IDIM Ausgabe 3.15 (Leseprobe)

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41. Jahrgang www.IDEENMANAGEMENTdigital.de

Ideenund Innovationsmanagement

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HERAU SGEBE R


Business & Success

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Editorial

Kollaboration, Netzwerk und Crowdsourcing

Kollaboration, Netzwerk und Crowdsourcing Mailin Schmelter

Liebe Leserinnen, liebe Leser, die Weiterentwicklung des Ideen- und Innovationsmanagements nimmt auf Grund der Marktbedingungen immer mehr an Bedeutung zu. Etablierte Methoden, Prozesse und Verfahren müssen in Frage gestellt und neue Maßgaben und Kulturen geschaffen werden. Es gilt nicht nur Ideen- Innovationssysteme in Unternehmen zu etablieren, sondern auch vorhandene zu optimieren und voranzutreiben. Somit stellt sich für viele Ideen- und Innovationsmanager, aber auch für die Geschäftsführung immer häufiger die Frage, welche Möglichkeiten zur Weiterentwicklung existieren. Die Integration aller Mitarbeiter und auch externer Personen, wie Kunden, Lieferanten etc. ist auf Grund der technologischen Entwicklungen der letzten Jahre immer einfacher geworden und sollte für die Verbesserung und den Erfolg des Ideen- und Innovationsmanagements genutzt werden. Der Beitrag „Kollaborative Ansätze im Ideen- und Innovationsmanagement“ fokussiert das grundlegende Begutachtungs-Problem im Ideen- und Innovationsmanagement und stellt die Crowdsourced Innovation als einen Lösungsansatz vor. Im Beitrag „Dauerhaft erfolgreich mit Innovationen: Innovationsfähigkeit und Netzwerke“ rückt ebenfalls die interne und externe Verknüpfung von verschiedenen Personen und Unternehmen zu Netzwerken in den Mittelpunkt. Durch Synergien und die optimale Ausschöpfung der unterschiedlichen Kompetenzen können Ideen schneller bewertet und umgesetzt werden. Auch aktuelle Methoden und Vorgehensweisen gilt es vor dem Hintergrund der Weiterentwicklung des Ideen- und Innovationsmanagements in Frage zu stellen. Im Beitrag „Kill Brainstorming – Start Systematic Innovation“ werden die klassischen und etablierten Innovationsmethoden auf Grund ihrer z. T. fehlenden Systematik und fehlenden Individualisierung kritisiert. Auf dieser Grundlage stellen die Autoren ein einfaches Verfahren vor, um eine strukturierte und vor allem auf das eigene Unternehmen angepasste Innovationsmethode zu entwickeln. Der Beitrag „Exzellenz im Innovationsmanagement: 10 Erkenntnisse aus 10 Firmen“ setzt neue Impulse für Unternehmen, die bereits ein gut funktionierendes Ideen- und Innovationsmanagement etabliert haben, dieses jedoch profes-

sionalisieren und optimieren wollen. Es wurden 10 zentrale Handlungsempfehlungen aus Praxisprojekten abgeleitet und somit in der direkten Anwendung getestet. Der Beitrag „Die Kosten senken und die Kundenansprüche durch Prozessoptimierungen und Mitarbeiterqualifizierung übertreffen“ zeigt anhand eines Praxisbeispiels im Dienstleistungsbereich die verschiedenen Nutzenaspekte einer Prozessoptimierung auf mehreren Ebenen. Neben reinen Kosten-Nutzen Vergleichen konnten vor allem die Qualität sowie die Kunden- und Mitarbeiterzufriedenheit nachweislich gesteigert werden. Der Beitrag „Sieg gegen Windmühlen – Innovationskultur im Mittelstand“ verdeutlicht erneut die große Bedeutung einer ausgeprägten Kultur im Ideen- und Innovationsmanagement. Der Erfolg eines produktiven Ideen- und Innovationsmanagements scheint jedem bewusst zu sein, dennoch gilt es im Alltäglichen immer wieder Hindernisse und Hemmnisse auf Mitarbeiterebene zu beseitigen. Ohne eine ausgeprägte Innovations- und auch Fehlerkultur ist dies nicht möglich. Das Ideen- und Innovationsmanagement im Jahre 2015 benötigt Impulse und Ideen zur erfolgreichen Weiterentwicklung. Selbst hier müssen etablierte Systeme in Frage gestellt und Widerstände abgebaut werden. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen eine aufschlussreiche Lektüre, Mailin Schmelter Schriftleitung „Ideen- und Innovationsmanagement“

