LEBEN 4.0
VERÄNDERUNG. Die Welt, wie wir sie kennen, wird sich in den nächsten Jahren durch die Digitalisierung dramatisch verändern,
WACHSTUM. Je früher man sich auf die Veränderung vorbe reitet, desto größere Chancen sind damit verbunden. Deshalb heißt es: handeln - jetzt.
E D I T I ON 1
I NH ALT
01
02
03
VERÄNDERUNG.
ANPASSUNG.
RESSOURCEN.
Die Zukunft hat bereits begonnen; die Digitalisierung lässt sich nicht mehr aufhalten und wird in Deutschland in den nächsten 10 bis 20 Jahren den gesamten Arbeitsmarkt in einem kaum vorstellbaren Maße verändern.
Revolution oder Evolution? Die Roboter “kommen” nicht einfach, sie werden gezielt eingesetzt. In einer globalen Welt können wir uns dem Wandel nicht entziehen. Wir können nur wählen, ihn zu nutzen – oder überrollt zu werden.
Veränderung benötigt Ressourcen, das gilt ebenso global wie individuell. Im Unternehmensbereich bedeutet dies oft ganz einfach: Geld. BGM liefert eine Art Refinanzierungsmodell für Veränderungsprozesse.
LEBEN 4.0 Industrie 4.0 und die Zukunft der Arbeit
04
05
GESUNDHEIT.
STANDORTBESTIMMUNG.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat Stress als “die Gesundheitsgefahr des 21. Jahrhunderts” bezeichnet. 70 bis 90% aller Krankheiten gehen ursächlich auf Stress zurück. Ein Interview mit der Autorin Katrin Klink.
Um zu wissen, wo man hin will und was man verändern sollte, ist es äußerst nützlich, den eigenen Standort zu kennnen: Eine kurze Checkliste für Unternehmen zur Bestandsaufnahme.
Februar 2017
Leben ist Veränderung, warum ist es dann in der Praxis so schwer, Veränderungsprozesse in Gang zu setzen? Die menschliche Psyche ist nicht auf Veränderung eingestellt, sie zieht den scheinbaren Schutz des Bekannten vor. In dieser Ausgabe von LEBEN 4.0 dreht sich alles um Veränderung, ihre Vorteile, konkrete Umsetzungsmöglichkeiten und wie man die nötigen Ressourcen dafür kreieren kann. In einem Jahr würden Sie wünschen, Sie hätten heute angefangen. In diesem Sinne wünschen wir Ihnen einen guten Start!
VERÄNDERUNG. Fakt: Einer Studie nach werden in den nächsten 15 Jahren in Deutschland vermutlich 59 % aller Arbeitsplätze wegfallen.
Die nächsten Jahre werden Veränderungen mit sich bringen, die wir uns heute noch nicht einmal ansatzweise vorstellen können. Gesellschaftlicher Wandel muss dann nicht mehr herbeizitiert werden; er wird geschehen. Es stellt sich nur die Frage, ob wir uns von den Geschehnissen überrollen lassen – oder ob wir sie mitgestalten. Es wird darum gehen, wie anpassungsfähig wir in den nächsten Jahren sein werden: als Individuen, als Unternehmen, als Regionen. Und als Wirtschaftsstandort Deutschland. Die Dampfmaschine bereitete den Weg zur Industriealisierung, die Erfindung des Fließbands den zur Massenproduktion. Man spricht hier von ‘industriellen Revolutionen’ oder Industrie 1.0 und 2.0. Die nächste Revolution (oder Industrie 3.0) war die Digitalisierung, die in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts begann. Der Computer hat inzwischen die Schreibmaschine ersetzt, die Diktierfunktion auf dem Handy oft bereits die Sekretärin. Die Digitalisierung hat uns in vielerlei Hinsicht das Leben leichter gemacht; aber sie hat sich auch verselbständigt und ist nicht mehr aufzuhalten. Wir befinden uns jetzt gerade im Übergang zu Industrie 4.0, der nächsten industriellen Revolution: “Roboterarbeit”. 2013 veröffentlichten der Ökonom Carl Benedikt Frey und der Ingenieur Michael Osborne eine wissenschaftliche Studie, in der die Wahrscheinlichkeit untersucht wurde, wie Arbeitsplätze verschiedender Berufssparten in einer mehr oder weniger nahen Zukunft von Robotern und Maschinen ersetzt Es wird darum gehen, wie anpassungsfähig wir in den nä-
werden. Dabei analysierten die Autoren die wissenschaftli-
chsten Jahren sein werden: als Individuen, als Unterneh-
chen und technologischen Fortschritte auf dem Gebiet der
men, als Regionen. Als Wirtschaftsstandort Deutschland.
