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Der Spagat zwischen Transparenz und Wahrung gesetzlicher Schranken in der Kommunikation der Polizei Wien
ÖAMTC: „Es ist wichtig, am Ball zu bleiben”
Katharina Belihart © Claudia Mann
Wer ÖAMTC hört, denkt als erstes wahrscheinlich an Autos, Pannenhilfe oder die Farbe Gelb. Die Produktpalette des Mobilitätsclubs ist aber deutlich größer. Im Interview mit „PRAktivium“ spricht Harald Fleischer, Leiter Marketing & Communication, über Digitalisierung, bewährte und neue Produkte – und worin die Herausforderungen in der Kommunikation für beide liegen.
Katharina Belihart: Pannenhilfe-App, Drohnen-App, ÖAMTC-Kreditkarte, Carsharing & Co. – der ÖAMTC ist aktuell sehr digital unterwegs. Wie weit unterscheidet sich die PR von digitalen Produkten zur regulären, „alltäglichen“ PR?
Harald Fleischer: Produkt-PR ist keine einfache Sache. Wie gesagt, bin ich nicht für PR zuständig bei uns. Unsere Spezialisten von der Öffentlichkeitsarbeit aber sagen immer, dass kein Medium etwas übernimmt, wenn man hergeht und sagt: „Heute haben wir ein neues Produkt – das ist es, das kostet es.” Da wird jedes Medium sagen: „Schön, schaltet ein Inserat.“ Man muss immer eine Geschichte dazu erzählen können. Bei Smart Connect (Anm.: App zur Pannenvoraussage) zum Beispiel ist Datenschutz ein ganz großes Thema. Wem gehören die aus dem Auto generierten Daten? Wir sind der Meinung, die Daten gehören dem/r Autobesitzer/in und diese/r soll frei entscheiden können, ob er/sie die Daten zugänglich macht oder nicht. Und dafür setzen wir uns ein. Wenn man so ein Thema transportiert, dann hat man eine Geschichte, die auch eher übernommen wird.
Belihart: Welchen Stellenwert hat die Produkt-PR im Unternehmen?
Fleischer: Bei uns sind Marketing und Öffentlichkeitsarbeit getrennt. Das eine ist Marketing und Communication, da fällt beispielsweise die komplette Werbung darunter. Und das andere ist die Öffentlichkeitsarbeit, die Themen kommuniziert, die der Club nicht über Inserate, sondern über die Berichterstattung transportieren möchte, weil es in der Regel gemeinnützige Themen sind. Unsere PR-Spezialisten schaffen es aber auch, Produktthemen – Mitgliedschaft, Schutzbrief, Versicherungen etc. – mit Geschichten in der Presse zu platzieren.
Belihart: Die zahlreichen digitalen Produkte erwecken den Eindruck, dass sich der ÖAMTC gezielt an ein jüngeres Publikum richten möchte. Mit welchen Maßnahmen erreicht man diese Gruppe am besten?
Fleischer: Die junge Zielgruppe ist natürlich ein Thema bei uns, das hat aber schon vor vielen Jahren begonnen, nicht erst heute. Die Mitgliederstruktur beim ÖAMTC ist ziemlich ähnlich der österreichischen Bevölkerung. Es gibt zwei Unterschiede – rund um den Bereich um 18 herum, wo wir überproportional vertreten sind, und dann den Bereich um 65-70 plus, wo wir wieder etwas weniger vertreten sind, weil man da möglicherweise mit dem Autofahren aufhört bzw. aufhören muss. Die Jungen waren immer schon für uns wichtig, begonnen haben wir schon vor dem Jahr 2000 mit der GratisMitgliedschaft. Diese wird auch bis heute sehr stark in Anspruch genommen. Natürlich wollen wir die Jugendlichen aber auch sonst erreichen, und das geht über digitale Wege derzeit einfach am besten.
Belihart: Welche Kanäle sind dafür am beliebtesten?
Fleischer: Wenn man sich die Nutzungszahlen anschaut, dann ist es bei den Jungen eher „YouTube“ und „Instagram“, „Facebook“ und „WhatsApp“ eher weniger.
Belihart: Wie weit unterscheiden sich Kommunikationskonzepte für digitale Produkte von denen für „klassische” Produkte wie Winterreifentest, Crashtest, Schutzbrief, etc.?