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Inhalt

Heft 3/2015  Juli 2015

Ideen- und Innovationsmanagement

Jahrgang: 41 (2015)

85 Kollaboration, Netzwerk und Crowdsourcing

Erscheinungsweise: Die Zeitschrift erscheint 4mal im Jahr www.IDEENMANAGEMENTdigital.info

Mailin Schmelter

A u s d e r W i sse n sch a f t

Herausgeber: Deutsches Institut für Betriebswirtschaft GmbH (DIB), 60323 Frankfurt am Main. Für Herausgabe und Inhalt verantwortlich: Geschäftsführer des DIB Schriftleitung: Mailin Schmelter Deutsches Institut für Betriebswirtschaft GmbH Friedrichstraße 10 – 12, 60323 Frankfurt am Main Tel.: 069/97165 0, Fax: 069/97165 25, E-Mail: Mailin.Schmelter@dib.de Redaktion: Mailin Schmelter Deutsches Institut für Betriebswirtschaft GmbH Friedrichstraße 10 – 12, 60323 Frankfurt am Main Tel.: 069/97165 0, Fax: 069/97165 25, E-Mail: Mailin.Schmelter@dib.de Verlag: Erich Schmidt Verlag GmbH & Co. KG Genthiner Straße 30 G, 10785 Berlin Tel.: 030/25 00 85 - 0, Fax: 030/25 00 85 - 305 E-Mail: ESV@ESVmedien.de, Internet: www.ESV.info Vertrieb: Erich Schmidt Verlag GmbH & Co. KG Genthiner Straße 30 G, 10785 Berlin; Postfach 30 42 40, 10724 Berlin Tel.: 030/25 00 85 - 223, Fax: 030/25 00 85 - 275, E-Mail: Abo-Vertrieb@ESVmedien.de Konto: Berliner Bank AG, Konto-Nr. 5122031 01 (BLZ 100 708 48) IBAN: DE31 1007 0848 0512 2031 01, BIC(SWIFT): DEUTDEDB110 Bezugsbedingungen: Bezugsgebühren im Jahresabonnement­preis 1 (D) 42,40; Einzelheft 1 (D) 12,30; Mitgliederpreis DIB Jahresabonnementenpreis 1 (D) 38,00; Einzelheft 1 (D) 10,60 jeweils einschließ­lich 7 % Mehrwertsteuer und zzgl. Versandkosten. Die Bezugsgebühr wird jährlich im voraus erhoben. Abbestellungen sind mit einer Frist von 2 Mona­ten zum 1. 1. j. J. möglich. Mitglieder des DIB-Forum Ideenmanagement erhalten die Zeitschrift bei Bestellungen über das Institut zum Mitgliederpreis. Keine Ersatz- oder Rückzahlungs­ansprüche bei Stö­rung oder Ausbleiben durch höhere Gewalt oder Streik. Preise für gebundene Ausga­ben früherer Jahrgänge auf Anfrage. Anzeigen: Genthiner Straße 30 G, 10785 Berlin; Postfach 30 42 40, 10724 Berlin Tel.: 030/25 00 85 - 626, Fax: 030/25 00 85 - 630; E-Mail: Anzeigen@ESVmedien.de Anzeigenleitung: Sibylle Böhler Es gilt die Anzeigenpreisliste Nr. 21 vom 1. Januar 2015, die auf Wunsch zugesandt wird. Manuskripte:  Hinweise für die Abfassung von Beiträgen stehen Ihnen auch als PDF zur Verfügung unter: www.ESV.info/zeitschriften.html. – Von Text und Tabellen erbitten wir neben einem sauberen Ausdruck auf Papier – möglichst ohne handschriftliche Zusätze – das Manuskript auf CD-ROM oder per E-Mail bevorzugt in Word, sonst zusätzlich im RTF-Format. Zur Veröffentlichung angebotene Beiträge müssen frei sein von Rechten Dritter. Sollten sie auch an anderer Stelle zur Veröffentlichung oder gewerblichen Nutzung angeboten worden sein, muss dies angegeben werden. Mit der Annahme zur Veröffentlichung überträgt der Autor dem Verlag das ausschließliche Verlagsrecht und das Recht zur Herstellung von Sonderdrucken für die Zeit bis zum Ablauf des Urheberrechts. Das Verlagsrecht umfasst auch die Rechte, den Beitrag in fremde Sprachen zu übersetzen, Übersetzungen zu vervielfältigen und zu verbreiten sowie die Befugnis, den Beitrag bzw. Übersetzungen davon in Datenbanken einzuspeichern und auf elektronischem Wege zu verbreiten (online und/oder offline), das Recht zur weiteren Vervielfältigung und Verbreitung zu gewerblichen Zwecken im Wege eines fotomechanischen oder eines anderen Verfahrens sowie das Recht zur Lizenzvergabe. Dem Autor verbleibt das Recht, nach Ablauf eines Jahres eine einfache Abdruckgenehmigung zu erteilen; sich ggf. hieraus ergebende Honorare stehen dem Autor zu. Bei Leserbriefen sowie bei angeforderten oder auch bei unaufgefordert eingereichten Manuskripten behält sich die Redaktion das Recht der Kürzung und Modifikation der Manuskripte ohne Rücksprache mit dem Autor vor. Rechtliche Hinweise:  Die Zeitschrift sowie alle in ihr enthaltenen einzelnen Beiträge und Abbildungen sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlages. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronische Systeme. – Die Veröffentlichungen in dieser Zeitschrift geben ausschließlich die Meinung der Verfasser, Referenten, Rezen­s enten usw. wieder. – Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in dieser Zeitschrift berechtigt auch ohne Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Markenzeichen- und Markenschutzgesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Nutzung von Rezensionstexten: Es gelten die Regeln des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels e. V. zur Verwendung von Buchrezensionen. http://agb.ESV.info/ Zitierweise: Ideen- und Innovationsmanagement, Jahrgang, Heft, Seite Druck: Ludwig Austermeier Offsetdruckerei, Berlin

