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Differenzierung in der Küche

Küchenprofis bieten mehr als industriellen Standard

„Differenzierung ist für uns als Küchenspezialisten ein wesentlicher Faktor, der weit über einen Fassadenwechsel hinausgeht“, darin sind sich Christian Böhm, Böhm Küchen, Groß-Bieberau, sowie Nicolai und Burghard Köhler, Haus der Küchen, Worms, einig. Wir besuchten die beiden Unternehmen gemeinsam mit Thomas Herden, der für den Vertrieb Deutschland der Kesseböhmer-Beschlagtechnik verantwortlich zeichnet. Gemeinsam möchten wir eruieren, welchen Stellenwert das Thema Stauraum während der Beratungsgespräche mit Konsumenten hat und andererseits, welche Bedeutung dem Thema von Konsumenten beigemessen wird.

Wir beginnen unsere kleine Rundreise in Groß-Bieberau, im südhessischen Landkreis Darmstadt-Dieburg am Nordrand des Odenwalds. Mit Marken wie Siematic, Rational, next125 und der mit Schüller C realisierten Hausmarke spricht das Unternehmen die Käufer gehobener Produkte an. Entsprechend hoch ist der Durchschnittswert der hier geplanten und verkauften Küchen. Während des Gesprächs tragen wir unsere Masken. Die Einhaltung der coronabedingten Auflagen wird auch hier sehr ernst genommen. „Unsere Kunden haben durchaus Verständnis dafür“, unterstreicht Christian Böhm. „Nur auf die langen Lieferzeiten der Geräte hat niemand so recht Lust“, lässt er uns wissen. „Wir können zwar mit Leihgeräten temporär Abhilfe schaffen, aber zufriedenstellend ist die Situation für niemanden. Einige unserer Gerätelieferanten ändern permanent die Liefertermine für bereits bestätigte Ware und haben erst jetzt bemerkt, dass die Devise „First in: First out“ oder „wer zuerst kommt, mahlt zuerst, wohl die fairste Art des Umgangs mit dem Fachhandel ist, und zwar unabhängig von dessen Größe.“ Dennoch kann sich das Unternehmen nicht gerade über mangelnde Aufträge beklagen: „Wir sind mehr als gut ausgelastet“, betont unser Gastgeber. Dabei weitet der engagierte Küchenprofi sein Produktportfolio derzeit sogar noch weiter aus. Auf einer dem Küchenstudio zugehörigen Außenfläche entsteht bereits in wenigen Wochen eine neue Outdoor-Küche des spanischen Herstellers Novara. „Novara ist ein Nischenbieter, der individuelle Designkonzepte mit hochwertigsten Materialien umzusetzen weiß“, verrät Christian Böhm und hat auch schon den ersten Kunden. Dieser hatte bereits seine Küche bei Küchen Böhm erworben.

STEIGENDE DURCHSCHNITTSWERTE Allerdings ist Küchen Böhm nicht nur im Bestandsbau, sondern auch im Neubau eine gefragte Adresse: „Zu unseren Kunden gehören Endverbraucher, die ihre Küche bereits vor der Fertigstellung ihres neuen Hauses bei uns in Auftrag geben. Darüber sind wir natürlich sehr froh. Zurzeit machen uns hier die Teuerungszuschläge der Industrie zu schaffen, die in regelmäßigen Abständen bei uns eingehen. Hat der Kunde sich für den Kauf seiner Küche bei uns entschieden, basiert dieser Entschluss natürlich auch auf der ihm vorliegenden Kalkulation, die ihm in Form der Auftragsbestätigung vorliegt. Danach lassen

sich Teuerungszuschläge nicht mehr an unsere Kunden weitergeben, was unsere Marge deutlich schmälert. Ein Patentrezept gibt es für diese Situation derzeit leider nicht. Grundsätzlich ist zu erwarten, dass die Preise weiter steigen werden. Die Durchschnittswerte der verkauften Küchen sind im Allgemeinen schon sehr hoch“, stellt Christian Böhm fest. Bei Küchen Böhm liegt der Durchschnittswert aktuell bei 20.000 Euro. „Jetzt steigen sie alleine schon durch die Preiserhöhungen der Industrie weiter“, stellt der dynamische Unternehmer fest. „Die Preiserhöhungen ziehen sich durch die gesamte Prozesskette“, bestätigt auch Thomas Herden. „Auch wir, als Vorlieferant, müssen die erhöhten Materialpreise, wie z.B. für Stahl, an unsere Kunden weitergeben.“ Wenden wir uns also wieder den schönen Dingen des Lebens zu und schauen uns die im Studio inszenierten, meist grifflos geplanten Küchen an. „Am begehrtesten sind Küchen mit Griffleisten oder Griffmulden“, schildert uns der Hausherr seine Erfahrung. Auf die Push-to-open-Beschläge greifen nur die wenigsten zurück. „Begründet liegt das mit Sicherheit auch daran, dass viele Konsumenten diese Technik als zu anfällig einstufen“, stellt der versierte Fachmann fest.

