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Fachverband Biogas e.V.
BI
| ZKZ 50073
5_2018
| 21. Jahrgang
GAS Journal
Das Fachmagazin der Biogas-Branche
Stoffstrombilanzverordnung S. 42
Branchenzahlen 2017 S. 52
Neues aus Kenia und Kuba S. 70
GÄRPRODUKT-AUFBEREITUNG
Adressfeld
INHALT
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TITELFOTO: MARTIN BENSMANN I FOTOS: MARTIN BENSMANN, EVM/DITSCHER
BIOGAS JOURNAL
24 TITELTHEMA EDITORIAL 3 Sommer, Sonne, Dürre Dr. Stefan Rauh, Geschäftsführer des Fachverbandes Biogas e.V.
AKTUELLES
24 Technik lässt neue Düngerfraktionen entstehen Von Dipl.-Ing. agr. (FH) Martin Bensmann 36 Separation und Aufbereitung von Wirtschaftsdüngern – Abscheidetechniken im Test Von Sascha Hermus
6 Meldungen 8 Bücher & Termine 10 Landwirtschaft muss AmmoniakEmissionen senken Von Dipl.-Ing. agr. (FH) Martin Bensmann
42 Stoffstrombilanzverordnung – was müssen Biogasbetriebe jetzt tun? Von Stefan Hüsch und Dr. Ute Schultheiß
14 Bayern: 1. Branchentag Erneuerbare Energien war voller Erfolg Von Dipl.-Ing. agr. Andrea Horbelt
46 Durchwachsene Silphie Untersuchungen zum Nitratstickstoffgehalt des Bodens an vier Standorten Von Dipl.-Ing. Thomas Ball und Dipl.-Geol. Joachim Kiefer
18 Dreharbeiten statt Unterricht Informationen über Erneuerbare Energien für die Schulen 19 Biogas-Kids 20 Noch zwei Monate bis zur 28. BIOGAS Convention
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PRAXIS
50 Vegetationsbericht Durchwachsene Silphie Von Dipl.-Ing. agr. (FH) Martin Bensmann
52 Branchenzahlen 2017 und Prognose für 2018 Von Dipl.-Ing. agr. (FH) Manuel Maciejczyk 56 Zukunftszenarien der Energiewirtschaft setzen auf Gas Von Eur Ing Marie-Luise Schaller 62 „Maisraupe“ und Höhenretter als Attraktion Von Thomas Gaul 64 Neue Bildungsangebote für Betreiber von Biogasanlagen Von Dipl.-Ing. (FH) Dirk Pachurka und Dipl. Wirtschaftsing. (FH) Marion Wiesheu 66 Biogas-Landwirt Pfänder: Stück für Stück zu mehr Öko-Energie Von Heinz Wraneschitz
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INHALT
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INTERNATIONAL Kenia und Kuba 70 Reiseberichte: AHK-Geschäftsreisen nach Kenia und Kuba Von Markus Fürst
VERBAND Aus der Geschäftsstelle 74 Heiße Zeiten für Biogas Von Dr. Stefan Rauh und Dipl.-Ing. agr. (FH) Manuel Maciejczyk 78 Aus den Regionalgruppen
94 Erste Qualifizierung für „zur Prüfung befähigte Personen“ Von Dipl. Wirtschaftsing. (FH) Marion Wiesheu 96 Lebhaftes AwSV-Fachgespräch in Kassel Dipl.-Ing. agr. Steffi Kleeberg
PRODUKTNEWS 98 Produktnews 102 Impressum
82 Aus den Regionalbüros 86 Fachverbands Shop 88 Erneuerbaren-Ausbau muss nicht auf die Netze warten Von Carsten Pfeiffer (BEE) 90 Ein Kohleland versucht den energiepolitischen Spagat Von Bernward Janzing
Beilagenhinweis: Das Biogas Journal enthält Beilagen vom IBBK und greentec, einen Beihefter von agriKomp und ein Programmheft der Biogas Convention
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GÄRPRODUKT-AUFBEREITUNG
Technik lässt neue Düngerfraktionen entstehen Die neue Düngeverordnung stellt auch für Biogasanlagenbetreiber eine Herausforderung dar. Stickstoff und Phosphor aus Gärdüngern beziehungsweise Gärprodukten sind die limitierenden Nährstoffe, die aufgrund der verschärften Vorschriften nur noch in reduzierten Mengen auf die Felder aufgebracht werden dürfen. Wir stellen Anlagenbetreiber vor, die mit innovativem technischen Know-how die neuen Rahmenbedingungen einhalten können. Von Dipl.-Ing. agr. (FH) Martin Bensmann
„Wir sparen pro Jahr vier Lkw Kali- und AHL-Dünger ein“ Gerhard Harms
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andwirt Gerhard Harms in Twistringen, Kreis Diepholz (Niedersachsen), betreibt mit seinem Berufskollegen Jörg Brand seit Dezember 2011 eine NawaRo-Biogasanlage unter dem Firmennamen Handgas GmbH & Co.KG mit einer installierten elektrischen Leistung von ursprünglich 265 Kilowatt (kW). In 2012 kam ein baugleiches Blockheizkraftwerk (BHKW) – ein Zündstrahler aus dem Hause Schnell – dazu. Die organische Raumbelastung wurde erhöht und so konnte aus gleichem Fermentervolumen das notwendige Gas für das zweite BHKW realisiert werden. Bereits in 2015 begannen die Anlagenbetreiber darüber nachzudenken, wie sich die Gärdüngermenge reduzieren ließe. Denn immerhin fielen jährlich rund 14.000 Kubikmeter Gärdünger an und die Lagerkapazität betrug sechs Monate. Schon damals war die Novellierung der Düngevorschriften in der Diskussion
und ließ die eingetretenen Verschärfungen erwarten. Und so begann die Suche nach geeigneter Technik. Fündig wurden sie bei der agriKomp Süd, die einen Vakuumverdampfer entwickelt hat. Heute wird der unter dem Namen Düngewerk von der agriKomp GmbH verkauft. Aus der agriKomp Süd ist die Biogastechnik Süd entstanden. Die verkauft den Vakuumverdampfer unter dem Namen Vapogant. Der Vapogant überzeugte Harms und Brand und so wurde die Anlage in 2016 gekauft und installiert. Mit drei Lkw wurde die gesamte Anlage angeliefert, die im Werk schon vormontiert worden war. Zwei Container, ein Kühlturm sowie die beiden Deckel der Verdampferkessel wurden als Großkomponenten angeliefert. Die in Beton ausgeführte Bodenplatte war bereits fertig. „Montags kam die Anlage per Achse an und bereits am Donnerstag derselben Woche konnten wir die Anlage in Betrieb nehmen“, erinnert sich Harms.
