno Specht Unionsverlag, 14,95 Euro

Rafik Schami Erzähler der Nacht Beltz Verlag, 9,95 Euro

Ein Expeditionsschiff liegt zu Beginn des Ersten Weltkrieges vor Tschukotka im äußersten Nordosten Russlands im Eis fest. Da die Fahrrinne nur wenige Meter entfernt ist, versucht die Mannschaft, den Weg dorthin freizusprengen. Bei diesem Manöver verletzt sich der Kanadier MacLennan so schwer, dass er unbedingt im Krankenhaus behandelt werden muss. Nur das liegt mehrere Tage mit dem Hundeschlitten entfernt. Widerwillig vertraut er sich drei »Wilden« an, die sich bereit erklären, ihn dorthin zu bringen. Die Mannschaft wolle warten, wird ihm versichert. Unterwegs bekommt der Mann Wundbrand und ihm werden von einer Schamanin Teile der Hand amputiert, seine einzige Chance zu überleben. Zurück an der Küste, stellt er fest, dass das Forschungsschiff verschwunden ist, und er muss bei den Ureinwohnern, den Tschuktschen, bleiben – mindestens für ein Jahr. MacLennan lernt eine Menge in dieser Zeit, und als das Schiff zurückkehrt, stellt sich die große Frage, ob er an Bord geht oder für immer in der rauen Wildnis bleibt. Juri Rytchëu war der erste Tschuktsche, der Lesen und Schreiben gelernt hat. Nach seinem Studium in St. Petersburg kümmerte er sich literarisch immer um die Belange seines Volkes. (ts)

Damaskus in den 50er Jahren. Kutscher Salim versammelt jeden Abend sieben ältere Herren um sich, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Da ist ein Schmied, ein Friseur, ein ehemaliger Minister, ein Emigrant, ein Ex-Häftling. Sie hocken zusammen und erzählen sich Geschichten. Eines Nachts erscheint dem besten aller Geschichtenerzähler, dem Kutscher, eine Fee, die ihm zu verstehen gibt, dass er keine Sprache mehr habe und nur sieben besondere Geschenke ihm die Zunge wieder lösen könnten. Umständlich erklärt sich Salim seinen Freunden, die ihn zunächst für verrückt halten. Tatsache ist aber, er bringt kein einziges Wort mehr heraus und die Sorge wächst, er könne möglicherweise nie wieder reden. Also machen sich seine Freunde auf die Suche und kurz vor Ablauf einer Frist wird ihnen klar, dass es natürlich nur sieben zauberhafte Geschichten sein können, die Salim retten werden. In sieben Nächten erzählt nun jeder der sieben Herren seine ureigene Geschichte. Ob es reichen wird? Mit dem Roman »Erzähler der Nacht« gelang Rafik Schami vor dreißig Jahren sein literarischer Durchbruch. Noch heute füllt er große Säle, wenn er zu seinen Erzählabenden einlädt. Ein großartiges Vergnügen. (ts)

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Bücher ohne Verfallsdatum

Håkan Nesser Kim Novak badete nie im See von Genezareth Aus dem Schwedischen von Christel Hildebrandt btb, 9,99 Euro

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Besondere Bücher

Arnulf Conradi Zen und die Kunst der Vogelbeobachtung Kunstmann Verlag, 20,– Euro

William Frame & Laura Walker James Cook. Die Reisen Aus dem Englischen von Kai Kilian Gerstenberg Verlag, 34,– Euro

Ruhe, Kontemplation und Gelassenheit empfindet der eine, wenn er ein Motorrad wartet, der andere beim Bogenschießen, Arnulf Conradi aber beim Beobachten von Vögeln. Mit fünf Jahren bekam er ein erstes Fernglas geschenkt, seitdem macht er in seiner Freizeit kaum etwas lieber, als Vögel in freier Wildbahn zu erleben. Darüber hat der frühere Verleger des Berlin Verlages jetzt ein Buch geschrieben, das der Kunstmann Verlag zu einer kleinen Kostbarkeit gemacht hat. Conradi beschreibt Vögel dort, wo er sie antrifft: in der Uckermark, in den Alpen, im Wattenmeer oder auf Helgoland. Das macht er genauso informativ wie in einer außerordentlich poetischen Sprache. Nicht abgehoben, einfach nur schön. »Das Erlebnis, den Vogel in seiner Schönheit und Lebendigkeit wahrzunehmen, ist wie eine Senkrechte in der Zeit. In dem Moment gibt es nichts anderes, du bist ganz im Hier und Jetzt.« Arnulf Conradi (ts)

