03 21 10. Jahrgang Mai 2021 Seiten 89–132
www.ERdigital.de Herausgeber / Schriftleitung: Prof. Dr. Tilman Cosack IREK, Hochschule Trier
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EnergieRecht Zeitschrift für die gesamte Energierechtspraxis
Wissenschaftlicher Beirat: Dr. Markus Appel, LL.M., Linklaters LLP
Aus dem Inhalt:
Karsten Bourwieg, Bundesnetzagentur
Aufsätze
Prof. Dr.-Ing. Martin Faulstich, TU Clausthal Prof. Dr. Walter Frenz, RWTH Aachen
Friederike Frizen/Katharina Schwind Under Construction – Das geplante Regulierungsregime für reine Wasserstoffnetze
Dr. Michael Koch, BDEW e.V. Prof. Dr. Jürgen Kühling, LL.M., Universität Regensburg Dr. Sebastian Lovens-Cronemeyer, LL.M., Gronvald Rechtsanwälte
Margarete von Oppen, Rechtsanwälte Arnecke Sibeth Dabelstein Dr. Christoph Richter, prometheus Rechtsanwaltsgesellschaft mbH Katrin van Rossum, OLG Düsseldorf Dr. Christian Schneller, Ohms Rechtsanwälte Dr. Boris Scholtka, EY Law Prof. Dr. Thomas Schomerus, Leuphana Universität Lüneburg
Christian Dümke OVG Münster stoppt den Smart-Meter-Rollout Standpunkte
Interview mit Kerstin Andreae, Vorsitzende der Hauptgeschäftsführung des BDEW
ER aktuell
Aktuelle Entwicklungen im Energierecht
Rechtsprechung
Begriff der Abnahmestelle bei Schienenbahnunternehmen LG Stuttgart, Urt. v. 26.11.2020 – 11 O 92/20 (m. Anm. von Christian Ertel und Richard Hänsel) Eigenerzeugung bei Vorliegen von „Kraftwerksscheiben“Pachtverträgen LG Duisburg, Urt. v. 22.01.2021 – 7 O 107/19
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Thorsten Müller, Stiftung Umweltenergierecht
Reinhard Ruge Ausbau des Übertragungsnetzes: Das Bundesbedarfsplangesetz 2021
Editorial
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I
Prof. Dr. Tilman Cosack IREK – Institut für das Recht der Erneuerbaren Energien, Energieeffizienzrecht und Klimaschutzrecht; Hochschule Trier, Umwelt-Campus Birkenfeld
Liebe Leserinnen und Leser, ein gewaltiger Paukenschlag – die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Klimaschutz? Auf den ersten Blick schon, denn die bisherigen Entscheidungen der vorgelagerten Verwaltungsgerichte waren doch bisher stets von einer gewissen Unwirschheit geprägt, wenn es um das Thema Klimaschutz ging und dementsprechend wurde den bisher erhobenen Klagen bereits im Rahmen der Zulässigkeit zuverlässig ein rasches Ende bereitet (exemplarisch insoweit nur VG Berlin, Urt. v. 31.10.2019 – 10 K 412/18). Dieser eingeübten Entscheidungspraxis hat der Senat mit seiner Entscheidung nun ein abruptes Ende bereitet. Auf den zweiten Blick zeigt sich aber, dass der Paukenschlag des Bundesverfassungsgerichts zwar laut ist, aber auf die Zukunft beschränkt ist. Die aktuellen Bestimmungen des Klimaschutzgesetzes, wonach die Treibhausgasemissionen bis zum Jahr 2030 um 55 % gegenüber 1990 auf Grundlage sektorenbezogener Jahresemissionsmengen zu mindern sind, werden nicht in Frage gestellt. Der Senat betont insoweit mehrfach explizit den Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers. Aber die Festlegung des Reduktionspfads nur bis zum Jahr 2030 reicht dem Gericht nicht. Denn die Vorschriften des Klimaschutzgesetzes würden hohe Emissionsminderungslasten unumkehrbar auf Zeiträume nach diesem Datum verschieben. Dass Treibhausgasemissionen gemindert werden müssten, folge aus dem Grundgesetz. Das verfassungsrechtliche Klimaschutzziel des Art. 20a GG sei dahingehend konkretisiert, den Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur dem sog. „Paris-Ziel“ entsprechend auf deutlich unter 2 °C und möglichst auf 1,5 °C gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen. Um das zu erreichen, müssten die nach 2030 noch erforderlichen Minderungen dann immer dringender und kurzfristiger erbracht werden. Von diesen künftigen Emissionsminderungspflichten sei praktisch jegliche Freiheit potenziell betroffen, weil noch nahezu alle Bereiche menschlichen Lebens mit der Emission von Treibhausgasen verbunden und damit nach 2030 von drastischen Einschränkungen bedroht sind. Der Gesetzgeber hätte daher zur Wahrung grundrechtlich gesicherter Freiheit Vorkehrungen treffen müssen, um diese hohen Lasten abzumildern. Die eingriffsähnliche Vorwirkung der aktuellen Emissionsmengenregelungen setze zum einen voraus, dass sie mit dem objektivrechtlichen Klimaschutzgebot des Art. 20a GG vereinbar sei. Grundrechtseingriffe ließen sich verfassungsrechtlich nur rechtfertigen, wenn die zugrundeliegenden Regelungen den elementaren Grundentscheidungen und allgemeinen Verfassungsgrundsätzen
des Grundgesetzes entsprächen. Zu den zu beachtenden Grundsätzen zähle auch Art. 20a GG, der den Staat zum Klimaschutz verpflichte und auf die Herstellung von Klimaneutralität ziele. Zum anderen setzt die verfassungsrechtliche Rechtfertigung voraus, dass die Emissionsmengenregelungen nicht zu unverhältnismäßigen Belastungen der künftigen Freiheit der Beschwerdeführenden führen. Zu dem danach gebotenen rechtzeitigen Übergang zur Klimaneutralität reichten dementsprechend die bisherigen gesetzlichen Maßgaben für die Fortschreibung des Reduktionspfads der Treibhausgasemissionen ab dem Jahr 2031 nicht aus. Die zum Teil noch sehr jungen Beschwerdeführenden seien daher durch die angegriffenen Bestimmungen in ihren Freiheitsrechten verletzt. Der Gesetzgeber sei mithin verpflichtet, die Fortschreibung der Minderungsziele der Treibhausgasemissionen für Zeiträume nach 2030 bis zum Jahresende 2022 näher zu regeln. Das sind klare Ansagen mit ungewohnter Deutlichkeit für den Bereich nationale Klimaschutzziele und wer hätte gedacht, dass das Bundesverfassungsgericht mit einer gewissen Selbstverständlichkeit aus der doch bisher eher wenig beachteten Staatzielbestimmung des Art. 20a GG ein derart konkretes Klimaschutzgebot ableiten würde. Diese Regelung ist nach Auffassung des Senats eine justiziable Rechtsnorm, die den politischen Prozess zugunsten ökologischer Belange auch mit Blick auf die besonders betroffenen künftigen Generationen binde. Auch dem bisher gern benutzten Argument, dass die Probleme des Klimawandels nicht durch die Klimaschutzbeiträge eines Staates allein gelöst werden können, schiebt das Gericht einen Riegel vor. Aus der spezifischen Angewiesenheit auf die internationale Staatengemeinschaft folge vielmehr gerade umgekehrt die verfassungsrechtliche Notwendigkeit, eigene Maßnahmen zum Klimaschutz tatsächlich zu ergreifen. Dem ist nichts hinzuzufügen. Ich wünsche Ihnen einen nachhaltigen Erkenntnisgewinn und verbleibe mit den besten Grüßen Ihr
Prof. Dr. Tilman Cosack
Ruge, Das Bundesbedarfsplangesetz 2021
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Ausbau des Übertragungsnetzes: Das Bundesbedarfsplangesetz 2021 Dr. Reinhard Ruge, LL.M. Syndikusrechtsanwalt und Stellvertretender Leiter Recht, 50Hertz Transmission GmbH
Dr. Reinhard Ruge, LL.M.* Das neue Bundesbedarfsplangesetz (BBPlG) setzt den Netzentwicklungsplan (NEP) 2030 (2019) um. Es führt damit auch den durch das Klimaschutzgesetz 2019 und auf EU–Ebene durch den Green Deal bestärkten Weg der Energiewende weiter. Aufgrund weiter angehobener Ausbauziele für Erneuerbare Energien kommt es zu einer Erhöhung der notwendigen Netzausbauvorhaben um 33 Projekte. Während einerseits der Umsetzungsstand der Energiewende mit bereits hohen Anteilen Erneuerbarer Energien und gleichzeitig fortschreitender Abschaltung von Kohle- und Kernkraftwerken deutlich sichtbar ist, fällt die BBPlG-Novelle andererseits auch in eine kritische Phase. So sind die konkreten Kosten des Ausstiegs aus der Großkraftwerksstruktur nunmehr bekannt und werden Fragen nach der Angemessenheit der Kosten der Energiewende und der künftigen Versorgungssicherheit mittlerweile auch von staatlicher Seite durch den Bundesrechnungshof gestellt, auf die es überzeugende Antworten zu geben gilt. Einigkeit besteht darin, dass die Genehmigungsverfahren zur Umsetzung der Energiewende weiterhin zu lange dauern. In diesem Kontext stellt der Beitrag die Neuregelungen des BBPlG dar und bewertet sie.