Ausgereifte Technik Der untere Container hat eine Abmessung von 15 x 4 x 3 Meter und der obere Container von 12 x 4 x 3 Meter. Der Vakuumverdampfer musste vom Landkreis Diepholz genehmigt werden, was aber laut Harms kein Problem war. Die Anlage der Handgas GmbH war damals die fünfte verkaufte Einheit, die in den Probebetrieb ging. Alles, was an den anderen Vorgängeranlagen modifiziert wurde, das ist auch an Technik und Know-how automatisch in die Twistringer Anlage geflossen. Seit Ende 2017 ist das nun laut Harms vorbei. Das System sei nun so weit ausgereift, dass es erfolgreich im PraxisDauerbetrieb funktioniert. Inzwischen sind allein im Kreis Diepholz drei dieser Anlagen in Betrieb. „Wir wollten nicht nur die künftigen Düngevorschriften erfüllen können, sondern auch weniger Fahrten auf der Straße erreichen sowie ein höheres Tempo auf dem Feld bei der Ausbringung. Mit dem behandelten Gärdünger gelingt uns das voll. Aus den 14.000 Kubikmetern flüssigen Gärdünger produzieren wir vier Fraktionen. Zum einen rund 1.350 Tonnen separierten Feststoff pro Jahr mit rund 25 Prozent Trockensubstanzgehalt. Zum anderen knapp 6.200 Tonnen Düngerkonzentrat mit rund 10 Prozent TS-Gehalt, das den Vakuumverdampfer verlässt. Darüber hinaus gewinnen wir pro Jahr aus der Dampfwäsche etwa 500 Tonnen ASL. Der mengenmäßig größte Anteil entfällt auf das Destillat, das den Abluftwäscher verlässt. Hiervon fallen jährlich rund 6.000 Tonnen an. So gelingt es uns, unsere Gärdüngermenge um etwa 53 Prozent zu reduzieren“, freut sich Harms. Das Düngekonzentrat ist reich an Kali, sodass sich dies hervorragend im Kartoffelanbau einsetzen lässt. Der Phosphor erfährt im Prozess keine Reduktion, was aber betrieblich in der Düngepraxis kein Problem darstellt, da genügend Fläche vorhanden ist, um diesen Nährstoff umweltgerecht an die Pflanzen zu bringen. „Dank des Vakuumverdampfers haben wir im letzten Jahr für
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Gerhard Harms kann durch ein Schauglas in den Vakuumverdampfer schauen und kontrollieren, wie der flüssige Gärdünger gekocht wird.
Oben links auf dem Gestell befindet sich der Separator. Der abgepresste Feststoff fällt herunter und wird in der offenen Betonkammer gelagert. Rechts im Bild ist der schwarze Tank zu sehen, in dem die Schwefelsäure gelagert wird. Dahinter befinden sich in den beiden aufeinandergestellten Containern die beiden Vakuumverdampfer.
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Hydromechanisch arbeitender Arm, der die Bürsten im Tank bewegt, die die Heizplatten reinigen.
beide Landwirtschaftsbetriebe gerechnet insgesamt vier Lkw weniger Kali und vier Lkw weniger AHL-Flüssigdünger eingekauft“, hebt Harms hervor. Und so funktioniert der Vakuumverdampfer: Das ausgegorene Substrat wird einem Schneckenseparator direkt aus dem Nachgärbehälter zugeführt. Auf dem Separator befindet sich ein 500 Liter fassender Vorlagebehälter, aus dem der Separator kontinuierlich automatisch beschickt wird. Alle festen Bestandteile bis 0,5 Millimeter Größe werden von dem Gerät aus der Flüs-
sigkeit abgetrennt. Der separierte Feststoff wird auf einer betonierten Fläche bis zur Ausbringung zwischengelagert. Die flüssige Phase verlässt den Separator und wird einem 6 Kubikmeter fassenden, in die Erde versenkten Betonbehälter zugeleitet. Aus diesem Lagerbehälter wird der Vakuumverdampfer gespeist. Die beiden aus Stahl gefertigten, isolierten Verdampferkessel befinden sich im Container. Die Kessel werden laut Harms jeweils bis zur Hälfte mit der abseparierten Flüssigkeit gefüllt. Pro Behälter sind das 12
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FOTOS: MARTIN BENSMANN
Kühlturm auf Stahlgestell seitlich neben dem VerdampferContainer. Über den Kühlturm werden 50 Prozent des Destillats an die Atmosphäre abgegeben.
In diesem Erdtank aus Beton wird die separierte Flüssigkeit aufgefangen und zwischengespeichert. Von hier aus wird die Flüssigkeit automatisch unter Vakuum entnommen und den Verdampfern zugeführt.
Kontrollschacht nach der Pflanzenkläranlage. Das einlaufende Wasser ist glasklar und von bester Qualität.
Kubikmeter. In den Behältern befinden sich Stahlplatten auf der Innenwand, die als Heizung fungieren. Eine von einem Hydraulikzylinder angetriebene Mechanik mit Bürstenköpfen wird hin und her bewegt, sodass die Heizungsplatten regelmäßig gereinigt werden. Das ist für die Wärmeübertragung sehr wichtig.
Kochzeit zwischen 7 und 13 Stunden Verdampferkessel eins wird mit 45 bis 48 Grad Celsius und 110 Millibar Unterdruck betrieben. Die flüssige Phase wird in diesem Behälter sieben Stunden lang gekocht. Im zweiten Behälter ist die Temperatur auf 57 bis 60 Grad Celsius eingestellt. Der Unterdruck beträgt hier 220 Millibar. Hier wird der Inhalt 13 Stunden lang gekocht. Die Wärme wird aus dem Kühlkreislauf der BHKW bereitgestellt. Das warme Wasser erwärmt zuerst den zweiten Behälter, dann den ersten und anschließend wird die Restwärme für die Beheizung der Gärbehälter verwendet. 50 Prozent des Wärmebedarfs wird aus dem Wasserdampf zurückgewonnen. Wenn ein
Bewachsene Mulde, in die das klare Wasser, das aus der Pflanzenkläranlage abfließt, eingeleitet wird.
Teil der Flüssigkeit verdampft ist, wird immer automatisch frisches Substrat nachgefüllt und eingedicktes Düngerkonzentrat ausgeschleust. Das Düngerkonzentrat wird in den 3.600 Kubikmeter fassenden Lagerbehälter gepumpt. Vorher wird es auf 30 Grad Celsius heruntergekühlt, um den Betonbehälter nicht zu schädigen. In 24 Stunden wird der Vakuumverdampfung mit 43 Kubikmeter absepariertem flüssigen Gärdünger beschickt. 23 Kubikmeter davon werden im Prozess verdampft und im Wärmetauscher am Ende der Brüdenwäscher rückverflüssigt. Im an die Anlage angeschlossenen Kühlturm werden 50 Prozent des anfallenden Wassers an die Atmosphäre abgegeben. Das restliche saubere Wasser wird intervallweise zur Pflanzenkläranlage gepumpt, die als letzte Reinigungsstufe fungiert. Nach dem Verlassen des Pflanzenklärbeetes fließt das Wasser in eine extra angelegte Mulde im Gelände, wo es verdunstet oder versickert. Natürlich ließe sich das Destillat auch zur Bewässerung der Felder bei Trockenheit einsetzen.
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Messsonden (siehe roter Pfeil) unten im Brüdenwäscher geben das Ausschleusen des ASL in Auftrag. Die Schwefelsäure soll das Ammoniak möglichst effektiv entfernen. Wenn der Füllstand der oberen Sonde nicht erreicht ist, wird Schwefelsäure nachdosiert. Neben dem Füllstand des ASL an der oberen Messsonde ist auch der pH-Wert wichtig für das Abpumpen der ASL aus dem Brüdenwäscher. Nur wenn der pH-Wert 2,6 beträgt bei gleichzeitigem Füllstandsoptimum, wird ASL abgepumpt.
Ammoniak wird im Brüdenwäscher aus dem Dampf ausgewaschen
Vakuumpumpe (siehe roter Pfeil), die für Unterdruck in den Kesseln sorgt. Rechts im Bild ist einer der beiden Kunststofftanks zu sehen, in denen das destillierte Wasser im Kühlkreislauf geführt wird.
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Gerhard Harms hält ein Probenrohr mit ASL in der Hand. In der Flüssigkeit befindet sich ein Schwimmer, mit dem er die Konzentration bestimmt. Im Hintergrund ist der Schaltschrank mit Touch-Display zu sehen, über das die Anlage überwacht wird.