Fleischer: Das sind natürlich zwei Paar Schuhe. Unsere Hauptprodukte sind Mitgliedschaft und Schutzbrief – das ist unsere Basis und da gibt es mehrere Kampagnen im Jahr. Da geht es darum, neue Mitglieder zu gewinnen und den Bestand zu bestätigen und wir decken von TV über Hörfunk bis zu digitalen Medien alles ab. Wenn es jetzt um Interessensvertretung geht, wie zum Beispiel Reifentest oder Kindersitztest – das machen wir nicht über klassische Werbung. Da schalten wir keine Inserate, sondern machen ganz klassische Öffentlichkeitsarbeit. Das sind dann auch Themen, die von Medien gerne übernommen werden, weil sie ja gemeinnützig sind.
© Adobe Stock: Tom Bayer © Christian Postl
Harald Fleischer studierte an der Wirtschaftsuniversität Wien und begann seine Karriere im Einkauf der Castrol Austria. Später wechselte er in die Marketingplanung und leitete zuletzt Werbung und Marketing. Nach einem Zwischenstopp bei der Elementar-Versicherung (heute Teil der Allianz Gruppe) ist er seit 1995 beim ÖAMTC und leitet dort aktuell die Abteilung Marketing & Communication.
Belihart: Der ÖAMTC ist eines der bekanntesten österreichischen Unternehmen und Marktführer im eigenen Sektor. Wie wichtig ist PR für neue Produkte da überhaupt noch?
Fleischer: Wir haben die Erfahrung gemacht, dass die Kombination aus klassischer Werbung mit digitalen Kanälen sehr gut funktioniert. Digital alleine wäre zu wenig. Eine Erkenntnis, die sich aber in der gesamten Marketing- und Werbebranche durchsetzt. Kombiniert mit PRMaßnahmen lassen sich natürlich die besten Ergebnisse erzielen. Wenn es Themen sind für die breite Öffentlichkeit, wo es nicht um Produkte geht, sind wir natürlich nur auf der PR-Schiene. Aber sobald es darum geht, etwas zu verkaufen, geht es ohne bezahlte Dinge nur schwer.
Belihart: Der ÖAMTC deckt viele unterschiedliche Geschäftsbereiche ab – von der Pannenhilfe über Mitgliedschaft und Reisebüro bis hin zum Zahlungsdienst. Gibt es eine Schwerpunktsetzung, welche Themen besonders stark kommuniziert werden sollen?
Fleischer: Neben unseren Hauptkampagnen setzen wir aber auch jedes Jahr thematische Schwerpunkte. 2019 war das zum Beispiel Elektromobilität. Das heißt, neben allen Kampagnen für Mitgliedschaft oder Schutzbrief und so weiter, haben wir Elektromobilität über alle unsere Kommunikationskanäle gespielt. Einerseits, weil es aktuell ist und andererseits, weil großes Interesse bei allen Zielgruppen besteht. Wir merken auch, dass bei dem Thema noch sehr viel Informationsbedarf besteht, deswegen bemühen wir uns, es über alle Kanäle zu transportieren.
Belihart: Das heißt, es gibt einen großen Schwerpunkt und je nach Thema schaut man dann, was noch dazu passt?
Fleischer: Genau. Wie ich vorher erwähnt habe, liegen unsere Schwerpunkte immer auf Mitgliedschaft und Schutzbrief, das ist unsere Basis. Und dann haben wir andere Services, die Drohnen-App zum Beispiel, da nutzen wir unsere internen Kanäle und die Öffentlichkeitsarbeit. Und das funktioniert, weil die App einfach Nutzen bietet. Bei der Kreditkarte verhält es sich anders, weil die heuer neu eingeführt wurde mit Card Complete als Partner und dem Tankbonus bei eni-Tankstellen. Das wird dann schon klassisch unterstützt, weil es etwas Neues und Wichtiges ist.
Belihart: Die neuen Produkte, die Sie gerade erwähnt haben – Kreditkarte und Smart Connect App zum Beispiel: Welche Erwartungen setzte man in diese Produkte und gibt es schon Erfahrungswerte, ob diese erfüllt worden sind?
Fleischer: Es ist noch nicht lange her, dass wir mit Smart Connect gestartet sind. Das ist aber gut angelaufen und wir versprechen uns noch einiges in der Zukunft. Hier wollen wir vor allem auch lernen, um für die Zukunft gerüstet zu sein, denn das sind Dinge, die im Kommen sind und in der Zukunft noch an Bedeutung gewinnen werden.
Belihart: Zum Abschluss noch ein kurzer Blick in die Zukunft – Sie haben gerade gesagt, Digitalisierung ist ein großes Thema nächstes Jahr. Welche Themenschwerpunkte sind sonst noch im Kommen, auch kampagnenmäßig?
