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Mehr als nur Milch –Produkt-PR für ein Grundnahrungsmittel
Eva Lindtner © Claudia Mann
Nicht jedes Produkt ist von sich aus spannend für KonsumentInnen. Elisabeth Haimberger, PR-Verantwortliche von Berglandmilch, verrät im Gespräch mit „PRaktivium“, warum Öffentlichkeitsarbeit gerade dann wichtig ist und welche Herausforderungen die PR-Arbeit für Milch mit sich bringt.
Eva Lindtner: In der Produkt-PR dreht sich ja vieles um das Image eines Produkts. Welches Image hat Milch?
Elisabeth Haimberger: Milch hat ein sehr gutes Image, vor allem deshalb, weil es ein gesundes Lebensmittel ist und das wissen die Leute nach wie vor.
Lindtner: Also es besteht bereits ein gutes Image, jeder kennt Milch und man muss niemandem erklären, was das ist. Es handelt sich um ein Low-Involvement Produkt, um ein Fast Moving Consumer Good (FMCG). Braucht es da überhaupt PR-Maßnahmen?
Haimberger: Gerade deshalb braucht es PR-Maßnahmen. Ich verkaufe ja nicht nur ein Produkt, ein Grundnahrungsmittel an sich, sondern wir haben auch ein hoch innovatives Sortiment. So wollen wir auch gesehen werden. Und gerade dafür braucht es PR-Maßnahmen. Der Definition nach beinhaltet PR die Kommunikation über das Produkt hinaus. Das heißt, ich lade das Produkt nicht nur mit Aspekten auf, wie: dass es gut schmeckt oder dass es gesund ist, sondern ich sage beispielsweise auch, dass es ein nachhaltiges Produkt ist. Themen wie dieses sollen mitschwingen, damit KundInnen dann vor dem Regal zu meinem Produkt greifen und nicht zum Produkt des Mitbewerbs. Das heißt, ich lade die Marke und gleichzeitig das Produkt mit einem Mehrwert auf.
Lindtner: Und mit welchen Maßnahmen funktioniert das?
Haimberger: Das wichtigste in meiner Position ist die Abstimmung mit den einzelnen ProduktmanagerInnen. Diese konzentrieren sich auf ihre Produktkategorien. Ich bin für alle Themen zuständig, die über das Produkt hinausgehen.
Das sind beispielsweise Themen wie Nachhaltigkeit, Qualität und Herkunft, die wir ganz im Sinne einer integrierten Kommunikation mitkommunizieren.
Lindtner: Sind eher LieferantInnen oder eher KonsumentInnen die Zielgruppe der Produkt-PR?
Haimberger: Beides. Das ist genau das spannende Feld, in dem wir uns bewegen. Wir haben auf der einen Seite den Handel, der die Anforderungen der Gesellschaft direkt weitergibt. Dann haben wir unsere LieferantInnen – 10.500 MilchbäuerInnen, die auch gleichzeitig unsere EigentümerInnen sind in unserer genossenschaftlichen Organisationsform. Und wir haben unsere KonsumentInnen, die ebenso mit ihren Anforderungen uns gegenüberstehen. Dementsprechend richtet sich die PR, die wir betreiben, an diese drei Gruppen. Und wir kommunizieren natürlich auch nach innen an unsere MitarbeiterInnen. Bei der Ansprache gilt es hier zu differenzieren, was uns durch eine Vielzahl an Kanälen auch gut gelingt.
Lindtner: Wenn die EigentümerInnen über 10.000 LandwirtInnen und Landwirte sind, die beispielsweise auf ihren Höfen mit Plakaten werben, betreiben diese indirekt auch PR. Wie viel Macht haben sie dabei und können sie dem Image auch schaden?
