ausgabe 3 | februar 2016
ein fachmagazin des studiengangs media-und kommunikationsberatung der fh st. pölten
© Shutterstock: cmgirl
WIRTSCHAFTSUND FINANZKOMMUNIKATION medien & wirtschaft
Media- und Kommunikationsberatung Eventmanagement
© Martin Lifka Photography
Werbung Public Relations Direkt Marketing Marketing
Infos zum Masterstudium | www.fhstp.ac.at/mmk Im Master Studiengang Media- und Kommunikationsberatung erwerben Sie das Rüstzeug für die dynamische Marketingbranche. Aktuelle Trends in Wirtschaft, Sozialwissenschaften und in der Unternehmenskommunikation ebnen den Weg für Ihre Karriere in nationalen und internationalen Agenturen und Marketing-Abteilungen. Die Masterausbildung vermittelt Anwendungswissen - vor allem, aber nicht ausschließlich - im Bereich Digitale Medien.
Komm besser studieren.
Editorial © Claudia Mann
Liebe Leserin, lieber Leser!
Mag. Roland Steiner (l) FH-Dozent Department Medien und Wirtschaft
FH-Prof. Mag. Helmut Kammerzelt, MAS (r) Studiengangsleiter Media- und Kommunikationsberatung (Bachelor/Master)
Inhalt >> Editorial 01 Kommunikation, Medien und die Wiener Börse – oder „der Ton macht die Musik“ 03 Wirtschaftsjournalismus und seine Gatekeeper-Funktion 05 Finanzkommunikation für Jugendliche in und von Schulen 07 Von Dienstleistung zu Kommunikationsinstrument: Finanzbildung durch die Oesterreichische Nationalbank 09 „Wenn ein Unternehmen an der Börse ist, steht es im Schaufenster.“ 11 Investorenmotto für Start-Ups: „Think big, but be realistic.“ 13 „Ein Start-Up impliziert immer eine Wette auf den Markt.“ 15 BankberaterInnen als „Facebook“-FreundInnen 17 Storytelling in der Wirtschafts- und Finanzkommunikation
Wie nannten Sie die weltwirtschaftlichen Vorgänge ab 2007: Finanz-, Kapitalmarkt-, Schulden-, Wirtschafts- oder Haushaltskrise? Im Grunde genommen wurden wir medial – und dies schließt Öffentlichkeitsarbeit von Staaten wie Unternehmen mit ein – erst mit einem Tornado an zumeist ungeläufigen Begrifflichkeiten (Subprime, etc.) konfrontiert, ehe Millionen an Individuen und dann Volkswirtschaften deren Auswüchse ganz nah erleben mussten. Investmenthäuser und Banken krachten, für ganze Staaten wurden nicht bloß metaphorisch Rettungsschirme aufgespannt, das Wohlfahrtssystem litt unter Fehlspekulationen, usw. Wer oder was trug Schuld? Wir werden mit dieser Ausgabe keine Antwort liefern können , sondern versuchen einen Teil der Ursache POSITIV zu beleuchten: die Wirtschafts- und Finanzkommunikation. Diese obliegt Unternehmen, Banken und Finanzinstituten, Ministerien, Medien – auch: Sie nicht aus der Pflicht nehmend, sollte man sich als BürgerIn jedoch fragen, welchen Part man selbst spielt, und insbesondere: ob man das Wissen dazu hat. Denn vielleicht gilt ja: Geht’s dem Wissen um die Wirtschaft gut, geht’s uns allen besser? Studierende des Masterstudiengangs Media- und Kommunikationsberatung haben sich unter der Leiterin der Lehrveranstaltung Medientraining, Daniela Zeller, auf die Suche gemacht, ExpertInnen aus verschiedenen Sektoren der Öffentlichkeitsarbeit zu dieser Thematik zu befragen. Wie Wirtschaft an Schulen vermittelt wird, Kommunikation der Wiener Börse oder der Oesterreichischen Nationalbank ablaufen, was Start-Ups wie auch deren InvestorInnen beachten sollten, Kommunikationsspezifika von Banken, Ratingagenturen, NGOs oder Lebensmittelhandel – dies und noch viel mehr erwartet Sie. Ideen- und Ratgeberin dieser dritten Ausgabe war FH-Dozentin Monika Kovarova-Simecek, Expertin auf dem Gebiet der Wirtschafts- und Finanzkommunikation. Für die grafische Umsetzung zeichnet erneut Teresa Sposato, Lektorin im Masterstudiengang Digitale Medientechnologien der FH St. Pölten, mit ihren Studierenden verantwortlich. Ein produktives Zusammenspiel an Kräften – wie in gelungenem Wirtschaften. Befragenden wie Befragten dankend, wünsche ich Ihnen eine interessante, aktivierende Lektüre und freue mich auf Ihr Feedback, Ihr
19 Für NGOs ist Kommunikation ein Kerngeschäft und Erfolgsfaktor 21 „Ein gutes Image ist bei Ratingagenturen wichtig für das Geschäftsmodell.“ 23 Der offene Umgang mit dem unternehmerischen Scheitern 25 „Wirtschaftlichkeit und das Gute“: Zusammenspiel von Ökonomie und Ökologie im Lebensmittelhandel >> Impressum
Roland Steiner, Chefredakteur roland.steiner@fhstp.ac.at
Monika Kovarova
Kommunikation, Medien und die Wiener Börse – oder „der Ton macht die Musik“ Birgit Kuras, Vorstandsmitglied der Wiener Börse, spricht im „PRaktivium“-Interview über deren volkswirtschaftliche Bedeutung, die Rolle der Kommunikation und ihre Wünsche an solide Finanzberichterstattung.
