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Das Zusammenspiel von Architektur und Pädagogik in einer Schule der Zukunft

Das Zusammenspiel von Architektur und Pädagogik in einer Schule der Zukunft Oder: Die Sprachlosigkeit beenden

Das Zusammenwirken von Pädagogik und Architektur ist ein Thema der Schulentwicklung – und zwar nicht formal, sondern inhaltlichdidaktisch. Die Lehr- und Lernformen verändern sich – welche Konsequenzen hat das für Raum und Materialität? Welche räumlichen Möglichkeiten soll eine Schule der Zukunft bereithalten?

Von Ulrich Kirchgässner

Im Rahmen von Schulbauprozessen ist es (inzwischen) mehr oder weniger etabliert, dass die Lehrer*innen und manchmal auch die Schüler*innen nach ihren Interessen und Wünschen befragt werden: Welche Möblierung soll es sein? Wie wird gelernt? Wie sollen die Gebäude und Räumlichkeiten farblich gestaltet sein? Welche Ausstattung wird gebraucht?

Dass Pädagogik und Architektur zusammenwirken sollen, ist nicht neu – die Metapher «Der Raum als Pädagoge» wurde von Loris Malaguzzi (1920–1994) im Rahmen der Reggio-Pädagogik formuliert und wird inzwischen gerne stellvertretend für alle Zusammenhänge zwischen Lernen und Raum verwendet.

Warum herrscht eine Art Sprachlosigkeit?

Trotz dieser inzwischen populären Ansage und trotz der zunehmenden «Normalität», die Vorstellungen der tatsächlichen Nutzer*innen in Schulbauprozesse einzubeziehen, ist auf der anderen Seite eine Art Sprachlosigkeit der pädagogischen Akteure feststellbar ist, wenn es darum geht, räumliche Implikationen des eigenen Lehr- und Unterrichtshandelns zu entwickeln und in Schulbauprozesse einzubringen.

Dafür gibt es unterschiedliche Erklärungen: Das berufliche Selbstverständnis von Architekturschaffenden und Lehrerpersonen ist unterschiedlich: Während Architekturstudierende schon mit Beginn des Studiums vermittelt bekommen, die Welt zu gestalten, dies nach aussen zu kommunizieren und «zu verkaufen», geht es für Lehrpersonen zunächst darum, in einem vorgegebenen Rahmen Lernprozesse bei Schüler*innen zu ermöglichen.

Schulbauprozesse sind vielschichtig und langwierig: Für Pädagog*innen ist dies ein «fremdes» Feld. Die eigene pädagogische Expertise ist zunächst wenig hilfreich, um sich in die entsprechenden Planungs- und Bauprozesse wirksam einzuschalten. Sich in diesem «fremden» Terrain zu bewegen, ist herausfordernd und zeitraubend.

Auch wenn das eigene pädagogische Handeln im Klassenzimmer bewusst und reflektiert ist, werden entsprechende räumliche Implikationen wenig mitgedacht oder in Erwägung gezogen. Meist bleibt es bei Wünschen für genügend Stauraum oder bestimmte Möblierungen. Weitergehende pädagogische Anforderungen an die Schul- und Lernraumgestaltung erfordern erstens ein gemeinsames «Ringen» um pädagogische Vorstellungen (mit Kolleg*innen) und müssen zweitens zu einem frühen Zeitpunkt in Bauprozesse eingebracht werden (in der von den Montag-Stiftungen so benannten Phase Null). So lange keine Alternativen bekannt sind, bleiben weiterführende Visionen und Vorstellungen eingeschränkt.

Mehr Gewicht verleihen

Um dem Zusammenhang von Lehren, Lernen und Raum trotz der genannten Punkte mehr Gewicht zu verleihen, ist dieses Thema in der Lehre der Professur für Unterrichtsentwicklung und Unterrichtsforschung am Institut Primarstufe zu einem festen Bestandteil geworden. Schon während des Studiums haben zukünftige Lehrpersonen so die Möglichkeit, – den Zusammenhang von Lernen und Raum mitzudenken; räumliche Überlegungen und Visionen im

Hinblick einer Schule der Zukunft zu entwickeln, die offene Formen des Lehrens und Lernens ermöglichen; – bei Exkursionen Schulen kennenzulernen, die bezüglich Lernraumgestaltung und Raumnutzung neue

Wege beschreiten;

«Zukünftige Lehrpersonen werden darauf vorbereitet, das Thema Schul- und Lernraumentwicklung selbstbewusst und kompetent zu verfolgen.»

– in Auseinandersetzung mit Architekturschaffenden pädagogische Vorstellungen zu erklären und zu

«verteidigen», so dass sie in Entwürfen konkretisiert und visualisiert werden; auf diese Weise lernen die

Studierenden, in pädagogisch-räumlichen Zusammenhängen zu argumentieren; – und nicht zuletzt eine Gestaltungskompetenz zu entwickeln, (auch) bei bestehenden Schulräumen gestaltend zu wirken und in der eigenen Schule die

Möglichkeiten, möglichst mit den Schüler*innen, auszureizen.

Auf diese Weise werden zukünftige Lehrpersonen darauf vorbereitet, das Thema Schul- und Lernraumentwicklung selbstbewusst und kompetent zu verfolgen. Statt solche Gestaltungsmöglichkeiten sprachlos an sich vorbeiziehen zu lassen, werden sie ermutigt, sich im (interdisziplinären) Dialog auf gemeinsame Lern- und Entwicklungsprozesse einzulassen. Der Aufwand lohnt sich für das Ziel, die «Schule der Zukunft» räumlich zu entwickeln.

ULRICH KIRCHGÄSSNER ist Dozent an der Professur für Unterrichtsentwicklung und Unterrichtsforschung am Institut Primarstufe der PH FHNW.

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