Deelmann, Die Berateraffäre im Verteidigungsministerium, Management und Wirtschaft Studien Band 78

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Management und Wirtschaft Studien 78

Thomas Deelmann

Die Berateraffäre im Verteidigungsministerium Ausgangssituation, Aufarbeitung und Auswirkungen

Leseprobe, mehr zum Werk unter ESV.info/978-3-503-20597-4



Management und Wirtschaft Studien Band 78


Die Berateraffäre im Verteidigungsministerium Ausgangssituation, Aufarbeitung und Auswirkungen

von Prof. Dr. Thomas Deelmann

Leseprobe, mehr zum Werk unter ESV.info/978-3-503-20597-4


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Gedrucktes Werk: ISBN 978-3-503-20597-4 eBook: ISBN 978-3-503-20598-1

ISSN 1861-1745 Alle Rechte vorbehalten © Erich Schmidt Verlag GmbH & Co. KG, Berlin 2021 www.ESV.info Druck: Difo-Druck, Untersiemau


Vorwort Am Ende ist man immer schlauer! Eine der Hauptakteurinnen in der Berateraffäre formuliert diese Erkenntnis sinngemäß. Sie drückt zweierlei aus: Zunächst, dass im Verteidigungsministerium einige Dinge nicht so gelaufen sind, wie sie hätten laufen sollen. Die Rede war von einem Buddy-System, von Eigenbeauftragungen, von externen Beratern mit internen E-Mail-Adressen, von als Wünsche verklausulierten Aufträgen, von Vergaberechtsmissbräuchen, von Strohmanngeschäften etc. Wäre den Beteiligten vorher klar gewesen, welche Besonderheiten in der auf den ersten Blick vergleichsweise unscheinbaren Dienstleistung Beratung stecken, so der zweite Gedanke in der obigen Aussage, dann hätte man anders und vorschriftsmäßig gehandelt. Es fehlte aber an Aufmerksamkeit und Fingerspitzengefühl, vielleicht Know-how und vermutlich Unrechtsbewusstsein, so dass sich eine veritable Affäre entwickeln konnte. Kontrollierend eingegriffen hat an dieser Stelle ein Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages. Er hat in langen Sitzungen viele Zeuginnen und Zeugen befragt, bergeweise Akten gesichtet und einen detaillierten Bericht vorgelegt. Der Zufall will es, dass sich aus dessen erstem und letztem Satz eine sehr stark vereinfachende Zusammenfassung formulieren lässt: Auf den Befund „Die Beauftragung von externen Beratungsleistungen im Verteidigungsressort ist vergaberechtswidrig, nicht notwendig oder unwirtschaftlich“ folgt „Ich war es nicht!“ als Replik. Die Gemengelage dazwischen hat der Untersuchungsausschuss politisch feingliedrig aufgearbeitet. Diese Arbeit möchte eine fachliche Perspektive ergänzen und betrachtet daher die Ausgangssituation, die Aufarbeitung und die Auswirkungen der Berateraffäre aus beratungswissenschaftlicher Sicht. Dabei soll nicht nur auf Fehlverhalten und Missstände hingewiesen werden, vielmehr werden die erarbeiteten Erkenntnisse in Form von Empfehlungen gebündelt. Insbesondere für einzelne Beratungskunden im privatwirtschaftlichen und im öffentlichen Sektor können diese handlungsleitend sein. Selten wird der Unternehmens- und Verwaltungsberatung eine so große Aufmerksamkeit zuteil, wie es bei der Berateraffäre der Fall war. Es zeigt sich dabei, dass mit dem Einsatz von Beratungen auch eine Verantwortung für die Kundenprofessionalisierung einhergeht. Das Verschließen der Augen hiervor ist weder hilfreich, noch wird es funktionieren oder ausreichend sein, denn: Consulting ist gekommen, um zu bleiben – auch in der öffentlichen Verwaltung. Eine solche Feststellung führt sehr schnell (erstens) zur Unterscheidung der Rolle von externen Beratern und interne Beamten und dies lässt sich in das große Narrativ „Privat oder Staat?“ einbetten. Im vorliegenden Fall kann diese

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Vorwort

Frage mit einem energischen „und“ beantwortet werden. Beratungsdienstleistungen scheinen bei großen Veränderungen (Beispiele sind: Verwaltungsmodernisierung, demografischer Wandel, Digitalisierung) und kleineren Maßnahmen auf allen föderalen Ebenen eine hilfreiche Funktion anzubieten. Der Einsatz muss dann aber (zweitens) regelbasiert, professionell gesteuert und mit der Gemeinwohlorientierung vor Augen erfolgen. Hier dürfen sich beide Parteien, Berater und Beamte, gemeinsam in die Pflicht genommen sehen, denn das Fehlverhalten der einen Gruppe fällt typischerweise auch auf die andere Gruppe zurück – und beide haben in der Breite der Bevölkerung kein gutes Berufsprestige, auf dem sie sich ausruhen könnten. Es gibt also (drittens) einiges zu lernen und zu verbessern; die Berateraffäre bietet dafür eine gute Ausgangsbasis! Bonn, im Juli 2021 Thomas Deelmann