I. Anlass, Ziel und rechtliche Einordnung der Novelle des BBPlG Die Novelle des BBPlG ist einzuordnen in die seit mehr als zehn Jahren von der Bundesregierung betriebene sog. Energiewende, deren Ziel die Reduzierung von Treibhausgasemissionen zur Bekämpfung des Klimawandels ist. Hierfür wird ein grundlegender Umbau der Energieversorgung in Deutschland betrieben.1 Einerseits erfolgte und soll weiter erfolgen der zügige Ausbau der Erneuerbaren Energien entsprechend dem Klimaschutzgesetz 2019 mit den aktuell im EEG 2021 erneut angehobenen Ausbauzielen von mindestens 65 % Anteil der Erneuerbaren am Bruttostromverbrauch bis zum Jahr 2030.2 Andererseits wurden und werden der konventionelle Kraftwerkspark der Kohlekraftwerke3 sowie
* Die Ausführungen geben die persönliche Auffassung des Autors wieder. 1 Kritisch zu den Kosten der Energiewende und zum Thema der Versorgungssicherheit aktuell Bundesrechnungshof, Bericht nach § 99 BHO zur Umsetzung der Energiewende im Hinblick auf die Versorgungssicherheit und Bezahlbarkeit bei Elektrizität, Bonn, 30.03.2021. 2 Zu den nach § 12a Abs. 1 EnWG in der Netzplanung zu berücksichtigenden energiepolitischen Zielen der Bundesregierung vgl. Netzentwicklungsplan Strom 2035, Version 2021, 1. Entwurf, S. 97, www.netzentwicklungsplan.de. 3 Am 10.02.2021 wurde der öffentlich-rechtliche Vertrag zur Reduzierung und Beendigung der Braunkohleverstromung in Deutschland unterzeichnet. Grundlage für den Vertrag ist das Kohleverstromungsbeendigungsgesetz, das die schrittweise Abschaltung aller Braunkohlekraftwerke in Deutschland bis spätestens 2038 festlegt. Der Vertrag wurde zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Betreibern von Braunkohle-Großkraftwerken geschlossen. Der Bundestag stimmte dem Vertrag gemäß § 49 Kohleverstromungsbeendigungsgesetz zu, vgl. BT-Drs. 19/25494. Betreiber von Braunkohlekraftwerken sollen mit Entschädigungen in Höhe von
die Kernkraftwerke4 sukzessive abgeschaltet. Weil dadurch Erzeugungsstandorte und Verbrauchsschwerpunkte immer mehr auseinanderfallen, ist es erforderlich, Strom zunehmend über weite Strecken über das Höchstspannungs-Übertragungsnetz zu transportieren. Insbesondere der im Norden Deutschlands erzeugte Strom aus Windenergieanlagen muss zu den Verbrauchsschwerpunkten im Süden und Westen Deutschlands geleitet werden. Es gilt, Engpässe in der Stromversorgung innerhalb des deutschen Netzes zu beseitigen.5 Darüber hinaus sollen die technischen Voraussetzungen für den zunehmenden grenzüberschreitenden Stromhandel geschaffen werden. Dies ist nicht nur mit Blick auf die Ermöglichung des innereuropäischen Stromhandels von Bedeutung. Vielmehr wird aufgrund der Umstrukturierung der Erzeugungslandschaft Deutschland absehbar nicht mehr in der Lage sein, seinen Stromverbrauch zu jedem Zeitpunkt des Jahres durch Erzeugung im eigenen Land zu decken, sondern zeitweise auf Stromimporte aus dem Ausland angewiesen sein.6 Daraus resultiert ein Netzausbaubedarf insbesondere in der Höchstspannungsebene.
4,35 Mrd. EUR entschädigt werden. Betreiber von Steinkohlekraftwerken sollen Stilllegungsprämien über Ausschreibungsverfahren erhalten. 4 Betreiber von Kernkraftwerken sollen in Folge zweier Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts 2,4 Mrd. EUR Entschädigungen erhalten: „Entschädigungen für Atomausstieg: Konzerne erhalten 2,4 Mrd. EUR“, Handelsblatt vom 05.03.2021 (zuletzt abgerufen am 31.03.2021). 5 Vgl. BT-Drs. 19/23491, S. 1. 6 Der jüngste Leistungsbilanzbericht der vier deutschen Übertragungsnetzbetreiber vom 18.02.2020 zeigt für 2022 in Deutschland erstmalig eine Lücke in der Erzeugung von 7,2 GW.
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Rechtlich ist das BBPlG 2021 in die Vorschriften der §§ 12a ff. EnWG über die Netzentwicklungsplanung des Übertragungsnetzes einzuordnen, die die Bedarfsplanung für den Netzausbau der Höchstspannungsebene zum Gegenstand haben.7 Aufgrund des am 15.06.2018 von der BNetzA genehmigten Szenariorahmens der vier Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) nach § 12a EnWG hat die BNetzA den gemäß § 12b EnWG von den ÜNB erstellten 2. Entwurf des Netzentwicklungsplans 2030 (2019) am 20.12.2019 auf der Grundlage des § 12c EnWG bestätigt. Der Netzentwicklungsplan berücksichtigt erstmals das erhöhte Ziel für den Ausbau der Erneuerbaren Energien von 65 % Anteil am Bruttostromverbrauch im Jahr 2030. Daraus folgt ein erhöhter Netzausbaubedarf, der sich nun in Form von 33 neuen Netzausbauprojekten im Bundesbedarfsplan niederschlägt. Gemäß § 12e Abs. 1 Satz 1 EnWG übermittelt die BNetzA den NEP mindestens alle vier Jahre der Bundesregierung als Entwurf für einen Bundesbedarfsplan. Gemäß § 12e Abs. 1 Satz 2 EnWG legt die Bundesregierung den Bundesbedarfsplan mindestens alle vier Jahre dem Bundesgesetzgeber vor. Dies hat sie mit dem Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundesbedarfsplangesetzes und anderer Vorschriften vom 19.10.2021 getan.8 Mit Erlass des Bundesbedarfsplans durch den Bundesgesetzgeber wird für die darin enthaltenen Vorhaben die energiewirtschaftliche Notwendigkeit und der vordringliche Bedarf nach § 12e Abs. 4 Satz 1 EnWG festgestellt. Die Feststellungen sind für die ÜNB sowie für die Planfeststellung und die Plangenehmigung nach EnWG und NABEG verbindlich. Je nach Kennzeichnung der einzelnen Vorhaben im BBPlG fallen die Vorhaben in den Anwendungsbereich des EnWG oder des NABEG. Das vorliegende BBPlG stellt damit den Schlusspunkt des komplexen und gleichzeitig transparenten Verfahrens zur Bedarfsermittlung für das Übertragungsnetz dar.
II. Das Gesetzgebungsverfahren Das Gesetzgebungsverfahren hielt wenig Überraschungen bereit. Das BMWi startete die Länder- und Verbändeanhörung zur Novelle des Bundesbedarfsplangesetzes mit Vorlage des Referentenentwurfs vom 15.09.2020 und setzte den Verbänden einmal mehr eine außergewöhnlich kurze Frist zur Stellungnahme bis zum 17.09.2020. Der Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundesbedarfsplangesetzes und anderer Vorschriften wurde mit Kabinettsbeschluss vom 23.09.2020 erlassen und damit ins parlamentarische Verfahren gebracht.9 Im Bundesrat erfolgten die Empfehlungen der Ausschüsse am 23.10.2020,10 die Stellungnahme am 06.11.2020.11 Am 11.11.2020 erging die Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrats, mit der der ganz überwiegende Teil der Änderungsvorschläge abgelehnt wurde.12 Es erfolgte eine Überweisung an verschiedene Ausschüsse mit Federführung des Wirtschaftsausschusses.13 Der Wirtschaftsausschuss des Bundestages führte am 16.11.2020 eine
7 Vgl. dazu Ruge, EnWZ 2013, 435 ff.; ders., EnWZ 2015, 497 ff.; ders., §§ 12a–12d EnWG, Seite 1005 ff., in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht, Bd. 1 (Hb 1), 4. Aufl. 2019. 8 BT-Drs. 19/23491 v. 19.10.2021. 9 BT-Drs. 19/23491 v. 19.10.2021. 10 BR-Drs. 570/1/20 v. 23.10.2020. 11 BR-Drs. 570/20 v. 06.11.2020. 12 BT-Drs. 19/24236 v. 11.11.2020. 13 BT-Drs. 19/24535 v. 20.11.2020.
Ruge, Das Bundesbedarfsplangesetz 2021 Sachverständigenanhörung durch.14 Entschließungsanträge der Linken und von Bündnis90/Die Grünen wurden abgelehnt.15 Mit einem Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD vom 26.01.2021 wurde die Bundesregierung aufgefordert, verschiedene Aspekte im Zusammenhang mit dem Netzausbau zu prüfen. Neben dem Thema Startregulierung für Wasserstoffnetze und gerichtliche Zuständigkeit für Fernwärmestreitigkeiten soll auch die Eignung von Maßnahmegesetzgebung für eine Beschleunigung des Netzausbaus sowie die Berücksichtigung von DC-Leistungsschaltern zur Verbindung von Onshore- und Offshore-Gleichstromsystemen in der Netzentwicklungsplanung geprüft werden.16 Gleichzeitig legte der Wirtschaftsausschuss des Bundestages einen Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/ CSU und SPD vor,17 der Grundlage für die Beschlussempfehlung des Wirtschaftsausschusses mit verschiedenen Änderungen am Regierungsentwurf war.18 Der Bundestag verabschiedete das Gesetz am 28.01.2021,19 der Bundesrat beschloss am 12.02.2021 nicht den Vermittlungsausschuss nach Art. 77 Abs. 2 GG anzurufen.20 Nach Unterzeichnung des Bundespräsidenten und Verkündung im Bundesgesetzblatt am 03.03.2021 trat das BBPlG am 04.03.2021 in Kraft.21
III. Die Neuerungen im Gesetz Das Gesetz zur Änderung des Bundesbedarfsplangesetzes und anderer Vorschriften ist ein Artikelgesetz und ändert neben dem BBPlG noch weitere Gesetze, nämlich das NABEG, das EnWG sowie das EnLAG. Hervorzuheben sind neben der Erweiterung des Bedarfsplans selbst die Konkretisierung zur Neuauslegung bereits ausgelegter Unterlagen nach § 9 Abs. 7, 10 Abs. 4 und § 22 Abs. 8 NABEG, die Einführung der erstinstanzlichen Zuständigkeit des BVerwG für Konverteranlagen von BBPlG-Vorhaben, § 6 Satz 2 BBPlG, die Verschärfung von Anforderungen an das Anzeigeverfahren, § 43f Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 EnWG, § 25 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 NABEG, die Neuregelungen zu Leerrohren, §§ 18 Abs. 3a, 26 Satz 2 NABEG sowie die Begründung einer Rechtspflicht zur Erstellung möglichst barrierefreier Unterlagen, § 30a III NABEG. Im Folgenden werden die Neuregelungen nach Gesetz geordnet dargestellt und bewertet. 1. Änderungen des BBPlG a) Erweiterung der Vorhabenliste des Bundesbedarfsplans Augenscheinlichste Änderung des BBPlG ist eine umfassende Erweiterung der Vorhabenliste des Bedarfsplans: 33 Vorhaben werden neu in den Anhang zum Bundesbedarfsplangesetz aufgenommen. Zehn Vorhaben werden geändert, etwa durch Streichung der H-Kennzeichnung für das Vorhaben Nr. 5, die Aufnahme von zusätzlichen Einzelmaßnahmen eines bereits im
14 Bundestag, Ausschuss für Wirtschaft und Energie, Wortprotokoll der 91. Sitzung, 16.11.2020. 15 BT-Drs. 19/26278 und 19/26279 v. 27.01.2021. 16 Bundestag, Ausschuss für Wirtschaft und Energie, Ausschuss-Drs. 19(9)936 v. 26.01.2021. 17 Bundestag, Ausschuss für Wirtschaft und Energie, Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD vom 26.01.2021, Ausschuss-Drs. 19 (9)934. 18 Bundestag, Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Energie (9. Ausschuss), BT-Drs. 19/26241 v. 27.01.2021. 19 BT-Drs. 19/206, Plenarprotokoll der 206. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28.01.2021, 26051–26066. 20 BR-Drs. 85/21 (B) v. 12.02.2021. 21 BGBl I Nr. 9 2021, S. 298 ff.