Automatisierung, um die Folgen der technologischen Entwicklungen zu konkretisieren. Die Autoren kamen nach einer
Auswertung von 702 verschiedenen Berufen zu dem Schluss,
einer zunehmenden Automatisierung der Arbeitsabläufe
dass in den USA in den nächsten 10 bis 20 Jahren 47% der Ar-
können Produkte individueller gestaltet werden. Ein großer
1
beitsplätze mit hoher Wahrscheinlichkeit robotisiert werden.
deutscher Kaffeeanbieter hat gerade eine neue Generation
Die ING-DiBa hat 2015 die Studie auf deutsche Verhältnis-
von Kaffeemaschinen herausgebracht, bei der man per App
se übertragen ; die Analysten kommen dabei zu dem Schluss:
exakt einstellen kann, welche Kafferöstung und Milchmen-
“Wenn wir die verfügbaren Arbeitsmarktdaten für Deuts-
ge man sich für den perfekten Morgenkaffee wünscht. Die
chland mit den von Frey und Osborne berechneten Wahrs-
Digitalisierung wird unser Leben in vielerlei Hinsich leichter
cheinlichkeiten kombinieren, stellt sich heraus, dass 59% oder
machen: durch T-shirts, die Herzfrequenz und Blutdruck auf
über 18 Millionen Arbeitsplätze gefährdet sind. Betrachtet
eine App übertragen und optimale Trainingseinheiten be-
man die neun Funktionsklassen [...], so unterliegen adminis-
rechnen; durch maßgefertigte Kleidung oder Möbel, die am
trative Tätigkeiten wie Sekretäre oder Sachbearbeiter dem
Fließband hergestellt werden können – die Möglichkeiten
höchsten Risiko (86%), gefolgt von Hilfsarbeitstätigkeiten
sind endlos. Deshalb werden tatsächlich, wie oft im Zusam-
(85%). Mechaniker, Fahrzeugführer und Maschinenbediener
menhang mit dem Wegfall von Arbeitsplätzen beschrieben
folgen mit 69%-iger Wahrscheinlichkeit.
wird, auch neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Aber in
2
3
völlig neuen Bereichen, z. B. bei der Entwicklung von SoftIm Zeitalter der Globalisierung lassen sich diese Trends ni-
ware, Anwendungen und Produkten für noch mehr Roboter
cht aufhalten. Würden wir uns der Digitalisierung verweigern,
oder Maschinen, die letztlich die Arbeit ausführen werden.
würden die Jobs ins Ausland verlagert werden. Schon jetzt
Die Masse der entlassenen Arbeitnehmer wird, realistisch
gibt es nicht nur viele Produktionsstätten, sondern auch z. B.
gesehen, tatsächlich einfach wegrationalisiert werden. Wenn
deutschsprachige Callcenter in Indien oder Polen.
wir einen Schritt weiter denken, dann bedeutet der Verlust
Natürlich bietet die Digitalisierung auch Chancen. Neben 1 Frey, C. B., Osborne, M. A. (2013), The future of employment: how susceptible are jobs to computerisation?, Oxford Martin School Working Papers, September. 2 ING-DiBa Economic Research (2015), Die Roboter kommen. Folgen der Automatisierung für den deutschen Arbeitsmarkt 3 ebenda
von 59% der Arbeitsplätze auch 59% weniger Arbeitnehmer, die in unser Rentensystem einzahlen oder Krankenkassenbeiträge beisteuern. Deshalb ist ein gesellschaftlicher Wandel unumgänglich. Und ebenso wie die Digitalisierung kann man auch ihn als Chance begreifen.
“Der Übergang hat schon begonnen. Schon jetzt sind einige Industriebereiche vollvernetzt und werden fast vollständig von Robotern geführt.” (Aus der ING-DiBa-Studie)
Entschleunigung statt des Coffee to go auf dem Weg zur Arbeit? Arbeit wird einen anderen Stellenwert in unserem Leben einnehmen.
chnWeniger arbeiten – das klingt doch nicht einmal nach
nächst in Rente. Mit ihnen wird jedoch auch geballte Kom-
einer schlechten Idee. Maschinen können Jobs erledigen,
petenz den Arbeitsmarkt verlassen; eine weitere Heraus-
die für Menschen zu gefährlich sind, oder für die sich kei-
forderung, insbesondere angesichts des in vielen Sparten
ne Arbeitskräfte mehr finden lassen. In Japan werden in der
herrschenden Mangels an qualifizierten Fachkräften. Bereits
Seniorenpflege bereits zunehmend Roboter eingesetzt. Mit
jetzt kommt es deshalb jedes Jahr in Deutschland allein im
einer Altersstruktur, in der immer mehr alte Menschen von
Mittelstand zu Umsatzeinbußen in Höhe von ca. 50 Milliar-
immer weniger jungen versorgt werden müssen, hat die-
den Euro aufgrund von Fachkräftemangel. Diese Situation
ser Prozess eine massive Versorgungslücke geschlossen.