Die Geschichten der großen Entdecker und Forscher feiern eine kleine Renaissance. Alexander von Humboldt, Roald Amundsen, James Cook: Die geschichtsträchtigen See- und Forschungsfahrten dieser Entdecker bieten auch heute noch Stoff für atemberaubende Lektüre. Die British Library in London ist im Besitz der weltweit meisten Aufzeichnungen und Bilder des Entdeckers James Cook. Auf seinen Reisen in die Südsee hatte der Brite nicht nur sehr tüchtige Seeleute und Abenteurer mit an Bord, sondern ebenso fähige Zeichner, Maler und Gelehrte, die den Auftrag hatten, alle Erlebnisse und Entdeckungen genauestens zu dokumentieren. Dabei ist eine umfangreiche Sammlung entstanden, die in diesem wunderbaren Band aufgearbeitet und wiedergegeben wird. Neben Abbildungen der Originalzeichnungen sind natürlich auch Tage- und Logbuch-Einträge mit dabei, die es aus heutiger Sicht noch unwahrscheinlicher wirken lassen, dass diese Menschen so gefährliche Reisen überhaupt überstehen konnten. Eine Reise in die Vergangenheit, in die Zeit der großen Abenteurer. (dh)

Philipp Laage Vom Glück zu Reisen Reisedepeschen Verlag, 19,50 Euro

Nora Krug Heimat. Ein deutsches Familienalbum Penguin Verlag, 28,– Euro Nora Krugs Familienalbum ist eine literarisch-grafische Perle, und zwar eine sehr seltene – Graphik Novel, Tagebuch, Skizzenblock und Geschichtsbuch auf einmal. Krug vermischt in diesem Album sehr geschickt Erlebtes und in der Familie Überliefertes mit harten historischen Fakten: Was hatte Großvaters Fahrschule mit dem jüdischen Unternehmer zu tun, dessen Chauffeur er vor dem Krieg gewesen war? Was sagen die Schulaufsätze ihres Onkels, der mit 18 als Frontsoldat starb, über sein Verhältnis zum Führer? Wo begegnet der Autorin schmerzliche deutsche Vergangenheit, obwohl sie erst 1977 geboren wurde? Wieso hat sie so große Schwierigkeiten mit dem Begriff Heimat? Am Schluss hinterlässt dieses Buch mehr Fragen als Antworten. Großformatig, Halbleinen und offenbar jahrelange akribische Arbeit. Ein Lebenswerk. (ts)

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Die Fragen sind nicht neu: Was zeichnet eine gute Reise aus? Welche Sehenswürdigkeiten lässt man besser aus auf seiner Tour? Gibt es ein Paradies und wie kann ich es finden? Was ist noch authentisch? Und warum sieht der Geheimtipp auf Instagram immer besser aus als in Wirklichkeit? Philipp Laage ist als Reisejournalist ständig unterwegs. Er beschreibt in dem grafisch sehr ansprechenden Buch, wie er in Malawi den perfekten Ort für die Liebe gefunden hat, das Beiruter Nachtleben oder die Besteigung eines noch aktiven Vulkans – immer auf der Suche nach einer Antwort auf die Frage, die er sich immer stellt: Wann macht Reisen glücklich? Oder macht schon die Tatsache, unterwegs zu sein, glücklich? (ts)