Ruge, Das Bundesbedarfsplangesetz 2021 Bedarfsplan enthaltenen Vorhabens wie beim Vorhaben Nr. 10 oder aber die Ergänzung eines verbindlichen Netzverknüpfungspunktes als Stützpunkt eines bereits im Bedarfsplan enthaltenen Vorhabens wie beim Vorhaben Nr. 12. Von den neuen und geänderten Vorhaben liegt ein Großteil durch entsprechende Kennzeichnung in der Genehmigungszuständigkeit der BNetzA. Die Erweiterung des Bundesbedarfsplans schließt den komplexen Prozess der Bedarfsermittlung über den Netzentwicklungsplan der Übertragungsnetzbetreiber gemäß § 12e EnWG ab. Nach § 12e Abs. 2 Satz 2 EnWG entsprechen die Vorhaben des Bundesbedarfsplans den Zielsetzungen des § 1 EnWG. Mit Erlass des Bundesbedarfsplans wird gemäß § 12e Abs. 3 Satz 1 EnWG für die darin enthaltenen Vorhaben die energiewirtschaftliche Notwendigkeit und der vordringliche Bedarf festgestellt. Gemäß § 12e Abs. 3 Satz 2 EnWG sind die Feststellungen für die Übertragungsnetzbetreiber sowie für die Planfeststellung und die Plangenehmigung nach dem einschlägigen Fachplanungsrecht verbindlich. Der Gesetzgeber verweist in seiner Begründung ausdrücklich auf die Berücksichtigung des Umweltberichts zum Bundesbedarfsplan sowie die bei der Auswahl der Vorhaben durchgeführte Alternativenprüfung, die neben den verschiedenen Szenarien auch alternative Netzverknüpfungspunkte umfasst.22 Dies dürfte in erster Linie darauf zielen, die Konformität mit den Anforderungen der europäischen SUP-Richtlinie (RiLi 2001/42/EG) sicherzustellen. Die Alternativenprüfung im NEP war insoweit bereits Gegenstand einer erfolglosen Beschwerde des BUND bei der EU-Kommission.23 b) Begriffliche Klarstellung von Nebenanlagen In den § 3 Abs. 5 Satz 1 sowie § 4 Abs. 3 Satz 1 BBPlG wird die Legaldefinition des Erdkabels im Sinne der Vorschriften erweitert. Als Erdkabel i.S.d. BBPlG gelten nun auch Nebenbauwerke. Zur Begründung führt der Gesetzgeber aus24: „Unter dem Erdkabel ist die Gesamtheit einer Anlage zur unterirdischen Fortleitung von Elektrizität, bestehend aus isolierten Leitern, die im Boden, in Rohren, Tunneln, Mulden oder auf vergleichbare Weise verlegt sind, einschließlich Nebenbauwerken wie zum Beispiel Muffenbauwerken, Kabelabschnittsstationen und Kabelübergabeanlagen zu verstehen. Die Nebenbauwerke im Sinne dieser Vorschrift sind von notwendigen Anlagen im Sinne von des § 18 Abs. 2 NABEG oder § 1 Abs. 2 (z. B. Konverterstationen) zu unterscheiden.“ Die Neuregelung macht für die Nebenbauwerke einen Antrag auf Einbeziehung in die Planfeststellung nach § 18 Abs. 2 NABEG entbehrlich. Bereits gestellte Anträge sind mit Blick auf die gesetzliche Regelung für erledigt zu erklären oder zurück zu nehmen. Dies führt künftig zu einer gewissen Vereinfachung. c) Konkretisierung der technischen Sicherheit bei Erdkabeln Mit dem neuen § 3 Abs. 5 BBPlG trifft der Gesetzgeber eine Spezialregelung zur technischen Sicherheit nach § 49 EnWG. Kunststoffisolierte Erdkabel mit einer Nennspannung von mehr als 320 Kilovolt bis zu 525 Kilovolt erfüllen danach die Anforderungen an die technische Sicherheit im Sinne des § 49 EnWG. Erdkabel zur Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung mit einer Nennspannung von mehr als 320 kV und einer Kunststoffisolierung sind neu und bislang in der Praxis in Deutschland noch nicht erprobt. Bei einigen Vorhaben kommt künftig insbesondere der Einsatz kunststoffisolierter 525-kV-Erdkabel in Betracht.
22 BT-Drs. 19/23491, S. 23. 23 UVP Gesellschaft, UVP Report 29 (3) 158–162, 2015. 24 BT-Drs. 19/26241, S. 2.
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Kunststoffisolierte Erdkabel mit einer Nennspannung von mehr als 320 kV bis zu 525 kV können den Ausbaubedarf reduzieren und zur Beschleunigung des Netzausbaus beitragen.25 Hintergrund der Regelung waren Unsicherheiten rund um die Frage nach dem Verständnis der Anforderungen der technischen Sicherheit nach § 49 Abs. 1 Satz 1 EnWG und den dabei zu beachtenden anerkannten Regeln der Technik nach § 49 Abs. 1 Satz 2 EnWG. Teilweise wird unter Hinweis auf eine Entscheidung des BVerwG26 vertreten, dass die technische Sicherheit nur gegeben ist bei Vorliegen und Erfüllen anerkannter Regeln der Technik, was nach der zitierten Einzelrechtsprechung neben einer allgemeinen Anerkennung in Fachkreisen auch eine praktische Erprobung voraussetze. Dieser engen Auslegung kann allerdings weder mit Blick auf den Wortlaut noch mit Blick auf den Sinn und Zweck der Norm gefolgt werden.27 Entscheidend für die Erfüllung der Anforderung des § 49 Abs. 1 Satz 1 EnWG ist ausweislich dessen Wortlauts der Nachweis der technischen Sicherheit durch den Vorhabenträger. Dies kann auf verschiedene Weise geschehen etwa durch Studien, Herstellernachweise oder Präqualifikationstests entsprechend dafür geltender Vorgaben.28 Soweit es dabei allgemein anerkannte Regeln der Technik gibt, sind sie zu beachten und bieten dem Vorhabenträger nach § 49 Abs. 2 EnWG eine Beweiserleichterung für den Nachweis der technischen Sicherheit. Bei neuen Technologien fehlt es aber i.d.R. noch an der praktischen Erprobung und einer allgemeinen Anerkennung der Fachwelt. Hier genügen den Anforderungen des § 49 Abs. 1 EnWG dann die technischen Nachweise des Vorhabenträgers, der dafür dann allerdings auch die Verantwortung und das Haftungsrisiko trägt. Andernfalls wären technische Innovationen im Bereich der Energieanlagentechnik praktisch ausgeschlossen oder nur auf gesetzliche Pilotvorhaben beschränkt.29 Aufgrund der gesetzgeberischen Einordnung der HGÜ-Technologie als Pilottechnik aufgrund der B-Kennzeichnung der HGÜ-Erdkabelvorhaben i.S.d. § 2 Abs. 2 BBPlG i.V.m. § 12b Abs. 1 Satz 4 Nummer 3 Buchstabe a EnWG hat der Gesetzgeber die gesamte HGÜ-Technologie als Pilottechnik eingeordnet. Vor diesem Hintergrund stellt die Neuregelung hinsichtlich der Kunststoffisolierung lediglich eine Klarstellung dar, die bereits zuvor vom Pilotcharakter der HGÜ-Technik umfasst war. Der Gesetzgeber hat für die Klarstellung den Weg über eine Vorbehaltsregelung i.S.d. § 49 Abs. 1 Satz 2 EnWG gewählt und spricht insoweit von einer Spezialregelung im Sinne von § 49 Abs. 1 Satz 2 EnWG.30 Der Einsatz weiterer innovativer Techniken soll von dieser oder weiteren Spezialregelungen nicht abhängig sein oder dadurch erschwert werden.31 Insgesamt schafft die Regelung Rechtssicherheit für die großen und kostspieligen HGÜ-Erdkabelvorhaben und ist daher zu begrüßen.
25 BT-Drs. 19/23491, S. 23. 26 BVerwG, Urt. v. 18.07.2013 – A 4.12, BVerwGE 147, 184, Rn. 40. 27 Säcker/König, in: Säcker (Hrsg.), BKEnR, Bd. 1, 2. Hb., 4. Aufl. 2019, § 49 EnWG Rn. 20. 28 BT-Drs. 19/23491, S. 23. 29 Hierfür spricht, dass selbst bei Vorhandensein von technischen Regeln, insb. mit Blick auf Innovationen, in der juristischen Literatur vertreten wird, dass eine Abweichung möglich ist, wenn die gleiche technische Sicherheit erreicht wird, etwa van Rienen/Wasser, in: Danner/Theobald, Energierecht, EnWG, § 49 Rn. 33 [100. El., 12/2018]. 30 BT-Drs. 19/23491, S. 23. 31 BT-Drs. 19/23491, S. 23.