wird sich zuspitzen, wenn für die Digitalisierungs-Umstellung in allen Bereichen Kompetenz akquiriert werden muss;
Auch Deutschland steht vor einem deutlichen demografis-
das kann nicht nur einzelne Produktsparten, sondern auch
chen Wandel, wir sind in Bezug auf die ‘Überalterung’ unserer
Unternehmen aller Größe und als Folge ganze Wirtschafts-
Gesellschaft nicht sehr weit von japanischen Verhältnissen
standorte bedrohen. Umso mehr sind Lösungen gefragt, auf
entfernt. Denn die Generation der ‘Babyboomer’ geht dem-
individueller, aber auch regionaler und überregionaler Ebene.
Es gibt bereits einen neuen Marketing-Zweig, der sich dieses Themas annimmt: Employer Branding, d. h. “Arbeitgebermarkenbildung. Unternehmen bemühen sich, im sich immer weiter verschärfenden Wettbewerb um qualifizierte Fachkräftem als gute Arbeitgeber darzustellen, z. B. durch Fortbildungsangebote, flexible Arbeitszeiten oder ein fortschrittliches Gesundheitsangebot für ihre Mitarbeiter. Das Gehalt allein wird nicht mehr allein über eine Jobzusage entscheiden. Lebensqualität, Wertschätzung und persönliche Entwicklungsmöglichkeiten sind ebenso entscheidend. Was die Zukunft der Arbeit angeht: Selbst wenn die Analyse der ING-DiBa nicht vollständig Realität werden sollte, macht uns die Studie doch ganz sicher klar: Wir müssen die Augen aufmachen für die kommenden Entwicklungen. Und uns bewusst machen, dass unser Handlungsspielraum umso größer ist, je früher wir zu handeln beginnen.
Fazit: Die Digitalisierung ist nicht aufzuhalten. Je nach Einstellung und konkreter Handlungsweise kann sie Bedrohung oder auch eine Riesenchance sein. Eines jedoch ist sicher: Aussitzen ist in diesem Fall keine Option.
02
“Es ist nicht die stärkst lebt, auch nicht die inte diejenige, die sich am e anpassen kann”, schrie Das sollten möglichst w
ANPASSUNG. Die industrielle (R)Evolution 4.0 Alle sprechen von Industrie 4.0 als der kommenden indus-
Mark Woodbridge ist einer von denen, die Unternehmen
triellen Revolution. Genauso gut könnte man diesen Wan-
seit vielen Jahren in Veränderungsprozessen begleitet. Das
del jedoch als evolutionären Schritt betrachten, also einen
Instrumentarium dazu ist dem Bereich “Betriebliches Ge-
Schritt, der nicht zerstört, sondern uns weiter bringt. Tat-
sundheitsmanagement” zuzuordnen, auch wenn Wood-
sächlich werden die Unternehmen, die sich rechtzeitig für die
bridge selbst diesen Ausdruck nicht gerne verwendet. “Der
Digitalisierung und ihre Folgen fit machen, durchaus davon
Begriff BGM ist missverständlich”, sagt er. “Viel zu oft werden
profitieren können. Wie aber kann man sich als Unternehmen
darunter lediglich Gesundheitsmaßnahmen für die Mitarbei-
auf die kommenden Veränderungen einstellen?
ter verstanden. Dabei machen wir nicht nur die Menschen,
te Spezies, die überelligenteste, es ist ehesten dem Wandel eb Charles Darwin. wir Menschen sein.
sondern die Unternehmen gesund. BGM ist vor allem anderen
Maßnahmen zum Betrieblichen Gesundheitsmanagement
eine Managementaufgabe.” Tatsächlich haben zahlreiche Stu-
sind daher oft nicht viel mehr als Aktionismus, der zu keinem
dien gezeigt, dass Führungsstil und Arbeitsorganisation mit zu
konkreten Ergebnis führt”, sagt Woodbridge. Der Slogan seiner
den wichtigsten Faktoren für den Krankenstand einer Firma
Firma, “Woodbridge – making companies healthier” ist daher
gehören. Nicht (nur) die Arbeit macht Menschen krank, meist
Programm: Gemeinsam mit der Unternehmensführung wird
sind es die Umgebungsbedingungen.