Hinter jedem Verdampfer befindet sich ein Brüdenwäscher, der zum Teil mit Kunststoff-Füllkörpern befüllt ist. Der Wasserdampf steigt von unten in dem Wäscher nach oben auf und wird im Gegenstrom von oben mit Schwefelsäure besprüht. Dadurch wird das Ammoniak, das sich im Wasserdampf befindet, ausgewaschen und als Ammonium-Sulfat-Lösung (ASL) gebunden. Unten im Brüdenwäscher unter den Füllkörpern sammelt sich die Ammonium-Sulfat-Lösung. Die ASL wird abgepumpt und einem Sammeltank zugeführt. Die ASL enthält rund 80 Kilogramm Gesamtstickstoff pro Tonne und etwa 90 Kilogramm Schwefel pro Tonne. Der pHWert der ASL liegt bei 2 Prozent. Bei der Ausbringung des Düngerkonzentrats werden pro 27 Kubikmeter fassendem Gülletankwagen 500 bis 1.000 Liter ASL zudosiert. „Durch die Anlage sind wir jetzt in der Lage, den Stickstoff gezielter einzusetzen. Wir sind jetzt nur noch limitiert in der Phosphor-Düngung. Beide Landwirtschaftsbetriebe, die die Biogasanlage betreiben, verfügen über so viel landwirtschaftliche Nutzfläche, dass der gesamte Gärdünger in den Betrieben bleiben kann und nichts abgefahren werden muss. Darüber hinaus können wir nun mit einem weiteren 3.000 Kubikmeter fassenden Lagerbehälter auf dem Betrieb Brand eine Lagerkapazität von zwölf Monaten ausweisen“, betont Harms. Für die Abluftwäsche benötigt die Anlage alle zwei Monate 25 Tonnen Schwefelsäure, was 14.500 Liter entspricht. Die Schwefelsäure verursacht Kosten von 1.500 Euro pro Monat. Die monatlichen Stromkosten betragen 2.400 Euro. Die
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Solche Füllkörper, die Gerhard Harms in den Händen hält, befinden sich im Dampfwäscher.
Wärme steht kostenlos zur Verfügung. Der Wartungsaufwand liegt laut Harms im Schnitt über die bisherige Betriebszeit bei 1,5 Stunden pro Tag inklusive der großen Revision nach zwei Jahren, wenn Servicetechniker die Anlage überprüfen. Dann werden auch per installiertem Lastenkran die oberen Hälften der Vakuumverdampfer abmontiert, um die Reinigungsbürsten für die Heizungsplatten in Augenschein zu nehmen.
Schematische Darstellung des Vakuumverdampfers.
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Diese Messsonde misst die elektrische Leitfähigkeit des ausgeschleusten Wassers (Destillats), das den Wärmetauscher verlässt. Wenn das Destillat eine elektrische Leitfähigkeit von 100 Mikrosiemens aufweist, wird es zum Kühlturm geführt, wo die Hälfte des Destillats verdampft.
In diesem zylindrischen Rohr wird der pH-Wert der ASL mit Natronlauge auf einen Wert von über 5,5 angehoben.
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Eberhard Schulte Siering neben dem Regenis-Trockner. In das waagerechte Brüdensammelrohr wird separierte Flüssigkeit dem Brüdendampf über Düsen zugeführt.
Ammoniak-Strippungsanlage von Byosis auf dem Betrieb Schulte Siering.
Schulte Siering betreibt Ammoniak-Strippung Einen technologisch anderen Weg der Nährstoffkonzentrierung beschreitet Eberhard Schulte Siering in der Grafschaft Bentheim (Niedersachsen). Er produziert seit 1998 Biogas, ursprünglich ist er mit einer 45-kWAnlage angefangen. Die hat er 2000 auf 140 und 2005 auf 500 kW erweitert. In den Jahren 2009 und 2011 wurden mehrere Satelliten-BHKW-Standorte erschlossen, sodass heute für 2.480 kW installierte elektrische Leistung Biogas produziert werden muss. Allein die Rohgasleitungsstrecke ist über 7 Kilometer lang. Pro Jahr werden in der Biogasanlage rund 46.500 Tonnen Inputmaterial vergoren. Daraus fallen pro Jahr etwa 38.000 Tonnen flüssiger Gärdünger an. „Seit acht Jahren separieren wir den schon, um einen Teil des Phosphors aus dem Betrieb herauszubekommen. Den abgetrennten, mit Phosphor angereicherten Feststoff nehmen Ackerbaubetriebe in anderen Regionen auf. Bis zum Inkrafttreten der Düngeverordnung im letzten Jahr hat das bestens funktioniert. Doch seit wir nur noch 170 Kilogramm Stickstoff pro Hektar düngen dürfen,
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haben wir ein Problem. Allein durch die Absenkung der erlaubten Stickstoffmenge per Verordnung fehlten uns plötzlich 180 Hektar“, ärgert sich Schulte Siering. Was also machen? Nach einigen Überlegungen und Recherche von Informationen war dem Biogasproduzenten klar, dass ein Teil des Stickstoffs aus dem Gärdünger entfernt werden müsse. Denn Pachtflächen standen nicht zur Verfügung und der Abtransport des flüssigen Gärdüngers wäre zu teuer geworden. Nachdem er verschiedene Verfahren miteinander verglichen hatte, viel seine Wahl auf eine Ammoniak-Strippungsanlage, die von der niederländischen Firma Byosis entwickelt wurde und verkauft wird. Das Gesamtsystem funktioniert so: Das eingebrachte Gärsubstrat wird in fünf Fermentern mesophil bei 43 Grad Celsius vergoren. Den Fermentern nachgeschaltet sind vier UDR-Festbettfermenter von Röring, die als Nachgärer fungieren. Die vier Hochbehälter werden paarweise betrieben. Die Verweilzeit beträgt hier 3 Tage. Das Gärsubstrat verlässt als Gärdünger die UDRReaktoren mit einem Trockensubstanzgehalt (TS) von 8 bis 8,2 Prozent.
Zuerst wird separiert Jetzt beginnt im Prozessablauf der Abschnitt mit der Düngerfraktionierung. Dieser befindet sich in einer Halle neben den Gärbehältern. Der Gärdünger wird
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von den UDR-Reaktoren zur Separationseinheit in der Halle gepumpt. Zwei Quetschprofi aus dem Hause agriKomp trennen einen Teil der festen Fraktion aus dem Gärdünger ab. Über den beiden nebeneinander angeordneten Pressschneckenseparatoren befinden sich zwei Behälter. Ein Vorratsbehälter mit 4 Kubikmeter Fassungsvermögen, der zuerst mit Gärdünger aus den Reaktoren befüllt wird. Ein weiterer Behälter mit 300 Litern Nettovolumen wird aus dem größeren, oberen Vorratsbehälter befüllt. Aus dem 300-Liter-Tank werden die beiden Separatoren gespeist. Der separierte Feststoff wird per Querförderschnecke zum Lagerplatz in der Halle gefördert. Der Feststoff kann aber auch einem doppelwandigen Trommeltrockner von Regenis (siehe Biogas Journal 6_2014, Seite 48 bis 51) zugeführt werden, sodass der TS-Gehalt von 20 bis 22 Prozent weiter angehoben werden kann. Beim Besuch Ende August war der Trockner aber außer Betrieb. Wenn er aber in Betrieb ist, wird laut Schulte Siering die flüssige Phase des Separators über mehrere Düsen im dem Brüdensammelrohr des Trockners dem Dampf (Brüden) zugeführt und damit der Dampf wieder kondensiert. Die flüssige Phase erfährt dadurch einen Temperaturanstieg und eine Nährstoffanreicherung. Ist der Trockner außer Betrieb, wird die flüssige Phase, die die Separatoren verlässt, direkt durch einen Wärmetauscher gepumpt. „Dabei handelt es sich um eine gebrauchte Pasteurisierungseinheit, die früher in der Produktion eines O-Saftherstellers verwendet wurde. Es sind mehrere 6 Meter lange neben- und übereinanderliegende doppelwandige Rohre. Durch das Innenrohr fließt die separierte Flüssigkeit und durch den Doppelmantel außen fließt warmes Wasser, das in einem anderen Wärmetauscher mit Abwärme aus dem Kühlkreislauf des Standort-BHKW erhitzt wird“, erklärt Schulte Siering.