© Barbara Covarrubias-Venegas
Monika Kovarova: Bei der Börse geht es um Geld: Welche Rolle spielt dabei die Kommunikation?
Birgit Kuras: Eine sehr, sehr wichtige. Die Börse ist ein Tauschplatz für Unternehmensbeteiligungen, die rechtlich als Aktien verbrieft sind. Börsennotierte Unternehmen und interessierte InvestorInnen tauschen laufend Informationen aus, und das in Echtzeit. Transparente Kommunikation findet also bei börsennotierten Unternehmen auf höchstem Niveau und Professionalisierungsgrad statt. Die ständige Öffentlichkeit kann einem börsennotierten Unternehmen von großem Vorteil sein, z.B. in der Festigung seiner Marke oder beim Recruiting qualifizierter MitarbeiterInnen. Zudem wird durch die öffentliche Auseinandersetzung mit allen Interessensgruppen das Geschäftsmodell der Unternehmen laufend geprüft und es bleibt dadurch nachhaltig fit.
Kovarova: Die klassische Vorstellung der Menschen von der Börse entspricht spätestens seit den 1980ern nicht mehr der Realität. Der Handel findet ausschließlich elektronisch statt. Warum, glauben Sie, wird das Bild des Parketthandels durch Filme wie „Wall Street“ (2010) aufrecht erhalten?
men noch Jobs in Zulieferbetrieben. Börsennotierte Unternehmen werden so zum Motor der österreichischen Wirtschaft und sorgen für Wertschöpfung. Die Wiener Börse ist also ein wichtiger Standortfaktor für Österreich. Kovarova: Welche Rolle spielt in einer Welt, die von Algorithmen dominiert ist und wo de facto die entscheidende Kommunikation zwischen Computern stattfindet noch der Mensch?
Kuras: Der Computer unterstützt BörsenhändlerInnen heute bei der Ausführung ihrer Börsenaufträge. Das gehört im 21. Jahrhundert zur Börse wie das Glasfaserkabel zur Telekom oder der Roboter zur Industrie. Hinter jedem Handelszugang an der Wiener Börse steht jedoch eine physische Person, die für ihre Entscheidungen auch zur Verantwortung gezogen wird und mit ihren Entscheidungen an den Markt kommuniziert. Und überall wo Menschen am Werk sind, spielen Psychologie und Atmosphäre eine wichtige Rolle. Kovarova: Und welche Rolle spielen die Medien?
