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Photo Story
Jesus trifft auf Flüchtlingslager und Probleme des 21. Jahrhunderts. Was bleibt: das Ende am Kreuz.
Text und Fotos: photoSCHWEIZ
ROLL THE CAMERA
Die Schweiz hat mehr zu bieten als Toblerone und kitschiges Alpenpanorama. Talentierte Regisseurinnen und Regisseure zum Beispiel, die Spiel- oder Dokumentarfi lme raushauen, die die Leinwand zum Beben bringen. Was beim Filmen hinter den Kulissen geschieht, verrät die von Barbara Miller für die photoSCHWEIZ kuratierte Sonderausstellung „Set-Fotografi e“. Wir geben Ihnen einen DAS NEUE EVANGELIUM Regie: Milo Rau Vorgeschmack. Set-Fotografi e: Armin Smailovic
Was würde Jesus im 21. Jahrhundert predigen? Wer wären seine Jünger? Regisseur Milo Rau kehrt in der süditalienischen Stadt Matera zu den Ursprüngen des Evangeliums zurück und inszeniert es als Passionsspiel einer Gesellschaft, die geprägt ist von Unrecht und Ungleichheit. Gemeinsam mit dem Politaktivisten Yvan Sagnet, der Jesus verkörpert, erschafft Rau eine zutiefst biblische Geschichte. Nach Jesusʼ Vorbild kehrt Yvan als „Menschenfi scher“ in das Größte der Flüchtlingslager bei Matera zurück. Unter den dort Gestrandeten fi ndet er seine „Jünger“. Verzweifelte, die über das Mittelmeer nach Europa gekommen sind, um auf den Tomatenfeldern Süditaliens versklavt zu werden und dort unter unmenschlichen Bedingungen in Ghettos zu hausen – allein in Italien sind das mehr als 500'000 Menschen. Gemeinsam mit Kleinbäuerinnen und -bauern begründen sie die „Revolte der Würde“ eine politische Kampagne, die für die Rechte von Migrantinnen und Migranten kämpft.
Regie: Christian Frei & Maxim Arbugaev Set-Fotografi e & Kamera: Maxim Arbugaev
Die Suche nach dem weißen Gold Elfenbein am Rande Sibiriens offenbart ein Zukunftsszenario, das unsere Welt auf den Kopf stellen könnte.
Christian Frei:
„Mein Kameramann und Co-Regisseur Maxim Arbugaev und sein Assistent Vladimir Egorov fi lmen für den Dokumentarfi lm GENESIS 2.0 in der russischen Arktis. Ihre Stars? Eisbären, Polarfüchse und Männer, die am Ende der Welt nach Stoßzähnen der ausgestorbenen Mammuts suchen.“
Das Arsenal an Waffen und Ausrüstung für die Jagd nach Mammutzähnen und großartigen Bildern ist riesig.
Witwe trifft Priester, es knistert, es funkt, dann mischt sich die Katholische Kirche ein, und alles wird kompliziert.
Regie: Stefan Haupt Set-Fotografi e: Aliocha Merker
Zürich im Jahr 1519. Die junge Witwe Anna Reinhard lebt zwischen Furcht vor der Kirche und Sorgen um die Zukunft ihrer drei Kinder, als die Ankunft eines Mannes in der Stadt für Aufruhr sorgt: Der junge Priester Ulrich Zwingli tritt seine neue Stelle am Zürcher Großmünster an und entfacht mit seinen revolutionären Predigten gegen die Missstände der Katholischen Kirche heftige Diskussionen. Seine Ideen lösen beinahe einen Bürgerkrieg aus. Als sich die katholischen Kräfte international zu formieren beginnen, wird die Beziehung von Zwingli und Anna auf eine harte Probe gestellt.
Aliocha Merker:
„The primary objective of my movie stills work is to capture the mood that runs across the fi lms I am honoured to photograph.“
Oscar und Stanley kämpfen mit dem, was ihnen die Welt vor die Füße wirft.
IL MIO CORPO
Regie: Michele Pennetta Set-Fotografi e: Elia Miccichè Kamera: Paolo Ferrari
Oscar, irgendwo in der Zwischenphase vom Kind zum Mann, sucht für seinen Vater unter der sizilianischen Sonne nach Schrott. Sein Leben verbringt er auf Mülldeponien und zwischen dem, was andere loswerden wollen. Welten entfernt und doch ganz in der Nähe lebt Stanley ein ganz anderes Leben: Gegen ein Obdach und was zu essen hilft er in der Kirche aus, pfl ückt Früchte oder hütet Schafe. Der junge Sizilianer Oscar hier, der Nigerianer Stanley dort. Viel scheinen die beiden nicht gemeinsam zu haben, außer vielleicht dem Gefühl, in der Welt auf dieselbe Ablehnung zu stoßen und sich mit den Entscheidungen anderer herumschlagen zu müssen. Was sie eint: derselbe Wunsch nach einem besseren Leben.