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d) Erst- und letztinstanzliche Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts für Konvertergenehmigungen § 6 Satz 2 Nr. 2 BBPlG weist die erst- und letztinstanzliche Zuständigkeit für Rechtsmittel gegen BImschG-Genehmigungen für Konverter (Stromrichteranlagen), die dem Betrieb von Vorhaben aus dem Bundesbedarfsplan dienen, dem BVerwG zu. Durch die Zuständigkeit des BVerwG wird eine einheitliche Befassung und Entscheidungsgeschwindigkeit für Entscheidungen gewährleistet, die Vorhaben aus dem Bundesbedarfsplangesetz betreffen. Mit der Ergänzung in § 6 Satz 2 Nr. 2 BBPlG wird ein Gleichlauf des Rechtswegs zwischen einer Integration des Konverters in die Planfeststellung nach dem NABEG und der Genehmigung auf Grundlage des BImSchG sichergestellt.32 Damit erfolgt eine begrüßenswerte Reduzierung des Instanzenzugs von drei auf eine gerichtliche Instanz. Dieser Ansatz der auf HGÜ-Konverter beschränkten Reduzierung der gerichtlichen Instanzen sollte auf alle übrigen BImSchG-Genehmigungen von Wechselstrom-Umspannanlagen übertragen werden, in Form einer erstinstanzlichen Zuständigkeit bei den Oberverwaltungsgerichten oder beim Bundesverwaltungsgericht. 2. Änderungen des EnWG Neben im Wesentlichen redaktionellen Änderungen an den Vorgaben zum NEP sowie einer Abgrenzung der Reichweite des Umweltberichts zwischen FEP und Bundesbedarfsplan in § 12c und 12e EnWG betreffen die Änderungen des EnWG das Anzeigeverfahren nach § 43f EnWG/§ 25 NABEG, die Veränderungssperre nach § 44a EnWG, den vorzeitigen Baubeginn nach § 44c EnWG, Zuständigkeitsregelungen der BNetzA-Beschlusskammern in § 59 EnWG sowie Übergangsregelungen zum Thema Entflechtung und Eigentum von Batteriespeicheranlagen in §§ 91, 118a, 118b EnWG. a) Verschärfung der Anforderungen des Anzeigeverfahrens, § 43f EnWG (und § 25 NABEG) Zwei kleine, aber durchaus folgenreiche Änderungen verschärfen die Anforderungen, die an das Anzeigeverfahren zu stellen sind. Nach § 43f EnWG und gleichlautend nach § 25 NABEG können unwesentliche Änderungen oder Erweiterungen anstelle des Planfeststellungsverfahrens unter bestimmten Voraussetzungen durch ein Anzeigeverfahren zugelassen werden. Nach § 43f Abs. 1 Satz 2 EnWG ist eine Änderung oder Erweiterung dann unwesentlich, wenn u. a. nach dem UVPG oder nach § 43f Abs. 2 EnWG hierfür keine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen ist. Nach § 43f Abs. 2 EnWG ist abweichend vom UVPG eine UVP für die Änderung oder Erweiterung nicht durchzuführen bei Änderung des Betriebskonzepts, Umbeseilung oder Zubeseilung. Diese Ausnahme war allerdings nach § 43f Abs. 2 Satz 2 EnWG bisher nur anzuwenden, wenn die nach Landesrecht zuständige Behörde feststellt, dass die Vorgaben der §§ 3, 3a und 4 26. BImSchV eingehalten sind. Die Vorschriften der TA Lärm waren bislang nicht erfasst, was sich durch die nun vorgenommene Regelung ändert. Künftig ist auch die Einhaltung der Vorgaben der TA Lärm zu bestätigen. Parallel dazu setzt das Anzeigeverfahren grundsätzlich nach § 43f Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 EnWG voraus, dass andere öffentliche Belange nicht berührt sind oder die erforderlichen behördlichen Entscheidungen vorliegen und sie dem Plan nicht entgegenstehen. Davon macht wiederum § 43f Abs. 3 EnWG eine Ausnahme, wenn die nach Landesrecht zuständige Behörde im Einvernehmen mit der zuständigen Immissionsschutzbehörde feststellt, dass die
32 BT-Drs. 19/23491, S. 23.
Ruge, Das Bundesbedarfsplangesetz 2021 Vorgaben nach §§ 3, 3a und 4 26. BImSchV eingehalten sind, und wenn weitere öffentliche Belange nicht berührt sind oder die hierfür erforderlichen behördlichen Entscheidungen vorliegen und sie dem Plan nicht entgegenstehen. Hier greift die zweite Ergänzung durch das neuen BBPlG insofern als dass auch hier neben die Vorgaben der 26. BImSchV nun auch ausdrücklich die Vorgaben der TA Lärm gestellt werden, deren Einhaltung ebenfalls ausdrücklich festzustellen ist. Ziel des Gesetzgebers ist es sicherzustellen, dass auch die Vorgaben der TA Lärm eingehalten werden. Insbesondere bei Zuund Umbeseilungen habe sich in der Praxis gezeigt, dass die Einhaltung der Immissionsrichtwerte der TA Lärm nicht in jedem Fall sicher gewährleistet werden könnten. Durch die Ergänzung werde damit die Gewährleistung eines weiterhin hohen Umweltschutzniveaus sichergestellt. Danach sei die Einhaltung der Immissionsrichtwerte nach Nr. 6 unter Berücksichtigung der weiteren Vorgaben der TA Lärm festzustellen.33 Auch wenn die Änderung zunächst geringfügig erscheint, sind die Auswirkungen nicht zu unterschätzen. Gerade das von der Bundesregierung ausgerufene Ziel der Höherauslastung des Bestandsnetzes zur Beschleunigung der Energiewende34 hängt entscheidend davon ab, dass sich Bestandsleitungen in einem kurzen Verfahren wie dem Anzeigeverfahren nach § 43f EnWG bzw. § 25 NABEG unkompliziert umrüsten lassen. Hielten allerdings alte Bestandsleitungen die Vorgaben der TA Lärm nicht mehr ein, so ließ sich vor der ausdrücklichen Aufnahme der Vorgaben der TA Lärm mit § 43f Abs. 4 Satz 5 EnWG argumentieren, dass es letztlich nur auf eine Deltaprüfung ankomme, da Prüfgegenstand nur die jeweils angezeigte Änderung oder Erweiterung ist. Da im Fall einer Höherauslastung mit Blick auf den Lärm der Immissionswert regelmäßig unverändert bleibt, konnte das Anzeigeverfahren weiter durchgeführt werden. Dies scheint nun aufgrund des ausdrücklichen Wortlauts kaum mehr vertretbar. Sind also durch Bestandsleitungen die Lärmimmissionswerte erreicht, dürfte das Anzeigeverfahren für Höherauslastungen des Bestandsnetzes kaum mehr zur Anwendung kommen; ein deutlicher Dämpfer für das erklärte Ziel der Beschleunigung durch Höherauslastung! b) Veränderungssperre: Vereinheitlichung entschädigungsfreier Zeiträume, § 44a EnWG § 44a EnWG, der über § 18 Abs. 5 NABEG auch für die NABEGVerfahren Anwendung findet, regelt die mit Beginn der Auslegung greifende Veränderungssperre. Die Neuregelung betrifft den Zeitraum, für den die Veränderungssperre entschädigungslos hinzunehmen ist. Durch die Änderung werden die Bestimmungen zur Dauer, ab der Veränderungssperren die Rechtsfolgen des § 44a Abs. 2 EnWG auslösen, für alle Hochspannungsleitungen vereinheitlicht. Unabhängig davon, ob die Hochspannungsleitung als Freileitung oder als Erdkabel ausgeführt wird, treten diese Rechtsfolgen ein, wenn die Veränderungssperre über fünf Jahre dauert. Dies galt bisher schon für Hochspannungsfreileitungen. Durch die Änderung wird gewährleistet, dass für alle Vorhaben, die den Bau von Hochspannungsleitungen betreffen, unabhängig von der technischen Ausführung insoweit gleiche Regelungen gelten.35 Die Regelung wird als Inhalts- und Schrankenbestimmung i.S.d. Art. 14
33 BT-Drs. 19/23491, S. 35. 34 BMWi, Aktionsplan Stromnetz, Stand 14.08.2018, www.bmwi.de (zuletzt abgerufen am 03.04.2021). 35 BT-Drs. 19/23491, S. 35.
Ruge, Das Bundesbedarfsplangesetz 2021 Abs. 1 Satz 2 GG eingeordnet.36 Der Gesetzgeber begründet die Angemessenheit der entschädigungslosen Duldungspflicht ausführlich mit der besonderen Bedeutung von Hochspannungsleitungen für das Gemeinwohl und der Komplexität der Planfeststellungsverfahren sowohl bei Freileitungen als auch bei Erdkabeln.37 c) Vorzeitige Besitzeinweisung: Ausweitung der Anwendungfälle, § 44c EnWG Die erst 2019 eingeführte Regelung des vorzeitigen Baubeginns nach § 44c EnWG38 verwies bislang redaktionell fehlerhaft noch auf eine veraltete Fassung des § 43 EnWG und war auf eine Auswahl der dort geregelten planfeststellungspflichtigen Vorhaben beschränkt. Die Änderung passt den Verweis auf die nun seit 2019 geltende Fassung des § 43 EnWG an und erweitert den Verweis auf alle in § 43 Abs. 1 Nummern 1 bis 6 und Abs. 2 EnWG genannten Anlagen. Unter den Voraussetzungen des § 44c EnWG kann die Zulassung des vorzeitigen Baubeginns in all diesen Fällen sachgerecht sein und angeordnet werden.39 d) ÜNB und Batteriespeicheranlagen/„Netzbooster“, §§ 91, 118a, 118b EnWG Die drei neuen Regelungen betreffen Übergangsregelungen für die Errichtung und den Betrieb von Batteriespeichern als innovative Netzführungskonzepte in Form sog. Netzbooster zur reaktiven Wiederherstellung des sicheren und zuverlässigen Netzbetriebs nach einer Störung, um die Netzbetreiberpflichten nach § 11 Abs. 1 Satz 1 EnWG zu erfüllen. Für den Strom aus den Batteriespeichern gilt ein Vermarktungsverbot für die Strommärkte, sie sind allein netzdienlich. Diese Netzbooster sollen auf Basis des NEP 2030 (2019) kurzfristig errichtet werden. Als Speicheranlagen dürfen sie jedoch sowohl mit Blick auf die Entflechtungsregelungen in §§ 8 ff. EnWG als auch die neuen Regeln für Speicheranlagen in Art. 36 und 54 der Richtlinie (EU) 2019/944 als Erzeugungsanlagen grundsätzlich nicht von Netzbetreibern errichtet und betrieben werden. Bis zur endgültigen Umsetzung der Richtlinie durch den aktuellen Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung unionsrechtlicher Vorgaben und zur Regelung reiner Wasserstoffnetze im Energiewirtschaftsrecht40 bedarf es insofern einer kurzfristigen Übergangsregelung.41 § 118a EnWG regelt eine Ausschreibungsmöglichkeit von Batteriespeicheranlagen durch die ÜNB sowie in Umsetzung des Art. 54 RiLi die Gründe, aus denen ein Zuschlag nicht erteilt wird. Für diesen Fall regelt anschließend § 118b EnWG unter welchen Voraussetzungen die ÜNB Batteriespeicher selbst errichten und betreiben dürfen. Hierfür benötigen sie eine behördliche Genehmigung, deren Gebührenpflichtigkeit in § 91 Abs. 1 Nr. 4 EnWG neu geregelt wird. 3. Änderungen des EnLAG In § 3 EnLAG waren bislang für den EnLAG-Bedarfsplan Prüfpflichten zu Anpassungsbedarf sowie Berichtspflichten zu Erfahrungen mit dem Einsatz von Piloterdkabelvorhaben enthalten. Die Vorschrift wird ersatzlos gestrichen. Zur Begründung verweist der Gesetzgeber auf von der BNetzA veröffentlichte Quartalsberichte zum Stand der Netzausbauvorhaben nach dem EnLAG und
36 37 38 39 40 41
Pielow, in: Säcker (Hrsg.), BKEnR, Bd. 1/Hb. 2, 4. Aufl. 2019, § 44a Rn. 3. BT-Drs. 19/23491, S. 35. Dazu Ruge, ER 2019, 135 (138 f.) sowie Riege, EnWZ 2020, 305. BT-Drs. 19/23491, S. 36. BMWi, Referentenentwurf 03.02.2021, veröffentlicht www.bmwi.bund.de. BT-Drs. 19/26241, S. 33 ff.