eine Art Lageplan erstellt, der Schwächen und Stärken des Unternehmens aufzeigt. Dann werden die Bereiche identifiziert,
“Betriebliches Gesundheitsmanagement ist ein sehr weites
in denen der größte Handlungsbedarf – oder der beste ‘Hebel’
Feld. Wir unterscheiden zunächst zwischen ‘Pflicht’ und ‘Kür’,
für effektive Veränderung ist. Das bundesweite Netzwerk von
d. h. wir machen erst einmal auf die gesetzlichen Bedingun-
Woodbridge-Experten liefert dann maßgenaue Lösungen von
gen aufmerksam. Es gibt z. B. Arbeitsschutzsoftware, die bei
Anti-Mobbingmaßnahmen über Suchtprävention bis hin zu
der Verwaltung und Dokumentation hilft. Und dann erarbei-
Kommunikationstraining für Führungskräfte.
ten wir mit unseren Kunden eine Standortanalyse, z. B. im Rahmen eines Führungskräfteworkshops. Viele Unternehmen wissen nicht, wo sie stehen und wo die Probleme liegen.
Einer der Erfolgsfaktoren für Betriebliches Gesundheitsmanagement ist es, BGM als langfristigen, gemeinsamen und
plätze mit hoher Wahrscheinlichkeit robotisiert werden. Dabei war die Wahrscheinlichkeit, dass ein Arbeitsplatz durch eine Computersoftware ersetzt wurde um so höher, je geringer die Löhne und der Bildungsstand waren.1 Die ING-DiBa hat 2015 die Studie auf deutsche Verhältnisse übertragen2; die Analysten kommen dabei zu dem Schluss: “Wenn wir die verfügbaren Arbeitsmarktdaten für Deutschland mit den von Frey und Osborne berechneten Wahrscheinlichkeiten kombinieren, stellt sich heraus, dass 59% oder über 18 Millionen Arbeitsplätze gefährdet sind. Betrachtet man die neun Funktionsklassen [...], so unterliegen administrative Tätigkeiten wie Sekretäre oder Sachbearbeiter dem höchsten Risiko (86%), gefolgt von Hilfsarbeitstätigkeiten (85%). Mechaniker, Fahrzeugführer und Maschinenbediener folgen mit 69%-iger Wahrscheinlichkeit.3 Im Zeitalter der Globalisierung lassen sich diese Trends nicht aufhalten. Würden wir uns der Digitalisierung verweigern, würden die Jobs ins Ausland verlagert werden. Schon jetzt gibt es nicht nur viele Produktionsstätten, sondern auch z. B. deutschsprachige Callcenter in Indien oder Polen. Natürlich bietet die Digitalisierung auch Chancen. Neben 1 Frey, C. B., Osborne, M. A. (2013), The future of employment: how susceptible are jobs to computerisation?, Oxford Martin School Working Papers, September. 2 ING-DiBa Economic Research (2015), Die Roboter kommen. Folgen der Automatisierung für den deutschen Arbeitsmarkt 3 ebenda
“Ein erfolgreiches Gesamtkonzept für ein „gesundes Unternehmen“ muss eine Fülle von Faktoren berücksichtigen und miteinander in Beziehung setzen.”
vor allem systemischen Prozess zu betrachten. Denn ein Unternehmen funktioniert wie ein Organismus. Die Sollbruchstelle ist immer am schwächsten Glied, und wenn Kommunikation und Führung nicht funktionieren, funktioniert das ganze System nicht. Betriebliches Gesundheitsmanagement deckt alle Bereiche ab – und Schwachstellen auf, an denen Veränderungs- und Verbesserungsprozesse ansetzen können. “Probleme auf den Punkt zu bringen, ist zunächst manchmal schmerzhaft”, sagt Mark Woodbridge. “Aber die Erfahrung zeigt immer wieder, dass die Unternehmen, die offen und konstruktiv damit umgehen, am Ende deutlich besser dastehen, als wenn sie den Kopf in den Sand gesteckt hätten. Mutiges Management ist es, Probleme ins Visier zu nehmen und als Chance zu begreifen. Wir gehen auch nicht bierernst an die Sache heran; Veränderung muss nicht nur effektiv sein, sie darf auch manchmal Spass machen.” Unter dem Dach des Betrieblichen Gesundheitsmanagement versammeln sich mittlerweile verschiedene Disziplinen, die weit über den reinen Gesundheitsbereich hinausgehen. BGM versteht sich als eine Mischung aus Unternehmensberatung, Krisenintervention, Planungshilfe und Sicherheitsnetz. Denn Evaluierungen sind einer der Grundpfeiler effektiven Gesundheitsmanagements. Sie zeigen, ob Maßnahmen wie Arbeitsorganisation, Prozessmanagement oder Gesundheitsförderung greifen; und geben den Unternehmen die Sicherheit, dass die Investition an der richtigen Stelle ansetzt und sich lohnt. “Gerade jetzt kann die Wichtigkeit von Betrieblichem Gesundheitsmanagement nicht hoch genug eingeschätzt werden, denn mit unseren Tools können wir Unternehmen für die Digitalisierung rüsten, die für die meisten Firmen riesige Herausforderungen darstellt. Uns geht es allerdings nicht nur um Daten. Im Grunde sprechen wir doch davon, Menschen während der kommenden Veränderungsprozesse zu begleiten”, schließt Mark Woodbridge.
