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Trend Tiny _ Johannes Schwörer, Inha
Was macht modulare Räume so attraktiv?
Flying Space – so heißen die Mini-Häuser, für die Schwörer Haus eine eigene Produktionshalle am Standort auf der Alb gebaut hat. Wir sprachen mit Inhaber und Geschäftsführer Johannes Schwörer über die Vorteile des modularen Bauens.
Im Gespräch: Geschäftsführer und Inhaber von Schwörer Haus, Johannes Schwörer (rechts), mit dem stellvertretenden Chefredakteur von pro fertighaus, Oliver Gerst.
Seit wann gibt es Flying Spaces, also modulare Häuser von Schwörer schon?
Johannes Sch wörer: Wir haben mit dem Thema schon in den 80er-Jahren theoretisch angefangen. Solange man Deck en und Wände im Werk vorfertigt, aber den kompletten Raum nicht herstellen kann, hat man eben noch k eine 100prozentige Vorfertigung er reicht. Deshalb stand das Thema schon immer im Fokus, zumal zum Beispiel im Stahlbau modulare Räume schon sehr lange bekannt sind. Z unächst hat es aber in unserer Firma und von externen Fachleuten große Bedenken gegeben bezüglich der Statik des W erkstoffs Holz und bezüglich des Transports von Modulen, wo man Probleme durch Erschütterungen befür chtet hat. Deshalb hat man das Thema nur theoretisch diskutiert, aber praktisch nie umgesetzt. Und das ging so lange, bis wir mit „Schöner Wohnen“ das erste Haus in 2010 entwickelt haben, welches Architekt Lohmann entworfen hat, der bereits ein Raummodul aus Holz mit einem örtlichen Zimmermann ausprobiert hatte und für sein Projekt diese Bedenken nicht bestätigen konnte. Deshalb haben wir hier auf dem Ge lände unser neues Musterhaus-Café aus drei Modulen erstellt. Und auch hier hat sich gezeigt, dass die theoretischen Bedenken nicht eingetr eten sind. Damit war das Thema Flying Space für uns gesetzt.
Wo liegen die Vorteile gegenüber dem kon ventionellen, ja auch schon in weitem Maße v orgefertigten Holzfertigbau?
Johannes Schwörer: Beim konventionellen Fertigbau erreicht der Vorfertigungsgrad etwa 70 Prozent, mit dem Modulbau kann man auch noch die restlichen 30 Prozent im Werk herstellen. Das hat zwei wichtige Vorteile: Zum einen hat man die Qualität und die ganze Material-Logistik bei einer Werksfertigung we sentlich besser im Griff, und zum anderen kann man dem F achkräftemangel am Bau entgegenwirken, weil man in der Vorfertigung deutlich attraktivere Arbeitsplätze anbietet.
Gelten für die Minis dieselben Qualitätsmerkmale wie für alle Holzfertighäuser der H ersteller im BDF, also im Bundesverband
Flying-Spaces sind auf Gartenschauen immer ein Anziehungspunkt – so wie das Modul im Remstal 2019 das von außen (oben) und innen (unten) einen einladenden Eindruck macht. Das Musterhaus in Langenhagen zeigt wie flexibel das Konzept ist (Mitte).
Geschäftsführer Johannes Schwörer „Der Markt will Tiny-Häuser – sie liegen im Trend und generieren ein hohes Interesse.“
Deutscher Fertigbau? Und sind diese von Schwörer auch auf gesundheitsverträgliche Baumaterialien durch das Sentinel Haus Ins titut wie alle Schwörer-Häuser getestet?
Johannes Sch wörer: Die Module bestehen aus den gleichen Bauelementen, die wir für die konventionellen Fertighäuser auch ver wenden. Damit haben sie auch die gleiche Qualität. Die W ände und Deckenelemente kommen aus der normalen Fertigung, werden auf einen internen LKW geladen und zur Flying-Space-Produktion gefahren. Die ferti gen Module durchlaufen dann auch die gleiche Schadstoffprüfung – und dies eben bereits hier im Werk und nicht erst auf der Baustelle.
Kritik er sagen: Gutes Konzept, aber zu teuer. Können Sie das widerlegen?
Johannes Schwörer: Der klassische Kunde geht zunächst einmal davon aus, dass ein Raummodul günstiger ist als ein konventio nell errichtetes Haus. Bezüglich der Bauqualität, die ja genauso hoch ist, kann das natürlich nicht zutreffen. Bei den Montagekosten im V ergleich von Baustelle und Werk ist aber schon ein Kostenvorteil zu erwarten. Diesen Effekt haben wir allerdings noch nicht, weil sich das erst bei einer entsprechenden Menge an produzierten Modulen und der daraus re sultierenden Erfahrung darstellen lässt. Sicher ist aber heute schon: Teurer als Wohnraum in normalen Häusern ist der Modulwohnraum nicht. Je nach Größe und Ausstattung kosten die Module derzeit zwischen 80 000 und 130 000 Euro. Der Preis spiegelt wider, wie der Modulraum aufgeteilt ist und was er beinhaltet, zum Beispiel Bad und Küche.