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dem BBPlG.42 Neben diesem umfassenden und aktuellen Monitoring sei der Mehrwert einer daneben bestehenden zweijährigen Berichtspflicht nach § 3 EnLAG nicht erkennbar. Speziell für die Erfahrungen mit Erdkabeln bestehe zudem eine Berichtspflicht der Übertragungsnetzbetreiber nach § 5 Abs. 3 BBPlG, die das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie bei Bedarf geltend machen kann. Damit seien die in § 3 EnLAG vorgesehenen Prüfund Berichtspflichten gegenstandslos geworden. Ergänzend zu der Gesetzesbegründung sei zum Quartalsmonitoring auf die dafür 2019 nachträglich eingeführte Rechtsgrundlage in § 12d Abs. 2 EnWG verwiesen sowie für die Berichtspflichten zum Thema Erfahrungen mit Erdkabeln neben dem erwähnten § 5 Abs. 3 BBPlG noch auf § 12b Abs. 1 Satz 4 Nr. 3c EnWG bzw. § 5 Abs. 1 BBPlG. Die Abschaffung der Pflichten nach § 3 EnLAG ist zu begrüßen, weil bürokratieentlastend. 4. Änderungen des NABEG Der umfangreichste Teil der Änderungen des Artikelgesetzes bezieht sich auf das NABEG. Hier sind Änderungen zur Bundesfachplanung, Planfeststellung und zu Zuständigkeiten und Übergangsregelungen erfolgt. a) Bundesfachplanung aa) Bundesfachplanungsverzicht, § 5a NABEG Für den in § 5a NABEG geregelten Verzicht auf die Bundesfachplanung43 gibt es zwei wichtige Änderungen. Zum einen wird in § 5a Abs. 3 NABEG mit einem Verweis auf eine entsprechende Anwendung von § 15 Abs. 3 Satz 1 und 2 NABEG klargestellt, dass die Entscheidung über den Verzicht auf die Bundesfachplanung – ebenso wie die Entscheidung über die Bundesfachplanung – nur einen verwaltungsinternen Charakter und daher keine unmittelbare Außenwirkung hat. Sie ist nur im Rahmen des Rechtsbehelfsverfahrens gegen die Zulassungsentscheidung für die jeweilige Ausbaumaßnahme überprüfbar.44 Zum anderen wird – ähnlich der bereits bestehenden Regelung in § 6 Satz 2 NABEG – in § 5a Abs. 6 NABEG zur Beschleunigung der Verfahren eine gesetzliche Frist eingeführt, innerhalb derer spätestens ein Antrag für den Verzicht auf die Bundesfachplanung gestellt werden muss. Die nötige Flexibilität soll gewährleistet werden, indem abweichende Fristen im Bundesbedarfsplan vorgesehen werden können.45 Gemeint ist hier wohl die Möglichkeit eines Verzichts von Gesetzes wegen nach § 2 Abs. 7 BBPlG i.V.m. § 5a Abs. 4 NABEG. Die Bundesnetzagentur kann nach § 5a Abs. 6 Satz 2 NABEG auf begründeten Antrag des Vorhabenträgers die Frist verlängern. bb) Antrag auf Bundesfachplanung, § 6 NABEG In § 6 NABEG ist der Beginn der Bundesfachplanung mittels Antrag des Vorhabenträgers geregelt, der innerhalb von 18 Monaten nach Aufnahme des Vorhabens in den Bundesbedarfsplan zu stellen ist. Die bisher vorgesehene Beschränkung auf zweimalige Verlängerungsmöglichkeit um jeweils bis zu sechs Monate wird nunmehr gestrichen. Damit wird die Verlängerungsmöglichkeit für Vorhabenträger und Genehmigungsbehörde flexibler.46
42 Das Quartalsmonitoring zum EnLAG und BBPlG ist im Internetz abrufbar unter www.netzausbau.de (zuletzt abgerufen am 31.03.2021). 43 Instruktiv dazu Appel/Feurich, ER 2020, 47 ff. 44 BT-Drs. 19/23491, S. 36. Einen Eilantrag gegen eine Bundesfachplanungsentscheidung nach § 12 NABEG hat das Bundesverwaltungsgericht mit Blick auf § 15 NABEG jüngst abgelehnt, BVerwG, Beschl. v. 24.03.2021 – 4 VR 2.20. 45 BT-Drs. 19/23491, S. 36. 46 BT-Drs. 19/23491, S. 36.
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cc) Unterlagen nach § 8 NABEG § 8 NABEG hat die Unterlagen zum Gegenstand, die der Vorhabenträger für die Bundesfachplanung in Ergänzung und Vertiefung des Antrags nach § 6 NABEG vorlegen muss. Der bisherige Wortlaut des § 8 Satz 1 NABEG beschränkte die vorzulegenden Unterlagen auf ein raumordnerisches und ein UVP-Prüfprogramm. Allerdings wurden aufgrund des Prüfmaßstabs in § 5 Abs. 1 Satz 2 NABEG darüber hinaus in der Praxis auch alle sonstigen öffentlichen oder privaten Belange abgeprüft.47 Künftig wird auf die Festlegung des Untersuchungsrahmens nach § 7 Abs. 4 NABEG verwiesen. Die Änderung passt insoweit den Wortlaut an die bisherige Praxis an und stellt lediglich eine Klarstellung dar. Mit § 8 Satz 2 und 3 NABEG wird für den Fall absehbarer Nichteinhaltung der Frist für die Einreichung der Unterlagen nach § 8 NABEG nun ausdrücklich eine Verlängerungsmöglichkeit und eine Antragspflicht hierfür geregelt. Die Behörde entscheidet darüber nach pflichtgemäßem Ermessen. Die Regelung entspricht der Praxis und bringt keinen Mehrwert. Die erst jüngst als § 8 Satz 2, jetzt § 8 Satz 4 NABEG eingefügte Klarstellung, dass Duldungsverfügungen nach § 44 EnWG auch bereits in der Bundesfachplanung möglich sind und die BNetzA hierfür zuständig ist, wird durch eine Ergänzung des Verweises auf § 44 Abs. 3 Satz 2 EnWG insofern klargestellt als damit die Zuständigkeit der BNetzA auf den Erlass der Duldungsverfügung selbst beschränkt ist und die Frage von Entschädigungszahlungen nach § 44 Abs. 3 EnWG in der Zuständigkeit der jeweiligen Landesbehörde verbleibt.48 Die Regelung trägt insgesamt zur Rechtssicherheit bei und wird bereits von der BNetzA angewendet.49 Der bisherige § 8 Satz 3 NABEG wird gestrichen. Er ordnete eine entsprechende Anwendung des § 40 Abs. 3 und 4 UVPG über die Inhalte des Umweltberichts an. Die Streichung dient der Klarstellung, da § 40 Abs. 3 und 4 UVPG für die strategische Umweltprüfung, die als Teil der Bundesfachplanung durchgeführt wird, unmittelbar gilt und nicht lediglich aufgrund entsprechender Anwendung in § 8 NABEG.50 Insofern wurde allerdings auch bisher schon die misslungene Regelung nicht als selektiver, sondern beispielhafter Verweis eingeordnet, der die Anwendung anderer, nicht erwähnter Normen des UVPG keinesfalls ausschließen sollte.51 dd) Nachbeteiligung in der Bundesfachplanung, §§ 9 Abs. 7, 10 Abs. 4 NABEG Mit den Änderungen werden erstmalig ausdrückliche Regelungen zur in der Praxis äußerst relevanten Nachbeteiligung während der Bundesfachplanung eingefügt. Es handelt sich um Klarstellungen bzw. Abweichungen zu den Vorschriften des UVPG bzgl. des Verfahrens der erneuten Beteiligung der Öffentlichkeit im Falle der Änderung der Unterlagen durch den Vorhabenträger im laufenden Verfahren, um die ggf. erforderliche Anstoßwirkung herbeizuführen.52 Dabei werden nach § 9 Abs. 7 Satz 2 NABEG lediglich diejenigen Behörden nochmals beteiligt, deren Aufgabenbereich durch die Änderung berührt wird; die Auslegung der geänderten Unterlagen kann nach § 9 Abs. 7 Satz 3 neben dem Sitz der Bundesnetzagentur auf einen weiteren geeigneten Auslegungsort in
47 Zustimmend auch die h. M. in der Literatur: Appel, in: Säcker (Hrsg.), BKEnR, Bd. 1, 2. Hb., 4. Aufl. 2019, § 8 NABEG Rn. 5 m. w. N. 48 BT-Drs. 19/23491, S. 37 unter Verweis auf BT-Drs. 19/7375, S. 73. 49 Vgl. etwa BVerwG, Beschl. v. 17.02.2020 – 4 VR 1.20. 50 BT-Drs. 19/23491, S. 37. 51 Appel, in: Säcker (Hrsg.), BKEnR, Bd. 1, 2. Hb., 4. Aufl. 2019, § 8 NABEG Rn. 14 m. w. N. 52 BT-Drs. 19/23491, S. 38.