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Z u r S a ch e

87 Dauerhaft erfolgreich mit Innovationen: Innovationsfähigkeit und Netzwerke

Prof. Dr. Heinz-Theo Wagner und Dr. Bernhard Moos

M e th o d e n u n d To o l s

91 Kreativität

Anna Schmidt und Prof. Dr. Jörg Mehlhorn

93 Kollaborative Ansätze im Ideen- und Innovationsmanagement

Catharina van Delden und David Chia

97 Kill Brainstorming – Start Systematic Innovation!

Volker Lippitz und Benjamin Thedieck

B e st P ra cti ce

103 Erfolgsfaktor Marktfolge: Die Kosten senken und die Kunden­ansprüche durch Prozess­optimierungen und Mitarbeiter­qualifizierung übertreffen

Thomas Willmann

106 Exzellenz im Innovations­management: 10 Erkenntnisse aus 10 Firmen

Dr. Ulrich Lichtenthaler

111 Sieg gegen Windmühlen – Innovationskultur im Mittelstand

Sabine Rings und Jørn Rings

E x p e r te n i n te rvi e w 115 „Nehmen Sie mich als Sicherheit!“ – Wie bodenständige Geschäftspraktiken den modernen Risiko-Kapitalismus schlagen

Prof. Dr. Hubertus Semrau und Christine Gassel

117 Interview mit Dr. Simone Becker

Dr. Simone Becker und Alexander Kern

Literatur 121 Buchrezension zu ... „Innovationsmanagement im Mittelstand“ 122 N e u e s vo m DIB

