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Auch Lernen will gelernt sein von Marc Fischer

Auch Lernen will gelernt sein

Selbstreguliertes Lernen ist ein wichtiger Erfolgsfaktor für Schule und Beruf. Ein OnlineDiagnosetool hilft Schüler*innen ihre Fähigkeiten in diesem Bereich einzuschätzen und gezielt zu trainieren.

Von Marc Fischer

Lerne ich zuerst für den wichtigen Mathetest nächste Woche oder mache ich als Erstes die Englisch-Hausaufgaben? Löse ich zuerst zeitaufwändige schwierige Aufgaben oder einfachere, die mir schnell von der Hand gehen? Wie ist mein Arbeitsplatz idealerweise eingerichtet, damit er mein Lernen unterstützt? Und wie schaffe ich es, dass ich mich nicht von der neusten Staffel meiner Lieblingsserie vom Lernen abgehalten werde? Antworten und Strategien zu Fragen wie diesen fallen unter den Oberbegriff «Selbstreguliertes Lernen». «Kurz gesagt ist selbstreguliertes Lernen die Fähigkeit, das eigene Lernen durch den Einsatz von Strategien zielgerichtet zu planen, zu überwachen und zu regulieren», sagt Yves Karlen, Leiter der Professur für pädagogisch-psychologische Lehr- und Lernforschung am Institut Sekundarstufe I und II der PH FHNW. Für den Lernerfolg in der Schule, aber auch später im Beruf oder im Studium sei es wichtig, dass die Schüler*innen einerseits über ein breites Strategierepertoire verfügen und andererseits verschiedene Strategien clever miteinander kombinieren, um die gewünschten (Lern-)Ziele zu erreichen, so Karlen weiter. Die Schüler*innen haben jedoch teilweise Mühe bei der Selbstregulation des Lernens. Ebenso wie andere Fähigkeiten und Kompetenzen muss das selbstregulierte Lernen deshalb gelernt und geübt werden. «Für eine effektive Weiterentwicklung und Förderung in der Schule ist es wichtig, dass den Lehrpersonen die individuellen Voraussetzungen der Schüler*innen beim selbstregulierten Lernen bekannt sind.» Um diese Voraussetzungen der Schüler*innen einfacher zu bestimmen, ist ein Team unter der Leitung von Yves Karlen und PH FHNW-Dozentin Kerstin Bäuerlein im Rahmen des Projekts «CoKoS – Computerunterstützte Kompetenzdiagnostik im selbstregulierten Lernen» daran, das Online-Diagnosetool «CleveR» (www. cleverselbstreguliertlernen.ch) zu entwickeln. Dies nicht zuletzt vor dem Hintergrund, dass seit der Einführung des Lehrplans 21 die Diagnose und die Förderung von Kompetenzen im Bereich selbstreguliertes Lernen verbindlich ist.

Schüler*innen schätzen sich selbst ein

Entstanden ist so ein Online-Diagnosetool, bei dem Schüler*innen ein eigenes Login erhalten und dann verschiedene Aufgaben zu ihrem eigenen Lernen lösen können. Diese sind in acht Themen wie Zeitplanung, Motivation, Gestaltung des Arbeitsplatzes oder Nachdenken beim Lernen gruppiert. Die Aufgaben sind so gestaltet, dass die Schüler*innen sich zunächst selbst einschätzen und dann Aufgaben lösen, indem sie beispielsweise Antwortmöglichkeiten ordnen. «Anschliessend erhalten sie direkt eine Einschätzung des Online-Diagnosetools. Es

«Ziel des Projektes ist es, im engen Austausch mit der Praxis ein Online-Diagnosetool mit Feedbackfunktion zu entwickeln, zu erproben und zu validieren.»

Yves Karlen

Wann ist ein Arbeitsplatz ideal eingerichtet, um zu lernen? Auch diese Frage gehört zum selbstregulierten Lernen. Foto: Pixabay

vergleicht die Selbsteinschätzung mit den Antworten und gibt den Schüler*innen ein Feedback, ob sie ihre Fähigkeiten über- oder unterschätzen», erklärt Yves Karlen. Zudem gibt das Online-Tool auch Tipps, wie die Schüler*innen ihre Fähigkeiten und Strategien weiter verbessern können.

Enger Austausch mit den Schulen

«Das Ziel des Projektes war und ist es, im engen Austausch mit der Praxis ein Online-Diagnosetool mit Feedbackfunktion zu entwickeln, zu erproben und zu validieren», fasst Yves Karlen zusammen. «Neben der inhaltlichen und wissenschaftlichen Überprüfung werden insbesondere die Praktikabilität des Tools sowie der Nutzen für die Schüler*innen und die Lehrpersonen untersucht und Massnahmen für eine Weiterentwicklung des Tools abgeleitet.»

Gestartet ist das von der Robert Bosch Stiftung unterstützte Projekt Mitte 2020. An der Erprobung und Weiterentwicklung des Online-Diagnosetools nehmen mehrere Schulen des Bildungsraums Nordwestschweiz und aus weiteren Kantonen sowie aus Deutschland teil. Die Lehrpersonen und Schüler*innen haben bereits zwei Befragungen ausgefüllt. Die dritte und letzte Befragung erfolgt anfangs 2023. Zurzeit werden weitere Materialen für die Schüler*innen und Lehrpersonen entwickelt. Zudem überarbeitet das Team auf der Grundlage der erhaltenen Rückmeldungen das Online-Diagnosetool. 2023 erscheint eine überarbeitete und optimierte Version.

Eine der Schulen, die am Entwicklungsprozess beteiligt ist, ist die Sekundarschule Müllheim (TG), eine Schule die bereits Lernlandschaften eingerichtet hat und in der die Lehrpersonen regelmässig Coaching- und Reflexionsgespräche mit den Schüler*innen durchführen. In dieses Setting passe das Online-Diagnosetool, so Schulleiter Walter Strasser. Den Entwicklungsprozess hat er bislang positiv erlebt: «Die Projektverantwortlichen hören zu und nehmen das Feedback der Schulen ernst.» In Müllheim habe sich etwa gezeigt, dass es nicht praktikabel sei, dass die Schüler*innen alle acht Themenblöcke gleichzeitig ausfüllen. Mittlerweile ermöglicht das Tool die Themen einzeln zu bearbeiten. «So ist das Tool nützlich und eine Bereicherung der regelmässigen Coaching-Gespräche», so Walter Strasser. «Diese können nun noch zielgerichteter stattfinden.

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