W elche Erkenntnisse brachte das „B 10“ in der Stuttgarter Weißenhofsiedlung, das unter anderem zusammen mit Architekt Werner Sobek entwickelt wurde und dort fünf Jah re stand, bis es im August letzten Jahres auf das Firmengelände von Schwörer in Oberstetten als Musterhaus wechselte?
Johannes Schwörer: Professor Sobek hat sehr interessante und auch teure DesignIdeen entwickelt, die in einer auf Rationalität ausgerichteten Pr oduktion nicht unmittelbar
G eschäftsführer Johannes Schwörer „Im Moment liegen die Stückzahlen zwischen 60 und 80, in diesem Jahr kratzen wir vielleicht sogar die 100.“
umzusetzen sind. Auch energetisch gesehen wurden vom Büro Sobek tolle Sachen ausprobiert, zum Beispiel eine Vakuum-Verglasung oder spezielle Softwar e, aber hier hat nicht wirklich ein Knowhow-Transfer stattgefunden.
Welche Erfahrungen haben Sie mit dem Flying Space auf der Gartenschau im Remstal von Mai bis Oktober letzten Jahres gemacht? Wie waren die Rückmeldungen, gab es signifikante Auftragszahlen?
Johannes Schwörer: Wir haben eine signifi kante Auftragsentwicklung insgesamt, aus welchem Pr ojekt diese im Einzelnen resultiert, ist schwer zu sagen. Es war eine interessante Ausstellung mit vielen Besuchern, aber was konkret daraus geworden ist, lässt sich nicht beziffern. Dasselbe gilt übrigens auch für die größere Landesgartenschau in Würzburg 2018. Generell kann man aber sagen, dass jede Ausstellung deutlich macht, dass der Markt Tiny-Häuser will. Sie liegen im Trend und generieren hohes Interesse, natürlich heißt Interesse nicht gleich Kaufvertrag.
Wann fiel die Entscheidung für ein eigenes Werk, was war der ausschlaggebende Grund?
Johannes Schwörer: Die Entscheidung war abhängig von den Vertriebserfolgen und den Kapazitäten in den bestehenden Hallen, die irgendwann nicht mehr ausgereicht haben. Mit der neuen H alle und den Vorinvestitionen in die Maschinen allein ist es aber nicht getan, man muss dann auch weiter investieren und kommt schnell in den zweistelligen Millionen bereich.
W ie hoch sind die aktuellen FlyingSpace-Stückzahlen pro Jahr?
Johannes Sch wörer: Im Moment liegen die Stückzahlen zwischen 60 und 80, vielleicht kratzen wir in diesem Jahr sogar die 100, und darauf ist die Halle auch ausgelegt. Dann wäre der Zeitpunkt erreicht, wo es interessant wird, weiter zu investieren. Wir sind jetzt sozu sagen auf halber Strecke. Wenn wir Schub aufnehmen wollen, kostengünstiger zu werden, dann muss man die nächste Investition ansetz en.
Als was wird das Flying Space in der Realität vor allem gebaut: als Zusatzhaus, Anbau, Aufstockung oder Gewerbeeinheit?
Johannes Schwörer: Der Hauptmarkt ist das freistehende Flying Space, das sich jemand aus Zusatzbedarf für sich selbst oder die Fa milie kauft, dann folgt der Anbau an bestehende Häuser und als drittes der Investorenbereich, wo es um mehrere Flying Spaces als H otelbauten oder ähnliches geht. Das ist der schwierigste Bereich, weil in der Investition der sensibelste. Gleichwohl ist er mengenmäßig am interessantesten. In jedem Fall ist man aber in der Individualge staltung der Module komplett frei, eine Begrenzung liegt nur in den maximal möglichen Transportmaßen.
Sind die Mini-Häuser als Ausbauhaus nachgefragt?
Johannes Sch wörer: Die Anfrage kommt ab und zu, macht aber nicht wirklich Sinn, weil das Modul davon lebt, 100 Prozent im Werk vorgefertigt zu sein. Wenn Ausbauleistungen gemacht würden, sind es eben keine 100 Pro zent mehr. Und dafür ist es dann zu teuer, weil man Transportkosten hat mit Überbreiten, Überlängen und Polizeibegleitung, die sich nur durch ein wertvolles Produkt rechtfertigen.
Wie viele Kunden haben sich aus Ihrer Sicht vom „Normal-Haus“ zu einem Mini-Haus umentschieden?
Johannes Schwörer: Wenn, dann geht es um die Entwicklung vom Tiny-Haus zum norma len Haus, diese Entwicklung findet statt. Zum Beispiel weil sich im Lauf e des Beratungsgesprächs die Idee des Modulhauses wegen T ransportbeschränkungen in das Wohngebiet oder schwierigen Kransituationen als zu kom pliziert herausstellt.