30. Jahrestagung des DIB-Forum Ideenmanagement 2015

124 Buzz Words


Best Practice

Exzellenz im Innovations­management

Exzellenz im Innovations­ management: 10 Erkenntnisse aus 10 Firmen Dr. Ulrich Lichtenthaler Für viele Unternehmen sind Innovationen die entscheidende Grundlage für Wachstum und finanziellen Erfolg. Trotz eines relativ professionellen Ideenmanagements scheitern viele Firmen jedoch zu oft bei der Umsetzung dieser Ideen in marktfähige Innovationen, z. B. neue Produkte im Markt. Diese Probleme treten vielfach trotz nennenswerter Anstrengungen im Innovationsmanagement der Firmen auf. Der vorliegende Beitrag gibt daher Handlungsempfehlungen, wie auch Industrieunternehmen, die bereits ein aktives Innovationsmanagement installiert haben, ihre Innovationskraft weiter verbessern können. Hierzu werden 10 Erkenntnisse aus Projekten mit 10 Firmen in unterschiedlichen Branchen beschrieben. Keywords: Innovationsmanagement, Ideenmanagement, Best Practices, Handlungsempfehlungen, Open Innovation, Innovationsprojekte, Innovationskultur.

Ausgangslage

Für viele Unternehmen aus westlichen Ländern ist ein reiner Kostenwettbewerb mit Firmen aus anderen Weltregionen keine dauerhafte Option. Um einen reinen Effizienzwettbewerb zu vermeiden, stellen Innovationen eine Grundvoraussetzung für Wachstum und Unternehmenserfolg dar. Viele Unternehmen haben deswegen ein professionelles Ideenmanagement eingeführt [vgl. 1]. Bei der Umsetzung in marktfähige Innovationen treten jedoch oft große Schwierigkeiten auf. Diese Implementierungsschwierigkeiten sind zu beobachten, obwohl viele der Unternehmen bereits versucht haben, ihr Innovationsmanagement zu professionalisieren, z. B. durch die Einführung eines systematischen Innovationsprozesses [vgl. 2]. Ein systematischer Innovationsprozess stellt einen wichtigen Erfolgsfaktor für Innovationen dar. Gleichzeitig kann ein solcher Prozess gerade in mittleren und großen Unternehmen bereits als Standard angesehen werden [vgl. 3]. Somit bietet ein systematischer Innovationsprozess zum Management des Ablaufs von einer Idee zu Beginn des Prozesses bis hin zu einer marktfähigen Innovation am Ende des Prozesses oft nur noch relativ wenige Möglichkeiten, sich nennenswert vom Wettbewerb abzuheben [vgl. 4]. Daher werden im vorliegenden Beitrag Handlungsempfehlungen gegeben, wie auch Firmen, die bereits einen systematischen Innovationsprozess und andere Innovationsmanagement-Tools implementiert haben, ihre Innovationskraft steigern können. 106  Ideen- und Innovationsmanagement  3 · 2015

Vorgehensweise

Der Autor hat in den vergangenen Jahren verschiedene Projekte zur Steigerung der Innovationskraft in 10 Industrieunternehmen durchgeführt. Ziel dieser Projekte war jeweils die Optimierung des Innovationsmanagements auf Unternehmensebene. Auch wenn vielfach einzelne Technologien, Probleme oder Lösungen diskutiert wurden, waren die Projekte stets darauf ausgerichtet, das Innovationsmanagement in den Unternehmen grundsätzlich zu verbessern, z. B. durch die Optimierung von Prozessen, Organisationsstrukturen usw. Die Lösung eines spezifischen technologischen oder wirtschaftlichen Problems war somit immer nur der Ansatzpunkt für grundlegende Verbesserungen des Innovationsmanagements. Dieser einheitlichen Ausrichtung der Projekte standen Herausforderungen in ganz unterschiedlichen Branchen gegenüber. Die 10 Firmen waren in folgenden Branchen tätig: Automobil, Maschinenbau, Elektronik, Medizintechnik und Chemie. Das Kerngeschäft aller Unternehmen ist der Verkauf von Produkten, Dienstleistungen stellen wichtige Zusatzaktivitäten, nicht aber das Kerngeschäft dar. Aufgrund der Vielfalt der Geschäftsfelder der Unternehmen wurden im Rahmen der Projekte ganz unterschiedliche Ideen und Technologien diskutiert. Die Ausrichtung auf die Optimierung des Innovationsmanagements auf organisationaler Ebene ermöglichte jedoch die Ableitung firmenübergreifender Handlungsempfehlungen. Hierzu wurden am Ende jedes Projekts die wichtigsten 3–5 Handlungsempfehlungen zur Steigerung der Innovationskraft im Unternehmen gesammelt. Für den vorliegenden Beitrag wurde zuerst überprüft, ob jede einzelne Empfehlung aus allen Projekten grundsätzlich sinnvoll auf andere Firmen übertragen werden kann. Dann wurden die Empfehlungen in inhaltliche Gruppen einsortiert, z. B. Schnittstellen zwischen funktionalen Bereichen, offene Innovationsprozesse (Open Innovation) usw. Diese Gruppen wurden nach Wichtigkeit geordnet auf Grundlage der Häufigkeit, mit der Handlungsempfehlungen aus diesen Gruppen in den Projekten mit den 10 Firmen gegeben wurden. Die 10 wichtigsten inhaltlichen Aspekte bilden die Grundlage für die folgenden Handlungsempfehlungen. Handlungsempfehlungen