Michele Pennetta:
„Es ist Aufgabe des ‚Kino des Realen‘ neue Ausdrucksform zu entwickeln, unter dem Einfl uss des Dokumentarfi lms und der Fiktion.“
Zwischen Sozialwohnung und Platzspitz, Abhängigkeit und Freiheit, dem, was die Eltern wollen, und was sich richtig anfühlt: „Platzspitzbaby“ liefert viel Stoff zum Grübeln.
PLATZSPITZBABY
Regie: Pierre Monnard Nach der Autobiografi e von Michelle Halbheer Set-Fotografi e: Aliocha Merker & Pierre Monnard (Bild linke Seite)
Zürich 1995, die offene Drogenszene am stillgelegten Bahnhof Letten ist geräumt, die elfjährige Mia landet mit ihrer Mutter Sandrine, die schwer drogenabhängig ist, in einer Sozialwohnung ihrer ländlichen Heimatgemeinde. Hier wird das emotionale Dilemma greifbar, in dem Kinder wie Mia stecken: einerseits vernachlässigt, benutzt, ja verraten, und andererseits geliebt und zum Wichtigsten im Leben der Eltern verklärt, was dazu führt, dass sich Kinder wie Mia für ihre Peiniger verantwortlich fühlen. Konsequent aus der Perspektive von Mia wird eine Selbstermächtigungsgeschichte erzählt, die es der Heldin ermöglicht, sich selbst zu retten.
Aliocha Merker:
„Das Ziel meiner Setfotografie ist, die Stimmung des Films in seiner Tiefe einzufangen. In ‚Platzspitzbaby‘ ist es die omnipräsente Angst vor der Vergangenheit: der Sucht.“
Regie: Michael „Mike“ Schaerer Drehbuch: Petra Volpe Set-Fotografi e: Sava Hllavacek
Schweiz, Frühjahr 1945, Stunde Null: Drei junge Menschen stellen sich in der Nachkriegszeit großen Herausforderungen. Klara und Johann stehen kurz vor ihrer Hochzeit, die Johann mehr Verantwortung in der TuchFabrik seines Schwiegervaters bringen wird. Klara arbeitet indes in einem Flüchtlingsheim des Roten Kreuzes, in dem Jugendliche aus dem KZ Buchenwald ein bisschen Ruhe fi nden sollen. Ein Familiendrama in sechs Teilen, das die Schweiz der Nachkriegsjahre aus einem neuen Blickwinkel betrachtet.
Sava Hlavacek:
„Es ist ein Wandern zwischen den Zeiten. Die visuelle Stimulanz ist immens – eine Verschmelzung von heute und damals. Ich beobachte aus verschiedenen Perspektiven und versuche Momente zu fi nden, die fesseln, verwirren, berühren und auch zum Schmunzeln bringen. Das ist für mich der große Reiz des Mediums Fotografi e.“
Der Ursprung der Geschichte. Die drei Protagonistinnen in der Probe, ihre Freundschaft, privat, am Anfang ihrer Reise vor dem Drehstart.
Regie: Karin Heberlein Set-Fotografi e: Nelly Rodriguez, Karin Heberlein, Rabea Lüthi
Sami, Joe und Leyla bilden eine unzertrennliche Mädchenclique. Plaudernd und lachend ziehen sie durch die Agglomeration einer Schweizer Großstadt. Das Ende der gemeinsamen Schulzeit hätte der Auftakt eines aufregenden Sommers werden sollen, doch es stehen wegweisende Entscheidungen an. In einer Zeit voller Veränderungen scheint ihre Freundschaft das einzig Beständige zu sein, doch als sich die Ereignisse überschlagen, wird sie auf eine harte Probe gestellt.
Karin Heberlein:
„Die drei Fotografi en markieren die Eckpunkte des Filmes und sind aus drei verschiedenen Blickwinkeln aufgenommen. Der Blick der Regie (Karin Heberlein), der Schauspielerin (Rabea Lüthi als Joe) und der Setfotografi n (Nelly Rodriguez).“
photoSCHWEIZ
Rund 30'000 Menschen besuchen jährlich die Werkschau photoSCHWEIZ, die zu den wichtigsten ihrer Art in Europa gehört. Etablierte Stars und neue Talente präsentieren ihre Fotografi en im Rahmen der mehrtägigen Schau. Über 200 Schweizer Fotografi nnen und Fotografen zeigen ihre Bilder vom Freitag, 2. bis Sonntag, 11. Juli 2021 in der Halle 550 in Zürich-Oerlikon. www.photo-schweiz.ch