Zwei Freunde. Der eine kauft ein Haus im österreichischen Waldviertel, der andere berät ihn, was aus diesem Haus entsorgt werden kann und was man besser aufhebt. Beim näheren Betrachten des Inventars kommen sie aus dem Staunen nicht mehr heraus. Die beiden Vorbesitzerinnen, die Cousinen Hilde und Gretl, die über viele Jahrzehnte hier ein eheähnliches Leben geführt haben, waren Sammlerinnen. Möbel, Briefe, Souvenirs, Tausende Notizzettel, kleinste Kleinigkeiten, nichts kam auf die Müllkippe, alles wurde mühsam sortiert, drapiert, in Aberdutzenden Stäpelchen aufbewahrt. Leitner und Coeln betrachten ihr Haus als Museum und beginnen sich einen Überblick zu verschaffen, zu archivieren, zu fotografieren. Mosaikartig setzen sie den Alltag zweier ungewöhnlicher alter Damen zusammen, und wenn irgendjemand sie fragt, was sie eigentlich aus ihrem neuen Haus machen, antworten sie unisono: ein Buch. Das liegt jetzt bei Brandstätter vor, und obwohl es aufwendig gestaltet ist, hat es seinen Werkstattcharakter nicht verloren. Offener Buchrücken, graue Pappdeckel mit Prägung – sehr stilvoll. Der Inhalt spiegelt das Haus wider, so, wie die beiden es vorgefunden haben. Ein seltenes Stück Zeit- und Alltagsgeschichte ist so auf das Sympathischste katalogisiert und dokumentiert worden. (ts)

Andrea Servert Alonso-Misol / Robert Klanten / Tessa Pearson Kitchen Living Aus dem Englischen von Katrin Höller Die Gestalten Verlag, 39,90 Euro Heutzutage ist die Küche das Herzstück eines Hauses. Dort werden Lebensmittel mit Liebe in Nahrhaftes verwandelt. Mahlzeiten werden miteinander geteilt, denn wir wollen entschleunigt genießen. Kochen und Essen ist sichtbarer, als es noch vor einem Jahrhundert war. Deswegen soll die Küche funktional sein und gut aussehen. Dieser Bildband kann viel Arbeit zur Folge haben, denn er inspiriert mit seinen wertvollen Ideen und Ratschlägen zur Umgestaltung der eigenen Küche. Ob offen oder kompakt, Küchentempel oder Kitchenette, die Wohnbeispiele maßgefertigter Küchen zeigen die Verwendung außergewöhnlicher Materialien und verschiedene Stile von Küchenspezialisten, Gastro-Journalisten und Food-Fotografen. Sagen Sie nicht, dass Sie nicht gewarnt wurden … (mn)

Alexander von Humboldt Tierleben Friedenauer Presse, 24,– Euro

Conny Wagner Seelenschmeichelei Hölker Verlag, 26,– Euro

Die Aufgaben, die sich der Verlag seit 1963 stellt, spiegeln sich in seinen Büchern wider: Texte, die noch nicht übersetzt, aber es wert sind, dem Vergessen entrissen zu werden, den Lesern zugänglich zu machen und, bitte schön, immer auf eine sorgfältige Buchgestaltung zu achten, ohne gleich Luxusprodukte herstellen zu wollen. Da kommt das Humboldt’sche »Tierleben« zum 250. Geburtstag des berühmten deutschen Naturforschers gerade recht. Die Ergebnisse seiner Amerikareise, die er von 1799 bis 1804 unternahm, revolutionierten den Blick der Alten auf die Neue Welt. Von den Tieren, die er beschrieb, hatte nämlich noch nie jemand gehört, geschweige denn hatte irgendjemand eines gesehen. Ein Meilenstein in der Zoologie. Der kleine – und wie oben erwähnt – wohlgestaltete Band zeigt sechzehn Tierzeichnungen, und die Beschreibungen untermauern erneut das enorme breit gefächerte Können von Humboldts. (ts)

Conny Wagner ist gelernte Werbetexterin. Die gebürtige Nürnbergerin ist fest überzeugt, dass Menschen, die gern genießen, die angenehmeren Menschen sind. Seit 2013 bloggt sie auf seelenschmeichelei.de über wunderbare Sachen, die Auge und Gaumen erfreuen. Conny Wagner hat versucht, für fast jede Stimmungslage Rezepte zusammenzustellen. Mal sind sie ganz einfach, mal etwas aufwendiger, doch oft mit überraschenden Geschmackskombinationen. Wie schmeckt Glück? Nach einer dampfenden Schüssel Suppe? Nach einem Teller Nudeln mit Parmesan und anschließend einer bittersüßen Schokoladentarte? Das Rezept auf der Seite 17, die Grüne Pasta, macht einfach nur glücklich und die Schokoladentarte ein paar Seiten weiter setzt noch einen drauf. Oder Fernweh, wie schmeckt das? Fremde Kulturen lernt man am besten mit dem Gaumen kennen. Aus Vietnam bekommen wir das Rezept »Bun Bo Nam Bo«, aus Israel »Grüne Shakshuka« und aus Südafrika kann »Bobotie« nachgekocht werden. Dieses Buch wird ganz sicher viele Leute glücklich machen, es steckt voller Inspirationen und eignet sich natürlich auch prima als Geschenk. (mr)