Mit der oben beschriebenen Vorgehensweise wurden 10 wichtige Handlungsempfehlungen zur Stärkung der Innovationskraft von Industrieunternehmen identifiziert. Abbildung 1 bietet eine Übersicht dieser 10 generellen Handlungsempfehlungen, die nicht abhängig vom konkreten Unternehmenskontext und somit grundsätzlich auf andere Firmen übertragbar sind. Dazu kommen unternehmensspezifische Empfehlungen, die sich zum Beispiel konkret auf die jeweiligen Technologien einer Firma beziehen.


Best Practice

Exzellenz im Innovations­management

Nachfolgend werden die 10 generellen Handlungsempfehlungen dargestellt. Diese 10 Empfehlungen stellen nicht die 10 grundsätzlich wichtigsten Erfolgsfaktoren für Innovationen dar. Hier wäre zum Beispiel sicherlich auch ein systematischer Innovationsprozess zu nennen, der allerdings in vielen Firmen bereits gut etabliert ist. Daher werden hier wichtige Handlungsempfehlungen gegeben, die auch für Firmen einen Mehrwert liefern, die bereits grundlegende Best Practices im Innovationsmanagement implementiert haben. Aus den Projekten mit 10 Unternehmen haben sich insbesondere folgende Handlungsempfehlungen ergeben: 1. Fast alles ist möglich – Große Herausforderungen angehen: Trauen Sie Sich große Herausforderungen zu und gehen Sie echte Probleme an, deren Lösung eine große Bedeutung für Ihre Kunden besitzt und damit einen nennenswerten Mehrwert liefert. Antizipieren Sie die künftigen Bedürfnisse ihrer Kunden, die diese heute oft noch gar nicht klar äußern können. Seien Sie dabei auch offen für ganz neue Lösungen und durchbrechen Sie, wenn nötig, Ihre bisherigen Denkmuster, um neue Geschäftsmöglichkeiten zu identifizieren. 2. Das große Ganze zählt – Innovationsportfolio systematisch steuern: Schaffen Sie Budgetsicherheit für das Innovationsmanagement und bauen Sie ein professionelles und ganzheitliches Management des Portfolios aller Innovationsprojekte auf. Damit stellen Sie die strategische Ausrichtung, geeignete Größe, ausreichende Balance und einen hohen Wert des Innovationsportfolios sicher. Dieses Portfolio umfasst nicht nur Produktinnovationen, sondern auch Prozessinnovationen, Dienstleistungsinnovationen und Geschäftsmodellinnovationen, und es erfordert ein ausreichendes Budget. 3. Wer wagt gewinnt – Radikale Innovationsprojekte unterstützen: Vermeiden Sie den typischen Fehler, sich zu stark auf inkrementelle Innovationsprojekte mit geringem Neuigkeitsgrad zu konzentrieren, der oft aus der intensiven Nutzung finanzieller Kennzahlen in frühen Phasen des Innovationsprozesses folgt. Reservieren Sie einen Teil des Innovationsbudgets für völlig neuartige Projekte mit hohem Risiko. Diese Projekte können ggf. auch Ihre eigenen Geschäftsmodelle und Produkte kannibalisieren – besser Sie selbst starten solche Initiativen als aktuelle oder künftige Wettbewerber. 4. Einzigartig und gut – Zielsegmente sorgfältig definieren: Identifizieren Sie sorgfältig die Marktsegmente, für die Sie neue Produkte entwickeln, und bauen Sie ein übersichtliches System mit wenigen bedeutenden Indikatoren zur Innovationsbewertung auf. Im Idealfall haben Ihre Produkte einen hohen Wert für die Kunden im Segment und unterscheiden sich klar vom Wettbewerb.

