Brennpunkt – #4.0
«Sprich mit mir,
ich bin ein Avatar» Lea Müller
S
uchtberatung im virtuellen Raum, Chip-Implantate im Jugendstrafvollzug und Blockchain zur Verteilung von Sozialleistungen? Im Berufsfeld Soziale Arbeit, das den Menschen und seine Rechte ins Zentrum stellt, weckt die digitale Transformation auch Ängste. Gefragt sind neue Kompetenzen in Verbindung mit den heutigen digitalen Möglichkeiten, sagt Dozent und Sozialinformatiker Stefan Ribler. Ein Avatar mit Sozialer Mission: Be reits heute schlüpfen einige Sozialar beitende ab und zu in ihr digitales Ich, um ihre Klientinnen und Klienten in virtuellen Räumen aufzusuchen und zu beraten. Da ist zum Beispiel der ga mesüchtige Jugendliche, der in seiner digitalen Realität deutlich mehr Zeit verbringt als in seinem «analogen» Le ben. Ihn zu erreichen, ist schwierig – ausser man kommuniziert mit ihm in seiner Lebenswelt, in seiner On line-Community. Dass Avatare – un sere digitalen Repräsentanten – wie in diesem Beispiel in der Online-Be ratung zum Einsatz kommen können, ist eine Folge der digitalen Transfor mation, die auch vor dem Berufsfeld der Sozialen Arbeit nicht haltgemacht
hat. Doch was, wenn Virtual Reality und künstliche Intelligenz verschmel zen? Wenn «hinter» dem Avatar kein Mensch aus Fleisch und Blut mehr steckt? Wenn sich die Klientinnen und Klienten bald mit einem künst lichen, von Algorithmen gesteuerten Avatar unterhalten? Wenn es die Fach personen der Sozialen Arbeit nicht mehr braucht?
Der Mensch bleibt Mensch Stefan Ribler, Dozent der Sozialen Ar beit an der FHS St.Gallen und Sozi alinformatiker, kennt die Sorgen und Ängste der Fachpersonen in der Pra xis. Aber er sagt: «Die Soziale Ar beit und ihre Werte wird es weiter hin brauchen, vielleicht sogar mehr denn je.» Der Mensch bleibe schliess lich Mensch – auch in einer digitali sierten Welt. Sozialarbeitende seien durch ihre Klientinnen und Klienten aber mit neuen Lebenswelten, Tech nologien und Fragestellungen kon frontiert und gefordert, tragfähige
Strategien und Lösungen im Um gang damit zu finden. «Wir sind da bei verpflichtet, sowohl kritische, als auch entwicklungsorientierte Fragen zu stellen.»
Mit auf den Weg nehmen In der Praxis der Sozialen Arbeit gibt es zur Digitalisierung unterschied liche Positionen und Herausforde rungen, wie auch Videostatements im Rahmen der Bodenseetagung (siehe Kasten) zeigen. Ein Beispiel ist das Thema «Datenschutz». «Klientinnen und Klienten im Heimbereich sind sich an enorm professionalisierte di gitale Kommunikationsformen ge wohnt», sagt Daniel Suter von der Softwarefirma Redline AG. «Bei der Entwicklung von Softwarelösungen für Institutionen müssen wir aber gut prüfen, was aus Sicht des Datenschut zes überhaupt machbar ist.» Die Auseinandersetzung mit digi talen Trends und neuen Applikati onen in der Jugendkultur sei zwar
«SICH MIT DIGITALEN TRENDS AUSEINANDERZUSETZEN, IST MANCHMAL UMSTÄNDLICH, ABER UNUMGÄNGLICH.»
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SUBSTANZ