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Inhaltsübersicht Vorwort ...................................................................................................... V Inhaltsverzeichnis ..................................................................................... IX Abbildungsverzeichnis ............................................................................. XV Tabellenverzeichnis .................................................................................. XIX Abkürzungsverzeichnis ............................................................................ XXI 1 2 3 4 5 6 7

Einleitung ........................................................................................... 1 7 Rahmen und Grundlagen ................................................................. Ausgangssituation: Missstände und Unmut ................................... 23 Aufarbeitung: Untersuchungsausschuss und Medien ................... 53 Auswirkungen: Maßnahmen und Entwicklungen ......................... 265 Empfehlungen .................................................................................... 285 Abschluss ............................................................................................ 301

Literaturverzeichnis ................................................................................. 307

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Einleitung

1.1 Motivation Beratung (besser: organisationale Beratung; engl.: Consulting) hat in den vergangenen Dekaden in Deutschland ein beachtliches Wachstum erlebt. Waren die ersten einschlägigen Berater vor gut 100 Jahren in den USA aktiv und hat es mit REFA- und RKW-Beratern auch in den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts in Deutschland entsprechende Dienstleister gegeben, so setzt der starke Aufschwung in der Nachkriegs- und so genannten Wirtschaftswunderzeit ein. Und auch in dem relativ kleinem Zeitfenster seither scheint sich die Dienstleistung weiter zu verbreiten, je näher man der Gegenwart kommt: Beispielsweise wird von 5.000 Beratern, die um 1980 in Deutschland aktiv waren, von 30.000 in 1990, 77.000 rund um die Jahrtausendwende und knapp 185.000 in 2020 gesprochen (siehe auch Kap. 2.1.2).1 Unternehmensberater sind für eine Vielzahl von Kunden in verschiedenen Branchen aktiv. Der Automobil- sowie der Finanzdienstleistungssektor stellen dabei mit 32 Prozent bzw. 25 Prozent des Gesamtmarktes die beiden größten Bereiche dar. Auf dem dritten Rang findet sich schon der öffentliche Sektor (10 Prozent); anschließend folgen die Energie- und Wasserversorgung (9 Prozent), der TIMES-Sektor (8 Prozent) und der Handel (5 Prozent).2 Der Umsatzanteil der Berater von circa zehn Prozent mit dem öffentlichen Sektor hält sich seit einigen Jahren recht stabil. In diesem Kontext haben sich Dienstleister und Kunden über die Jahre miteinander arrangiert: Die einen haben die Hilfestellungen der anderen zu schätzen gelernt und die anderen die guten und verlässlichen Arbeitsbedingungen bei den einen. In der jüngeren Vergangenheit wurde diese Situation verschiedentlich durch Sondersituationen, Affären sowie Skandale rund um den Einsatz und die Beschaffung von Beratungsleistungen in Unruhe gebracht:3

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Vgl. das Interview mit Lippold in Deelmann, Krämer: 2020, S. 20-24; Bundesverband Deutscher Unternehmensberater BDU e.V.: 2021, S. 6. Vgl. Bundesverband Deutscher Unternehmensberater BDU e.V.: 2021, S. 11. Für die Aufstellung siehe auch Deelmann: 2020-04-01, S. 14.