Abbildung 1: Handlungsempfehlungen

Falls sich Kunden aus anderen Marktsegmenten für Ihre Produkte interessieren, denken Sie über Spezifikationen für diese Kunden nach, um von unverhofften Möglichkeiten zu profitieren. 5. Jeder kann Experte sein – Funktionale Schnittstellen optimieren: Eine enge Zusammenarbeit zwischen Fachbereichen mit ihrer jeweiligen Expertise kann Wunder bewirken. Hier geht es nicht nur um Forschung & Entwicklung, Marketing und Innovationsabteilung. Berücksichtigen Sie auch die oftmals höchst spannenden Innovationsideen aus dem Vertrieb, der Produktion und anderen Bereichen. Es gibt eine große Zahl an erfolgversprechenden Kreativitätstechniken, um die Ideengenerierung in allen Fachbereichen zu stärken. 6. Brücken zwischen Königreichen – Kooperation der Geschäftseinheiten stärken: Beenden Sie das Scheuklappen-Denken der Geschäftseinheiten Ihrer Firma. Ein reger Austausch zwischen unterschiedlichen Business Units kann für jede Einheit relevante neue Ideen liefern. Außerdem ergeben sich hieraus oft völlig neue Geschäftsmöglichkeiten an Schnittstellen, z. B. durch Cross-Industry Innovation. Eine spezialisierte Innovationsabteilung kann dabei eine herausragende Rolle spielen, indem sie als zentrale Anlaufstelle Brücken baut und Kompetenzen entwickelt. 7. Gemeinsam sind wir stark – Open Innovation als Standard etablieren: Nutzen Sie die Kooperation mit externen Partnern durch die Öffnung von Innovationsprozessen im Sinne von Open Innovation noch konsequenter als bisher in allen Innovationsphasen. Ideen- und Innovationsmanagement  3 · 2015  107


Best Practice

Exzellenz im Innovations­management

Open Innovation sollte sich zum üblichen Standard für Ihre Innovationsaktivitäten entwickeln und keine Notlösung sein für Fälle, bei denen Sie intern nicht weiterkommen. Gleichzeitig ist Open Innovation nur eine Ergänzung der internen Innovationsaktivitäten und kein komplettes Innovation Outsourcing. 8. Fleiß schlägt Inspiration – Innovationsziele hartnäckig verfolgen: Machen Sie weiter und immer weiter unter Berücksichtigung eines systematischen Innovationsportfolio-Managements. Resilienz und die Überwindung politischer Widerstände sind oft typisch für Innovationsprojekte. Suchen Sie sich Unterstützung einflussreicher Personen im Unternehmen, die sich für Ihre Idee begeistern. Sie benötigen den kompletten Werkzeugkasten für das Innovationsmanagement, um neue Ideen erfolgreich durch den Innovationsprozess an den Markt zu bringen. 9. Alles ist im Fluss – Anpassungen offen diskutieren: Verinnerlichen Sie, dass Innovation oftmals viel Kommunikation erfordert. Diskutieren Sie offen die Änderungen und Anpassungen, die sich aus einem Projekt ergeben. Vermeiden Sie zu starre Projektpläne und seien Sie offen für Anpassungen im Projektverlauf, z. B. wenn sich relevante Faktoren für Technologie und Markt ändern. Denken Sie daran, dass auch die Innovationsprozesse selbst regelmäßig angepasst und aktualisiert werden – Sie müssen von Zeit zu Zeit auch Ihr Innovationsmanagement innovieren. 10. Die unsichtbare Kraft – Innovationskultur kontinuierlich stärken: Belächeln Sie die Innovationskultur nicht als weichen Faktor. Man kann Unternehmenskulturen systematisch messen und vergleichen. Eine risikoaverse Kultur kann Innovationen nachweislich hemmen. Stärken Sie daher kontinuierlich die Innovationsbereitschaft. Innovation