Haimberger: Es ist ein riesiges Netzwerk, auf das wir da PR-technisch zurückgreifen könnten mit unseren 10.500 BäuerInnen. Durch das Anbringen von Hofplakaten wird das beispielsweise gut genützt und es gibt viele BäuerInnen, die SeminarbäuerInnen sind oder Schule am Bauernhof machen. Wenn sie nur zum Verwandtenbesuch ein Käsekörberl mitnehmen, ist das schon PR, und das ist das Bewusstsein, das wir permanent versuchen zu schulen. Wir haben eine Käsebotschafterausbildung und wir haben unsere Lieferantenzeitschrift, die sehr darauf abzielt, die Gemeinschaft zu fördern. Im Rahmen diverser Veranstaltungen, die jedes Jahr in den Regionen stattfinden, schaffen wir auch immer wieder regen Austausch. Also von dem her sind wir da gut aufgestellt und ein tolles Netzwerk. Mit Kleinigkeiten wie Stickern, die auf Traktoren geklebt werden können oder Pins, die man sich auf das Revers heften kann, versuchen wir immer wieder das Bewusst-
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© Jürgen Adelmann
Elisabeth Haimberger ist seit Oktober 2018 Presseverantwortliche des Milchverarbeitungs- und Vertriebsunternehmens Berglandmilch. Davor hat sie das Bachelorstudium Media- und Kommunikationsberatung an der FH St. Pölten absolviert. Als ehemalige niederösterreichische Milchkönigin und aufgewachsen am landwirtschaftlichen Betrieb der Eltern macht sie nun PR für ein Produkt, das ihr persönlich am Herzen liegt.
sein für die Gemeinschaft und die Markenloyalität zu stärken. wofür du arbeitest. Wir bei Berglandmilch formulieren das so: „Was man gern macht, macht man gut.“
Lindtner: Wie glauben Sie, dass sich die PR für Lebensmittel von der PR für ein Gebrauchsgut unterscheidet? Gibt es wesentliche Unterschiede?
Haimberger: Garantiert. Ich glaube, dass man in der Lebensmittel-PR, also gerade im FMCG-Bereich, sehr viel schneller und flexibler reagieren muss auf Trends, auf gesellschaftliche Entwicklungen und Anforderungen. Dementsprechend müssen wir uns auch verhalten.
Lindtner: Sie sind ja die ehemalige niederösterreichische Milchkönigin und mit der Landwirtschaft aufgewachsen. Da ist natürlich die Milch für Sie ein Produkt, das auch wie eine Leidenschaft ist. Ist das förderlich für die PR-Arbeit oder kann das auch ein Hindernis darstellen, sich in die nicht so begeisterten KonsumentInnen zu versetzen?
Haimberger: Ganz im Gegenteil, es ist ein riesiger Vorteil, gerade im Bereich PR. Durch meine Zeit als Milchkönigin habe ich die Milchwirtschaftsbranche verstehen gelernt. Viele Stakeholder durfte ich schon damals kennenlernen, auf die ich jetzt im Berufsleben auch immer wieder treffe. Dieser landwirtschaftliche Background wird geschätzt, weil er ein Verständnis für die Herkunft des Produktes bringt. Ich glaube, dass die Kombination aus dem Studium im Kommunikationsbereich, meinem landwirtschaftlichen Background und der Zeit als Milchkönigin die idealen Voraussetzungen für meinen Beruf heute waren. Und ich finde es sehr wichtig, dass sich PR-Verantwortliche mit dem Produkt identifizieren können, weil irgendwie fehlt einem sonst die Authentizität. Du arbeitest mit einer ganz anderen Motivation, wenn du hinter dem stehst,
Lindtner: Was werden in Zukunft in der Lebensmittel-Produkt-PR die Themen sein?
Haimberger: Um das zu wissen, müsste ich Trendforscherin sein. Ich weiß es nicht. Wir müssen am Zahn der Zeit bleiben, blinde Flecken schließen, transparent sein, noch nachhaltiger werden und vor allem müssen wir uns immer wieder bewusst machen – Essen ist ein sehr emotionales Thema. Aber was kommen wird – who knows? Die Flexibilität müssen wir uns bewahren. Und es sollte einfach immer unser Anspruch sein, gesunde, gut schmeckende und vor allem auch sichere Lebensmittel zu produzieren und das auch zu kommunizieren. Tue Gutes und sprich darüber!
Klimaschutz – ein Window of Opportunity
Irene Koblitz © Claudia Mann
Ist PR-Arbeit bei Transportunternehmen überhaupt notwendig? „Definitiv“, sagt Anna Maria Reich, Leiterin der Unternehmenskommunikation der Wiener Linien. Wie schwierig es ist, bei 8.700 MitarbeiterInnen Akzeptanz für die Kommunikationsarbeit zu schaffen, welche kommunikative Strategie bei den Wiener Linien verfolgt wird und was sich durch die aktuelle Klimaschutzdiskussion für das Unternehmen verändert hat, darüber sprach „PRaktivium“ mit der gebürtigen Oberösterreicherin im folgenden Interview.