Betrieb Schulte Siering: Separatoreneinheit mit 4 m³ Vorratstank oben und Trockner unten links (siehe Pfeil).
Strippungsanlage besteht im Wesentlichen aus drei Tanks Das Wasser aus dem Kühlkreislauf des 500-kW-BHKW ist so heiß, dass die abseparierte flüssige Gärdüngerphase 63 Grad Celsius erreicht. Erst jetzt wird die heiße flüssige Phase der Ammoniak-Strippungsanlage zugeführt. Die Strippungsanlage besteht aus drei senkrecht aufgestellten Kunststofftanks. Im ersten Tank werden pro Stunde kontinuierlich 5 m³ der heißen separierten Flüssigkeit von oben eingefüllt und über Füllkörper nach unten verrieselt und dort abgepumpt. Ein Gebläse drückt Luft von unten durch die heiße Flüssigkeit und treibt dabei das Ammoniak aus. Das LuftAmmoniakgemisch strömt in dem Behälter nach oben, verlässt dort den Behälter und wird durch ein Rohr zum zweiten Tank geleitet, wo es unten in den Tank strömt. „Der zweite Tank dient als Vorreinigungsstufe, der dritte als Hauptreinigungsstufe. In beiden Behältern wird Waschwasser, das Schwefelsäure enthält, von oben eindosiert. Das Luft-Ammoniakgemisch strömt im Ge-
Feststoffabtrennung mit dem Pressschneckenseparator Quetschprofi von agriKomp.
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Wärmetauscher (großes Foto), der die separierte Flüssigkeit aufheizt. Kleines Foto: Detailaufnahme der Wärmetauscherrohre. Durch das innere Rohr fließt die separierte Flüssigkeit, durch das äußere Rohr fließt heißes Wasser.
300-Liter-Vorratsbehälter über den Separatoren.
genstrom von unten nach oben und reagiert mit Schwefelsäure zu ASL. „Die vorgereinigte Luft des zweiten Tanks ziehen wir wieder oben ab und drücken sie unten in den dritten Tank rein. Die aufgeheizte saubere Luft fahren wir im Kreislauf durch die drei Tanks. Am Ende des Prozesses gewinnen wir Ammonium-Sulfat-Lösung mit 6,5 Prozent Stickstoff und 7,7 Prozent Schwefel. Der pH-Wert der ASL liegt bei 7“, skizziert Schulte Siering den Prozess.
Hier ist der Prozess aber noch nicht zu Ende. Die gestrippte Flüssigkeit, von der 100 m³ pro Tag produziert werden, verlässt die ASL-Anlage nicht direkt in Richtung Gärdüngerlager, sondern passiert zunächst einmal
Sonden messen ASL-Dichte
Zulauf für die separierte und erhitzte Flüssigkeit in den ersten Tank der Ammoniakstrippung
Tank zwei und drei sind mit einer Messeinrichtung ausgestattet, die die Dichte der ASL misst. Ist der eingestellte Dichtewert erreicht, wird das ASL abgepumpt und dem 10.000 Liter fassenden EdelstahlSammeltank zugeführt. Pro Tag produziert die Anlage eine Tonne ASL. Die ASL ist eine klare bis leicht trübe, geruchlose Flüssigkeit. Wenn sie in einem Behälter offen verdunstet, fällt weißes Nährsalz aus.
Mit dem Dekanter werden weitere Feststoffanteile aus der gestrippten flüssigen Phase entfernt.
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einen Dekanter von GEA, der sich in einem Lärmgekapselten Raum befindet. Der Dekanter entzieht der gestrippten Flüssigkeit weitere Feststoffanteile. Vor dem Dekanter hat die gestrippte Phase einen TS-Gehalt von 5,5 Prozent, nach dem Dekanter von 3,8 Prozent. Die gestrippte Phase enthält nach dem Dekanter 3,3 Kilogramm (kg) Stickstoff pro Tonne, 1,2 kg Phosphor pro Tonne und 4,5 kg Kali pro Tonne. Der im Dekanter abgetrennte Feststoff wird über eine unter ihm liegende Förderschnecke ebenfalls dem Lagerplatz in der Halle zugeführt. Der Dekanterfeststoff ist farblich dunkler (fast schwarz) und trockener als der Feststoff, den die Separatoren abtrennen, der eine bräunlichere Färbung aufweist. An einer anderen Stelle auf dem Betriebsgelände wird getrockneter Feststoff gelagert, der wie die obere Bodenschicht in einem Nadelwald aussieht und auch sehr erdig riecht.
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Wärmetauscher, der die Abwärme aus dem Kühlkreislauf des BHKW aufnimmt und in dem großen Wärmetauscher an die Separatorflüssigkeit abgibt.
24 Tonnen Feststoff werden täglich abgetrennt
Foto oben: ASL – eine fast klare, neutral riechende Flüssigkeit. Foto unten: Wenn die ASL verdunstet, bleiben weiße Kristalle übrig.
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Insgesamt entzieht das Anlagensystem dem Gärdünger 24 Tonnen Feststoff pro Tag. Der separierte Feststoff hat einen TSGehalt von 20 bis 22 Prozent. Er enthält 5 bis 6 kg Stickstoff pro Tonne, 4 bis 5 kg Phosphor pro Tonne und 7 kg Kali pro Tonne. Der Dekanterfeststoff hat einen TSGehalt von 24 bis 28 Prozent. Er enthält 6 bis 7 kg Stickstoff pro Tonne, 5,5 bis 6,5 kg Phosphor pro Tonne und 6 bis 7 kg Kali pro Tonne. „Wir haben jetzt in unserem gestrippten Gärdünger etwa 1 kg weniger Stickstoff als vorher. Vom Stickstoff her betrachtet reicht unsere bewirtschaftete Fläche jetzt wieder aus. Verrückt ist allerdings, dass wir aufgrund der 170-kg-Grenze bei Stickstoff auf dem Grünland Mineraldünger einsetzen müssen, um die entsprechenden Erträge bei vier bis fünf Schnitten einfahren zu können und auf der anderen Seite müssen wir Gärdünger exportieren – allein im letzten Jahr rund 8.000 Tonnen Feststoff“, betont Schulte Siering.
Einen Teil des ASL verkauft er ebenfalls. 300.000 Euro hat der Bentheimer Landwirt inzwischen in die Anlage investiert. Viele Teile sind – bis auf die Bioflex-Strippungsanlage – gebraucht gekauft und selbst zusammengebaut worden. Deswegen ist die bisherige Investitionssumme verhältnismäßig niedrig. Weitere Investitionen sind geplant, um die Betriebskosten der Strippungsanlage zu senken. Das sehr komplexe System der Nährstoffaufbereitung mit seinen ineinandergreifenden Prozessstufen ist bestens durchdacht und funktioniert daher auch entsprechend gut.