ist eine oberste Führungsaufgabe, und das Top-Management sollte ein leuchtendes Vorbild sein. Externer Input im Innovationsmanagement ist hilfreich, um sich nicht von bestehenden Strukturen in der Organisation lähmen zu lassen. Diese 10 Handlungsempfehlungen leisten einzeln schon einen deutlichen Mehrwert hinsichtlich der Verbesserung der Innovationskraft von Unternehmen. Die relative Bedeutung einer einzelnen Empfehlung kann sich je nach Unternehmenskontext und Unternehmensstrategie unterscheiden. Wenn beispielsweise ein kleines oder mittleres Unternehmen nur eine sehr geringe Zahl an Innovationsprojekten gleichzeitig durchführt, ist ein systematisches Innovationsportfolio-Management möglicherweise von geringerer Bedeutung, da man leicht einen Überblick über den aktuellen Stand der unterschiedlichen Innovationsvorhaben erhält. Dennoch ist in einem solchen Umfeld natürlich gerade die systematische Auswahl und Budgetierung einzelner Projekte von besonderer Bedeutung. Im Gegensatz hierzu sind in einem Großunternehmen, das eine Vielzahl an Innovationsprojekten gleichzeitig durchführt – teilweise mehr als 100 Innovationsprojekte parallel – die Abhängigkeiten und Wechselwirkungen zwischen den unterschiedlichen Projekten genauer und kontinuierlicher zu berücksichtigen. Insbesondere ist jedoch hervorzuheben, dass in den meisten Firmen mehrere Handlungsempfehlungen kombiniert werden sollten, um die Innovationsleistung nachhaltig zu erhöhen. Durch eine geeignete Kombination mehrerer Maßnahmen, die sich aus den unterschiedlichen Handlungsempfehlungen ergeben, kann in aller Regel eine deutliche Stärkung der Innovationskraft leichter erreicht werden als durch die Konzentration auf eine einzelne Maßnahme, die dann möglichst weitgehend und umfassend optimiert wird. Beispielsweise kann die Öffnung von Innovationsprozessen im Sinne von Open Inno-

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Best Practice

Exzellenz im Innovationsmanagement

vation die Verfolgung radikaler Innovationsprojekte erleichtern, für die oftmals intern nicht alle erforderlichen Kompetenzen vorhanden sind. Ein stärkerer Fokus auf radikale Innovationsprojekte ohne jegliche Öffnung von Innovationsprozessen wäre hingegen in vielen Fällen schwieriger erfolgreich umzusetzen. Zur Festlegung eines geeigneten Maßnahmenbündels bietet sich häufig die Beratung durch externe Experten für das Management von Technologie und Innovation an. Die Gründe hierfür sind vielfältig. Einerseits bedarf es umfassender Expertise, um die vielversprechendsten Maßnahmen für die jeweilige Situation zu identifizieren und zu priorisieren. Insbesondere müssen diese Maßnahmen eng mit der jeweiligen Unternehmensstrategie abgestimmt werden. Hierfür ist also Detailwissen über externe Trends bei Technologien und Märkten mit internem Know-how des Unternehmens sowie umfangreicher Erfahrung im Innovationsmanagement zu verbinden. Dies kann oftmals am besten in Projektteams aus internen Mitarbeitern und externen Beratern erreicht werden. Andererseits bietet sich externen Experten eine Außenperspektive auf eine Firma, die zu Beginn noch losgelöst von den bisherigen Innovationsaktivitäten des Unternehmens ist. Dadurch fällt es deutlich leichter, ganz neue Chancen und Innovationsfelder zu identifizieren, die für das Unternehmen vielversprechend sind, auch wenn diese sich möglicherweise deutlich von den bisherigen Lösungen unterscheiden. Dadurch helfen externe Berater nicht nur mit ihrem Fachwissen, sondern auch mit einer unvoreingenommenen Sicht, die nicht primär vergangenheitsorientiert und an internen organisationspolitischen Gegebenheiten ausgerichtet ist, Chancen und Risiken für Innovationen zu erkennen [vgl. 5]. Daher ist eine Zusammenarbeit in Projektteams aus internen Mitarbeitern und externen Experten gerade bei der Optimierung des Innovationsmanagements von besonderer Bedeutung.