Kuras: Die Medien gestalten eben diese Atmosphäre mit. Der heimische Kapitalmarkt ist sehr aufnahmefähig Kuras: Der Mensch denkt in Bildern. Deshalb ist es wohl und international anerkannt. Wenn österreichische Uneinfacher, nach wie vor BörsenhändlerInnen wild gestikuternehmen große Summen an Eigenkapital für Innovalierend am Parkett darzustellen als „Wir konzentrieren uns in unserer Kom- tion oder die Expansion in neue vor einem Bildschirm. Der Alltag Märkte brauchen, dann ist die ist bei weitem nicht so glamourös munikationsarbeit auf börsennotierte Wiener Börse ihr Listingplatz und auch nicht so skandalös, wie Unternehmen, heimische wie interna- für neue Aktien. Es ist für börer in diversen Filmen präsentiert tionale AnlegerInnen und die interes- sennotierte Unternehmen und wird. Die Arbeit an der Börse ist solche, die künftig an die Börse sierte Öffentlichkeit.“ hochspannend, hat aber nichts gehen möchten essenziell, dass mit dem oft transportierten Bild der New Yorker Wall am Heimmarkt laufend über den Kapitalmarkt berichtet Street zu tun. Ich finde folgende Darstellung treffender: wird. Und der Ton macht die Musik: Herrscht eine posiEine Börse ist ein Marktplatz. Sie erfüllt eine ganz wetive Haltung und Stimmung, lockt das mehr AnlegerInsentliche Drehscheibenfunktion für die Volkswirtschaft nen an und sorgt für Neugier. Das gleiche gilt natürlich eines Landes. Der Wohlstand einer Gesellschaft und ein auch im Umkehrschluss. Kontinuität und Seriosität sind funktionierender, entwickelter Kapitalmarkt hängen eng für mich sehr wichtig. Eine profunde Ausbildung von zusammen. Mehr als jeder zehnte Arbeitsplatz in der WirtschaftsjournalistInnen ist die Basis für professionelle österreichischen Wirtschaft ist direkt an die Aktivitäten Berichterstattung: Wir organisieren an der Wiener Börse der börsennotierten Unternehmen geknüpft. Dazu komdaher regelmäßig mit Partnern wie der APA oder auf 01
© Wiener Börse
© Shutterstock: Baranq
Mag. Birgit Kuras ist seit 2012 Mitglied des Vorstands der Wiener Börse AG und seit 2013 Aufsichtsrätin der CCP Austria Abwicklungsstelle für Börsengeschäfte GmbH. Die studierte Betriebswirtin war davor knapp 30 Jahre in Leitungsfunktionen der Raiffeisen Zentralbank Österreich AG und der Raiffeisen Centrobank AG tätig.
individuelle Nachfrage Workshops, in denen detaillierte Hintergrundinfos vermittelt und Zusammenhänge erklärt werden. Kovarova: Wen sehen Sie als die wesentlichen Zielgruppen der Kommunikation der Wiener Börse?
Kuras: Wir konzentrieren uns in unserer Kommunikationsarbeit auf börsennotierte Unternehmen, heimische wie internationale AnlegerInnen und die interessierte Öffentlichkeit. Wir haben einerseits eine Website, die laufend mit relevanten Infos bespielt wird – und da meine ich nicht nur Kursinformationen. Hier könne sich Interessierte ins aktuelle Wirtschaftsgeschehen ebenso wie in grundlegende Börsenthemen einlesen. Wir wollen die Börse einer breiteren Öffentlichkeit näherbringen. Da setzen wir beispielsweise auch bei der Jugend an und haben spezielle Programme für SchülerInnen und LehrerInnen. Unsere Unternehmen wiederum unterstützen wir im Besonderen bei der Kommunikation mit InvestorInnen, z.B. durch die gemeinsame Organisation von Roadshows in internationalen Finanzmetropolen. Wir haben hier auch viel persönlichen Kontakt und besuchen laufend bereits notierte oder interessierte Unternehmen. Für mögliche Kandidaten organisieren wir spezielle Workshops, um sie frühzeitig hinter die Kulissen eines Börsengangs blicken zu lassen. Kovarova: Kommen Börsennachrichten, so wie sie heute medial aufbereitet werden, bei der breiten Öffentlichkeit an? Welche Möglichkeiten sollten ergriffen werden, um es zu ändern?
Kuras: Ich sehe immer wieder tolle Beispiele und gute Ideen für bildhafte und lesergerechte Aufbereitung in den heimischen Medien. Ich würde mir wünschen, dass objektive Analyse und Meinung der JournalistInnen stärker getrennt werden. LeserInnen und AnlegerInnen sollte vereinfacht werden, sich eine eigene Meinung zu bilden. Denn der/die gut informierte AnlegerIn ist der/die bessere AnlegerIn. Es ist essenziell, dass sich AnlegerInnen selbst ein klares Bild vom Unternehmen machen können, in das sie möglicherweise investieren möchten. Man muss
ihnen bewusst machen, dass es beim Aktienkauf Chancen, aber auch Risiken gibt. Kovarova: Nur rund 7% der österreichischen Bevölkerung besitzen Aktien und sind überwiegend an langfristiger Veranlagung interessiert. Die meisten ÖsterreicherInnen sagen, dass sie Finanznachrichten nicht verstehen. Professionelle AnlegerInnen haben eigene Informationsquellen wie z.B. „Bloomberg“ oder „Financial Times“. Welchen Mehrwert sehen Sie darin, wenn Aktienkurse täglich in Zeitungen wie „Der Standard“ oder „Die Presse“ veröffentlicht werden?