Ruge, Das Bundesbedarfsplangesetz 2021 zumutbarer Nähe für die von der Änderung potenziell Betroffenen beschränkt werden. Auch kann nach § 9 Abs. 7 Satz 4 NABEG die Bekanntmachung in örtlichen Tageszeitungen auf das Gebiet beschränkt werden, welches durch die Änderung der Unterlagen betroffen wird. Schließlich wird nach § 9 Abs. 7 Satz 5 NABEG die Äußerungsfrist im Anschluss an die einmonatige Auslegung der Unterlagen auf zwei Wochen festgesetzt. Die Möglichkeit der Äußerung besteht dabei ab Beginn der Auslegung. Der Umfang der neu auszulegenden Unterlagen wird regelmäßig im Vergleich zur ursprünglichen Auslegung deutlich geringer sein. Die Bundesnetzagentur kann bei umfangreicheren Änderungen eine längere Äußerungsfrist von bis zu einem Monat festsetzen. Werden bereits ausgelegte Unterlagen nach der Durchführung eines Erörterungstermins geändert und wird dadurch eine erneute Beteiligung der Öffentlichkeit nach § 42 Abs. 1, § 22 UVPG notwendig, soll von einem erneuten Erörterungstermin abgesehen werden. Die Regelung zum Regelverzicht auf den Erörterungstermin gilt nach dem neuen § 22 Abs. 8 i.V.m. § 22 Abs. 6 Satz 2 NABEG auch für die Planfeststellung. ee) Vereinfachtes Verfahren, § 11 NABEG Das vereinfachte Verfahren nach § 11 NABEG hat nach der Einführung des Bundesfachplanungsverzichts in § 5a NABEG in der Praxis an Bedeutung verloren. Die Ergänzung dient der Klarstellung für Altfälle, bei denen nach der bis zum 29.05.2019 geltenden Fassung des NABEG anstelle des Trassenkorridors eine Trasse festgelegt werden konnte. Es wird durch die Ergänzung klargestellt, dass das vereinfachte Verfahren auch für diese Altfälle weiterhin genutzt werden kann. Sofern sich im Planfeststellungsverfahren aufgrund nachträglicher Erkenntnisse im Einzelfall ausnahmsweise herausstellt, dass eine geringfügige Änderung einer im vereinfachten Verfahren festgelegten Trasse erforderlich ist, um ein Vorhaben zu verwirklichen, kann dies weiterhin über § 11 erfolgen.53 ff) Bekanntmachung der Bundesfachplanungsentscheidung, § 13 NABEG Die Änderungen in § 13 NABEG betreffen das Verfahren der Bekanntmachung der Entscheidung über die Bundesfachplanung nach § 12 NABEG. In § 13 Abs. 1 NABEG wird neben den Trägern öffentlicher Belange nun auch ausdrücklich der Vorhabenträger als Adressat der schriftlich oder elektronisch zu übermittelnden Entscheidung aufgenommen. Der neue § 13 Abs. 1 Satz 2 NABEG erleichtert die elektronische Übermittlung dadurch, dass die Entscheidung über die Internetseite der Bundesnetzagentur zugänglich gemacht werden kann und die Beteiligten sowie der Vorhabenträger hierüber schriftlich oder elektronisch benachrichtigt werden. Grund hierfür ist, dass eine elektronische Versendung ab einer bestimmten Dateigröße oftmals aus technischen Gründen nicht möglich ist.54 Die Änderungen in § 13 Abs. 1 NABEG vereinfachen die Regelungen zum Auslegungsort, der neue § 9 Abs. 2 Satz 2 NABEG trifft eine Regelung zum Auslegungsort für den Fall, dass eine Öffentlichkeitsbeteiligung nach § 9 Abs. 3 NABEG nicht stattgefunden hat, etwa im Fall des vereinfachten Verfahrens nach § 9 Abs. 7 NABEG. Die Änderungen in § 13 Abs. 2 Satz 4 NABEG sind redaktioneller Art.
53 BT-Drs. 19/23491, S. 39. 54 BT-Drs. 19/23491, S. 39.
Ruge, Das Bundesbedarfsplangesetz 2021 gg) Veränderungssperre, § 16 NABEG Die Änderung von § 16 NABEG beschränkt sich auf die Art und Weise der Bekanntmachung. Nach dessen neuem § 16 Abs. 4 Satz 2 NABEG ist in der Bekanntmachung in den örtlichen Tageszeitungen der verfügende Teil zu veröffentlichen und ist auf die vollständige Veröffentlichung der Veränderungssperre einschließlich der Rechtsbehelfsbelehrung auf der Internetseite der Bundesnetzagentur hinzuweisen. Damit wird der Umfang der Bekanntmachung in den örtlichen Tageszeitungen deutlich reduziert und es werden Kosten und Aufwand gespart. b) Planfeststellung aa) Allgemeine Regelungen Auch in der Planfeststellung wird in § 21 analog der Neuregelung zur Bundesfachplanung in § 8 Sätze 2 und 3 NABEG die Festlegung einer Frist und für den Fall absehbarer Nichteinhaltung der Frist für die Einreichung der Unterlagen nach § 21 NABEG nun ausdrücklich eine flexiblere Verlängerungsmöglichkeit und eine Antragspflicht hierfür geregelt. Die Behörde entscheidet darüber nach pflichtgemäßem Ermessen. Analog zur Neuregelung in § 9 Abs. 7 NABEG zur Bundesfachplanung wird auch in der Planfeststellung das Verfahren zur Nachbeteiligung ausdrücklich in § 22 Abs. 8 NABEG geregelt. Die Anpassung des § 25 NABEG zum Anzeigeverfahren ist wortgleich mit den verschärften Anforderungen nach § 43f EnWG. Insofern kann auf die obigen Ausführungen verwiesen werden. bb) Ergänzung der Leerrohr- und Erdkabelregelung, §§ 18 Abs. 3a, § 19 Satz 4 Nr. 4 und 26 Satz 2 NABEG Der Gesetzgeber passt mit den Ergänzungen in §§ 18 Abs. 3a, § 19 Satz 4 Nr. 4 und 26 Satz 2 NABEG die erst im Jahr 2019 eingeführte Regelung zur vorausschauenden Planung mittels Leerrohren55 an und stärkt damit weiter das Bündelungsgebot, indem die Alternativenprüfung bei Mitverlegung von Leerrohren oder Erdkabeln mit anderen Erdkabeln unter bestimmten Voraussetzungen beschränkt wird. Zweck der Neuregelung ist es, die Bündelung zu erleichtern, indem bereits umfänglich untersuchte Räume für die Trassierung und den Bau von Leerrohren bzw. Erdkabelvorhaben genutzt und so der Netzausbau weiter beschleunigt werden kann. Dies ist volkswirtschaftlich deutlich sinnvoller und gleichzeitig wesentlich umweltverträglicher als die voneinander getrennte Realisierung von zwei Vorhaben. Bei einer völlig freien Planung außerhalb des für ein Vorhaben bereits bestimmten Trassenkorridors wäre die Zahl der möglichen Trassenvarianten für das zu bündelnde Vorhaben sehr groß.56 § 18 Abs. 3a Satz 1 NABEG legt dabei fest, dass für mitzurealisierende Leerrohre oder Erdkabelvorhaben der Trassenkorridor des Vorhabens, für das bereits eine Bundesfachplanungsentscheidung vorliegt, zu beachten ist. Dies wird durch Satz 2 insoweit konkretisiert, dass die Prüfung der in Frage kommenden Alternativen für die mitzurealisierenden Leerrohre bzw. Erdkabelvorhaben in der Regel auf den Trassenkorridor des Vorhabens beschränkt ist, für das bereits eine Bundesfachplanungsentscheidung vorliegt. Eine räumliche Alternativenprüfung außerhalb des schon bestimmten Trassenkorridors erfolgt nach Satz 3 nur, sofern zwingende Gründe entgegenstehen. Insoweit handelt es sich um eine Sonderregelung zum UVPG.57 Die Prüfung von Alternativen
55 Ruge, Vorausschauende Planung als neues Instrument zur Beschleunigung des Netzausbaus im „NABEG 2.0“, FS Danner, 2019; ders., ER 2019, 135 (137 f.). 56 BT-Drs. 19/23491, S. 40. 57 BT-Drs. 19/23491, S. 40.
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außerhalb des bereits festgelegten Trassenkorridors stellen grundsätzliche keine vernünftigen Alternativen i.S.d. § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 UVPG dar. Abwägungsbelange können daher die mitzuverlegenden Erdkabel oder Leerrohre nicht mehr aus dem bereits festgelegten Trassenkorridor zwingen und sind daher auch vom Vorhabenträger mit Blick auf eine Verlegung außerhalb des Trassenkorridors nicht mehr zu prüfen. Der Vorhabenträger kann sich daher bereits für seinen Antrag nach § 19 NABEG auf die Prüfung beschränken, ob die in § 18 Abs. 3a Satz 4 NABEG genannten zwingenden Gründe zu einer Prüfung von Alternativen außerhalb des bereits festgelegten Trassenkorridors führen. Nur in diesen Fällen ist die Alternativenprüfung für die mitzurealisierenden Leerrohre bzw. Erdkabelvorhaben ausnahmsweise über den Trassenkorridor hinaus zu erweitern.58 Insofern stellt der Vorhabenträger seine Erkenntnisse in seinem Antrag nach § 19 NABEG in der Antragskonferenz nach § 20 NABEG den Trägern öffentlicher Belange und der Öffentlichkeit vor. Nur wenn daraus Erkenntnisse resultieren, dass zwingende Gründe die Prüfung von Alternativen außerhalb des festgelegten Trassenkorridors erfordern, wird dem Vorhabenträger eine solche Prüfung im Untersuchungsrahmen nach § 20 Abs. 3 NABEG aufgegeben, andernfalls erarbeitet er die Unterlagen nach § 21 NABEG beschränkt auf den bereits festgelegten Trassenkorridor. Da der Entscheidung über die Bundesfachplanung des anderen Vorhabens intensive Prüfungen vorangegangen sind, dürften diese Fälle in der Praxis die absolute Ausnahme darstellen. Im Zusammenhang des § 18 Abs. 3a NABEG spielt auch die Anpassung des § 26 NABEG eine Rolle. § 26 NABEG ermöglicht eine gemeinsame Entscheidung von Vorhaben, die in der Zuständigkeit unterschiedlicher Behörden zu genehmigen wären, aber auch von mehreren Vorhaben, die allein in der Zuständigkeit der Planfeststellungsbehörde gemäß § 31 NABEG liegen. Der neu gefasste § 26 Satz 2 NABEG erweitert die bisherige Regelung und stellt nun in Nummer 1 klar, dass § 26 NABEG auch bei einem Zusammentreffen mehrerer Erdkabelvorhaben nach § 2 Abs. 1 NABEG anzuwenden ist.59 Da Voraussetzung der Anwendung des § 18 Abs. 3a NABEG entweder die Einbeziehung von Leerrohren nach § 18 Abs. 3 NABEG oder von Erdkabeln nach § 26 Satz 2 ist, stellt sich die Frage, wie das besondere Bündelungsgebot des § 18 Abs. 3a NABEG konkret zur Anwendung kommt. Nach dem Wortlaut der Vorschrift bedarf es zur Wirksamkeit des § 18 Abs. 3a NABEG keiner gesonderten behördlichen Entscheidung. Eine solche zusätzliche behördliche Entscheidung ist in den gesetzlichen Regelungen nicht vorgesehen. Es kommt also allein auf die Handlung des Vorhabenträgers an, der entweder eine Einbeziehung von Leerrohren nach § 18 Abs. 3 NABEG beantragen muss oder einen Antrag auf gemeinsame Entscheidung über beide zu bündelnde Vorhaben nach § 26 Satz 2 NABEG stellen muss, um § 18 Abs. 3a NABEG mit seinem besonderen Bündelungsgrundsatz zur Anwendung zu bringen. § 26 Satz 2 NABEG selbst stellt keine solche Rechtsgrundlage dar, da damit lediglich die gemeinsame Entscheidung über zwei formal eigenständige Vorhaben angesprochen ist. Die Verbindung der beiden Verfahren richtet sich nach § 10 VwVfG. Bei Verbindung der Vorhaben kann, muss aber nicht ein gemeinsamer UVP-Bericht nach § 16 Abs. 8 UVPG vorgelegt werden. Werden getrennte UVP-Berichte vorgelegt, so sind nach § 16 Abs. 8 Satz 2 UVPG darin auch jeweils die Umweltauswirkungen der anderen kumulierenden Vorhaben als Vorbelastung zu berücksichtigen. Aber auch bei Erstellung eines gemeinsamen