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Besondere Bücher

Tarek Leitner / Peter Coeln (Fotos) Hilde & Gretl. Über den Wert der Dinge Brandstätter Verlag, 25,– Euro

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Foto:© Uwe Kalkowski

Ein Foto und seine Geschichte

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Mitten im Raum stand der Sessel. Ein wuchtiges Ding, das dazu einlud, es sich darin mit einem Buch bequem zu machen. Der Fußboden war übersät mit Mörtelbrocken und Glasscherben, die Wände waren vollgesprüht mit Graffiti, in einer Ecke lagen angekohlte Holzstücke und durch die eingeschlagenen Fenster wehte ein eiskalter Wind. Und doch ratterte beim Anblick dieses Sessels sofort das Kopfkino los. Wie mochte er wohl an diesen Platz gekommen sein? Aber vielleicht sollte ich zuvor die Frage beantworten, wo wir eigentlich gerade sind. Vor Jahren hatte ich in Leipzig studiert und in dieser Zeit diese Stadt kennen- und lieben gelernt. Damals konnte ich nicht genug davon bekommen, mit Fotoapparat durch verfallene Industriepaläste aus der Gründerzeit zu streifen; Ruinen, doch stolz noch im Verfall. Nun lebe ich in Köln, aber die Leipziger Buchmesse lasse ich mir nie entgehen und verbinde sie stets mit einem Besuch bei alten Freunden. So auch im März 2013, als wir durch Leipzig-Plagwitz fuhren und vor einer imposanten Industrieruine anhielten. Es war kalt, überall lag Schnee und das Nachmittagslicht war perfekt. Eine tief stehende Sonne, die das große Gebäude in erdig-warme Farben tauchte. Wir kletterten hinein, es war eine schon fast magische Stimmung. Dann betrat ich eine der ehemaligen Maschinenhallen, unter den Sohlen knirschte der Schutt – und jener Sessel stand vor mir. Oder vielmehr ich vor ihm, denn er sah so aus, als würde er genau an diesen Platz gehören. Was könnte man alles aus diesem maroden Palast machen? Ein Gedanke nach dem andern schoss mir beim Anblick des Sessels durch den Kopf. Eine Buchhandlung sollte es sein, an allen Wänden der Fabrikhallen Bücher, Bücher, Bücher, großzügig präsentiert, geschmackvoll beleuchtet. Und viel Platz, Luft zum Denken. In dem Sessel würden abends Autoren sitzen und ihre Werke vorstellen. Der Raum wäre gefüllt mit literaturaffinen Menschen. Es gäbe Platz für eine Druckwerkstatt, in der alte Druckmaschinen bibliophile Kostbarkeiten herstellen würden. Galerien könnten hier unterkommen. Und ein Kaffeehaus, in dem man Stunden mit Büchern und Koffein verbringen könnte. Oben wäre der Wohnbereich; Autoren, die zu Besuch kämen, könnten hier arbeiten. Eine Dachterrasse, man bräuchte unbedingt eine Dachterrasse. Mit einer Bar natürlich. In diesem Moment verschwand die Sonne hinter dem Dach des Nachbarhauses. Ich wachte auf, aus einem Traum gerissen. Der Sessel stand immer noch da. 2018 wurde die Fabrikanlage zu schicken Loftwohnungen umgebaut. Der Sessel ist verschwunden, aber diesen einen Moment werde ich nie vergessen. Und eine Buchhandlung mit Café hätte ich immer noch gerne. Uwe Kalkowski Literaturblog Kaffeehaussitzer


256 Seiten | € [D] 18,00 © Shutterstock.com

droemer-knaur.de | fischeaufbaeumen.de

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r er Meye Š Wern

Der neue Roman von Bestsellerautorin Brigitte Glaser.

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