DIE ARCHITEKTUR HAT SICH VERÄNDERT Die präsentierten Exponate spiegeln den derzeitigen Einrichtungstrend wider. „Die Architektur hat sich verändert“, bilanziert Cristian Böhm. Seine Kunden bevorzugen modular umgesetzte Einrichtungsplanungen. En vogue sind Insellösungen. Eckschränke werden immer weniger gefragt. Auszüge und Schübe dominieren. Auch Oberschränke verkaufen sich nur noch reduziert. So konzentriert sich alles auf den Unterschrank oder – wo ausreichend Platz zur Verfügung steht – auf entsprechende Hochschränke, hinter deren Fronten sich nicht nur Geräte, sondern auch Staugut verstecken lassen. „Auf Pocket-Türen verzichtet man größtenteils, da der Preis dieser aufwändigen Beschlagtechnik eine Küche drastisch verteuert. Das gilt übrigens auch für den einen oder anderen großen Apothekerschrank, der über eine komplexe Technik verfügt. Da die Schränke mit den unterschiedlichen beschlagtechnischen Ausstattungen über die Küchenmöbelindustrie bezogen werden, beeinflusst diese auch die Kalkulation und damit deren Preis,“ bedauert Christian Böhm. Die Folge: ein Großteil dieser eigentlich begehrenswerten Produkte wird in den Fachgeschäften wenig oder überhaupt nicht gezeigt. „Hinzu kommt, dass nicht jeder Möbelhersteller seine Produkte mit der gleichen Beschlagtechnik ausstattet, sodass wir, als Küchenfachgeschäft, beim Einbau selbst aktiv werden müssen, wenn wir die von unseren Lieferantenpartnern festgelegten Ausstattungsvarianten durch eine andere Möglichkeit ergänzen möchten.“ Diese Aussage macht Thomas Herden neugierig: „Unter welchen Voraussetzungen legen Sie hier selbst Hand an und wie können wir Sie dabei als Beschlaghersteller unterstützen?“ „Die Bedürfnisse unserer Kunden haben dabei immer erste Priorität. Wenn Design und Nutzen, die wir ihm planungstechnisch erarbeiten,

THOMAS HERDEN, Vertrieb Deutschland Kesseböhmer, und CHRISTIAN BÖHM, Böhm Küchen, Groß-Bieberau

BURGHARD UND NICOLAI KÖHLER, Haus der Küche, Worms, im Gespräch mit Thomas Herden, Kesseböhmer

überzeugen, finden wir gemeinsam mit unserer Partner-Schreinerei einen Weg. Dieser Service ist für uns nicht nur Dienst am Kunden, sondern auch eine gute Möglichkeit, sich zu differenzieren. Die Grundvoraussetzung dafür ist jedoch, dass wir das Beschlagsystem einfach beziehen können und dass sich der Einbau des Beschlagsystems nicht zu schwierig und damit zu zeitaufwändig gestaltet. Zudem sollte sich das komplette System dem Design der geplanten Küche anpassen. So sollten z.B. Reling oder Tablarboden in Farbe und Form passen.“ Thomas Herden sieht Kesseböhmer in diesen Aussagen bestätigt. „Die Kompatibilität des Designs können wir heute bereits bieten, auch die Verfügbarkeit unserer Produkte ist für alle gewährleistet. Unser B-toB-Shop www.clever-storage-shop.de ist für unsere Kunden aktuell, bedarfsgerecht und übersichtlich aufbereitet. Und natürlich arbeiten wir kontinuierlich an der Montagefreundlichkeit unserer Produkte.“ Bei Christian Böhm stößt das auf Interesse. Auch das Angebot, sich den Showroom von Kesseböhmer in Bad Essen einmal live anzuschauen, wird er gerne aufgreifen. Letztendlich weiß niemand so gut über die Belange der Konsumenten Bescheid wie der versierte Küchenfachhandel, dessen Know-how einiges dazu beitragen kann, Produkte noch nutzbringender zu entwickeln. Denn …