Autor Dipl.-Ing. agr. (FH) Martin Bensmann Redakteur Biogas Journal Fachverband Biogas e.V. Tel. 0 54 09/90 69 426 E-Mail: martin.bensmann@biogas.org
PRAXIS Mit der Stoffstrombilanzverordnung
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FOTO: ADOBE STOCK/COUNTRYPIXEL
sollen Nährstoffflüsse in landwirtschaftlichen Betrieben transparent und überprüfbar abgebildet werden.
Stoffstrombilanzverordnung – was müssen Biogasbetriebe jetzt tun? Die Düngegesetzgebung wurde im Jahr 2017 novelliert und gemäß Düngegesetz ist bei der landwirtschaftlichen Erzeugung ein nachhaltiger und ressourceneffizienter Umgang mit Nährstoffen im Betrieb sicherzustellen. Dabei sind Nährstoffverluste in die Umwelt soweit wie möglich zu vermeiden. Vor diesem Hintergrund wurde die Rechtsgrundlage für die Stoffstrombilanzverordnung im Düngegesetz geschaffen. Ziel der Verordnung ist, Nährstoffflüsse in landwirtschaftlichen Betrieben transparent und überprüfbar abzubilden. Von Stefan Hüsch und Dr. Ute Schultheiß
I
n einzelnen Regionen Deutschlands werden höhere Belastungen der Gewässer mit Nitrat und Phosphat festgestellt. Zudem wurde Deutschland von der Europäischen Kommission wegen nicht ausreichender Umsetzung der Nitratrichtlinie verklagt. Dies hatte zur Folge, dass das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) in den vergangenen Jahren die Inhalte der Düngegesetzgebung angepasst und mit dem Düngepaket in 2017 den Grundstein für eine Weiterentwicklung des Düngerechts in Deutschland gelegt hat. Am 21. Juni 2018 hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) das Urteil im Klageverfahren der
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Kommission gegen Deutschland verkündet und festgestellt, dass Deutschland bereits seit 2014 weitere Maßnahmen hätte erlassen müssen. Während das novellierte Düngegesetz und die novellierte Düngeverordnung bereits seit Sommer 2017 Rechtsgültigkeit haben, ist die Stoffstrombilanzverordnung zum 1. Januar 2018 in Kraft getreten. Die Novellierung der Düngegesetzgebung enthält neue Vorgaben für die Bewirtschaftung landwirtschaftlicher Flächen mit dem Ziel, die Stickstoffeffizienz im Rahmen der Düngung zu verbessern und die Ammoniakemissionen zu reduzieren. Mit der Stoffstrombilanzverordnung sollen
dagegen Nährstoffflüsse in landwirtschaftlichen Betrieben transparent und überprüfbar abgebildet werden. Damit rückt neben der Düngung auch die sachgerechte Zufuhr und Bewertung von Futtermitteln beziehungsweise der Fütterung insgesamt in den Fokus der Betrachtung.
Welche Betriebe müssen bilanzieren? Seit dem 1. Januar 2018 müssen Betriebe mit hoher Tierbesatzdichte, flächenlose tierhaltende Betriebe und Biogasanlagen, die Wirtschaftsdünger aus zur Stoffstrombilanzierung verpflichteten Betrieben aufnehmen, eine Stoffstrombilanz erstel-
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Visuelle PRAXIS Kontrolle Ihrer BiogasProduktion
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Tabelle 1: Betriebe, die zur Stoffstrombilanzierung verpflichtet sind Seit 1. Januar 2018
Ab 1. Januar 2023
Betriebe > 50 GV1 oder > 30 ha LF2 - bei einer Tierbesatzdichte von jeweils > 2,5 GV/Hektar
Betriebe > 20 ha LF oder > 50 GV je Betrieb
Viehhaltende Betriebe, die die oben genannten Bedingungen unterschreiten, wenn außerhalb des Betriebs anfallender Wirtschaftsdünger zugeführt wird.
Betriebe, die die oben genannte Bedingung unterschreiten, wenn außerhalb des Betriebs anfallender Wirtschaftsdünger zugeführt wird.
Lumiglas optimiert Ihren Biogas-Prozess
Biogasanlagen, die mit einem verplichteten Betrieb in funktionalem Zusammenhang stehen beziehungsweise wenn Wirtschaftsdünger aus diesem oder außerhalb des Betriebs anfallender Wirtschaftsdünger zugeführt wird. Betriebe, die die oben genannten Schwellenwerte unterschreiten und innerhalb des gewählten Bezugsjahres nicht mehr als 750 kg Gesamtstickstof aufnehmen, sind von den Verplichtungen zur Bilanzierung befreit. Dies gilt auch für Ackerbaubetriebe mit einem geringen Viehbesatz, soweit der Nährstofanfall aus Wirtschaftsdüngern aus dem eigenen Betrieb 750 kg Stickstof nicht überschreitet. 1
GV = Großvieheinheiten, 2 LF = landwirtschaftliche Nutzläche
len (siehe Tabelle 1). Dabei sieht die Verordnung auch Bagatellgrenzen vor, um bestimmte Betriebe vom bürokratischen Aufwand zu befreien. So zum Beispiel für Betriebe, die einen Stickstoffanfall von weniger als 750 kg innerhalb eines Bezugsjahres haben, um diesen Betrieben die Aufnahme von Wirtschaftsdünger zu ermöglichen, ohne dass derzeit eine Stoffstrombilanz erstellt werden muss. Das sind Ackerbaubetriebe mit wenigen Tieren. Allerdings fallen sehr viele Biogasbetriebe in die Verpflichtung zu bilanzieren, da die Aufnahme von Wirtschaftsdünger tierischer Herkunft als Substrat und die Abgabe als Gärrückstand in der Regel die Bagatellgrenzen überschreiten. Nicht betroffen sind derzeit lediglich Biogasbetriebe, die ausschließlich nachwachsende Rohstoffe pflanzlicher Herkunft verarbeiten. Ab 2023 sind aber auch diese Betriebe betroffen.
Was bedeutet das konkret? Landwirtschaftliche Betriebe mit Tierhaltung betreiben oftmals Biogasanlagen auf der Hofstelle. Sind die Biogasanlagen vom landwirtschaftlichen Betrieb steuerlich getrennt, gelten diese als eigener Betrieb und in der Regel sind dann beide Betriebe verpflichtet, eigene Stoffstrombilanzen zu erstellen. In diesem Fall spricht die Stoffstrombilanzverordnung von einem funktionalen Zusammenhang. Betroffen von der Verpflichtung sind auch landwirtschaftliche Betriebe mit weniger als 2,5 Großvieheinheiten pro Hektar (GV/ ha), wenn die Betriebe Gärrückstände aus der Biogasanlage beziehen, sofern diese einen eigenen Betrieb darstellt und die Bagatellgrenze von 750 kg N im Bezugsjahr überschritten wird. Bei Unklarheiten sollte die zuständige Behörde befragt werden.
