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Unterstützung für Lehrper sonen und Familien
Unterstützung für Lehrpersonen und Familien
Das Projekt FOSSA beschäftigt sich mit der Selbstregulation bei Kindern mit herausforderndem Verhalten im Kindergarten- und Primarstufenalter. Die Familien der Kinder werden mit einem Familienprogramm unterstützt und die Lehrpersonen erhalten eine Weiterbildung sowie ein Coaching mit dem Ziel, die Kinder im Unterricht besser unterstützen und fördern zu können.
Von Marc Fischer
Aggressives Verhalten, ständiges Dazwischenreden im Unterricht, Hyperaktivität, Konflikte mit Klassenkamerad*innen, Sachbeschädigungen: All diese Verhaltensweisen werden unter Verhaltensschwierigkeiten zusammengefasst – und stören den Unterricht. Verhaltensschwierigkeiten haben vielfältige Ursachen und können einerseits aufgrund von Merkmalen des Kindes und dessen familiärer Situation entstehen. Andererseits können auch ungünstige Unterrichtsmerkmale wie etwa die Klassenzusammensetzung, die Klassendynamik oder die Klassenführung ursächlich sein. Auch ein Zusammenhang mit einer klinischen Diagnose (zum Beispiel ADHS) ist möglich.
Die Folgen solcher Verhaltensschwierigkeiten können langfristig sein. «Studien zeigen, dass Kinder mit Verhaltensschwierigkeiten aus belasteten Familien im Schweizer Bildungssystem benachteiligt sind. Sie erbringen schlechtere Leistungen und weisen ungünstigere Bildungsverläufe auf», sagt Markus Neuenschwander, Leiter des Zentrums Lernen und Sozialisation am Institut Forschung und Entwicklung der PH FHNW. Die betroffenen Kinder seien häufiger von Schulausschluss betroffen, hätten geringere Chancen auf eine Lehrstelle, ein höheres Arbeitslosigkeitsrisiko und ein erhöhtes psychosoziales Risiko (Suchtmittelkonsum, Delinquenz). «Insbesondere Kinder aus belasteten Familien zeigen häufiger Verhaltensschwierigkeiten im Unterricht», so Neuenschwander.
Kind, Schule und Familie werden miteinbezogen Gemeinsam mit seinem Team hat er den FOSSA-Ansatz entwickelt und erprobt. FOSSA steht dabei für Förderung der Selbstregulation in Schule und Familie. Der Ansatz kombiniere «nachweislich wirksame Methoden, um Kinder besser darin zu unterstützen, ihr Verhalten zu regulieren», erklärt Markus Neuenschwander. «Er ist wertvoll, weil er das Kind, die Klasse und die Eltern einbezieht.» Innovativ ist dabei die Kombination einer Weiterbildung für Lehrpersonen mit einem Familienprogramm. Kinder werden so nicht nur im Regelschulunterricht gefördert, sondern auch in der Familie. Konkret erhielten die Lehrpersonen im Rahmen der Studie in einer Weiterbildung gruppenweise konkrete Strategien zur Förderung des sozialemotionalen Lernens der Kinder und zur Reduktion von Verhaltensauffälligkeiten. Zudem wurden sie individuell bei der Umsetzung dieser Massnahmen in den eigenen Unterricht in einem Coaching begleitet. Die Eltern ihrerseits wurden je acht Mal von Familiencoaches in der Förderung ihrer Kinder beraten und angeleitet. Zudem wurden konkrete Übungen mit den Kindern zu
Hause zur Förderung des sozialemotionalen Lernens durchgeführt.
Mit der Kombination der zwei Teilbereiche Schule und Familie ist die Hoffnung verbunden, ungünstigen Entwicklungsverläufen von Kindern in belasteten Familien vorzubeugen und einschneidende disziplinarische Interventionen zu verhindern. «Die damit eingesparten Kosten rechtfertigen den Aufwand dieser präventiven Interventionen deutlich», ist Markus Neuenschwander überzeugt.
Bekannte Methoden, aber bewusstere Nutzung
Simone Haller und Karin Waldmeier unterrichteten gemeinsam eine erste Klasse in Hägendorf (SO), als sie von der FOSSA-Studie lasen. «Da die Beschreibung der Verhaltensschwierigkeiten gleich auf mehrere Kinder in unserer Klasse passte, haben wir uns gemeldet», so Simone Haller. In der Folge wählte das Projektteam basierend auf einem Fragebogen die Kinder aus, trat mit deren Eltern in Kontakt und organisierte die Familienbegleitung. Die beiden Lehrerinnen ihrerseits nahmen an mehreren Schulungen teil und wurden von Coaches begleitet. «Wir wussten dank der wissenschaftlichen Begleitung, dass alles Hand und Fuss hat und die vorgestellten Methoden aus Sicht der Wissenschaft funktionieren sollten, wenn man sie regelmässig anwendet», so Karin Waldmeier. Zudem hätten die praxisnahen Schulungen die teilweise bereits bekannten Methoden wie Wenn-Dann-Pläne, Methoden der positiven Beziehungsgestaltung oder Inputs für positives Feedback aufgefrischt, zusammengefasst und so bei der Umsetzung geholfen, ergänzt Simone Haller. «Wertvoll war auch, dass auch das bewusste Reflektieren des eigenen Handelns Teil der Studie war», so Haller weiter. «Dies kann in einem vollgepackten Schulalltag gerne einmal untergehen.»
Der FOSSA-Ansatz hat die Förderung der Selbstregulation in Schule und Familie im Blick. Symbolbild: Barbara Keller
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Markus Neuenschwander stellte im August den FOSSA-Ansatz an einer Tagung am Campus Brugg-Windisch vor. Foto: Marc Fischer
Im Laufe der Zeit – die Studie erstreckte sich auch über das ganze zweite Schuljahr der Hägendorfer Klasse – hätten sich positive Effekte bei den Schüler*innen bemerkbar gemacht, so die beiden Lehrerinnen. Und: Der Umgang zwischen Schüler*innen und Lehrerinnen sei bewusster geworden. Die zweite Schiene, die Familienbegleitung, sei weitgehend unabhängig durchgeführt worden. «Es kam aber teilweise ausserhalb des Projekts zu einem Austausch mit den Eltern», so Karin Waldmeier. «Aus meiner Sicht gäbe es hier noch zusätzliches Potenzial, Synergien zu nutzen, wenn dieser Austausch regelmässig stattfände.»
«Schule wird nicht losgelöst angeschaut»
Im Rückblick sind sich Simone Haller und Karin Waldmeier einig, dass sich die Teilnahme an der Studie gelohnt hat. «Mich hat vor allem überzeugt, dass die Schule nicht losgelöst vom Umfeld angeschaut wurde, sondern auch die Familie miteinbezogen wurde», so Waldmeier. Die angewandten Methoden werden die beiden auch künftig anwenden. «Unser Rucksack wurde weiter gefüllt», so Simone Haller. «Wir haben auch Rituale eingeführt, die wir auch bei künftigen Klassen beibehalten werden.»