darauf ausgerichtet, wie man auch in solchen Firmen die Innovationskraft gezielt stärken kann unter Berücksichtigung des bereits vorhandenen Innovationsmanagements. Die Handlungsempfehlungen, die sich aus den Erkenntnissen aus Projekten zur Steigerung der Innovationskraft in 10 Industrieunternehmen ergeben haben, betreffen unterschiedliche Aspekte einer Firma, z. B. Innovationsstrategie, Prozesse, Organisationsstruktur, Organisationskultur und Kooperationen mit externen Partnern. Diese unterschiedlichen Aspekte spiegeln die Komplexität eines professionellen Innovationsmanagements wider. Gleichzeitig verdeutlichen sie wichtige Ansatzpunkte und Stellschrauben, um die Innovationsleistung eines Unternehmens zügig zu steigern. Zusätzlich zu den generellen Handlungsempfehlungen können zum Beispiel mithilfe eines systematischen Innovation Audits durch externe Innovationsexperten unternehmensspezifische Empfehlungen gegeben werden. Auf dieser Grundlage können geeignete Maßnahmen identifiziert und priorisiert werden, um nicht nur Exzellenz im Ideenmanagement, sondern auch im Innovationsmanagement zu erreichen. Literatur: [1]

Grünschläger, T.: Kreatives Leistungsklima nachhaltig verankern: 5 Schritte zum Erfolg. In: Ideen- und Innovationsmanagement, Ausgabe 04/2014. Hauschildt, J./Salomo, S.: Innovationsmanagement, München 2007. Barczak, G./Griffin, A./Kahn, K. B.: Trends and Drivers of Success in NPD Practices: Results of the 2003 PDMA Best Practices Study. In: Journal of Product Innovation Management, 26. Jg., 2009, S. 3–23. Lichtenthaler, U.: Die Bedeutung interorganisationaler Technologietransaktionen in Innovationsprozessen. In: Zeitschrift Führung + Organisation, 76. Jg., 2007, S. 351–360. Lichtenthaler, U.: Projekte der externen Technologieverwertung: Ziele, Prozesse und Typen. In: Die Unternehmung, 60. Jg., 2006, S. 351–372; Muethel, M.: Accepting global leadership responsibility: How leaders react to corporate social irresponsibility. In: Organizational Dynamics, 42. Jg., 2013, S. 209–216.

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Dr. Ulrich Lichtenthaler Technology Excellence Consulting Unternehmensberatung für Management von Innovation & Technologie Carl-Feichtner-Ring 7 83714 Miesbach

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Viele Firmen haben bereits ein relativ professionelles Ideenmanagement aufgebaut, scheitern jedoch zu oft bei der Umsetzung dieser Ideen. Daher bietet der vorliegende Beitrag 10 wichtige Handlungsempfehlungen zur Steigerung der Innovationsfähigkeit von Industrieunternehmen. Diese Erkenntnisse liefern auch für Firmen einen klaren Mehrwert, die zum Beispiel bereits einen systematischen Innovationsprozess als Standard nutzen. Daher bilden die Handlungsempfehlungen auch nicht die insgesamt 10 wichtigsten Erfolgsfaktoren für Innovationen ab, da diese zumindest teilweise in vielen Firmen bereits etabliert sind, z. B. ein systematischer Innovationsprozess. Um auch Experten aus Unternehmen hilfreiche Ansatzpunkte zu liefern, die bereits über ein relativ professionelles Innovationsmanagement verfügen, sind die Handlungsempfehlungen

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