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Interview KURDWIN AYUB Regisseurin & Drehbuchautorin

„ALLE HABEN IN MEINEM BETT

VON VERENA RANDOLF

In Kurdwin Ayubs gefeiertem Spielfilm-Debüt „Sonne“ rebellieren drei junge Wienerinnen gegen gesellschaftliche Erwartungen

Die Regisseurin nimmt nach der Diagonale-Gala in Graz die große Toilette

Kurdwin Ayub, im Irak geboren, in Wien aufgewachsen. In ihrem preisgekrönten Film „Sonne“ kämpfen drei junge Frauen für ihr Recht auf Freiheit und Exzess. Wie sieht ihrer aus?

Kurdwin Ayub studierte Malerei an der Universität für angewandte Kunst und eröffnete als Regisseurin mit ihrem Spielfilm-Debüt „Sonne“, produziert von Ulrich Seidl, die diesjährige Diagonale. Bei der Berlinale in Berlin bekam die gebürtige Irakerin den Preis für das beste Erstlingswerk. Die 32-Jährige bestellt Holunder-Soda im Schlosscafé Belvedere, nach den Partyexzessen rund um Film vorführungen und Preisverleihung hat sie sich vier Tage Urlaub gegönnt. 1. Tag: Putzen. 2. Tag: Sport. 3. Tag: Dokus bingewatchen und Chips. 4. Tag: Dokus bingewatchen und Chips. „Ich kann sehr arg versandeln,“ sagt sie. Doch nach vier Tagen exzessiven Nichtstuns wird sie hibbelig. Auf ihrem Handy finden sich keine betrunkenen Selfies, dafür blühende Osterglocken, kleine Kinder, die verschmitzt in die Kamera lächeln, und Bilder, auf denen sie nach der Diagonale-Gala vorm Kunsthaus in Graz auf die Straße pinkelt.

Auf dem Handrücken deiner linken Hand steht in roter Schrift „ALLES“ tätowiert. Warum? KURDWIN AYUB: Ich war beim Geburtstag einer Freundin aus der Malereiklasse. Sie wollte mir eigentlich „Alles ist gut“ tätowieren, aber für „ist gut“ waren wir irgendwann zu betrunken. Ihr sitzt in einer Künstler-WG, und irgendwann packt eine die Tattoo-Nadeln aus? AYUB: Nein, die meisten meiner Freundinnen haben schon Kinder. Wir haben Champagner getrunken, und um uns herum haben Kinder Fußball gespielt.

„Ich gehe absichtlich nicht auf Kokspartys“

Meist ist es nach dem Kinderkriegen mit den wilden Partys vorbei, oder? AYUB: Ja, so ab dreißig kommt ein Alter, da werden die Partys weniger, was gar nicht so schlecht ist. Ich hatte mit Mitte zwanzig eine arge Zeit, das geht wohl den meisten so. Mich haben die Schwankungen zwischen den euphorischen Phasen und den Downs irgendwann fertig gemacht. Sie sind ja noch viel schlimmer, wenn Drogen im Spiel sind. Ich hab’ gemerkt, dass es meine Persönlichkeit verändert, wenn ich Drogen nehme, dass ich langfristig wahrscheinlich wahnsinnig werde. Deswegen habe ich aufgehört. Ich gehe absichtlich nicht auf Kokspartys und verbringe meine Zeit lieber mit Leuten, die auch keine Drogen nehmen.

PartyRebellin

Kurdwin, Ayub, 32, gilt nicht nur als der Rising Star unter den heimischen Filmemacher*innen, sondern ist auch für ihren Hang zum Extremen bekannt. Wobei sie mittlerweile Kokspartys auslässt und anstatt sich ständig wiederholende Suffgespräche zu führen oft lieber einfach schlafen geht.

GELEGEN UND GESTUNKEN“

Kurdwin Ayub mit Ulrich Seidl, der „Sonne“ produziert hat, bei der Eröffnung der heurigen Berlinale Wie leicht ist es in der Filmbranche, nicht auf Kokspartys zu gehen?

AYUB: Ich kann nicht für die ganze Branche sprechen, aber ich kenne viele Kolleginnen, die ein anderes Leben anfangen mussten, um aus diesem Kunstpartyexzess rauszukommen. Viele haben immer irgendwo Drogen her, auch wenn sie kein Geld haben, und sind die ganze Nacht drauf. Jedes Wochenende. Ich hatte solche Phasen auch. Natürlich hat dieser Exzess ein gewisses Potenzial, aber glücklich macht das nicht. Alkohol finde ich okay, da kommt man sowieso nicht drum rum.

Was trinkst du am liebsten? AYUB: Ich bin in Simmering aufgewachsen: Gösser Bier. Aus der Dose.

Wie wichtig ist dir die Grenzüberschreitung, die mit dem Exzess einhergeht? AYUB: In der Film-Kunstbubble gibt es keine Normen oder Grenzen. Alles ist extrem. Man muss selbst herausfinden, was gut für einen ist.

Lässt du dich auch zum Exzess überreden? AYUB: Selten. Ich weiß nicht, ob ich so gut loslassen kann, und bin vielleicht zu vernünftig. Irgendwann komm’ ich an den Punkt, an dem ich mir denke: Wir sind alle besoffen, warum sollten wir jetzt noch ein Bier trinken gehen? Ich will nicht Gespräche wiederholen die ganze Nacht, ich will lieber schlafen. Weil ich am nächsten Tag, egal wie lange ich feiere, um neun Uhr aufwache. Deswegen gehe ich lieber schlafen, als mir immer dieselben Geschichten anzuhören. Wann hattest du deine letzte richtig gute Party? AYUB: Am Eröffnungsabend der Diagonale. Es gab eine Gala, und wir haben wild getanzt. Dann haben sie unsere Gruppe rausgeschmissen und wir sind alle in meinem Hotelzimmer gelandet. Dort haben wir Wrestling geschaut und geraucht, es sind ständig Leute gekommen und gegangen, alle haben in meinem Bett gelegen und gestunken, ich bin irgendwann eingeschlafen. Wenn du mit den richtigen Leuten unterwegs bist, muss dir so ein Exzess am nächsten Tag nicht einmal peinlich sein. Mit der SeidlFamilie geht das. Die machen die besten Partys.

Die harte Währung, mit der ein Exzess oft bezahlt werden muss, ist der Kater. Wann hattest du deinen letzten? AYUB: Bei der Berlinale-Preisverleihung hab’ ich mir Mut angetrunken, weil ich mit dem Jurypräsidenten sprechen wollte. Sekt saufen ist böse: Am Tag danach hatte ich den schlimmsten Kater meines Lebens. Aber wir haben auf den Tischen getanzt. Und M. Night Shyamalan (dem Jurypräsidenten, Anm.) habe ich gesagt, er soll nach Wien kommen. Dann gemma ins Bendl, da gibt’s zwar Nazis, aber es ist urlustig.

Wie geeignet ist „der Wiener“ deiner Meinung nach für Partys bis zum Exzess? AYUB: In Wien bedeutet Party: an der Bar sitzen, acht Bier trinken und dann Blödsinn reden. Ich find’ das urgut, das ist genau meins.

Nach der Party ist vor der Party: Im Hotelzimmer nach der Premierenfeier

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