W ie kommt der Vertrieb mit dem Produkt Flying Space zurecht. Gab es am Anfang erhebliche Überzeugungsarbeit?
Johannes Sch wörer: Im Vertrieb gab es von Anfang an Mitarbeiter, die das Produkt faszi nierend gefunden haben und die das bis heute auch gerne verkaufen, das sind absolute „ Überzeugungstäter“. Andere stehen dem Produkt beobachtend gegenüber, aber niemand
Links oben: Wenn ein Flying-Space-Modul „einfliegt“ ist das eine spektakuläre Angelegenheit. Mitte: Das „B 10“ vom Stuttgarter Weißenhof kann jetzt in Oberstetten als Musterhaus mit Parkplätzen darunter besichtigt werden. Unten: Im neuen Werk erklärt Geschäftsführer Johannes Schwörer (rechts) Oliver Gerst die Vorteile der modularen Vorfertigung. Rechts oben: Das zweite Flying-Space-Musterhaus – Idylle in Werder. Mitte: In der Fertigungsstraße werden neben den großen Flying-Space-Modulen zusätzlich auch sogenannte Pop-Stationen für den Breitbandausbau hergestellt (links im Bild).
ablehnend. Diejenigen, die sich intensiver da mit auseinandergesetzt haben, können heute auch einen entspr echend großen Referenzenkatalog mit gebauten Häusern vorweisen. A ber auch die Abwartenden realisieren inzwischen Einzelprojekte und greifen dabei auf den Er fahrungsschatz der Kollegen zurück.
Im klassischen Fertigbau sind Musterhäuser sehr wichtig. Gilt das auch für die Minis? Wie viele Flying-Space-Muster gibt es schon und wo? Wo sollen die nächsten entstehen?
Johannes Schwörer: Das erste steht jetzt hier in Oberstetten, ursprünglich in Mannheim. Das war eines der allerersten Flying Spaces, inzwischen etwa acht Jahre alt und einmal umgebaut, um zu dokumentieren, dass die Flexibilität des Konzepts funktioniert. Das zweite Haus steht in Werder und soll auch irgendwann umziehen, das dritte ist das „B 10“ in Stuttgart, das übrigens auch hier auf dem Firmengelände seinen endgültigen Standor t gefunden hat, das vierte war das Remstal-Haus, das wir in einer Kooperation mit Gruner + Jahr zusammen noch verändern und auf Dauer als Kundenhaus abgeben wer den. Die Idee ist aber nicht, möglichst überall Musterhäuser zu bauen. W er ein Flying Space sehen will, kann das an den genannten Orten oder bei vielen Kunden. Die Besitzer von Flying Spaces sind in der Regel stolz auf ihr beson deres Haus und zeigen das auch gerne vor.
Macht sich die Corona-Krise beim Hausbau insgesamt oder speziell beim Flying Space bemerkbar? Hat sie Auswirkungen auf die Nachfrage?
Johannes Schwörer: Ich bin dankbar, dass wir trotz Beschränkungen weiterarbeiten durf ten, ganz anders also als zum Beispiel Restaurant-Betriebe und ähnliches. Wir haben die Mitarbeiter in Schichten auf geteilt, die Belegschaft hat dabei sehr gut mitgezogen. Die erste Schicht beginnt mor gens um fünf und endet um 13 Uhr, die zweite läuft von 14 bis 22 Uhr, dazwischen ist eine Stunde Pause für Reinigung und Hygiene. Wir hatten keinerlei Ansteckungsfälle im Betrieb, wohl weil wir sehr früh angefangen haben mit Masken und Plexiglasscheiben. Und wir haben auch auf den Baustellen draußen Kabinen, wo die Mit arbeiter Hände waschen und desinfizieren können. Betrieb und Pr oduktion laufen also uneingeschränkt weiter. Wichtig in diesem Zusammenhang ist auch, dass unsere Zuliefererketten nicht abgerissen sind, was der Zusammenarbeit mit Qualitätsherstellern, die im W esentlichen in Deutschland produzieren, zu verdanken ist. Der Verkauf neuer Häuser ist aber dennoch zurückgegangen, weil die Mus terhauszentren nicht betrieben werden durften. Durch den Auftragsbestand aus der Vergangenheit, der weit über ein Jahr hinaus r eicht, ist das für uns aber kein großes Thema. Positiv ist auf jeden Fall, dass wir derzeit ein Stück weit Lief erzeiten reduzieren können. Stellenabbau ist bei uns nicht geplant, im Gegenteil, wir haben jetzt wieder zwölf neue Mitarbeiter eingestellt, um Kapazitäten aufzubauen beziehungsweise um die natürliche F luktuation auszugleichen.