Fleischer: Kampagnenmäßig wird sich nicht viel ändern. Wenn wir Themenschwerpunkte setzen, geht es mehr um Information. Es ist wichtig, im Auge zu behalten, was sich am Markt tut und dort dann am Ball zu bleiben. Wir wollen als der Ansprechpartner für die individuelle Mobilität da sein. Egal, womit man unterwegs ist, ist der ÖAMTC der Ansprechpartner. Wir sind ja auch nicht die, die sagen, man muss alles mit dem Auto fahren – überhaupt nicht. Man soll einfach vernünftig damit umgehen.
Versicherungen: Immaterielle Produkte mittels PR greifbar & verständlich machen
Viktoria Posch © Claudia Mann
Autoversicherung, Lebensversicherung oder Haustier-MitfahrVersicherung – die Bandbreite an Versicherungsprodukten ist groß. Groß ist auch die damit verbundene Komplexität. Wie bringt man KundInnen derartige Themen näher und welche Rolle spielt dabei die PR? Pia Greinstetter, Pressesprecherin der ERGO Austria International AG, beantwortet im Gespräch mit „PRaktivium“ Fragen dieser Art und spricht über die Bedeutung von Unternehmensblogs.
Viktoria Posch: Bei Versicherungsangeboten handelt es sich um immaterielle Produkte. Inwiefern besteht darin eine Herausforderung für die PR?
Pia Greinstetter: Einerseits ist es eine große Schwierigkeit, dass ein Versicherungsprodukt ein High-Involvement-Produkt ist, das heißt, es ist etwas, mit dem man sich eingehend beschäftigen muss. Eine Versicherung kauft man nicht so leicht wie ein Makeup oder einen Turnschuh. Man muss das komplexe Thema Versicherung also so aufbereiten, dass es die Menschen verstehen. Andererseits ist es eine große Herausforderung, dass die Branche so stark reguliert ist. Der Gesetzgeber lässt zum Schutz der KundInnen oft gar nicht zu, dass wir Dinge zu einfach ausdrücken, denn sonst hieße es, wir hätten nicht umfassend informiert. Das ist ein zweischneidiges Schwert.
Posch: Welche Auswirkungen hat dieses regulierte Umfeld auf Ihre tägliche Arbeit?
Greinstetter: Ich muss zum Beispiel alle Pressetexte an die Abteilung „Compliance“ schicken, bevor ich sie veröffentlichen darf. Wenn Produkttexte geschrieben werden, gehen sie mehrere Male in die Rechtsabteilung. Wir haben sowohl im Konzern als auch von der österreichischen Gesetzgebung sehr strenge Richtlinien. Wir würden in manchen Fällen sogar Probleme mit der Finanzmarktaufsicht bekommen, wenn wir uns rechtlich unklar ausdrücken.
Posch: Versicherer sein und laut und bunt sein: Passt das zusammen? Wie kann man mit PR auffallen?
Greinstetter: In den letzten Jahren hat definitiv ein Umdenken stattgefunden, um das verstaubte Image der Branche loszuwerden, denn auch die Zielgruppen für Versicherungsprodukte werden jünger. Da ist es einfach notwendig, sich durch laute, bunte Werbung vom Mitbewerb abzuheben und sich als Versicherung so zu positionieren, dass man ein Lebensbegleiter ist und kein langweiliges, altbackenes Unternehmen, das Finanzprodukte verkauft. Nur weil wir strenge regulatorische Vorschriften haben, heißt es nicht, dass wir nicht kreativ sein dürfen. Man kann ruhig ein bisschen Out-of-the-Box denken und manche Themen, vorausgesetzt man hat die entsprechenden Produkte dazu, lustiger, „lifestyliger” und weniger zahlenlastig aufziehen. Diese Tendenz zur auffallenden Werbung und Kommunikation bemerke ich in letzter Zeit im gesamten Banken- und Versicherungssektor und das ist gut, denn bei uns arbeiten ja viele junge, kreative Menschen – warum also das nicht nach außen tragen?
Posch: Welche Maßnahmen setzt ERGO konkret in Sachen Produkt-PR?
Greinstetter: Bei uns ist das auf zwei Bereiche aufgeteilt: Einerseits gibt es bei uns den Bereich Kommunikation, in dem es darum geht, jegliche Themen in unserer corporate Sichtweise unterzubringen. Und dann gibt es den Bereich Marketing, welcher sehr vertriebslastig ist und jegliche fachspezifischen Produkteigenheiten verständlich aufbereitet. In der Kommunikation unterstützen wir vor allem unsere neuen Produkte mit Presseaktivitäten – sprich: aktiven Presseaussendungen –, oder ich biete den JournalistInnen Interviews mit unserem Vorstand an. Dann schaue ich zusätzlich immer, dass unsere Social Media-Kommunikation angepasst wird, sei es, wenn ein neues Produkt auf den Markt kommt, oder wenn gerade eine Werbekampagne läuft. „Eine Versicherung kauft man nicht so leicht wie ein Make-up oder einen Turnschuh. Man muss das komplexe
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Pia Greinstetter ist Pressesprecherin und Social MediaVerantwortliche der ERGO Austria International AG. Nach Abschluss des Studiums der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft an der Universität Wien sowie einem Postgraduate Master in Public Communication arbeitete Pia Greinstetter zunächst in einer PR-Agentur, bevor sie schließlich auf die Unternehmensseite wechselte. Sie ist seit mehr als elf Jahren im Bereich PR tätig.