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1 Einleitung

 Die so genannte Berateraffäre rund um ein so genanntes Buddy-System im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verteidigung erhielt eine hohe mediale Aufmerksamkeit, die vermutlich durch die Einrichtung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses noch forciert wurde.  Das Bundesministerium für Verkehr und Digitale Infrastruktur geriet für den Einsatz von Beratern im Umfeld der Maut-Aktivitäten in die Kritik.  Die Deutsche Bahn AG, ein zu 100 Prozent bundeseigenes Unternehmen, hat für Irritationen gesorgt, als es ehemalige Top-Manager mit Hilfe von Beraterverträgen weiterbeschäftigt bzw. zusatzversorgt hat. Diese Beispiele, die sich nur auf die Bundesebene sowie die Jahre 2019 und 2020 beziehen, können ergänzt werden um ältere und jüngere Affären, ähnliche Situationen im nahen Ausland oder auf lokaler Ebene, zum Beispiel:  Berateraffäre aus dem Jahr 2016 in Sachsen-Anhalt mit Finanzminister Jens Bullerjahn und Wirtschaftsminister Jens Felgner.  Affäre rund um die Budgetüberschreitungen für Beraterausgaben und die Beauftragungsmechanismen in 2018 und 2019 im Verantwortungsbereich von Regierungsmitglied Aurelia Frick im Fürstentum Liechtenstein.  Diskussionen um die Beraterbeauftragungen und Intransparenz hinsichtlich Beauftragungsvolumen und teilweise auch Auftragnehmer in Halle/Saale (2012) und Bad Kreuznach (2019). Pauschalisierend kann festgehalten werden, dass die Dienstleistersteuerung bei den Kunden nicht immer professionell war, da Beratung als so genannte Warengruppe, die es zu beschaffen galt, vielfach in Behörden zu gering priorisiert wurde. Insbesondere die Berateraffäre im Bundesministerium der Verteidigung hat eine hohe Aufmerksamkeit im politischen Umfeld und der öffentlichen Berichterstattung in Deutschland erhalten (vgl. Abbildung 1). Dies mag damit zusammenhängen, dass mit Dr. Ursula von der Leyen und Dr. Katrin Suder die Spitze des Ministeriums in den Fokus geraten ist sowie mit Accenture und McKinsey immer wieder die Namen von großen, international renommierten Beratungsunternehmen genannt wurden. Der so genannte Untersuchungsausschuss zur Berateraffäre hat sich dem Thema auf einer naturgemäß zumeist politischen Ebene angenommen und eine Aufarbeitung unternommen.4

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Das politische Element kann dabei als Resultante aus verschiedenen Einzelperspektiven interpretiert werden. Der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses gibt vor einzelnen Zeugenbefragungen regelmäßig eine enumerative Darstellung der verschiedenen Gesichtspunkte, unter denen die Prüfungsarbeit des Ausschusses steht, beispielsweise am 11. April 2019: „Die Vor-

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1 Einleitung

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Abbildung 1: Suchinteresse „Berateraffäre“ bei Google von September 2018 bis Januar 20215

In der allgemeinen Diskussion blieb die eher betriebswirtschaftlich geprägte Perspektive der Beratungsforschung dabei weitestgehend unberücksichtigt. Zwar konnten bisher einzelne betriebliche Aktionen auf anekdotischer Basis beobachtet werden (beispielsweise eine anschließende deutliche Zurückhaltung bei der Beauftragung von Beratungsleistungen in einzelnen Behörden), aber eine systematische Betrachtung und Einschätzung des Geschehens sowie eine Zusammenstellung von Empfehlung ist unterblieben.

1.2 Ziel der Arbeit An dieser Stelle setzt die vorliegende Arbeit an. Ziel des Beitrages ist es, die Berateraffäre aus betriebswirtschaftlicher Perspektive und hier insbesondere derjenigen der Beratungsforschung zu dokumentieren und Einschätzungen sowie Empfehlungen zu tätigen. Als chronologische Leitschnur wird dabei die Arbeit des Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestages herangezogen.

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gänge sollen unter vertraglichen, rechtlichen, haushälterischen, geheimschutzrelevanten, militärischen, technologischen und politischen Gesichtspunkten geprüft werden.“ Hellmich in: Deutscher Bundestag: 2020-09-16, Anlagen, Protokoll 19/9 I, S. 16. Eigene Recherche und Darstellung. Hinweis: Der Graph basiert auf einer Abfrage bei Google Trends mit dem Stichwort „Berateraffäre“ am 27.01.2021; die Werte zeigen das relative Suchinteresse an, wobei dem größten Interesse der Wert 100 zugewiesen wird.

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^ Die Berateraffäre im Verteidigungsministerium hat für reichlich Aufsehen gesorgt. Vom »System von der Leyen« und einem Buddy-Netzwerk war die Rede, von untereinander zugeschusterten Aufträgen und von Beratern, die von Beamten kaum noch zu unterscheiden waren: Alles so irritierend, dass der eingesetzte Untersuchungsausschuss in 40 Sitzungen 41 Zeugen befragen und über 4.700 Ordner mit Beweismaterial sichten musste. Aus beratungsfachlicher Perspektive arbeitet Thomas Deelmann die Affäre auf. Neben dem Beratermarkt im öffentlichen Sektor, beteiligten Akteuren und Kontrollinstanzen werden die entscheidenden Szenarien ausgeleuchtet. • Die Ausgangssituation: Hintergründe, Verfehlungen, öffentliche Kritik • Die Aufarbeitung: im Untersuchungsausschuss und medial – chronologisch nachgezeichnet • Die Auswirkungen: Marktentwicklung, Professionalisierung, Verbesserungen Ein prägnanter Einblick in ein dysfunktionales System mit konkreten Empfehlungen für das Beratungsprojektmanagement auf beiden Seiten. Und mit neuen Impulsen, um externe Expertise produktiv mit verantwortungsvollem Verwaltungshandeln zu verbinden.

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