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Arlo Parks
Popstars oder die Akteure Hollywoods ihr Gesicht quasi permanent in Kameras halten, haben Künstler das Pech (oder Glück?), dass ihre Werke meist präsenter sind als ihre Namen. Sofern man diese überhaupt kennt – Stichwort Banksy. Jedenfalls, Selfi es mit „diesem“ Nick Cave sind in einschlägigen Kreisen bald begehrter als solche mit dem australischen Namensvetter. Und Leute wie Jay-Z blättern für seine Objekte jedenfalls locker sechsstellige Beträge hin.
©PICTURE ALLIANCE / PHOTOSHOT / NIKOLAJ BRANSHOLM
ARLO PARKS
Lichtblick für die Ohren
Große Musik für kleine Gefühlsausbrüche: Arlo Parks macht Musik wie zugeschnitten auf die seltsamen Zeiten, die wir aktuell durchleben: menschlich, warm, emotional aufgeladen. Die Britin ist der erste R’n’B-Hype des Frühlings – und bis dato der vielversprechendste. Text: Marco Rüegg
Die ersten Wochen des neuen Jahres? Wir erinnern uns an eine Zeit zum Vergessen. Sturm aufs Capitol, Kältewelle, Covid-Mutanten und (Teil-)Shutdown... Statt in Clubs, Kinos oder Wintersport-Hochburgen „vergnügen“ sich die jungen Möchtegern-Wilden daheim am Smartphone, während die vom Schneematsch durchnässten Sneakers auf der Heizung trocknen und von draußen Schneeregen an die Fenster klopft. Doch auf einmal klingt mitten in die selbstisolierte Tristesse diese Kuscheldecke von einer Stimme, wärmt Glieder und Gemüt von innen her auf. Sie gehört Anaïs Oluwatoyin Estelle Marinho alias Arlo Parks, zarte 20, und singt Lieder, wie sie nur Leute singen, welche die Schattenseite des Lebens gesehen haben. Im Falle der Londonerin passiert das mit 17: MultikultiHintergrund, Outsiderin in der Schule, sie entdeckt ihre Bisexualität, ringt mit der Identitätsfi ndung. Und schreibt Songs, die den Ton angeben für den spärlich instrumentierten Lo-FiSoul des Debutalbums „Collapsed in Sunbeams“, mit dem ihr Label Transgressive Records unsere eingefrorene Gefühlswelt aus dem kulturtechnischen Koma des Covid-Winters holt. Dass die Hälfte der zwölf Tracks schon vorher als Single erscheint, spricht für Dichte und Potential der Singer/Songwriterin mit dem Kurzhaar-Afro und dem Flair für ausgefallenen OhrschmuckKlimbim. Allein „Eugene“, LGBTQ-Kuschelrock für das 21. Jahrhundert, steady Laid-back-Beat, eine so subtile wie catchy Melodieführung über dem Basslauf, der den Song zusammenhält. Und eben, die Stimme, Balsam gegen den januarlöchrigen Frust der Jungen und Junggebliebenen, von Billie Eilish bis Michelle Obama bekennen sich die prominenten Fans zu Arlo Parks. Besser macht so eine Platte den gegenwärtigen Schlamassel rundherum natürlich nicht. Aber erträglicher. Wenigstens für vierzig Minuten.