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Was müssen die Betriebe bei der Aufzeichnung beachten? Betriebsinhaber müssen spätestens drei Monate nach der jeweiligen Zufuhr beziehungsweise Abgabe die Nährstoffmengen für Stickstoff und Phosphor aufzeichnen sowie die zur Ermittlung angewendeten Verfahren. Die dem Betrieb zugeführten Nährstoffmengen an Stickstoff und Phosphor sind auf der Grundlage von Belegen, insbesondere Lieferscheinen oder Rechnungen, und unter Einbeziehung des jeweiligen Gehaltes an Stickstoff und Phosphor der zugeführten Stoffe und Nutztiere zu erfassen. Die Nährstoffgehalte sind zu ermitteln über die vorgeschriebene Kennzeichnung (zum Beispiel bei Düngemitteln), über wissenschaftlich anerkannte Methoden oder durch Daten von zuständigen Landesbehörden. Die Ermittlung der Nährstoffzufuhren und -abgaben orientiert sich dabei an der abgestimmten Datengrundlage der Düngeverordnung. Die den Aufzeichnungen zugrundeliegenden Belege müssen sieben Jahre aufbewahrt werden. Des Weiteren müssen betroffene Betriebe jährlich, spätestens sechs Monate nach dem gewählten Bezugsjahr, eine betriebliche Stoffstrombilanz erstellen und zu einer jährlich fortgeschriebenen dreijährigen Bilanz zusammenfassen. Der Bezugszeitraum für die Bilanz muss dem gewählten Düngejahr nach Düngeverordnung entsprechen. Zusammengefasst heißt das:
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PRAXIS
BIOGAS JOURNAL
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Tabelle 2: Erfassung der Daten für die betriebliche Stoffstrombilanz (Anlage 2, StoffBilV) 1
2
3
4
Zufuhr
Nährstof in kg
Abgabe
Nährstof in kg
1.
Düngemittel insgesamt
Planzliche Erzeugnisse
2.
davon Wirtschaftsdünger tierischer Herkunft
Tierische Erzeugnisse
3.
davon sonstige organische Düngemittel
Düngemittel insgesamt
4.
Bodenhilfsstofe
davon Wirtschaftsdünger tierischer Herkunft
5.
Kultursubstrate
davon sonstige organische Düngemittel
6.
Planzenhilfsmittel
Bodenhilfsstofe
7.
Futtermittel
Kultursubstrate
8.
Saatgut einschließlich Planzgut und Vermehrungsmaterial
Planzenhilfsmittel
9.
Landwirtschaftliche Nutztiere
Futtermittel
10.
Stickstofzufuhr durch Leguminosen
Saatgut einschließlich Planzgut und Vermehrungsmaterial
11.
Sonstige Stofe
Landwirtschaftliche Nutztiere
12.
1 2
Erstellen für Wirtschaftsjahr 2018/19: bis 31.12.2019 Bei der Bilanzierung sind folgende Bilanzgrößen zu berücksichtigen: Nährstoffzufuhr: Nährstoffmengen an Stickstoff und Phosphor, die dem Betrieb durch Düngemittel, Futtermittel, Saatgut (einschließlich Pflanzgut und Vermehrungsmaterial), landwirtschaftliche Nutztiere, Leguminosen sowie sonstige Stoffe zugeführt werden. Nährstoffabgabe: Nährstoffmengen an Stickstoff und Phosphor, die der Betrieb durch pflanzliche und tierische Erzeugnisse, gegebenenfalls abgegebene Wirtschaftsdünger, Futtermittel, Saatgut (einschließlich Pflanzgut und Vermehrungsmaterial), landwirtschaftliche Nutztiere sowie sonstige Stoffe abgibt.
Sonstige Stofe
Die Länder können zu den vorgeschriebenen Aufzeichnungen zusätzliche Vorlage-, Melde- oder Mitteilungspflichten durch Rechtsverordnung festlegen.
13.
Summe der Nährstofzufuhr je Betrieb in kg Nährstof aus Zeilen 1 und 4 bis 11
Summe der Nährstofabgabe je Betrieb in kg Nährstof aus Zeilen 1 bis 3 und 6 bis 12
14.
Summe der Nährstofzufuhr je Betrieb in kg Nährstof je Hektar1
Summe der Nährstofabgabe je Betrieb in kg Nährstof je Hektar1
15.
Diferenz zwischen Nährstofzufuhr und Nährstofabgabe in kg Nährstof je Betrieb
Wie sind Nährstoffzufuhren und -abgaben zu bewerten?
16.
Diferenz zwischen Nährstofzufuhr und Nährstofabgabe in kg Nährstof je Hektar1
17.
Stickstofdeposition im Betrieb über den Luftpfad in kg N je Hektar2
Während die zugeführten und abgegebenen Nährstoffe für Stickstoff und Phosphor bilanziert werden müssen, ist lediglich die Bilanz für Stickstoff zu bewerten und zwar im dreijährigen Durchschnitt. Mit dieser Vorgehensweise sowie der Einbeziehung der abgestimmten Datengrundlagen wird weitgehend sichergestellt, dass die Betrie-
Nicht bei Betrieben ohne landwirtschaftlich genutzte Flächen. Die Stickstoffdeposition ist auf der Grundlage des letzten gültigen Hintergrundbelastungsdatensatzes Stickstoffdeposition des Umweltbundesamtes (http://gis.uba.de/website/depo1) am Betriebssitz zu ermitteln.
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PRAXIS
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be bei der Stoffstrombilanzierung und beim Nährstoffvergleich nach der Düngeverordnung einheitlich beurteilt werden. Der Betriebsinhaber kann bei der Bewertung zwischen zwei verschiedenen Verfahren wählen: Bewertung der dreijährigen betrieblichen Stoffstrombilanz (Bruttobilanz, siehe Tabelle 2) mit einem zulässigen Bilanzwert in Höhe von maximal 175 Kilogramm Stickstoff je Hektar, der nicht überschritten werden darf oder eine Bewertung der dreijährigen betrieblichen Stoffstrombilanz auf der Grundlage der Berechnung eines zulässigen dreijährigen Bilanzwertes nach Anlage 4 der Verordnung (betriebsindividueller Wert). Bei Wahl dieses Bewertungsverfahrens hat der Betriebsinhaber eine Bilanz gemäß Tabelle 2 zu erstellen und diese mit dem betriebsindividuellen Wert in Beziehung zu setzen, wobei der betriebsindividuell zulässige Bilanzwert um maximal 10 Prozent überschritten werden darf. Sofern der Betriebsinhaber diese Bewertungsgrenzen überschreitet, kann die zuständige Behörde anordnen, dass der Betriebsinhaber innerhalb von sechs Monaten nach der Feststellung an einer Beratung teilzunehmen hat. Die Verpflichtungen zur Bewertung gelten wegen der vorgesehenen Evaluierung der Verordnung nur bis zum 31.12.2022. Für Biogasanlagen, die keine Fläche aufweisen, kann für die Stoffstrombilanz lediglich der Bewertungsansatz gemäß Anlage 4 der Verordnung herangezogen werden.
Unterstützung durch die Länder Die Länder planen, unterschiedliche Lösungen zur Unterstützung der Betriebe anzubieten: Zum einen werden eigene Excel-Tools beziehungsweise Online-Anwendungen erarbeitet (zum Beispiel Bayern, Schleswig-Holstein, Rheinland-Pfalz), zum anderen werden bestehende Programme um die Stoffstrombilanz erweitert [zum Beispiel DueProNP, LLH Hessen; Bilanzierungs- und Empfehlungssystem Düngung BESyD, Landesanstalten/-ämter Sachsen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg, Thüringen]. Darüber hinaus beabsichtigen die Länder vergleichbar zur Düngeverordnung Muster-Vollzugshinweise abzustimmen.
Evaluierung der Stoffstrombilanzverordnung Das BMEL ist verpflichtet, die Auswirkungen der Stoffstrombilanzierung zu evaluieren und dem Deutschen Bundestag bis 31. Dezember 2021 einen Bericht vorzulegen. Dabei sollen unter anderem folgende Aspekte geprüft werden: Trägt die Stoffstrombilanzierung zur Begrenzung der Nährstoffbelastungen der Umwelt durch die Landwirtschaft bei? Haben sich die Bewertungskriterien der Stoffstrombilanzierung in der Praxis bewährt oder gibt es Bedarf zur Weiterentwicklung?