Irene Koblitz: In der Theorie wird oft zwischen Produkt- und Dienstleistungs-PR klar unterschieden – in welcher Sparte würden Sie die Arbeit der Wiener Linien verorten?
Anna Maria Reich: Bei den Wiener Linien ist das schwer zu unterscheiden. Als Mobilitätsanbieter in Wien bieten wir grundsätzlich eine Dienstleistung an. Dennoch versuchen wir, die Marke der Wiener Linien auch stark als Produkt zu positionieren und zu kommunizieren. So haben wir beispielsweise bereits die zweite Kollektion der Wiener Linien präsentiert: Man kann seine „Öffi“-Liebe also auch tragen. Damit sind wir nicht nur eine Dienstleistung, sondern auch ein Produkt.
Koblitz: Eine Strategie ist in der PR-Arbeit das A und O. Ist es in einer so schnelllebigen Branche überhaupt möglich, einer Strategie zu folgen?
Reich: Wir haben am Tag über 2,5 Millionen Fahrgäste, da kann tagesaktuell immer etwas passieren, das zu einem medialen Thema wird. Grundsätzlich ist es aber sehr wichtig, eine übergeordnete Strategie zu haben und zu überlegen, wo man in Zukunft kommunikativ hinmöchte, welche Geschichte man erzählen will und wie man sich positioniert. Bei den Wiener Linien braucht es auf jeden Fall beides: eine längerfristig angelegte Strategie, gleichzeitig muss man aber auch ad hoc reagieren können.
Koblitz: Und welche Strategie verfolgen die Wiener Linien?
Reich: Grundsätzlich sind wir gut unterwegs: Die Menschen, die uns nutzen, wissen, was sie an uns haben. Was wir aber noch stärker fokussieren wollen, ist der Beitrag der öffentlichen Verkehrsmittel zum Klimaschutz. Das haben wir dieses Jahr mit der Kampagne „Greener Linien“ und dem Slogan „Öffis nützen, Klima schützen“ in Angriff genommen. Hier streichen wir nochmal heraus, dass jede/r einzelne, die oder der die Öffis nützt, einen großen Beitrag zum Klimaschutz leistet. Des Weiteren bieten wir eine sehr gute Dienstleistung an: Wer in anderen Städten Europas unterwegs ist, wird sehr schnell zu schätzen wissen, was in Wien für ein Angebot an öffentlichen Verkehrsmitteln vorzufinden ist. Hier kann man in der Hauptverkehrszeit im 2-3 Minuten-Intervall unterwegs sein. Dieses alltägliche Gut wollen wir klar positionieren, als das, was es ist: nämlich Luxus. Viele unserer NutzerInnen nehmen das vielleicht gar nicht so wahr, deshalb sollten wir hier strategisch daran arbeiten.
Koblitz: Was hat sich durch die Klimaschutzdiskussion für Ihr Unternehmen verändert?
Reich: Die „Fridays for Future“-Bewegung hat für viele Unternehmen ein Window of Opportunity geöffnet. Für uns ist das die Chance, die Wertigkeit von öffentlichem Verkehr nochmal herauszustreichen. Die Menschen fangen endlich an, sich damit zu beschäftigen, wie sie ihren Beitrag zum Klimaschutz leisten können. Die Wiener Linien sind hier einer der größten Problemlöser. Jede/r, die oder der die Wiener Linien nutzt, kann das mit Stolz tun.
Koblitz: Welche Maßnahmen setzen Sie, damit Ihre MitarbeiterInnen diese Einstellung auch nach außen tragen und damit als glaubhafte MarkenbotschafterInnen fungieren?