… EINE GUTE KÜCHE VERÄNDERT DAS LEBEN Eine Feststellung, die unser nächster Gastgeber, Haus der Küchen, Worms, in seiner Unternehmensphilosophie fest verankert hat. Hier treffen wir auf Nicolai Köhler, der seit 2011 in dritter Generation die

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Geschäfte des Familienunternehmens weiterführt. „Ich bin regelrecht in das Unternehmen hineingewachsen“, erzählt er uns stolz. Federführend zeigt er sich seit einigen Jahren auch für die Weiterentwicklung des hauseigenen Warenwirtschaftssystems verantwortlich. Beratend zur Seite steht ihm bis heute Burghard Köhler, der das Unternehmen gemeinsam mit seinem Bruder Winfried über 50 Jahre lang aufbaute und weiterentwickelte. Nicht außer Acht zu lassen ist auch die Tatsache, dass sich Burghard Köhler lange Jahre als Einkäufer eines großen Einkaufsverbands verdient gemacht hat. Was Burghard Köhler vor allem auszeichnet, ist seine profunde Produktkenntnis. Der Diskussion mit Thomas Herden stellt er sich gerne: „Im Vergleich zu vielen meiner Kollegen, habe ich mich nicht nur für den Einkauf der Möbel an sich interessiert, sondern auch über deren material- und funktionstechnische Ausstattung. Der Besuch der Interzum gehörte bei mir immer dazu“, betont der sympathische Branchenkenner. Ein großzügig gestalteter Workshop lädt Kaufinteressenten dazu ein, aktiv an der Gestaltung ihrer Küche mitzuwirken. Materialien, Designs und auch einige technische Details können begutachtet und „begriffen“ werden. „Eine Präsentation der Innenausstattung wäre auch vorteilhaft“, überlegt Nicolai Köhler. „Allerdings wäre es für unsere Kunden wesentlich nachvollziehbarer, die Beschlagsysteme in der Anwendung, d. h. verbaut zu sehen.“ „Fragen Ihre Kunden beim Küchenkauf gezielt nach Stauraumlösungen?“ möchte Thomas Herden wissen. „Nein, nicht direkt. Die meisten können den Bedarf gar nicht einschätzen. Viele verzichten zum Beispiel auf Oberschränke und merken erst im Nachhinein, dass sie nicht alles unterbringen können“, wissen Nicolai und Burghard Köhler aus Erfahrung.

„EIN ECHTER UNTERNEHMER GIBT NIE AUF“ Beim Rundgang durch die 2000 Quadratmeter große Ausstellung stellen wir fest, dass zahlreiche Musterküchen der Firmen Bauformat, Burger, Nobilia, Nolte und Brigitte Küchen bereits abverkauft wurden. „Wir möchten alles neu machen“, erläutert uns Nicolai Köhler. „Eigentlich wollten wir den Umbau in zwei Etappen vornehmen“, ergänzt Burghard Köhler „Aber wir konnten uns vor Interessenten gar nicht retten. Die Musterküchen fanden in nicht einmal acht Wochen ihr jeweils neues Zuhause.“ Unser Blick fällt auf die Geräte, die noch in der einen oder anderen leeren Koje stehen: „Wir haben die Musterküchen ohne Geräte abverkauft. Diese Produkte sind auf dem neuesten Stand, sodass wir sie – wenn die Lieferverzögerungen erwartungsgemäß weiter anhalten – in die Küchen der neuen Ausstellung einbauen können.“ Nicolai Köhler hat vorgesorgt. Die Lieferproblematik der Hausgeräte als auch die Teuerungszuschläge der Küchenmöbelindustrie sind auch hier Gesprächsthema. „Was die Preiserhöhungen von Seiten der Küchenmöbelindustrie anbelangt, geben wir diese selbstverständlich weiter. Eine andere Möglichkeit gibt es nicht“, betont Burghard Köhler. „Zudem suchen wir in Mutterstadt gerade nach einer neuen Immobilie, da es in unserer bisher angemieteten Immobilie gebrannt hat. Gott sei Dank sind Mutterstadt und Worms nicht allzu weit auseinander, sodass wir Kaufinteressenten auch in unser Haus der Küchen in Worms einladen können. Was gerne angenommen wird“, zeigt sich Nicolai Köhler zufrieden.