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Fazit Mit der Bilanzierung der Nährstoffflüsse wird ein wichtiger Beitrag zur Verbesserung der Umweltwirkungen landwirtschaftlicher Betriebe geleistet. Der Erfolg und die Akzeptanz der Stoffstrombilanzverordnung hängen aber nicht zuletzt von der Umsetzung auf Länderebene ab, und auch bei der Kontrolle sind die Länder in der Pflicht. Die Landwirte und besonders auch die Biogasanlagenbetreiber stehen vor der großen Herausforderung, die neuen fachlichen Anforderungen in ihre Bewirtschaftungspraxis umzusetzen. In einigen Regionen Deutschlands beziehungsweise bei einzelnen Tierhaltungsbetrieben wird dies dazu führen, dass Wirtschaftsdünger verstärkt an andere Betriebe abgegeben beziehungsweise in Ackerbauregionen exportiert werden muss. Mit der Bilanzierung der Nährstoffströme können allerdings auch Betriebsmittel eingespart und damit die Effizienz und wirtschaftliche Tragfähigkeit eines Betriebes verbessert werden.
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INTERNATIONAL
BIOGAS JOURNAL
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FOTO: MARKUS FÜRST
Nairobi
Deutsch-Kenianisches Forum zu „Energieeffizienz und Eigenversorgung mit Erneuerbaren Energien“ – Begrüßung durch Michael Derus, stellvertretender Leiter der deutschen Botschaft in Kenia und Leiter der Wirtschaftsabteilung.
Reiseberichte: AHK-Geschäftsreisen nach Kenia und Kuba Im Rahmen seiner Bemühungen, interessante und nachhaltige neue Exportmärkte für seine Firmenmitglieder zu sondieren, nahm der Fachverband Biogas e.V. kürzlich an Geschäftsreisen nach Kenia und Kuba teil. Vertreten wurde er dort durch den von der GIZ an den Fachverband entsandten EZ-Scout. Von Markus Fürst
K
enia: interessantes Bioenergie-Potenzial, aber noch zögerliche Marktentwicklung. In Kenia besteht im Bereich industrieller und gewerblicher Energieabnehmer aufgrund hoher Strompreise und instabiler Übertragungs- und Verteilnetze generell das Interesse an der Substitution und Hybridisierung der Stromversorgung durch unter anderem Bioenergie. Dies trifft im Besonderen auf die Vielzahl von Unternehmen zu, die auf eine möglichst unterbrechungsfreie Stromversorgung angewiesen sind, wofür in der Regel auf Back-upDieselgeneratoren zurückgegriffen wird. Der Markt für Bioenergietechnologie ist aufgrund der großen Bedeutung der lebensmittelverarbeitenden Industrie in Kenia durchaus vorhanden. Auch nach der Inbetriebnahme der bislang größten Biogasanlage in Subsahara-Afrika mit 2,4 Megawatt Nennleistung wird das Interesse an der kommerziellen beziehungsweise industriellen Biogas-Nutzung größer. Im Rahmen der Exportinitiative Energie organisierte die Delegation der Deutschen Wirtschaft in Kenia daher vom 25. bis 29. Juni gemeinsam mit der Renewables Academy AG eine AHK-Geschäftsreise zu Energieeffizienz und Eigenversorgung mit Erneuerbaren Energien nach Kenia. Auf einer Fachkonferenz in Nairobi am 26.
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Juni gaben sowohl die Vertretung der deutschen Wirtschaft und das Kenianische Energieministerium als auch relevante Akteure aus den Bereichen Erneuerbare Energien und Energieeffizienz einen Überblick über Geschäftspotenziale, politische Rahmenbedingungen und Finanzierungsmöglichkeiten von Projekten in Kenia. Mehrere Firmen, unter anderem auch Mitgliedsfirmen des Fachverbandes Biogas e.V., hatten hier die Möglichkeit, ihr Leistungsangebot dem kenianischen Fachpublikum zu präsentieren und für sie organisierte Business-Gespräche zu führen. Auch der beim Fachverband ansässige EZ-Scout der GIZ, Markus Fürst, informierte über die Biogastechnologie „Made in Germany“ sowie Finanzierungs- und Fördermöglichkeiten für Projektkooperationen zwischen deutschen und kenianischen Unternehmen. Darüber hinaus begleitete und unterstützte er die an den Folgetagen durch die Delegation Kenia organisierten und auf die teilnehmenden Unternehmen zugeschnittenen, individuellen Gesprächstermine mit potenziellen Geschäftspartnern vor Ort. Dabei wurden unter anderem frucht- und gemüseverarbeitende Betriebe wie Kevian Ltd., Kenias größter Produzent von Fruchtsäften, Fruchtsaftkonzentraten, Softdrinks, Saucen und Suppen besucht.
INTERNATIONAL
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finanzierte Projekte interessant, weil bei diesen eine akzeptable Zahlungsmoral erwartet werden kann. Ferner werden größere Unternehmen in wichtigen Branchen in der Regel von Managern mit indischem Migrationshintergrund geführt, die mit den europäischen Wirtschaftsgepflogenheiten vertraut sind. In letzter Zeit mehren sich allerdings Bedenken von Experten, dass Kenia regional ins Hintertreffen gerät, da seine Nachbarländer – zum Beispiel Äthiopien oder Uganda – mehr ausländische Direktinvestitionen anlocken. Dabei hat Kenia mit einer im regionalen Vergleich akademisch gut ausgebildeten Bevölkerung, einer diversifizierten Privatwirtschaft und ausbaufähigen industriellen Strukturen gute Chancen, den RegionalHub Nairobi weiter auszubauen. Dieser Entwicklung entgegen stehen eine enorm hohe und teure Staatsverschuldung, hohe Transport- und Produktionskosten bei gleichzeitig schwacher Infrastruktur sowie eine hohe Korruptions- und Kriminalitätsrate.
FOTO: KEVIAN KENYA LTD.
BIOGAS JOURNAL |
Produktion von Fruchtsaft bei Kevian Ltd., Kenias größtem frucht- und gemüseverarbeitenden Betrieb.
Vergleichbare Unternehmen stehen aktuell vor der Herausforderung – aufgrund gesetzlicher Regelungen –, ab 2019 kein (Feuer-)Holz mehr für ihre energieintensive Produktion (Strom, Wärme und Dampf) verwenden zu dürfen. Da die bisher zur Energieproduktion genutzten Dampfkessel derzeit noch mit Holz aus (unter anderem illegalem) Einschlag sowie mit Abfallholz und Sägemehl beschickt werden, suchen die Unternehmen dringend nach alternativen Energiequellen. Für Frucht verarbeitende Betriebe drängt sich die anaerobe Fermentation zur Produktion von Biogas geradezu auf, da hier die Abfälle aus der Frucht- und Gemüseveredelung (Schalen, faserige Fruchtfleischreste etc.) zur Energieerzeugung verwendet werden können, die bisher getrocknet und verbrannt oder einfach auf Brachen gelagert wurden. Kenianische Produktionsunternehmen suchen daher derzeit verstärkt nach ausländischen Partnern, um derartige Vorhaben umzusetzen. Für deutsche Firmen sind grundsätzlich solche durch private Investoren
Biogasanlage Naivasha mit 2,4 Megawatt elektrischer Nennleistung.