RESSOURCEN. Bewegung, Veränderung, aber auch das Leben selbst, hängen vom Vorhandensein von Ressourcen ab. Wie man mit BGM neue Ressourcen für sein Unternehmen erschließen kann.
03
Was, wenn Sie in die Gesundheit Ihrer Mitarbeiter investieren und damit Veränderungsprozesse finanzieren könnten?
chnUmfragen zeigen, welche Gründe Unternehmen davon
gar vom Staat gefördert: 500 Euro pro Mitarbeiter und Jahr
abhalten, notwendige Veränderungsprozesse in Angriff zu
können dafür steuerlich geltend gemacht werden und werden
nehmen. Beispielhaft kann dafür die Einführung von BGM
zusätzlich teilweise von Krankenkassen mitfinanziert.
in Betrieben betrachtet werden. Neben fehlendem Wissen
Aber nicht nur die reinen Krankheitskosten für Mitarbeiter
oder den Anforderungen des Alltagsgeschäfts ist es, wenig
schlagen zu Buche. Ausfalltage führen zu Produktivitätsver-
verwunderlich, die Sorge um zusätzliche Belastungen, die
lust, zu Kosten für zusätzliches Personal, einem erhöhten
Veränderungen verhindert. BGM ist deshalb ein so gutes
administrativen und organisatorischen Aufwand (z. B. duch
Beispiel dafür, dass sich Veränderung lohnt, weil es aufzeigt,
Einarbeitung von Aushilfen), zusätzliche Belastung von Kol-
dass Unternehmen in vielfacher Hinsicht, vor allem aber auch
legen und Vorgesetzten, erhöhten Versicherungsprämien für
finanziell, von einer systemischen Herangehensweise profitie-
Krankentagegeld bis hin zu versäumten Terminen, die evtl. mit
ren. Hierzu gibt es zahlreiche Studien, die im Durchschnitt zu
Ausfall- oder Zinszahlungen verbunden sind. Ganz abgesehen
dem Ergebnis kommen, dass effektive BGM-Maßnahmen ei-
natürlich vom Leid der Erkrankten.
nen return of investment von 1:4 haben. Das heißt, für jeden investierten Euro erhalten die Unternehmen 4 Euro zurück.
Das betriebliche Gesundheitsmanagement senkt durch geziel-
Lassen Sie uns das näher betrachten.
te gesundheitsfördernde Maßnahmen die krankheitsbedingten Kosten und bringt Steuervorteile. Die Verbesserung der
Laut einer Studie der DAK haben die Krankschreibungen
Mitarbeitergesundheit führt jedoch zusätzlich i. A. zu einer
in Deutschland im ersten Halbjahr 2016 den höchsten Stand
höheren Leistungsfähigkeit und Produktivität sowie – wichtig
seit Ende der 90er-Jahre erreicht. Besonders der Anteil der
im Hinblick auf die Anforderungen, die die Digitalisierung mit
Fehltage aufgrund psychischer Belastungen ist im Vergleich
sich bringen wird – zu einer gesteigerten Innovationskraft im
zum Vorjahr besonders stark gestiegen: um 13 Prozent.
Unternehmen. Arbeitsorganisation und Prozessmanagement
Stress gilt als eine der Hauptursachen für die zunehmenden
helfen dabei, Arbeitsprozesse zu optimieren und die Mitar-
Erkrankungen aufgrund psychischer Belastungen. Auch zahl-
beiter zu entlasten und zu motivieren. Führungskräfte können
reiche körperliche Erkrankungen, wie z. B. Rückenbeschwer-
dabei unterstützt werden, ihre Management-Aufgaben kräf-
den, stehen in enger Verbindung mit Stressbelastungen. Ar-
tesparender zu erledigen, Vorgaben leichter einzuhalten und
beitgeber sind übrigens seit einigen Jahren auch durch neue
bessere Ergebnisse zu liefern.
