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Studierende lehren Jugendliche, selbstständig zu lernen

Studierende lehren Jugendliche, selbstständig zu lernen

Individuelle Lernbegleitung gehört neu zur Ausbildung von Lehrerinnen und Lehrern auf Sekundarstufe II. Drei Studierende berichten von ihren Erfahrungen am Gymnasium Kirschgarten Basel, wo sie Jugendliche mit Lern- oder Motivationsschwierigkeiten beraten.

Von Thomas Röthlin

Das Basler Gymnasium Kirschgarten betreibt ein Förderzentrum, das neben Nachhilfe eine fachunabhängige Lernberatung für die ersten Klassen anbietet. Den Schülerinnen und Schülern gegenüber sitzen nicht etwa Lehrpersonen, sondern Studierende der Sek-II-Lehrerinnen- und -Lehrerausbildung. Das Gymnasium Kirschgarten ist eine Partnerschule der Pädagogischen Hochschule FHNW und in ein Projekt eingebunden, das individuelle Lernbegleitung in das Sek-II-Studium integriert (siehe Box). «Eine Umfrage bei den Studierenden zeigte, dass neben den Schülerinnen und Schülern auch sie vom Austausch profitieren», sagt Projektleiterin Franziska Bühlmann. Wir haben bei drei Studierenden nachgefragt, wie sie die Lernberatung erleben und was ihnen diese fürs Studium bringt.

Gemeinsam wöchentliche Lernpläne entwickelt Kyra Holzwarth (31) hat sich eines Jugendlichen angenommen, dem der Wechsel von der Volks- in die Mittelschule zu schaffen machte. Selbstständig mit dem vielen Stoff umzugehen – «für uns eine Selbstverständlichkeit», so Holzwarth –, sei für ihn nicht einfach gewesen. Auch habe er wegen schlechter Noten den Kopf hängen gelassen. Also habe sie mit ihm wöchentliche Lernpläne entwickelt und ihn dazu motiviert, aus den Fehlern zu lernen. Mit dem Effekt, dass der Schüler seine Pläne mit der Zeit ganz von sich aus machte und Freude am Lernen bekam. «Dieser Fortschritt hat mein Lehrerinnenherz höherschlagen lassen, und ich unterrichte jetzt vielfältiger und individueller», resümiert Holzwarth.

Die Heterogenität innerhalb einer Klasse besser wahrzunehmen, ist ein Ziel des Projekts, ein anderes, die Schülerinnen und Schüler zur eigenen Lösungsfindung anzuregen. Dies hat sich Sebastian Tränkner (27) zu Herzen genommen. «Der Schüler, den ich und mein Kollege beraten haben, hat uns regelrecht ausgequetscht. Er wollte genau wissen, wie wir damals gelernt hatten», berichtet der angehende Sport- und Biologielehrer. «Wir gaben ihm zu verstehen, dass es verschiedene Lerntypen gibt und unsere Methoden für ihn vielleicht nicht geeignet sind.» Tränkner unterrichtet derzeit auf der Sek-I-Stufe und sagt, er lasse die verschiedenen Lernmethoden seit der Lernberatung vermehrt in seinen Unterricht einfliessen – ohne sie explizit zu thematisieren: «Es reicht, sie zu erfahren.»

Technik bietet neue Chancen In der erwähnten Umfrage stellte sich laut Franziska Bühlmann fehlende Motivation als wichtiges Lernberatungsthema heraus. Wie unterstützt man also Jugendliche, die Motivationsschwierigkeiten haben? Wie jemanden, der Pilot oder Ingenieur werden will und ausgerechnet in Mathematik Probleme hat? Florian Zellweger (25) versuchte, an Erfolgserlebnisse und -strategien «seines» Jugendlichen anzuknüpfen: «Der Schüler hat beispielsweise gern und gut in Gruppen gelernt. Ich habe ihn darin bestärkt, diese Strategie öfters anzuwenden.» Zudem gab Zellweger ihm zu verstehen, dass eine misslungene Prüfung kein Weltuntergang sei, aber auch, dass er seinen Lernprozess besser strukturieren könnte: die Hausaufgaben nicht zu lange aufschieben und auf keinen Fall unvorbereitet in die Nachhilfe gehen.

Allen drei Studierenden ist während der Lernberatung ein Licht aufgegangen: Selbstständig zu lernen, muss man lernen, es ist kein angeborenes Talent. Und es gibt unterschiedlichste Lerntypen, -strategien und -formen: Zusammenfassungen schreiben, optisch lernen mit Visualisierungen wie Mindmaps, auditiv lernen, indem man Vokabeln mit dem Handy aufnimmt und viele andere

Die angehenden Sek-II-Lehrpersonen engagierten sich in der Lernberatung und lernten dabei selbst viel fürs spätere Berufsleben: Kyra Holzwarth, Sebastian Tränkner und Florian Zellweger (v.l). Foto: Alex Spichale.

mehr. Überhaupt bietet die Technik neue Chancen, die passende Lernform zu finden. Wieso nicht eine App wie Kahoot oder Quizlet ausprobieren, wenn das Smartphone für die Digital Natives ohnehin zum Alltag gehört? Denn «die Digitalisierung ist nicht nur eine Erleichterung, sondern auch ein Treiber des selbstorganisierten Lernens», wie Franziska Bühlmann sagt. Thomas Röthlin ist freier Autor

DAS PROJEKT «APACH» – EIN BEITRAG ZUR CHANCENGERECHTIGKEIT «APACh» steht für Ausbildungspartnerschaft für Chancengerechtigkeit. Die Partnerschaft bezieht sich auf die Zusammenarbeit der PH FHNW mit Gymnasien in der individuellen Lernbegleitung. «Die Chancengerechtigkeit soll insofern verbessert werden, als bildungsferne Schichten erwiesenermassen einen erschwerten Zugang zu Lernstrategien haben», erklärt Franziska Bühlmann, Dozentin für Professionsentwicklung. Sie leitete das dreijährige Projekt (2017–2019), das von der Stiftung Mercator Schweiz gefördert wurde. Die individuelle Lernbegleitung ist heute Bestandteil der Ausbildung zur Sek-II-Lehrperson. Künftige Gymnasial- und Berufsschullehrpersonen sollen das individuelle Lernverhalten ihrer Schülerinnen und Schüler besser erkennen und dessen Optimierung unterstützen können – dies nicht im Sinn von fachlicher Nachhilfe ausserhalb der Schulstunde, sondern als fachunabhängige Lernberatung integriert in den regulären Unterricht. Ein Folgeprojekt mit dem Fokus auf Lernstrategien ist in Planung.

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