Kuras: Hierzulande wird das Thema „Aktien und Veranlagung“ leider nicht mit der Muttermilch aufgenommen. Wir hinken da im internationalen Vergleich nach, was sich negativ auf die langfristige Vermögensbildung und in weiterer Folge auf die private Zukunftsvorsorge der österreichischen Haushalte auswirkt. Es ist daher nur wünschenswert, dass die österreichischen Tageszeitungen dem Thema Aktien und Börse täglich Platz einräumen. Gerade auch für PrivatanlegerInnen sind österreichische börsennotierte Unternehmen mit einem stabilen, gut verständlichen Geschäftsmodell und einer ansprechenden Dividendenrendite interessant. Je mehr ich als AnlegerIn über die Unternehmen und den Kapitalmarkt weiß, umso besser kann ich Chancen und Risiken einschätzen. Information – woher auch immer man sie bezieht – ist das A und O. Kovarova: Und wie ist die Wiener Börse auf den nächsten Börsencrash vorbereitet?
Kuras: Wir leisten eine solide Arbeit, ob in ruhigen oder turbulenten Zeiten. Ich persönlich sehe derzeit keine Anzeichen für einen Börsencrash. Kurse gehen rauf und runter, das ist an den Börsen dieser Welt so. Als Börse wie als Unternehmen ist es wichtig, dranzubleiben, Hausaufgaben zu machen, für Kontinuität und Qualität zu sorgen. Das macht sich nachhaltig bezahlt. Ich habe in meiner Zeit am Kapitalmarkt schon viele Krisen kommen und gehen sehen, ich blicke der Zukunft optimistisch entgegen. 02
Wirtschaftsjournalismus und seine Gatekeeper-Funktion
Nina Huber
Dieter Bornemann, stellvertretender Leiter der „ZiB“-Wirtschaftsredaktion des ORF, spricht in „PRaktivium“ über die Relevanz und die Entwicklung des Wirtschaftsjournalismus für die Gesellschaft und die persönliche Rolle und Verantwortung von RedakteurInnen gegenüber der Öffentlichkeit.
© FH St. Pölten
Bornemann: Das ist nicht die Aufgabe des Wirtschaftsjournalismus. Wir sollen nicht Stimmungen beeinflussen, sondern unsere Aufgabe ist es zu informieren. Allerdings ist die Finanzkrise auch ein Beispiel dafür, dass das im Wirtschaftsjournalismus nicht immer funktioniert hat. Dieter Bornemann: Wir alle sind im Alltag immer mit Große Warnungen hat es hier im Vorfeld von den JourWirtschaft konfrontiert. Wirtschaft ist nichts Abstraktes, nalistInnen kaum gegeben. Zwar gibt es bei jedem Börwie etwa die Leitzinsen oder das Bruttoinlandsprodukt, senboom vereinzelt JournalistInnen, die schreiben, dass sondern etwas Lebensnahes. Alles was wir tun, hat mit die Blase bald platzen wird. Diese werden aber meist Wirtschaft zu tun: etwa unsere Arbeit, der Kredit zum nicht sehr ernst genommen. Das Wesen des Journalismus Hausbau oder der Kauf eines Autos. Darum ist es wichist es, aufzuklären und zu berichten. Die Zahl der Beiträtig, dass bereits SchülerInnen ein Mindestmaß an Wirtge in der „ZiB“ zum Thema Wirtschaft hat sich in den schaftswissen vermittelt bekommen. vergangenen Jahren verdoppelt. Einerseits weil das Thema wichtiger geworden ist und Huber: Ist Wirtschaftskommu- „Es wird immer weniger Pressekonfe- andererseits weil sich auch die nikation für die Gesellschaft in renz-Journalismus betrieben, sondern Berichterstattung geändert hat. den letzten Jahren relevanter Es wird immer weniger Pressewir versuchen, die Themen auf einfache konferenz-Journalismus betriegeworden? Weise zu kommunizieren.“ Bornemann: In der Schule ist das ben, sondern wir versuchen, die Thema Wirtschaft leider nicht reThemen auf einfache Weise zu levanter geworden. Es ist immer noch ein „Anhängsel“ kommunizieren. Wenn wir zum Beispiel über die aktuellen Arbeitslosenzahlen berichten, sehen sie keine Staim Geografie-Unterricht. Viele MaturantInnen kennen tistiken, sondern wir suchen Betroffene, die arbeitslos den Unterschied zwischen Aktien und Anleihen nicht. sind und ihr Schicksal erzählen. So wird das Thema für Oder haben keine Ahnung vom Thema Pensionsvorsordas Publikum greifbar. Es gibt dann diesen „Das-könntege. Allerdings ist das Thema