Auflagen des Arbeitsschutzgesetzes dazu verpflichtet, Sorge für die Vermeidung psychischer Gefährdung am Arbeits-
Solche Maßnahmen lassen sich indirekt durch eingesparte
platz zu tragen. Dies ist nicht nur aus individueller Perspe-
Krankheitskosten refinanzieren. D. h., durch die Einführung
ktive wünschenswert; psychische Erkrankungen dauern in
effektiver BGM-Maßnahmen, die den Krankenstand senken,
der Regel erheblich länger als körperliche und werden da-
können personelle und finanzielle Ressourcen freigemacht
durch zu einem wichtigen Kostenfaktor für Unternehmen.
werden, welche die anstehenden Umstrukturierungen mit-
Hier setzt die klassische Gesundheitsförderung an. Ernährung,
finanzieren, die dann wiederum Geld einsparen usw. BGM
Bewegung, Stressreduktion und Suchtprävention werden so-
lohnt sich also und ist eine Investition in die Zukunft.
BGM hat einen return of investment von 1:4. Besser als in die Gesundheit der Mitarbeiter kann man also nicht investieren.
“Es ist nicht Stress an sich, sondern Dauerstress, der unserem Organismus schadet.�
G ES U N DE INHINTE EIT. RV IE W
04
“Die Diagnose Burnout ist für die meisten Menschen traumatisierend. Aus Sicht der Herzratenvariabilität stellt sich der Sachverhalt oft völlig anders dar. “
Leben 4.0 _ Frau Klink, Sie haben ein Buch geschrieben, das
mus. Und die sind überlebenswichtig. Stress ist im Grunde
“Denken gefährdet Ihre Gesundheit” heißt. Ein provokanter
nichts anderes als eine etwas abgeschwächte ‘Kampf-oder-
Titel – ist Denken denn tatsächlich so schädlich wie Rauchen?
Flucht-Reaktion’, die uns hilft, Bedrohungen zu überste-
Katrin Klink _ Natürlich ist der Titel provokativ, aber ist das
hen. Dieser Mechanismus ist äußerst effektiv; das Pro-
nicht das, was zum Umdenken anregt? Und genau darum geht
blem ist nur, dass er auf kurzzeitige Reaktionen ausgelegt
es in meinem Buch. Eines der Kapitel heißt übrigens “Denken
ist. Es ist nicht Stress an sich, sondern Dauerstress, der un-
ist das neue Vitamin C”. Es geht um das Wie.
serem Organismus schadet. Und ja, den halten die meisten
Leben 4.0 _ Ihr Buch handelt grundsätzlich von Stress. Warum
Menschen heute für normal, unser Organismus aber nicht.
ist das so wichtig?
Leben 4.0 _ Trotzdem scheint es kaum glaublich, dass Stress
Katrin Klink _ Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat
für zwei Drittel aller Krankheiten verantwortlich sein soll.
Stress als “die Gesundheitsgefahr des 21. Jahrhunderts”
Katrin Klink _ Der Mechanismus ist sehr einfach. Solange wir
bezeichnet” Sie führt 70% aller Erkrankungen ursächlich auf
im stressbedingten “Notfallmodus” sind, werden sozusagen
Stress zurück, andere Wissenschaftler sprechen von bis zu
biologische Weichen gestellt. Um Ressourcen einzusparen,
95%. Da Zahlen abstrakt klingen, lassen Sie es mich anders
werden z. B. das Verdauungs- und Immunsystem herunter-
formulieren: 7 von 10 Menschen, die krank werden, erkranken
gefahren. Und es finden so gut wie keine Renerations- und
aufgrund von Stress. Aus ökonomischer Sicht kann man das
Heilungsprozesse mehr im Körper statt.
noch weiter herunterbrechen: 7 von 10 Ausfalltagen in Un-
Leben 4.0 _ Das klingt so, als könne das nicht lange gut gehen.
ternehmen sind stressbedingt. Vor diesem Hintergrund klingt
Und was kann man dagegen tun, wenn es im Job oder zuhause
Stressreduktion nach einer ziemlich sinnvollen Sache, oder?
eben doch Belastungen gibt?
Leben 4.0 _ Ist Stress heutzutage nicht ziemlich normal gewor-
Katrin Klink _ Genau das trainieren wir, auch im Rahmen
den, lässt sich Stress denn überhaupt vermeiden?
von Betrieblichem Gesundheitsmanagement. Ich habe ein
Katrin Klink _ Stress ist ursprünglich eine äußerst sinnvo-
Konzept entwickelt, die “Gesundheits-Challenge”, bei der es
lle Angelegenheit. Wenn wir von ‘Stress’ sprechen, mei-
darum geht, um wie viele Jahre man sein biologisches Alter,
nen wir eigentlich die Stressreaktionen unseres Organis-
einen Faktor, anhand dessen sich Gesundheit gut darstellen
“Ein Bild sagt mehr als 1000 Worte - unsere HRV-Scans machen sozusagen das Unsichtbare sichbar - und konkret.”
lässt, innerhalb von zehn Tagen verringern kann. Wir sprechen
vorsätzen, die meist nach wenigen Tagen vergessen sind.
hier von Verbesserungen, die teilweise von 1% auf 100%, ge-
Leben 4.0 _ Es geht also auch hier um einen ganzheit-
hen, z. B. im Meridianbereich.
lichen und systemischen Ansatz?