FOTO: SNOW LEOPARD PROJECTS GMBH
Biogas statt Feuerholz nutzen
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uba: große Ausbaupläne für Bioenergie – Anerkennung privatwirtschaftlichen Besitzes in neuer Verfassung schafft positive Voraussetzungen Die Steigerung der Energieeffizienz und die Erhöhung des Anteils der Erneuerbaren Energien stehen in Kuba bereits seit einigen Jahren auf der Agenda. Besonders in der Lebensmittelindustrie und der Tourismusbranche wurden erst kürzlich mehrere Projekte zur Modernisierung vorangetrieben. So sind Investitionen in Höhe von 660 Millionen (Mio.) US-Dollar für die Modernisierung von Zuckermühlen und Schlachthäusern, Hühner- und Schweinemasten vorgesehen. Weiterhin weist der Tourismussektor viel Potenzial für energieffizientere Technologien im Bereich Beleuch-
FOTO: MARKUS FÜRST
Havanna
tung für Hotels, Klima- und Lüftungsanlagen sowie solarbetriebene Heißwasseranlagen auf. Durch das 2014 verabschiedete Visa-Regime wurde außerdem der Erwerb von Immobilien für ausländische Käufer erleichtert. Auch der Ausbau von Erneuerbaren Energien ist gesetztes Ziel der Regierung: Bis 2030 soll der durch Erneuerbare Energien erzeugte Stromanteil von derzeit 4,3 Prozent auf 24 Prozent steigen. Dies soll vor allem durch KWK-, Biogas- und PV-Anlagen erfolgen.
Konferenz zu „Erneuerbaren Energien und Energieeffizienz in der Lebensmittel- und Tourismusindustrie“ am 12. Juni in Havanna, Kuba.
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INTERNATIONAL
FOTO: AQUALIMPIA ENGINEERING E.K.
BIOGAS JOURNAL
Biogasanlage Marti I / Marti II mit zwei Fermentern à 2.500 und 4.500 Kubikmetern zur Vergärung von Schweinegülle und Schlachtabfällen. Die Anlage wurde 2017 durch das Fachverbandsmitglied Aqualimpia Engineering e.K. errichtet. Mit dem Ziel, deutschen Unternehmen die Möglichkeit zu geben, sowohl die Potenziale als auch die gegebenen Rahmenbedingungen für ein Engagement auf Kuba auszuloten, organisierte die Deutsch-Kubanische Industrie- und Handelskammer gemeinsam mit der RENAC AG eine AHKGeschäftsreise zu Erneuerbaren Energien und Energieeffizienz in der Lebensmittelund Tourismusindustrie auf Kuba. Die Fachveranstaltung fand im Rahmen der Exportinitiative des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) vom 11. bis 15. Juni in Havanna statt und bot den idealen Rahmen, um Möglichkeiten zur Umsetzung Kubas Energiestrategie 2030 zu erörtern. Deutsche und kubanische Referentinnen und Referenten sowie aus Deutschland angereiste Unternehmensvertreter diskutierten vor 130 Teilnehmern Kooperationsmöglichkeiten bei der Umgestaltung des kubanischen Energiesektors.
Erneuerbare-Anteil soll von 4 auf 25 Prozent anwachsen So soll der Anteil Erneuerbarer Energien an der Gesamtenergieproduktion des Landes von derzeit 4 auf 25 Prozent erhöht werden. Hierbei setzt die kubanische Regierung neben Solarthermie und Photovoltaik in erster Linie auf Biogas und Windenergie. Im Anschluss an die Fachveranstaltung konnten sich die deutschen Experten und Unternehmer, darunter auch Fachverbands-Mitglieder, bei Besuchen der wichtigsten kubanischen Importgesellschaften und vorab in organisierten Einzelgesprächen ein Bild über Einsatzmöglichkeiten ihrer Produkte und Dienstleistungen machen. Im Rahmen der Geschäftsreise besuchten die Akteure der deutschen Biogasbranche unter anderem die Einkaufsgesellschaft
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ENERGOIMPORT (Import und Vertrieb von Erzeugungsanlagen, Komponenten und Ersatzteilen), die Einkaufsgesellschaft für die Zuckerindustrie, AZUIMPORT, sowie die Einkaufsgesellschaften für Tourismus (ITH, MINTUR) und der Lebensmittelindustrie (ALINPEN, GEIA, MINAL) und hatten ausgiebig Gelegenheit, sich über bereits umgesetzte und anstehende Projekte und die Erwartungen der jeweiligen Partner auszutauschen. Eine große Herausforderung, die in den bilateralen Gesprächen zwischen deutschen Teilnehmern und ihren kubanischen Gesprächspartnern immer wieder thematisiert wurde, ist die Finanzierung von Energieprojekten. Da die Struktur des Außenhandels durch das planwirtschaftlich organisierte Wirtschaftssystem geprägt ist, hält der Staat ein Außenhandelsmonopol. Es wird verwaltet durch das Ministerium für Außenhandel und Außenhandelsinvestitionen (Ministerio del Comercio y la Inversion Extranjera, MINCEX). Als Akteure auf kubanischer Seite treten nur staatlichen Firmen auf, die eine (zeitlich befristete) Konzession zur Ein- und Ausfuhr exakt definierter Zollpositionen bekommen. Sie sind im Nationalen Register der Exporteure und Importeure aufgeführt (anzufragen über die Kubanische Handelskammer: http://www.camaracuba. cu). Derzeit sind etwa 360 Unternehmen registriert.
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die wesentlichen öffentlichen Erzeugungs-, Transport- und Distributionsanlagen unterstellt sind. Das entsprechende Außenhandelsunternehmen EnergoImport ist zuständig für den Import und Vertrieb von Erzeugungsanlagen, Komponenten und Ersatzteilen sowie für technische Dienstleistungen (wobei Arbeitsleistungen in Kuba primär von lokalen Mitarbeitern ausgeführt werden). Energieerzeugende Anlagen für spezielle Industriezweige, zum Beispiel der Zuckerindustrie, unterliegen den jeweiligen Industrieministerien. Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ) hat seit 2003 alle bilateralen Programme eingestellt. Das heißt, dass weder die GIZ noch die KfW Entwicklungsbank oder die DEG gegenwärtig bilateral in Regierungsverhandlungen vereinbarte Projekte oder Programme unterstützt. Diese Haltung kann jedoch seitens der Bundesregierung jederzeit bilateral gelöst werden. Entsprechend sind auch keine Förderprogramme der einzelnen Bundesländer für Kuba aufgelegt worden. Derzeit sind auch weder die Weltbank, noch der Internationale Währungsfonds, noch die Interamerikanische Entwicklungsbank in Kuba aktiv tätig. Die EU hat mit Kuba seit 1996 zwar offizielle Beziehungen aufgenommen, allerdings werden keine Projekte im Bereich Energie bzw. Erneuerbare Energien unterstützt. In Deutschland gibt es jedoch einige kommerzielle Geschäftsbanken, die in der Handelsfinanzierung mit Kuba aktiv sind. Unter anderem sind dies die DZ Bank, Unicredit, Commerzbank und – für Unternehmen aus Baden-Württemberg – die Landeskreditanstalt BW. Darüber hinaus gibt es Exportkreditgarantien über Euler Hermes für kurzfristige sowie lang- und mittelfristige Geschäfte. Autor Markus Fürst Berater Entwicklungszusammenarbeit EZ-Scout | Senior Advisor International Cooperation and Business Development der Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenar-
EnergoImport zuständig für Import und Vertrieb von Erzeugungsanlagen Für den Bereich der Erneuerbaren Energien ist das Ministerium für Basisindustrie (MINBAS) zuständig. Ihm untersteht das Unternehmen Unión Eléctra (UNE), dem
beit (GIZ) GmbH Entsandt zu Fachverband Biogas e.V. Tel. 0 81 61/98 46 811 E-Mail: ez-scout@biogas.org E-Mail: markus.fuerst@giz.de www.biogas.org www.giz.de