CORONA HAT BEWIESEN: DER STATIONÄRE HANDEL BLEIBT GEFRAGT Trotz alledem zeigen sich die beiden Unternehmer gut gestimmt: Die Corona-Phase, während der das Unternehmen alle vier Häuser aufgrund ihrer großen Flächen schließen musste, hat ihnen nichts angehabt. Obwohl die Skepsis im eigenen Hause anfänglich groß war: „Als wir von heute auf morgen nicht mehr öffnen durften, ging ich durch unser Haus in Konz, das Licht war ausgeschaltet. Vor mir lagen nur die 1500 Quadratmeter Ausstellungsfläche und ich dachte: Jetzt ist das alles nichts mehr wert. Flächen sind künftig nicht mehr gefragt“, blickt Burghard Köhler zurück. „Doch dann besannen wir uns auf die Online-Vermarktung. Wir hatten schon sehr früh in eine entsprechende Technik

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investiert und unsere Mitarbeiter ausgebildet. Genau das gereichte uns jetzt zum Vorteil“, ergänzt Nicolai Köhler. „E-Mail-Anfragen beantworten wir mittlerweile nahezu just-in-time. Doch anstatt VorortTermine zu vereinbaren, erfolgte die Beratung via Video-Konferenz, die Bemusterung zum Teil auf dem Parkplatz. Als wir dann wieder öffnen durften, waren wir erstaunt, wie viele Leute, die zuvor auch mit einer Online-Beratung einverstanden gewesen wären, auf einmal unbedingt wieder unsere Häuser besuchen wollten.“ „Das hat uns darin bestärkt, dass sowohl Fachgeschäft als auch Online-Vermarktung in Zukunft einen wichtigen Stellenwert einnehmen. Und dafür sind wir gut gerüstet“, betont Burghard Köhler nicht ohne Stolz.

ZUVERLÄSSIGKEIT HEISST – SO WENIG REKLAMATIONEN WIE MÖGLICH „Unsere pfiffigen Küchenplanungen überzeugen so oder so“, freut sich Nicolai Köhler. „Der Durchschnittswert der hier verkauften Küchen liegt bei 12.000 Euro. Dabei legen wir Wert darauf, Küchen so zu planen, dass Reklamationen gar nicht erst anfallen können. Sichtseiten, flächenbündiger Einbau von Spülen etc., das muss nicht sein. Müssen wir einen Kunden mehrmals anfahren, geht das zu Lasten unserer Rendite“, stellt Burghard Köhler fest. Aus diesem Grund legen die Unternehmer großen Wert auf etablierte Beschlaglösungen, die sich einfach und schnell montieren lassen, in ihrer Funktion überzeugen, im Design mit den Küchen korrespondieren und wenn möglich wartungsfrei sind. „Würden Sie in diesem Fall auch Stauraumsysteme, die Ihre Lieferantenpartner aus der Küchenmöbelindustrie nicht anbieten, nachrüsten?“, möchte Thomas Herden wissen. Die Antwort kommt spontan: „Ja, wenn Ihre Lösungen diese Anforderungen erfüllen, natürlich. Dabei wäre es durchaus von Vorteil, wenn der Herstellername der Beschläge bekannter wäre. Und wenn man dann noch sagen könnte: „Fragen Sie doch Ihren Schreiner nach diesem Produkt“, erfährt es automatisch eine Aufwertung. Und was die Entwicklung neuer Stauraumlösungen anbelangt, warum binden Sie uns nicht schon früher ein, wenn Sie neue Produkte auf den Markt bringen?“, fordert Burghard Köhler. „Ich bin sicher, wir Küchenspezialisten hätten für viele Ihrer Neuheiten, die die Industrie heute – aus welchen Gründen auch immer – ablehnt, Verwendung.“ Fazit: Mit Christian Böhm, Nicolai Köhler und Burghard Köhler haben wir wahre Unternehmer kennengelernt. Unternehmer mit eindeutigem Profil, zugeschnitten auf eine jeweils klar umrissene Zielgruppe, mit der sie sich kontinuierlich auseinandersetzen, um deren Anspruch zufriedenzustellen. Mit Vision, Engagement und Tatkraft und durch Beschreiten eigener, neuer Wege stellen sie sich dem Wandel des Marktes. Einer dieser Wege ist der der Differenzierung durch übergreifendes Networking – der auch vor standardisierten Produkten keinen Halt macht.

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