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Kolumne von Dominik Muheim
Katzen-Pfeffer
Dominik Muheim schreibt über Skills seines Grossvaters – und denkt dabei über «Future Skills» nach.
Von Dominik Muheim
«Weisst du, Dominik», hat mein Grossvater zu mir gesagt, als ich mit zarten neun Jahren im Garten einem Büsi über den Kopf gestreichelt habe, «wir hatten früher auch Katzen. Aber nicht zum Streicheln, sondern zum Fressen.» Dann hat er sich im Gartenstuhl zurückgelehnt, die Beine überschlagen, das Bierfläschli geöffnet und von seiner Kindheit erzählt. Und Büsi und Bub, unschuldig wie wir waren, sassen im frischgemähten Gras und haben mit grossen Ohren und Augen gelauscht, wie es damals war, als die Verhältnisse so schlecht waren und das Essen so knapp wurde, dass sich mein Grossvater (selber noch als Schul-Bub) ganz unvorstellbare Skills aneignen musste: Streunende Katzen zu jagen, auszunehmen und zu kochen, war einer davon. Klingt makaber, ist aber wahr. Genau so wahr, wie die Veränderungen, denen wir nonstop ausgesetzt sind. Und ich bin sehr froh, dass sich Dinge ändern und ich mir nie Katzen-Kill-Skills aneignen musste. Mein Grossvater, der diese Geschichte heute noch erzählt, hat das Rezept «Katzen-Pfeffer» zur Sicherheit trotzdem digitalisiert. «Wer weiss», meinte er bedeutungsschwanger, als er mir den Speicherstick überreichte.
Seit seiner Kindheit ist vieles besser geworden. Schade nur, dass auch einiges schlechter wurde. Schade, dass sich dies nur schlecht ignorieren lässt. Push-Nachrichten werden auf den Smartphone-Bildschirm geböllert, Schreckensnachrichten überdecken das bunte Blumenfeld, das wir uns als Hintergrundbild eingerichtet haben. Nicht so bei meinem Grossvater. Schon als das erste Nokia auf den Markt kam, hat er verkündet: «Handy? Ha! Da mach ich nicht mehr mit.»
Auch ich ertappe mich hin und wieder bei ähnlichen Gedanken. Warum soll ich mir noch neue «Skills» aneignen? Warum nicht einfach Zukunftsverweigerer und zynischer Pessimist werden? Ist doch viel angenehmer! Besonders in der Schweiz, dem «Disneyland Europas», wie eine Oberstufen-Schülerin unser Land mal nannte. Sie war Teilnehmerin einer meiner Schreib-Workshops. Metapher-geladen beschrieb sie, wie sie sich gerne in ein farbiges Gummi-Böötli setzen möchte: Sich einfach den Strom runtertreiben lassen mit Eistee, Sonnenbrille und Boombox und dabei sämtliche Wasserfälle ignorieren, die das Böötli früher oder später in die Tiefe reissen könnten. Schön oder? Zynischer Pessimismus macht Spass! Aber bringt er mich nachhaltig weiter?
Was mich manchmal weiterbringt, sind Poetry-Slam-Workshops, wie ebenjener, indem dieser Text entstanden ist. Die Texte der Jugendlichen haben sich in letzter Zeit verändert. Sie sind kritischer, politischer und wütender geworden. Das Feuerwerk an Ideen und Energie, das aus gewissen Texten zischt, inspiriert mich gröber. Und vielleicht sind es solche «Future Skills», die wir brauchen: Kreativität, Handeln auf Eigeninitiative, Lösungen suchen.
Gut, diese Skills brauchte mein Grossvater auch schon bei der Katzen-Jagd. Trotzdem sagt er mittlerweile: «Ha! Da mach ich nicht mehr mit.» Aber mein Grossvater ist 92, er hat seine Kämpfe ausgetragen. Leider gibt es weit Jüngere, die stur Ähnliches von sich geben und sich mit verschränkten Armen und finsterer Miene im farbigen Böötli treiben lassen.
Doch wer auf diese Art und Weise nicht mehr mitmacht, ärgert sich irgendwann nur noch. Und was ist schon alter Ärger im Gegensatz zu junger Wut?
$plkm21§. Ui. Gerade ist mir mein Büsi auf die Tastatur gehüpft. Es hat Hunger. Ich auch. Keine Angst: Das «Katzen-Pfeffer-Rezept» bleibt, wo es ist.
DOMINIK MUHEIM ist Spoken-Word- und Slam- Poet und Kabarettist. Zudem leitet der an der PH FHNW ausgebildete Primarlehrer Schreib-Workshops und organisiert Kulturveranstaltungen.
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