58 BT-Drs. 19/23491, S. 40. 59 BT-Drs. 19/23491, S. 42.
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UVP-Berichts muss nach der Rechtsprechung eine getrennte Betrachtung der beiden Vorhaben im UVP-Bericht erfolgen und zusätzlich eine summierende Betrachtung. Dass ein gemeinsamer UVP-Bericht erstellt wird, führt nicht dazu, dass nur eine Prüfung der Gesamtauswirkungen beider Vorhaben vorzunehmen ist. Diese grundsätzlich getrennte Betrachtung gilt über den UVP-Bericht hinaus auch für die fachplanerische Alternativenprüfung.60 Aufgrund der Streichung der Leerrohrregelung für Vorhaben 5 (H-Kennzeichnung nach § 2 Abs. 8 BBPlG) bei gleichzeitiger Aufnahme eines zusätzlichen, im südlichen Teil parallel zu Vorhaben 5 verlaufenden neuen Vorhaben 5a in den Bundesbedarfsplan stellt sich die Frage, welche verfahrensrechtlichen Umsetzungsmöglichkeiten sich bieten. Hintergrund ist, dass für das Vorhaben 5 auf der Grundlage des § 18 Abs. 3 Satz 1 NABEG i.V.m. § 2 Abs. 8 NABEG die Einbeziehung von Leerrohren im Zuge der § 19-Anträge beantragt wurde. Diese Anträge haben sich mit der Streichung der H-Kennzeichnung erledigt, da die Leerrohrregelung des § 18 Abs. 3 Satz 1 NABEG nun nicht mehr greift. Die als sinnvoll erkannte Bündelung des Südteils des Vorhabens 5a mit dem bereits als Trassenkorridor festgelegten Vorhaben 5 kann aufgrund der Neuregelung des § 18 Abs. 3a und § 26 NABEG auf mehreren Wegen erreicht werden. Aufgrund des bereits recht fortgeschrittenen Verfahrensstadiums des Vorhaben 5 lassen sich die Verfahren schlicht getrennt durchführen, was letztlich aber zur Folge haben könnte, dass auf der gesamten Strecke des zunächst genehmigten und realisierten Vorhaben 5 noch einmal alle Bauarbeiten für das zweite Vorhaben durchgeführt werden müssten. Diese doppelte Bautätigkeit sollte gerade durch die Einführung der vorausschauenden Planung in § 43j EnWG und § 18 NABEG vermieden bzw. deutlich reduziert werden. In diesem Sinne bieten sich zwei Wege an. Zum einen kann der Weg über die Bündelung zweier Erdkabel über einen Antrag auf gemeinsame Entscheidung nach § 26 NABEG gewählt werden. Dies erfordert jedenfalls die Erstellung neuer Anträge nach § 19 NABEG für alle Abschnitte des Vorhaben 5a sowie die Durchführung von Antragskonferenzen und Festlegung von Untersuchungsrahmen. Dieser Aufwand lässt sich vermeiden, indem der Leerrohrantrag nach § 18 Abs. 3 Satz 1 NABEG aufrechterhalten und auf einen Leerrohrantrag nach § 18 Abs. 3 Satz 2 NABEG umgestellt wird. Bei dieser Variante entfällt der Bedarf zur Erstellung neuer Anträge nach § 19 NABEG und Durchführung behördlicher Verfahrensschritte nach § 20 NABEG. Das neue Vorhaben 5a kann als Leerrohrvorhaben mit Vorhaben 5 mitgenehmigt werden und der Einzug der Kabel dann zu einem späteren Zeitpunkt ohne weitere Genehmigung erfolgen, da alle Auswirkungen des neuen Vorhabens über die Leerrohrregelung bereits abgeprüft worden wären (§ 18 Abs. 3 Satz 5 und 6 NABEG). Diesem Vorgehen lässt sich auch nicht entgegenhalten, dass die Leerrohrregelung nur solange anwendbar sei, bis ein zunächst als Leerrohr einbezogenes Verfahren im Bundesbedarfsplan aufgenommen und damit die Unsicherheit über den Bedarf endgültig beseitigt ist. Eine solche Einschränkung lässt sich dem Wortlaut des § 18 Abs. 3 NABEG nicht entnehmen und auch der Beschleunigungszweck der Leerrohrregelung macht es kaum denkbar, dass der Gesetzgeber hier die angesichts eines bereits eingeleiteten Verfahrens mit Einbeziehung von Leerrohren diese weniger aufwändige Vorgehensweise ausschließen wollte. Insofern ist festzuhalten, dass Vorhabenträger und Behörde zwei rechtlich gleichwertige Wege zur Verfügung stehen. Zu beachten ist in dem Kontext künftig auch die Neufassung des § 19 Satz 4 Nr. 4 NABEG, der für den Antragsinhalt nach § 19
60 BVerwG, Urt. v. 11.08.2016 – 7 A 1/15, Rn. 37 f. sowie 171 (Weservertiefung).
Ruge, Das Bundesbedarfsplangesetz 2021 NABEG die Prüfpflichten für vorausschauende Planung in Bezug auf Leerrohre und mitverlegte Erdkabel konkretisiert. Danach muss im § 19-Antrag dargelegt werden, ob und in welchem Umfang zusätzliche energiewirtschaftlich notwendige Maßnahmen zumindest auf Teilabschnitten innerhalb des Trassenkorridors des Vorhabens mittels Leerrohren im Sinne des § 18 Abs. 3 NABEG oder Erdkabeln im Sinne des § 26 Satz 2 Nr. 2 NABEG mitrealisiert werden können, sofern bei einem Vorhaben nach dem Antrag auf Bundesfachplanung und vor dem Antrag auf Planfeststellung ein Netzentwicklungsplan nach § 12c EnWG von der Bundesnetzagentur bestätigt wird. Die Prüfung und Dokumentation müssen sich sowohl auf die Möglichkeit der Realisierung als auch auf den Umfang der Realisierung beziehen.61 c) Geheimhaltung, Datenschutz, Weitergabe von Einwendungen, § 30a Abs. 1, 2, 4 und 5 NABEG Im neuen § 30a NABEG werden datenschutzrechtliche Regelungen aus einzelnen Vorschriften des NABEG zusammengefasst und insgesamt die Geltung der Rechtsvorschriften über Geheimhaltung und Datenschutz einschließlich der Anforderungen aus der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) sowie die Rechte am geistigen Eigentum klargestellt. Die bisherigen datenschutzrechtlichen Anforderungen bleiben dabei vollumfänglich erhalten. Sie waren bisher in Teilen v. a. in § 7 Abs. 6, § 8 Satz 4 bis 6, § 9 Abs. 5 und 6 Satz 5, § 13 Abs. 3, § 20 Abs. 4, § 21 Abs. 3 Satz 2, § 22 Abs. 5 und 6 Satz 4 und § 24 Abs. 4 NABEG enthalten. Zudem enthält die Vorschrift Präzisierungen und vereinzelt Erweiterungen von Befugnissen, insbesondere hinsichtlich der Weitergabe von Einwendungen.62 § 30a Abs. 2 NABEG begründet die Verpflichtung zur Erstellung zusätzlicher Unterlagen, soweit Themen der Geheimhaltung oder des Datenschutzes oder Rechte Dritter betroffen sind. Gleichwohl muss dabei die Anstoßwirkung Dritter noch gewahrt sein. Aus der Formulierung „soweit“ wird deutlich, dass nur diejenigen Unterlagen doppelt vorgelegt werden müssen, die tatsächlich Geheimhaltung etc. betreffen. Es ist kein komplett zweiter Satz an Unterlagen vorzulegen. Mehr Rechtssicherheit für Behörden und Vorhabenträger bringt § 30a Abs. 4 NABEG. Danach sind die Einwendungen und Stellungnahmen aus der Behörden- und Öffentlichkeitsbeteiligung nach § 9 NABEG und dem Anhörungsverfahren nach § 22 NABEG dem Vorhabenträger und den von ihm Beauftragten zur Verfügung zu stellen. Sie dürfen auch an die Träger öffentlicher Belange weitergegeben werden, sofern deren Aufgabenbereich berührt ist. Auf Verlangen eines Einwenders sind dessen Name und Anschrift unkenntlich zu machen, wenn diese zur ordnungsgemäßen Durchführung des Verfahrens nicht erforderlich sind. Hierauf ist in der jeweils nach diesem Gesetz vorgesehenen Benachrichtigung oder Bekanntmachung hinzuweisen. d) Barrierefreie Unterlagen, § 30a Abs. 3 NABEG Zusätzliche Belastung für die Vorhabenträger, auch im Vergleich zu anderen Infrastrukturbereichen, die keiner vergleichbaren Regelung unterliegen, begründet die Pflicht zur Erstellung möglichst barrierefreier Unterlagern nach § 30a Abs. 3 NABEG. Danach hat ein Vorhabenträger, der einen Antrag nach dem NABEG stellt oder zur Vorlage von Unterlagen verpflichtet ist, der zuständigen Behörde den Antrag und die vorzulegenden Unterlagen auch in möglichst barrierefreier Form einzureichen. Soweit eine barrierefreie Form nicht möglich ist oder der Vorhabenträger