Wirtschaft in den Medien auch-ich-sein“-Effekt. deutlich präsenter geworden, vor allem durch die diversen Krisen: Wir berichten seit Jahren über Griechenland. Da sind an die 300 Milliarden Euro an Hilfsgeldern geHuber: Ab wann können Prognosen bezüglich Krisen erstellt werden? flossen. In Österreich ist es die Kärntner HYPO. Es geht hier um Beträge, die wir uns alle nicht vorstellen können. Bornemann: Der Blick in die Zukunft ist immer schwieDas ist das Geld der SteuerzahlerInnen, mit dem man rig. Nicht nur für JournalistInnen, auch für ExpertInnen. auch vernünftigere Dinge hätte anstellen können. Und Wir sehen bei vielen Wirtschaftsprognosen, wie sehr die darum gibt es ein großes Interesse an solchen Themen, oft daneben liegen. Auf Basis dieser werden aber viele auch wenn die Details oft abstrakt und kompliziert sind. wichtige Entscheidungen getroffen. Vorhersagen über die Inflation oder das Wirtschaftswachstum haben z.B. Huber: Ist es RedakteurInnen möglich, die Stimmung konkrete Auswirkungen auf Lohnverhandlungen. Es ist der Gesellschaft zu verändern, etwa eine positivere auf alle Fälle einfacher, über Prognosen zu berichten, als oder erträglichere zu erzeugen? sie selbst anzustellen. Nina Huber: Warum ist Wirtschaftskommunikation grundsätzlich interessant und relevant – auch für Personen, die nicht täglich mit der Thematik konfrontiert sind und im Wirtschafts- oder Finanzbereich arbeiten?
03
© ORF 1 © Shutterstock: GaudiLab
Dieter Bornemann, M.A., studierte an der Universität Wien Publizistik- und Kommunikationswissenschaft und Politikwissenschaften, war am DeWitt Wallace Center for Communications and Journalism an der Duke University in North Carolina, absolvierte an der New York Film Academy „Broadcast Journalism” und an der DUW Berlin ein berufsbegleitendes „Executive Master Program” in International Media Innovation Management. Er ist stv. Leiter der „ZiB“-Wirtschaftsredaktion, oberster JournalistInnen-Vertreter im ORF und lehrt am Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft der Universität Wien.
Huber: Wie erfolgt der Umgang mit sensiblen Informationen? Werden diese sofort veröffentlicht? Wie stark ist das Verlangen, dass man das Publikum aufklärt?
Bornemann: Wir haben jeden Tag elf „ZiB“-Sendungen. Wenn eine Meldung relevant und interessant ist, versuchen wir, sie so schnell wie möglich auf Sendung zu bringen. Es gibt aber auch im Wirtschaftsjournalismus eine Verantwortung: So berichten wir nicht einfach über Gerüchte, ohne zu recherchieren. Würde die „ZiB1“ über das Gerücht einer Bankenpleite berichten, dann ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass die Bank bald wirklich pleite ist. Denn alle KundInnen würden am nächsten Tag sofort ihr Geld abheben. Hier haben wir eine besondere Verantwortung, keinen zusätzlichen Schaden durch unsere Berichterstattung anzurichten, aber trotzdem das Publikum ausführlich zu informieren.
Huber: Sehen Sie sich dabei selbst als Gatekeeper?
Bornemann: Ja, zwangsläufig. Jeden Tag kommen über die Nachrichtenagenturen hunderte Meldungen und unsere Aufgabe ist es, daraus die zwei bis drei herauszufinden, die für das Fernseh-Publikum relevant sind. Gatekeeper im Sinne von: „Wir verheimlichen Informationen, weil wir der Meinung sind, das sollen die Leute nicht erfahren“ – das funktioniert in Zeiten von Internet und Social Media nicht. Auch wenn man im Netz nicht alles für bare Münze nehmen darf: Es gibt eine Reihe von Internetseiten mit absurden Theorien, die den Weltuntergang, das Verschwinden des Euro und Unruhen prophezeien. Für diese Websites gibt es einen Markt, aber die Aufgabe des Journalismus ist es nicht, Ängste zu befeuern, sondern über Dinge zu berichten, die wirklich passieren. Huber: Das heißt, es werden keine Informationen kurzfristig zurückgehalten, um Panik zu vermeiden? Was passiert, wenn z.B. eine Bank noch drei Tage mit der Veröffentlichung von Informationen warten will?