Posch: Sie haben gerade von Presseaktivitäten, also Medienarbeit gesprochen. Verfassen Sie auch Advertorials?
Greinstetter: Das übernimmt auch unser Marketing, da es hierbei meistens um Produkttexte geht. Wir haben im Rahmen unserer Kooperationen mit diversen Fachmagazinen immer wieder die Möglichkeit, Advertorials zu platzieren. Der Bereich Marketing & Vertriebskommunikation bei uns hat dafür eine eigene Gruppe namens Produktkommunikation. Diese hat den Draht in die Fachabteilungen.
Posch: ERGO hat einen Unternehmensblog, der den Namen „Mehr Verstehen“ trägt. Dort finden sich Tipps zum sicheren Wandern oder zum Reisen mit Tieren. Wieso fiel die Entscheidung zu bloggen?
Greinstetter: Das war im Zuge unserer Social MediaStrategie entstanden. Wir wollten eine Plattform haben, auf die wir Menschen hinleiten können und in der wir die Themen, die wir auf Social Media spielen, verlängern können, da der Platz dort begrenzt ist. Auf Social Media haben wir die Interaktionsmöglichkeit, aber es ist nicht möglich, Themen in der Tiefe zu behandeln und ein schönes, rundes Bild zwischen Produktinformationen und diesen alltagstauglichen Tipps zu zeichnen. Der Gedanke war, dass wir nicht die Notwendigkeit eines Versicherungsprodukts herunterbeten, sondern das Produkt in einen Blogbeitrag mit Tipps einbetten und so Inhalte liefern, die unsere Zielgruppen wirklich interessieren.
Posch: Was für eine Bedeutung haben Weblogs für Versicherungsunternehmen?
Greinstetter: Man kann sich als Unternehmen positionieren, das sich mit den KundInnen auf die gleiche Ebene stellt. Uns ist es sehr wichtig, auf Augenhöhe zu kommunizieren. Wir sind nicht der große Versicherer, der von seinen KundInnen lediglich brav die Prämien bezahlt bekommen möchte – dieses Image wollten wir von Anfang an loswerden. Wir sind diejenigen, die sagen: „Hey, wir geben dir diese und jene Tipps, wie du gut durch den Alltag kommst und wenn trotzdem etwas schief geht, hast du eine Versicherung bei uns und wir sind für dich da.“ Das ist unseres Erachtens der richtige Ansatz, um dieses komplexe Produkt zu vermitteln. Weil wenn es für uns schon kompliziert ist, wie kompliziert ist es dann für die KundInnen?
Posch: Auch viele andere österreichische Versicherungsunternehmen besitzen einen Unternehmensblog. Kann es diesbezüglich denn eine Differenzierung geben?
Greinstetter: Ich tue mir diesbezüglich schwer – ich muss gestehen, wir lesen auch oft die Blogs des Mitbewerbs und bemerken umgekehrt auch, dass die KollegInnen in anderen Versicherungsunternehmen immer wieder unseren Blog lesen. Das Wichtigste ist, dass man eine treue Fan-Basis hat, die den Blog regelmäßig liest. Dann kann man langsam versuchen, diese zu vergrößern. Sicherlich wäre auch eine technische Weiterentwicklung unseres Blogs möglich. Letztendlich muss man, wie es bei allen digitalen Kanälen ist, immer dranbleiben.
Posch: Verraten Sie uns bitte noch zum Schluss, was es Ihrer Meinung nach für erfolgreiche Produkt-PR braucht?
Greinstetter: Man muss über das Produkt Bescheid wissen und insbesondere die USPs kennen. Viel hängt dabei von den Fachabteilungen und der Menge an Informationen, die wir bekommen, ab. Wir müssen wissen, was das Produkt kann oder eben auch nicht kann. Man muss den Benefit für die verschiedenen Zielgruppen herausarbeiten und wenn man das dann auch noch auf kreative Weise den Menschen näher bringt, oder schöne Bilder, Texte und Videos verwendet, dann funktioniert das sicherlich auch bei so komplexen Produkten wie den unseren.