Leben 4.0 _ Man braucht tatsächlich nur zehn Tage, um
Katrin Klink _ Ja, darum sollte es bei BGM grundsätzlich im-
jünger und gesünder zu werden?
mer gehen. Schon unser “Gesundheits-Challenge”-Konzept
Katrin Klink _ Genau genommen brauchen wir ca. 10 Minu-
umfasst weit mehr als ein Stressreduktionstraining. Wir ha-
ten, bei 10 Tagen geht es schon um Nachhaltigkeit. Wir
ben insgesamt ca. 1 Stunde pro Mitarbeiter, es findet also
verwenden eine wissenschaftliche Messmethode, die Her-
eine ausführliche Auswertung und Beratung statt, nicht nur
zratenvariabilitätsmessung oder HRV. Daraus lassen sich ver-
eine Messung. Die Mitarbeiter erhalten einen individuellen
schiedene Auswertungsparameter wie z. B. einen Gesamtge-
“Stress- und Präventionsreport”, der noch einmal die Zu-
sundheitsstatus, eine Meridiandiagnostik etc. ermitteln. Der
sammenhänge zwischen Stress und Gesundheit aufzeigt.
entscheidende Punkt ist, dass wir unseren Klienten einen
Zusätzlich erstellen wir aus den Daten eine Art Risikoprofil,
Vorher-Nachher-Effekt demonstrieren können: Zuerst den
bei dem wir 85 Risikopunkte auswerten. Dabei haben wir
Istzustand, der meist stark stressbelastet ist. Und nach einer
auch Parameter, die auf eine Früherkennung von Burnout-
effektiven Stressreduktionsübung die Möglichkeiten, die der
Gefahr hinweisen, sowie auf psychische Gesundheitsge-
Organismus hätte, wenn man Stress dauerhaft reduzieren
fährdung. Für die Unternehmen unterscheiden wir dann vier
oder ganz allgemein mehr für seine Gesundheit tun würde.
verschiedene Risikogruppen; bereits im Vorfeld wird geklärt,
Das erleben viele Menschen als Aha-Effekt und sehen anhand
dass für die Risiko- und Hochrisikogruppe Sorge getragen
unserer Daten, wie viel sie selbst für ihre Gesundheit tun kön-
wird. Natürlich erhalten die Unternehmen keine individu-
nen. In meinem Buch nenne ich das: “aus der Notfall- in die
ellen Daten, das ist vertraglich festgelegt. Aber eine Risiko-
Heilungszone gelangen”. Vor allem bei Burnout-Diagnosen
analyse, die als Planungsgrundlage – oder als Vergleichs-
sind so in der Praxis gewaltige Unterschiede zu erreichen.
wert für spätere Verlaufskontrollen dienen kann.
Leben 4.0 _ Und wie sieht das später im Alltag aus? Sie sprachen
Leben 4.0 _ D. h., Sie liefern eine Evaluierung gleich mit?
gerade von Nachhaltigkeit, das ist ja wohl ein wichtiger Aspekt.
Katrin Klink _ Genau. Denn die zeigt dem Unternehmer,
Katrin Klink _ Ja, mit einem einmaligen Anti-Stresstraining
ob bzw. dass er richtig investiert hat. Mit unserem Vorher-
ist es natürlich nicht getan, aber es ist ein äußerst effektiver
Nachher-Scan haben wir einen unmittelbaren, messbaren Er-
Anfang. Im Idealfall arbeiten wir hier bereits mit anderen Coa-
folg – wissenschaftlich nachweisbare gesundheitliche Verbes-
chs zusammen, die unser 10-Tage-Programm z. B. mit Bewe-
serungen – innerhalb der ersten 1o Minuten der Maßnahme.
gungstraining oder einem Workshop für gesunde Ernährung
Leben 4.0 _ Und Sie arbeiten mit anderen Coaches für einen
ergänzen. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass das Interes-
systemischen Ansatz zusammen?
se der Mitarbeiter daran viel größer ist, wenn sie vorher mit
Katrin Klink _ Ja. Wir liefern einen wichtigen Einstieg in eine
unseren Scans gesehen haben, wie viel sie selbst zu ihrer Ge-
nachhaltige Gesundheitsförderung. Idealerweise werden paral-
sundheit beitragen können – und dass es sich lohnt, etwas da-
lel dazu mit anderen Coachs Arbeitsorganisation, Prozess-
für zu tun. Ohne diese Erfahrung ist es oft wie mit Neujahrs-
abläufe und Führungsstil optimiert: das ganze BGM-Paket.
