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Porträt RESA LUT Lichtkünstlerin

ORGIASTISCHE EKSTASEN

VON BIRGIT WITTSTOCK

Resa Luts Live-Visuals beim Jessas Club im Flex 2016

Ihre Visuals entflammten die durchtanzten Nächte der Partycrowd. Jetzt ist die Wiener Lichtkünstlerin Resa Lut mit dem neuen Stück von Martin Gruber und dem aktionstheater ensemble auf Tour

Resa Lut hat ihren Namen treffend gewählt. Anders als „Teresia König“ im Reisepass beschreibt er sie präzise. Ihr stetiger erkundender Blick gibt dem Gegenüber keinen Raum für Manöver und Versteckspiele. Er ist auf beste Weise resolut, lässt keinen Zweifel aufkommen, wie sehr die Künstlerin auf Konventionen pfeift. Dagegen wirkt ihr Style – die bis über den Scheitel hinauf in die langen braunen Haare rasierte Schläfe und zwei schwarz ausgefüllte Kreise, auf ihre rechte Wange gemalt – beinahe schon zahm.

Der Kellner, dem sie an diesem späten Aprilnachmittag direkt in die Augen blickt, als sie ihn nach dem Schnapsmenü fragt und wie die Hendleinmachsuppe zubereitet sei, ist sichtlich nervös. Erklärt das Rezept und gleitet, als Resa Lut am Ende seiner Darbietung, die angebotene Bestellung mit einem „Danke“ quittierend, an einem Zigarillo ziehend, sich ihrem Glas Rotwein zuwendet, mit einer Erleichterung davon, als wäre er nackt auf einer Bühne gestanden.

Tags zuvor ist die 39-Jährige noch mit bleischwerem Körper krank im Bett gelegen. Nun kommt sie von der Probe für das neue Stück von Martin Gruber und dem aktionstheater ensemble. „Lüg mich an und spiel mit mir – Pension Europa 2.0“ heißt es. Resa Lut macht dafür wie auch zuletzt bei „Die große Show“ die Videokunst. Während sie den Inhalt beschreibt, beginnt sie zu leuchten: „Es geht um alles: um Gemeinsamkeiten und Verschiedenheiten, um Nationalitäten und Identitäten.“ Resa Lut versucht „so für ein Projekt zu brennen, wie man es braucht, um strahlen zu können“. Der Exzess sei ihr ständiger Begleiter. Sie trägt ihn in sich, er ist Teil ihrer Kraft und ihrer Arbeit, vor allem der Arbeit in der Nacht.

Ihre ersten Kunstprojekte entwarf sie nach der Matura an der Kunst- und Modeschule Herbststraße in einem Atelier in Ottakring, das sie sich mit Freund*innen teilte. Im Kollektiv schufen sie ein fahrbares Panoptikum für das Kunstfestival SOHO in Ottakring. Das schoben sie zwischen ihrem Atelier und dem damals noch ranzigen Yppenplatz hin und her. Außen mit Camouflage getarnt, konnte man über Spione und Verzerrungslinsen ins Innere blicken. „Wir wollten das Unter-Beobachtung-Stehen und die Verzerrung thematisieren“, erinnert sie sich.

Resolution

Was sie tut, tut Resa Lut exzessiv. Arbeiten, für die sie nicht brennt, machen für sie keinen Sinn. Jahrelang setzte sie mit ihren Live-Visuals den Exzess in den diversen Clubs der Stadt und auf Festivals in Europa ins richtige Licht. Aber schön reicht nicht. Deshalb entwirft die 39-Jährige aktuell Lichtkunst fürs Theater.

FOTOSTRECKE EXZESS

VON MAŠA STANIC ´

IM LICHT

Die Lichtinstallation „Out of the Crack“ von 2021 im Schauspielhaus Wien Erleuchtung – und so kreiert die alleinerziehende Mutter dreier Töchter seit zwölf Jahren wie manisch multimediale Installationen, hypnotische, pulsierende Lichtobjekte. Sie gibt visuelle Liveperformances, entwirft Projektionen fürs Theater, arbeitet an Videoproduktionen und führt Regie. Als VJ tourte sie durch Europa, schuf Multimediainstallationen für das „Tree of Life“-Festival in Kautzen, gestaltete als Teil des Wiener Zirkuskollektivs Rhizomatic Circus die visuelle Dramaturgie der Shows und bespielte so gut wie alle namhaften österreichischen Clubs. Der Schaffensprozess gebe ihr Kraft, sagt sie. „Er ist wie eine Quelle, die sich aus sich selbst nährt, ein exzessiver Flow-Zustand.“

Vor Pandemiebeginn erleuchtete Resa Lut jede Freitagnacht den poshen Club O am Karlsplatz mit ihren Live-Visuals. Acht bis zehn Stunden lang führte sie die tanzende Partycrowd wie eine Schamanin auf einen Trip aus Farbfeuerwerken, amorphen Formen und verfremdeten Bildern. Während die Pracht ihrer Projektionen Feiernde flashte, dachte sie, „die wissen noch gar nicht, was möglich wäre“. Sie selbst erlebte vor allem kräfteraubende Nächte für wenig Gage, samt dem faden Beigeschmack, dass von den gut aussehenden Visuals nichts bleiben würde. „Bei solchen Events bist du die reaktive Sklavin der Musik“, erklärt sie. „Es geht nur um Farben, Formen und Geschwindigkeiten, all das hat keine tiefere Aussage.“ Ihr Inneres machte sie mit einer Flasche Rotwein für solche Nächte gefügig, das Gefühl, es sei zu wenig, blieb. „Entweder arbeitet man mit totaler Hingabe oder man kann es gleich lassen.“ Um sich im gespritzten Umfeld wohler zu fühlen, begann sie subtil Pornos in die Projektionen zu mischen. „Ich habe versucht, doch noch den Moment zu erwischen, an dem alles zu fließen beginnt.“ Stimmung mit Licht zu lenken, die Menschen auf einen Trip zu schicken, der sie in orgiastische Ekstase ausbrechen lässt, war ihr Ziel.

Doch meistens schleppte sie sich bloß morgens erschöpft nach Hause, versuchte über die vergangene Nacht zu reflektieren, während vor ihren Augen immer noch die Lichter tanzten. Ihren inneren Scheiterhaufen befeuerte sie mit Selbstkritik und Unzufriedenheit. Den großen Wendepunkt brachte Corona. „Ich war am Ende meiner Kräfte, mein Kalender knackevoll. Die Lockdowns habe ich deshalb sehr genossen.“ Runterkommen, nachdenken, schreiben. Jetzt ist sie wieder da und dort, wo sie es am schönsten findet: am Theater.

Projektionen für die queere Performance „Elle“ 2021 im Volkstheater Psychedelischer Support beim „Tree of Life“-Festival 2016 in Kautzen

„Lüg mich an und spiel mit mir – Pension Europa 2.0“, ab 2. Juni im WERK X, 12. Bezirk, Oswaldgasse 35A

Mit ihrem Unternehmen Leuchtkraft Illumination schafft Resa Lut multimediale Projektionskunst

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Horst Dockal © Hornmanufaktur Petz

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