Bornemann: Wenn eine Bank sagt, sie braucht noch drei Tage, um etwas zu veröffentlichen, dann wissen es meist schon zu viele Leute, und dann wird darüber berichtet. FirmenmanagerInnen melden sich auch nicht bei JournalistInnen, wenn bestimmte Neuigkeiten nicht veröffentlicht werden sollen. Es findet auch kein Austausch zwischen JournalistInnen und Chefinnen bzw. Chefs von Unternehmen statt, um einen günstigen Zeitpunkt für die Veröffentlichung zu definieren. JournalistInnen leben in einem Konkurrenzumfeld, jeder will eine gute Geschichte als erster veröffentlichen. Aber noch wichtiger als die Schnelligkeit ist es, dass die Geschichte auch stimmt. Schnell und falsch ist kein guter Journalismus. Lieber etwas später, aber dafür ist die Geschichte auch richtig. Huber: Viele Informationen sind schwer zugänglich. Was tun Sie da?
Bornemann: Valide Quellen finden, die meine Informationen bestätigen können. Im Laufe des Lebens als WirtschaftsjournalistIn sammeln sich viele Telefonnummern von Personen – denen man vertraut und die einem hoffentlich auch vertrauen –, die man dann anrufen kann, um eine Information zu verifizieren. Huber: Haben Sie persönlich Angst vor Krisen? Sind Sie ängstlicher oder optimistischer geworden im Laufe Ihrer Karriere?
Bornemann: Die Welt ist ja schon so oft untergegangen in den vergangenen Jahren, da wird man mit jeder überlebten Krise etwas gelassener. Alleine die Finanzkrise zeigt, dass die WeltuntergangsprophetInnen nicht recht haben. Es gibt die EU und den Euro noch, die angekündigten Unruhen in Europa sind auch ausgeblieben. Dafür haben wir eine dramatische Flüchtlingskrise in Europa, mit der offenbar niemand gerechnet hat. Das ist die große Herausforderung der Zukunft. Und plötzlich spricht kaum mehr jemand von der Griechenland-Krise.
04
Finanzkommunikation für Jugendliche in und von Schulen
Anna Neubacher
Börsenspiele, Moneytalks und Vorträge von BankenvertreterInnen – um SchülerInnen Finanz- und Wirtschaftsthemen näherzubringen, gibt es zahlreiche Möglichkeiten. Gertrude Begus, Professorin an der Höheren Bundeslehranstalt für wirtschaftliche Berufe (HLW) in Leoben, beleuchtet im Rahmen des Interviews mit „PRaktivium“ facettenreiche Vermittlungsleistungen. © FH St. Pölten
Anna Neubacher: Wenn ich einen Ihrer Schüler oder eine Schülerin über Finanz- und Börsenthemen befrage, was kann er bzw. sie mir erzählen?
Gertrude Begus: Das kommt auf den Jahrgang an. Bei uns fallen diese Themen in den Lehrstoff des vierten Jahrgangs. Unsere SchülerInnen wissen Grundsätzliches über Wertpapiere und die Börse, aber sehr detailliert werden diese Themen bei uns nicht unterrichtet. Neubacher: Wie groß ist das Interesse von Jugendlichen an Wirtschaft und Finanzen?
Begus: Das ist durchaus gegeben. Man muss jedoch immer versuchen, die SchülerInnen in ihrem persönlichen Lebensbereich anzusprechen. Wir wollen die Themen so transportieren, dass sie für die SchülerInnen relevant sind. Dazu stellen wir Fragen wie z.B. „Was würdet ihr tun, wenn euch dieses oder jenes Kapital zur Verfügung steht?“ Rein mit der Theorie an die SchülerInnen heranzutreten, ist zu wenig. Aktuelle und persönlich relevante Anknüpfungspunkte sind hier von besonderer Bedeutung. Neubacher: Hat sich dieses Interesse in den letzten Jahren verändert? Wissen SchülerInnen über Finanzund Wirtschaftsthemen heutzutage mehr als früher?
Begus: Nein, das würde ich nicht behaupten. Die SchülerInnen haben mit einer Vielfalt an Medien zu tun, weshalb man eigentlich glauben sollte, sie wissen heutzutage mehr. Diese Medien verwenden sie jedoch in erster Linie für die Bereiche, die sie persönlich interessieren und das muss jetzt nicht unbedingt der Finanzbereich sein.
