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Intelligente Allianz: Der neue Smart-Home-Standard heißt Connected Home over IP – kurz: CHIP

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TE STS

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Die erste Pressemitteilung Ende 2019 klang reichlich abstrakt. Vier große Konkurrenten verkündeten, gemeinsam einen neuen, lizenzfreien Übertragungsstandard zu entwickeln, mit dem künftig alle

Smart-Home-Gerätschaften miteinander kommunizieren können. Der Standard fürs „Connected Home“ soll auf „IP“ (Internet-Protokoll) basieren und Informationen zwischen vernetzten Geräten künftig über unterschiedliche Netzwerk-Infrastrukturen übertragen. Connected

Home over IP eben – kurz: CHIP.

Das Ganze klingt ziemlich verwegen, angesichts hart konkurrierender Konzerne, die sich gegenseitig sonst nicht einmal das Schwarze unter den Fingernägeln gönnen. Eher überschütten sie sich mit Patentrechts-Klagen. Die Zigbee-Allianz als Vertreterin eines von mehreren verbreiteten Funkformaten für die Geräte-Kommunikation im Smart Home mutet ebenfalls sonderbar an als Vierte im Bunde. Immerhin ist der Funkstandard Zigbee ein bewährter Konkurrent zu WLAN und Bluetooth für die effiziente Übertragung von Steuerungs-Infos im heimischen „Internet of Things“ – neben Konkurrenten wie Z-Wave,

Enocean, KNX, IO Homecontrol, die DECT-Variante „Ultra Low Energy“ (ULE) und viele mehr. Breite Hersteller-Allianz Ein zweiter Blick auf die Mission des CHIP-Standards macht das Ganze etwas klarer. Sowohl Amazon als auch Apple und Google gehören bereits heute zum Vorstand der Zigbee-Allianz. Viele weitere Anbieter von Smart-Home-Produkten wie etwa Ikea, Legrand, Signify (Philips Hue), Smart Things (Samsung) oder Somfy sitzen dort ebenfalls mit am Steuer. Insofern sollte die initiale Meldung vor allem zeigen, dass die drei führenden Plattformen für übergreifende (Sprach-)Steuerung im Haus – Amazon Alexa, Apple Homekit/ Siri und Google Home – mit vielen weiteren Herstellern an einem Strang ziehen. Auch die Mission ist offenbar nicht, alle anderen Funk- und Bussysteme im Smart Home abzulösen. CHIP soll vielmehr eine gemeinsame Plattform auf Netzwerkebene, also in der IP-Datenwelt, schaffen, die verschiedene Systeme technisch möglichst einfach zusammen arbeiten lässt.

Der Weg zur einheitlichen Schnittstelle Heute benötigen Smart-Home-Produkte, etwa die beliebten Philips Hue-Leuchten, für jedes mögliche System, das sie über ihre Apps mitsteuern sollen, eine eigene Datenschnittstelle. Diese verbindet in der Regel die Hue-Bridge übers Heimnetz mit dem jeweiligen Partner-System – etwa mit Apple TV als Homekit- Zentrale. Für die Anbindung an Amazon Alexa benötigte die Hue Bridge eine andere Software-Schnittstelle, ebenso für die Verbindung mit Samsung Smart Things, Google und vielen anderen Systemen. Die Verbindung erfolgt dabei bereits heute stets im IP-Datenprotokoll, nur eben in unterschiedlichen Sprachen.

Künftig soll diese Verbindung zu allen an CHIP beteiligten Systeme einheitlich sein und im verbreiteten Internet-Datenformat erfolgen (IPv6). CHIP ist dabei kein neues, einheitliches SmartHome-System und auch nicht unbedingt eine neue Übertragungsnorm zwischen vernetzten

Glühbirnen oder Heizungsthermostaten. Es soll

Foto: Samsung Oliver Rilling Leiter strategisches Produktmarketing, Somf y CHIP soll ermöglichen, dass so viele Produkte wie möglich ihre Informationen zur Nutzung durch andere bereitstellen. Dann kann der Nutzer aus all diesen Produkten diejenigen auswählen, die er tatsächlich nutzen möchte. Das heißt aber nicht, dass auch das Transportmedium, also etwa die Funkübertragung, einheitlich sein muss. Es wird weiterhin unterschiedliche Funkstandards geben. Je nach Anwendung wird auch künftig der Standard gewählt, der jeweils am besten die Anforderungen erfüllt.

Der Brückenschlag von Smart-Home-Apps zu Smart TVs gelingt bisher nur wenigen Systemen. Samsung Smart Things ist eines davon.

Der Apple Homepod dient als SmartHome-Zentrale für Homekit, als Siri-Sprachassistent und als MultiroomLautsprecher – auch im CHIP-Standard. eher ein Kommunikations- und Anwendungsprotokoll zwischen den Systemen sein. Im ersten Schritt geht es also vor allem um eine einheitliche Sprache für die Verbindung zwischen einzelnen Geräten und Smart Home-

Zentralen wie Amazon Alexa, Apple Homekit oder Google Home.