Reich: Die MitarbeiterInnen der Unternehmenskommunikation leben das auf jeden Fall sehr stark. Wenn man über etwas kommuniziert, muss man dahinterstehen. Wir versuchen aber auch, unseren 8.700 MitarbeiterInnen intern zu vermitteln, was für ein wichtiges Rädchen sie jeweils in dem ganzen System sind. Das Unternehmen per se tut auch abseits der umweltfreundlichen Mobilität sehr „Als Mobilitätsanbieter in Wien bieten wir grundsätzlich eine Dienstleistung an. Dennoch versuchen wir, die Marke der Wiener Linien auch stark als Produkt zu positionieren und zu kommunizieren.“
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© Wiener Linien / Johannes Zinner
Mit ihrem Studium der Kommunikationswissenschaft stellte Anna Maria Reich die Weichen für eine erfolgreiche Karriere im Mobilitätssektor: bis 2010 als Pressereferentin im Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie tätig, war sie im Anschluss fast fünf Jahre Pressesprecherin der Wiener Linien. Bevor sie Anfang 2019 als Leiterin der Unternehmenskommunikation der Wiener Linien zu ihren Wurzeln zurückkehrte, arbeitete sie als Pressesprecherin im Bundeskanzleramt.
viel: Abfallvermeidung, Ressourcenschonung, etc. Wir achten auch in kleineren Bereichen auf Nachhaltigkeit, zum Beispiel bei der Kantine, indem wir versuchen, Plastikverpackungen zu vermeiden oder kein Plastikbesteck anbieten.
Koblitz: Ist umweltbewusstes Denken eine Voraussetzung, um bei den Wiener Linien zu arbeiten?
Reich: Kommunikativ ist das natürlich wichtig. Aber auch beispielsweise die StraßenbahnfahrerInnen können stolz darauf sein, dass sie durch den Transport der Fahrgäste einen fantastischen Beitrag leisten. Grundsätzlich sollte man sich natürlich schon mit seinem Unternehmen identifizieren können. Vor allem im Recruiting merken wir, dass die Sinnhaftigkeit der Tätigkeit für die MitarbeiterInnen sehr wichtig ist.
Koblitz: Wie schwierig ist es in einem so großen Unternehmen, Akzeptanz für die Kommunikationsarbeit zu schaffen?
Reich: Wir haben eine Geschäftsführung, die unsere Arbeit schätzt und uns viel Spielraum lässt. Bei KollegInnen, die unsere Arbeit nicht ganz verstehen versuchen wir Aufklärungsarbeit zu leisten: Neue MitarbeiterInnen lernen in Schulungen das Unternehmen kennen. Dort stellt sich auch die Unternehmenskommunikation vor und erklärt, wie wir arbeiten, was unsere Ziele sind und welchen wichtigen Beitrag wir zum Unternehmensziel leisten. Zusätzlich haben wir viele Kanäle, wie Intranet und Infoscreens, über die wir MitarbeiterInnen, die ja in ganz Wien verteilt sind, erreichen.
Koblitz: Warum ist PR bei Transportunternehmen überhaupt wichtig? Würden Ihre KundInnen das Angebot nicht vielleicht auch ohne PR-Arbeit nützen?
Reich: PR braucht es, um Bewusstsein und Wertschätzung für unser gutes Angebot zu schaffen. Wenn es bei uns mal nicht reibungslos klappt, fällt das sofort auf. Das könnte man in gewisser Weise sogar als Kompliment sehen. Das Angebot der Wiener Linien ist hervorragend, unsere tägliche kommunikative Arbeit unterstreicht das.
Koblitz: Ist es bei einer so großen Zielgruppe schwer, effiziente Kommunikationsmaßnahmen zu planen und durchzuführen?
Reich: Wir bedienen die unterschiedlichsten Kanäle, die alle wiederum zielgruppenadäquat ausgerichtet sind. Was unsere KundInnen eint, ist, dass sie die Wiener Linien nutzen. Über diesen Hebel erreichen wir sie gut. Das ist aber natürlich auch oft eine Herausforderung.
Koblitz: Was ist für Sie das Geheimnis eines gelungenen Kommunikationsmix?
Reich: Ein gutes motiviertes Team, das im Gesamten denkt. Das ist sicher auch in so einem Unternehmen die größte Herausforderung.
Koblitz: Welchen Stellenwert hat PR in diesem Kommunikationsmix?
Reich: Die PR muss intensiv mit allen anderen Kommunikationsbereichen abgestimmt sein, damit es ein großes Ganzes ergibt. Ich würde sagen, PR ist die Schnittstelle für die Botschaften.