Neubacher: Wie werden Finanz- und Wirtschaftsinhalte in Schulen unterrichtet? Welche Maßnahmen werden gesetzt, um den Jugendlichen Themen wie Finanzen, Börse, Finanzierungs-, Spar- und Anlagemöglichkeiten näherzubringen?
Begus: An unserer Schule ist das diesbezügliche Angebot ziemlich groß. Wir können beispielsweise Fachvorträge von BankenvertreterInnen anbieten. Des Weiteren haben 05
wir auch ExpertInnen aus den Bereichen Steuerberatung und Treuhandwesen im Haus. Einmal im Jahr besucht uns auch jemand vom Alpenländischen Kreditorenverband; da werden dann Themen wie Insolvenz und Insolvenzrecht behandelt. Wir versuchen immer VertreterInnen aus den verschiedenen Bereichen der Wirtschaft zu uns zu holen, die praxisnahes Wissen vermitteln können. Außerdem haben die Jugendlichen bei uns die Möglichkeit, an einem Börsenspiel teilzunehmen, das von der Raiffeisenkasse veranstaltet wird. Für die SchülerInnen der ersten bzw. zweiten Klasse veranstaltet die Arbeiterkammer sogenannte „Moneytalks“, in denen der richtige Umgang mit Geld vermittelt wird. Die Jugendlichen lernen im Rahmen dieser Talks zum Beispiel, wie sie mit dem ersten verdienten Gehalt umgehen können und was es bei Anschaffungen wie dem Führerschein oder der eigenen Wohnung zu bedenken gibt. Zusätzlich gibt es dann noch die Möglichkeit, an einer Audio-Guided Shopping-Tour teilzunehmen: Bei einem Rundgang durch Graz lernen die SchülerInnen alles rund um das Konsumverhalten und wie selbiges gesteuert wird. Außerdem kooperieren wir sehr eng mit der Fachhochschule Kapfenberg. Unsere SchülerInnen nehmen regelmäßig an Planspielen, die von der FH organisiert werden, teil. Schlussendlich gibt es auch noch Wanderausstellungen, die jedes Jahr mit einem anderen Schwerpunktthema, wie beispielsweise EU oder verschiedene Wirtschaftssektoren, durch Österreich touren. Schulen, die daran interessiert sind, können diese Ausstellungen anfordern. Neubacher: Sind all diese Maßnahmen aus Ihrer Sicht ausreichend?
Begus: Nein, das ist, glaube ich, noch nicht ausreichend. Die Themen könnten durchaus noch stärker forciert werden. Neubacher: Wie werden diese Maßnahmen von den SchülerInnen angenommen?
Begus: Durchaus positiv. Ganz generell ist alles, was außerhalb des Schulgebäudes angeboten wird wesentlich
© Gertrude Begus © Shutterstock: auremar
Prof. Mag. Gertrude Begus ist seit 1988 an der HLW Leoben tätig. Ihre Unterrichtsfächer umfassen Rechnungswesen & Controlling, Betriebswirtschaftslehre, computerunterstütztes Rechnungswesen und betriebswirtschaftliche Übungen (Übungsfirma, Junior Company). Die gebürtige Leobenerin studierte Betriebswirtschaftslehre und Wirtschaftspädagogik in Graz. Ihre Tätigkeit im Lehrberuf begann im Jahr 1985 an der HLW Fohnsdorf.
interessanter für unsere SchülerInnen. Wenn wir mit den dritten und vierten Klassen beispielsweise die Arbeiterkammer besuchen und sie dort an Workshops zum Thema Bewerbung teilnehmen können, ist das schon sehr viel wert für die Jugendlichen. Diese externen Maßnahmen, die wir in Kooperation mit anderen Institutionen durchführen, werden sehr gut angenommen. Neubacher: Es besteht hier in Österreich also Interesse seitens der Banken und diverser anderer Finanzinstitutionen, dass dieses Thema im Unterricht behandelt wird?
Begus: Allerdings. Gerade seitens der Banken besteht großes Interesse, da sie in den SchülerInnen natürlich zukünftige KundInnen sehen. Darum sind sie besonders erpicht darauf, an die Schulen zu kommen. Hier besteht allerdings das Problem der Werbung an Schulen: Da wir die Jugendlichen schließlich nicht steuern dürfen, bedarf es besonderer Vorsicht, wenn mit Banken zusammengearbeitet wird.
dass man sich schon in jungen Jahren mit diesen auseinandersetzt? Was hat das für Auswirkungen auf die Gesellschaft ganz allgemein?