“Wir liefern wissenschaftlich messbare gesundheitliche Verbesserungen innerhalb von 10 Minuten. Was wir aber im Grunde zeigen, ist Selbstwirksamkeit: Ich mache etwas, und es bewirkt etwas Positives in meinem Leben. Das geht weit über Gesundheit hinaus.”
STANDORTBESTIMMUNG Eine Checkliste f체r Ihr Unternehmen.
W채hrend 98% seiner Reise kann ein Kapit채n sein Ziel nicht sehen. Um es trotzdem zu erreichen, muss er sehr genau wissen, wohin er steuert. Ist Ihr Unternehmen bereit f체r die Reise in eine erfolgreiche Zukunft?
05
05
DIE CHECKLISTE
Wer nicht weiĂ&#x;, wo er steht, kann auch nicht planen.
Wie wir hoffentlich gezeigt haben, ist BGM ein komplexes Thema. Die nachfolgenden Fragen können keine individuelle Beratung ersetzen, sind aber auf alle Fälle ein Anfang.
WO STEHT IHR UNTERNEHMEN? 1. Wir haben bereits BGM in unser Unternehmen bzw. Leitbild integriert. 2. BGM ist bei uns Chefsache/ im BGM-Kreis sitzen Entscheider. 3. Wir haben im Rahmen von BGM-Maßnahmen Kooperationen mit Krankenkassen/ Berufsgenossenschaften/ Beratungsfirmen/ Coaches/ Unternehmerarbeitskreisen. 4. Wir halten die gesetzlichen Bestimmungen z. B. für Arbeitsschutz, psychische Gesundheitsgefährdung, Dokumentation etc. ein. 5. Wir erheben in mindestens jährlichem Abstand Kennzahlen, z. B. zu Krankheitstagen, Unfall- und Krankheitshäufigkeit und Unterschieden in einzelnen Abteilungen. 6. Wir haben eine Übersicht und Verantwortliche für bereits vorhandene gesundheitsfördernde Strukturen, Prozesse und Maßnahmen. 7. Wir evaluieren gesundheitsfördernde und strukturelle Maßnahmen und entwickeln daraus die Planungsziele für das nächste Jahr/ den nächsten Schritt. 8. Wir haben ein konkretes Budget für BGM und passen dieses bei Bedarf an. 9. Wir treffen Maßnahmen zur Erfassung der Mitarbeiterzufriedenheit. 10. Wir haben eine geringe Fluktuationsquote bei unseren Mitarbeitern. 11. Der demografische Wandel wird aufgrund unserer Mitarbeiterstruktur in den kommenden Jahren kein Problem sein. 12. Wir führen regelmäßig Maßnahmen zur Gesundheitsförderung unserer Mitarbeiter durch und evaluieren sie. 13. Wir verfügen über eine Infrastruktur (Newsletter, Intranet, schwarzes Brett etc.) um unsere Mitarbeiter auf Veranstaltungen zur Gesundheitsförderung aufmerksam machen zu können. 14. Wir engagieren uns im Bereich ‘Employer Branding’, d. h., wir arbeiten daran, als guter Arbeitgeber wahrgenommen zu werden, um qualifizierte Mitarbeiter zu finden und zu binden. 15. Wir kennen die Herausforderungen, welche die Digitalisierung für unsere Branche/ unser Unternehmen mit sich bringen wird. 16. Wir sind aktiv dabei, Innovationskraft und Veränderungen in unserem Unternehmen zu fördern und zu nutzen.
Veränderung ist unausweichlich. Die Frage ist nur, wie wir sie gestalten.
IMPRESSUM Herausgeber: Xara Business Solutions GmbH
LEBEN 4.0
Industrie 4.0 und die Zukunft der Arbeit
all rights reserved I www.xara-solutions.com
Fotos: Herzlichen Dank an: Yolanda Sun, Andrew Neel, Florian Klauer, Andrew Welch, Alex Knight, Jason Blackeye, Sandis Helvigs, Jeremy Beadle, Jjnm-Jon Flobrant, Helloquence, Tim Marshall / unsplash
FĂźr Fragen und weitere Informationen wenden Sie sich bitte an die Person, die Ihnen dieses Magazin gegeben hat.