Die großen Systeme bleiben Ohne diese Grundlage wäre es wohl kaum gelungen, die drei großen (Sprach)-Steuerungsanbieter plus einen ambitionierten Vierten aus Fernost – Samsung mit Smart Things und dem Sprachassistenten Bixby – an einen Tisch zu bekommen. Die vier Systeme unterscheiden sich durch recht klare Charakteristika und sprechen jeweils unterschiedliche Zielgruppen an. Google zielt mit kostenlosen, werbefinanzierten Onlinediensten wie Navigation, Websuche oder Youtube auf eine andere Nutzerschar als Alexa, das als Medien-, Einkaufs- und Smart-Home-Universalist auftritt. Apple hat mit seinen exklusiven Produkten sowie dem Versprechen der vollen Datenhoheit und Werbefreiheit eine anspruchsvollere Klientel im Blick, während Samsung als Vollsortimenter die beste Verbindung zwischen Smart Home, SmartTV und Haushaltsgeräten verspricht.

Doch das sind nicht die einzigen Plattformen, die Produkte von unterschiedlichen Herstellern digital vernetzen. Weitere Beispiele stehen auf der Seite 52. Mit den unterschiedlichen Ausrichtungen können die Plattformen weiter nebenei-

A M A ZO N A L E X A

Smartspeaker mit dem Amazon Alexa sind von vielen Herstellern, in unzähligen Farben und Größen zu haben. Auch die Zahl der über Alexa nutzbaren Smart-HomeProdukte ist ungeschlagen. Allerdings dient Alexa eher als universelle Sprach-Fernbedienung denn als vollwertige Smart-Home-Zentrale. Einfache Logiken und Szenen lassen sich zwar über die SmartHome-Menüs einrichten, doch dabei muss man aufpassen, dass sich Automatisierungen in Alexa nicht mit denen in den angeschlossenen Smart-HomeSystemen widersprechen. www.amazon.de

A P P L E H O MEK I T

Bislang sind die Sicherheitshürden recht hoch, um ein Smart-Home-Produkt über Apple Homekit steuerbar zu machen, weshalb die Zahl der steuerbaren Produkte und Systeme noch überschaubar ist. Für alle angeschlossenen Systeme – und eben für AppleNutzer – kann Homekit aber eine wirklich vollwertige Smart-Home-Zentrale mit recht variablen Programmierungen und Automatisierungen bieten. Die Verbindung mit dem Multiroom-Audiosystem Airplay 2 und den Apple Homepod macht das Ganze rund – aber auch nicht eben billig. www.apple.com

Etablierte Sprachsteuerungen wie Amazon Alexa und Google Assistant sollen auch über den CHIP-Standard eingebunden werden.

Foto: Google Foto: Amazon nander existieren. Kunden sollen sich nur keine Sorgen mehr machen, ob ein bestimmtes Smart Lock oder eine IP-Kamera mit dem eigenen System harmoniert – dank CHIP.

Datensicherheit als Grundbedingung Unter diesen Voraussetzungen startete die CHIPEntwicklung. Mittlerweile meldet die Zigbee Alliance über 145 beteiligte Hersteller und Entwickler. Alle bisherigen Ergebnisse und Dokumentationen sind öffentlich zugänglich: Insider finden diese im Entwicklerforum „Github.com“ unter dem Schlagwort „connectedhomeip“. Dieses Vorgehen ist für Firmen wie Apple oder Amazon neu. Sie schützen ihre Entwicklungen bislang oft besser als die USA ihr Fort Knox. Nun wird öffentlich entwickelt. Und flott: Ende 2020 ist ein Entwurf geplant, 2021 die offizielle Verabschiedung

George Yianni Signif y, Head of Technology, Philips Hue CHIP hat das Potenzial, die Art und Weise, wie Produkte verschiedener Hersteller miteinander vernetzt werden, zum Standard zu machen. Als Hersteller müssen wir weniger Produktintegrationen aufbauen, da eine Lösung für viele Unternehmen funktionieren wird – vielleicht sogar für alle. Für die Verbraucher wird deutlich, welche Produkte zusammen funktionieren.