61 BT-Drs. 19/23491, S. 40. 62 BT-Drs. 19/23491, S. 42.
Ruge, Das Bundesbedarfsplangesetz 2021 durch sie unverhältnismäßig belastet würde, entfällt die Pflicht nach Satz 1. Die in § 30a Abs. 3 NABEG nun aufgenommene Pflicht zur Erstellung und Einreichung möglichst barrierefreier Unterlagen geht allerdings über die Anforderungen nach den dafür geltenden spezialgesetzlichen Normen des Behindertengleichstellungsgesetzes (BGG) und der Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung (BitV 2.0), auch nach ihrer Anpassung an die Richtlinie (EU) 2016/2102 des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 26. Oktober 2016 über den barrierefreien Zugang zu den Websites und mobilen Anwendungen öffentlicher Stellen hinaus. Die Übertragungsnetzbetreiber sind keine öffentlichen Stellen. Für die öffentliche Stelle des Bundes BNetzA als Adressat des BGG sind die Antragsunterlagen der Vorhabenträger Fremdinhalte. Insofern greifen die Pflichten der einschlägigen Spezialgesetze für die Übertragungsnetzbetreiber und auch für andere Betreiber von Infrastrukturen (wie etwa die Autobahn des Bundes oder die Deutsche Bahn) nicht. Es ist aus der Gesetzesbegründung nicht ersichtlich, weshalb ausgerechnet im Bereich der Planungsverfahren für Höchstspannungsleitungen als einzigem Infrastrukturbereich die spezialgesetzlichen Normen des BGG und der BitV 2.0 verschärft und damit der bereits jetzt erhebliche Aufwand für die Erstellung der komplexen Unterlagen weiter erhöht werden sollen. Dieser Rechtslage konnte sich auch der Gesetzgeber nicht ganz verschließen. Die ursprünglich im Gesetzentwurf vorgesehene, uneingeschränkte Pflicht zur Erstellung barrierefreier Unterlagen63 wurde durch die Beschlussempfehlung des Wirtschaftsausschusses in zweierlei Hinsicht abgeschwächt.64 Zunächst gilt nun nicht mehr die Pflicht zur Einreichung der Unterlagen „auch in barrierefreier Form“, sondern lediglich zur Einreichung „in möglichst“ barrierefreier Form. Darüber hinaus ist ein Abweichen von dieser eingeschränkten Pflicht nicht mehr wie ursprünglich vorgesehen von einer ausnahmsweisen Befreiung durch die Behörde abhängig, sondern die Pflicht zur möglichst barrierefreien Unterlageneinreichung entfällt qua Gesetz, soweit diese nicht möglich ist oder der Vorhabenträger durch sie unverhältnismäßig belastet würde. Diese beiden Änderungen wirken sich gegenüber der ursprünglich geplanten Regelung entlastend auf die Unterlagenerstellung aus. Während zuvor die Vorgaben von BGG und BitV 2.0 verpflichtend umzusetzen gewesen wären, bieten die in der BITV 2.0 vorgesehenen Standards nunmehr nur noch „eine Orientierung“. Die barrierefreie Gestaltung erfordert danach nicht die Verwendung Leichter Sprache, was bei den komplexen, sehr stark rechtlich und fachlich geprägten Unterlagen kaum möglich wäre (jenseits der nach UVPG geforderten Allgemeinverständlichen Zusammenfassung). Die Verwendung Leichter Sprache ist nach § 4 BITV 2.0 nur für bestimmte Inhalte der Webseiten öffentlicher Stellen vorgesehen.65 Auch die von der BNetzA in der Vergangenheit geforderte Verwendung von Alternativtexten für Bilder, Grafiken und Tabellen66 ist nun eindeutig nicht mehr verlangt. Dies ist bei Großvorhaben mit Unterlagen im Umfang von 5.000 bis 15.000 Seiten, die aufgrund ihrer Natur zu einem wesentlichen Teil aus Bildern, Grafiken und Tabellen bestehen, kaum leistbar.
63 BT-Drs. 19/23491, S. 14 und 42 mit dem in der Gesetzesbegründung ganz offensichtlich falschen Rechtsverständnis, dass es sich bei der Regelung nur um eine Klarstellung und keine Ausweitung der Rechtspflichten nach dem BGG und der BITV 2.0 handele. 64 BT-Drs. 19/26241, S. 24. 65 BT-Drs. 19/26241, S. 35. 66 BNetzA, Az. „Bundesfachplanung N13“, Checkliste für die pdf-Erstellung, 09.05.2014.
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Das Gesetz zielt insbesondere ab auf textliche Ausarbeitungen und diesbezüglich eine screenreader-gerechte Formatierung von Texten und die Verwendung von Lesezeichen.67 Das Entfallen der ursprünglich vorgesehenen Genehmigungspflicht erleichtert den Vorhabenträgern die Antragstellung deutlich, weil dadurch zu erwartende Diskussionen mit der Genehmigungsbehörde entfallen. Insofern stellt der Gesetzgeber in der Begründung klar, dass insbesondere bei kartografischen Darstellungen regelmäßig eine Unzumutbarkeit vorliegt und die Pflicht insoweit entfällt.68 Gleichwohl ist zu konstatieren, dass Vorhabenträger nun Unterlagen in drei Fassungen vorlegen müssen, der „normalen“ Fassung, der um Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse bereinigten Fassung sowie der möglichst barrierefreien Fassung. Dies wird zusätzliche Zeit und Kosten verursachen und läuft dem Beschleunigungsgedanken des NABEG zuwider. e) Zuständigkeiten für Interkonnektoren und Erweiterung von Übergangsregelungen, §§ 2 Abs. 5, 35 NABEG Schließlich ist noch hinzuweisen auf eine Ergänzung des § 2 Abs. 5 NABEG, mit dem eine Klarstellung zur Zuständigkeit BSH bzw. Landesbehörden nach BBergG für Interkonnektoren für den Bereich des Festlandsockels erfolgt. § 2 Abs. 5 NABEG nimmt Vorhaben, die dem Bundesberggesetz unterfallen, ausdrücklich aus dem Anwendungsbereich des Gesetzes aus. Damit wird klargestellt, dass bei Interkonnektoren für den Bereich des Festlandsockels das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) sowie die jeweilige Landesbergbehörde zuständig bleiben (§§ 133, 136 BBergG).69 Zu begrüßen ist auch die Ergänzung der Übergangsvorschrift des § 35 NABEG. Danach bleiben bestehende Entscheidungen über bisher schon erfasste „Bundesfachplanung, Genehmigungen und Planfeststellungsbeschlüsse“ hinaus nunmehr auch über „weitere bestehende Entscheidungen“ unberührt. Durch die Einfügung werden von der Übergangsvorschrift auch Entscheidungen im Anzeigeverfahren oder sonstige Entscheidungen, z. B. nach den immissionsrechtlichen Vorschriften erfasst. Auch diese bleiben von Änderungen der verfahrensrechtlichen oder materiellrechtlichen Anpassungen dieses Gesetzes nach Erlass der jeweiligen Entscheidung unberührt.70
IV. Fazit Das neue BBPlG setzt einerseits den NEP 2030 (2019) um und erweitert den Bundesbedarfsplan um weitere 33 Vorhaben zur Umsetzung der Energiewende, bedingt durch eine weitere Erhöhung des Anteils Erneuerbarer Energien an der Erzeugung. Andererseits nimmt der Gesetzgeber verschiedene Anpassungen im Genehmigungsrecht vor, die in erster Linie weiter zur Beschleunigung und Erhöhung der Rechtssicherheit der Genehmigungsverfahren beitragen sollen. In etlichen Fällen ist dies sicherlich gelungen, wie etwa der Klarstellung zur technischen Sicherheit neuer Kabeltechnologie oder den Regelungen zur Nachbeteiligung. In anderen Fällen bewirkt der Gesetzgeber eher das Gegenteil, so etwa der Einführung der Pflicht zur Vorlage möglichst barrierefreier Unterlagen oder der Verschärfung der Anforderungen an das Anzeigeverfahren nach § 43f EnWG/§ 25 NABEG.
67 68 69 70
BT-Drs. BT-Drs. BT-Drs. BT-Drs.
19/23491, 19/26241, 19/23491, 19/23491,
S. S. S. S.
42. 35. 36. 44.
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Ruge, Das Frizen/Schwind, Bundesbedarfsplangesetz Wasserstoffnetze 2021
Kaum aber ist ein Gesetz zum Netzausbau in Kraft getreten, liegt bereits das nächste zur Änderung netzbezogener Rechtsvorschriften vor. Mit dem am 03.02.2021 vorgelegten Gesetzentwurf zur Umsetzung unionsrechtlicher Vorgaben und zur Regelung reiner Wasserstoffnetze im Energiewirtschaftsrecht71 werden erneut Änderungen an Vorschriften zu Planungs- und Genehmigungsverfahren zum Netzausbau vorgeschlagen, insbesondere zur Frage der Durchführungsverantwortung der Übertragungsnetzbetreiber in §§ 12c, 65 Abs. 2 EnWG.
Auch bleiben künftig weitere Beschleunigungsmöglichkeiten zu diskutieren. Die ÜNB haben ihre Ideen insoweit im NEP-Umsetzungsbericht 2020 erstmalig gemeinsam öffentlich dargelegt.72 Als besondere Herausforderung stellt nach wie vor das nationale und europäische Umweltrecht dar, aber auch Überlegungen zur Reduzierung der Komplexität der Verfahren, insbesondere eine starke Dopplung von Prüfungen und Verfahrensschritten zwischen Bundesfachplanung und Planfeststellung, dürfen dabei nicht ausgeblendet werden.
71 BMWi, Referentenentwurf 19.01.2021, Gesetzentwurf 10.02.2021, veröffentlicht www.bmwi.bund.de (zuletzt abgerufen am 03.04.2021).
72 Umsetzungsbericht zum Netzentwicklungsplan Strom 2030, Version 2019, S. 37 ff., September 2020, www.netzentwicklungsplan.de (zuletzt abgerufen am 03.04.2021).
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