G O O G L E H O ME

Google Home und der zugehörige Sprachassistent Google Assistant funktionieren ähnlich wie Amazon Alexa. Nur klaffen hier mehr Lücken unter den vielfältigen IoT-Produkten, die das System kennt. Szenen heißen hier „Abläufe“ und lassen sich nur über Zeitpläne oder Sprachbefehle einrichten. Auch das ist wieder eher das Modell „Fernbedienung“ statt „Smart-Home-Zentrale“. Auf der anderen Seite ist Google Home natürlich auch ein umfassender Helfer beim jeglichen Web-Suchen und anderne Onlinediensten aus dem Google-Universum. www.google.com

Foto: Samsung

SM A R T T HIN G S

Mit dem Kauf von „Smart Things“ landete Samsung vor ein paar Jahren einen Coup. Inzwischen bietet das System, noch wenig entdeckt, einen großen Funktions- und Formate-Umfang – etwa die Funkstandards Zigbee, Z-Wave und WLAN in der Zentrale selbst. Diese vernetzt sich via Netzwerk mit vielen Smart-Home-Komponenten und stellt eine Verbindung zu Haushaltsgeräten und Smart-TVs her. Die Smart-Home-Szenen und Automatisierungen können sich sehen lassen. In der Samsung-Welt steht das System so dem Pendant von Apple nicht wirklich nach. Auch bei CHIP sind die Koreaner dabei. www.samsung.com/smartthings

des Standards. Eine Beschreibung der Architektur existiert, wobei diese noch recht allgemein ist und vielen andere Datenmodellen für die IoTKommunikation ähnelt.

Nicht die erste IP-Sprache Zum Verständnis: Die für CHIP vorgesehene IPVernetzung definiert die Art der Kommunikation, also wie sich Geräte gegenseitig bekannt machen. Diese Informationen lassen sich wiederum über unterschiedliche Übertragungs-Arten – Busleitung, Funk (zum Beispiel Zigbee oder Z-Wave), Netzwerkkabel – senden. Die Anwendungsebene schließlich definiert eine gemeinsame Sprache aller Komponenten. Hier setzt CHIP an.

Geräte, die per IP-Protokoll kommunizieren, gibt es bereits: Der deutsche Hersteller eQ-3 etwa hat mit Homematic IP ein solches System auf dem Markt (siehe rechts). Das vor ein paar Jahren aus dem Umfeld von Google gestartete Projekt „Thread“ hat einen ähnlichem Anspruch wie CHIP – auf IP-Ebene. Es existiert weiter, allerdings bislang ohne weithin sichtbare Ergebnisse. Auch unter dem Dach der Zigbee-Allianz gab es bereits Bestrebungen, die Kommunikations zwischen Geräten von den verschiedenen Einzel-Protokollen auf eine gemeinsame Sprache auf Basis von IP zu harmonisieren – was verworfen wurde, wie eQ-3-Chef Bernd Grohmann berichtet.

CHIP soll nun ein übergreifendes BrückenBauwerkt zwischen den vielen Inseln im Smart Home werden. Das Ganze steht und fällt damit, ob nach der Entwicklung wirklich alle Smart- Home-Systeme den CHIP-Standard in ihre IPSchnittstellen integrieren. Dazu zählen neben den beteiligten Anbietern etwa auch die vielen KNX-Steuerungszentralen, Systeme auf Basis des Z-Wave-Funkstandards oder Hersteller-eigene Lösungen wie Homematic IP. Technisch ist die Integration kein Problem. Die Frage ist eher, ob alle Hersteller diese offene Kommunikation mit anderen Komponenten auch wirklich wollen. rot ❚

Bernd Grohman Vorstand, eQ-3 AG Wir begrüßen es sehr, dass sich IPv6 jetzt auch als Standard in der Hausautomation abzeichnet. Wir nutzen IPv6 bereits seit mehr als 5 Jahren in unserem Homematic IP System. Aktuell ist leider noch völlig unklar, welches Applikationsprotokoll in CHIP zum Einsatz kommt. Wenn dafür ein Standard bei CHIP vorläge, können wir problemlos Geräte liefern, die zu Homematic IP und CHIP interoperabel und kompatibel sind.

IF T T T

Die Onlineplattform „If This Then That“ ist eine Art Smart- Home-Zentrale in der Cloud – sie kommt ohne eigene Hardware aus und verbindet Smart-Home-Komponenten wie auch andere Onlinedienste ausschließlich übers Internet. So kann man per IFTTT etwa eine autoamtisierte Mail verschicken, sobald ein Sensor im Haus einen bestimmten Zustand bemerkt. IFTTT nutzt dafür offene SteuerungsSchnittstellen der Systeme. Die Funktionen von IFTTT sind allerdings begrenzt. www.ifttt.com

Foto: Conrad Connect

C O NR A D C O NNEC T

Die deutsche Antwort auf IFTTT – viel leistungsfähiger, aber bisweilen auch komplexer in der Bedienung. Die Steuerungs-Plattform verknüpft viele SmartHome-Produkte online mit Rezepten, die mit den Operatoren UND, ODER und Zeitsteuerungen umfangreiche Automatisierungen erauben. Das Ganze kostet je nach Komplexität und Zahl der eingesetzten Systeme eine monatliche Gebühr, dafür spart man die Investition in eine Smart-Home-Zentrale. CHIP-tauglich? Ja! www.conradconnect.com

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