Begus: Vom Elternhaus kennen die SchülerInnen eher nur die traditionellen Sparformen. Da muss man als Bildungsinstitution natürlich aufzeigen, dass es auch andere Möglichkeiten gibt. Welche Auswirkungen das haben wird, hängt davon ab, wie sich unsere Gesellschaft weiterentwickelt. Heutzutage wird viel über Kredite finanziert und oft steht man vor dem Problem, wie man diese wieder zurückzahlen kann. Das Sparthema steht da häufig nicht im Vordergrund. Da müsste ein generelles Umdenken erfolgen: zuerst sparen und dann investieren, und nicht gleich investieren und dann die Kredite zurückzahlen. Darum ist es relevant, dass man schon im Kinderund Jugendalter mit dem Thema konfrontiert wird. Neubacher: Was müsste im Bildungssektor theoretisch passieren, dass Österreich ein Börsenland wird?
Begus: Der Umgang mit dem Thema sollte spielerisch gelehrt werden. Die SchülerInnen müssen die AuswirNeubacher: Kommen da Institutionen, wie zum Beikungen erkennen, die bestimmte finanzielle Maßnahmen spiel Banken, direkt auf die Schule zu oder geht der herbeiführen. Eine dieser Möglichkeiten ist eben das Kontakt von der Schule aus? Börsenspiel. Das müsste man vielleicht flächendeckender Begus: Wir haben an unserer Schule nähere Kontakte zu anlegen und beispielsweise eine einfache Version schon zwei Bankinstituten. Diese bestein unteren Schulstufen anbieten. hen bereits seit einigen Jahren. „Die SchülerInnen müssen die Auswir- Ich finde das Konzept sehr sinnVon einer der Banken erhalten kungen erkennen, die bestimmte finan- voll. wir auch regelmäßiges Sponsozielle Maßnahmen herbeiführen.“ ring. Darum ist es möglich, dass Neubacher: Was würden Sie sich wünschen, das sich in diesem Bereich ändern wir auch weitere Kooperationsmaßnahmen durchführen sollte, abgesehen davon, dass man das Börsenspiel können. Die Beziehung mit dem anderen Institut beruht ausweitet? auf persönlichen Kontakten seitens der Lehrkräfte. Natürlich versuchen aber alle Banken irgendwie an die SchuBegus: Dass der Bezug zur Praxis gefördert wird: Dass le zu kommen, aber solche Kooperationen sollten sich in man mit SchülerInnen in Banken geht, beziehungsweise einem gewissen Rahmen bewegen. VertreterInnen von Banken einlädt und so die Hemmschwelle dem Thema gegenüber abbaut. Neubacher: Im Gegensatz zu anderen Ländern sind die ÖsterreicherInnen Investmentmöglichkeiten wie Aktien allgemein eher abgeneigt. Wie wichtig ist es,
06
Joseph Aberl
Von Dienstleistung zu Kommunikationsinstrument: Finanzbildung durch die Oesterreichische Nationalbank
© FH St. Pölten
Mit der Zeit entwickelte sich der Euro-Bus von einer einfachen Dienstleistung zu einem wichtigen Kommunikationsinstrument der Oesterreichischen Nationalbank. Um einen tieferen Einblick in die Aktivitäten der Finanzkommunikation und -bildung der Oesterreichischen Nationalbank zu gewinnen, hat „PRaktivium“ ein Interview mit Martin Taborsky aus der Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit über den Euro-Bus geführt.
Joseph Aberl: Was war die Inspiration und das Kernziel des Euro-Busses?
Aberl: Welche Herausforderungen bestanden bei der Umsetzung?
Martin Taborsky: Der Euro-Bus ist im Prinzip ein Kind Taborsky: Ganz am Anfang waren es sehr profane Probdes Euro-Tausches. Wir haben damals den großen Schilleme, wie etwa Sicherheitsaspekte. Es ging um relativ viel ling-Berg vor uns gehabt, den wir in Euro umzutauschen Geld und darum das ganze irgendwo in die Infrastrukhatten und das hat in Wahrheit sehr schnell und gut funktur der Nationalbank einzubetten, aber natürlich drehte tioniert. Nach einigen Monaten ist es eigentlich nur mehr es sich auch um Kommunikationsaspekte. Wie machen hinein getröpfelt und wir haben uns damals die Frage gewir die Menschen darauf aufmerksam, dass wir nächsstellt: Wie können wir diesen Umtausch der Bevölkerung ten Dienstag in Hollabrunn am Haubenplatz stehen, die näher bringen? Und die Idee war damals so simpel wie BürgerInnen ihre Schillinge nehmen und vorbeikommen nur möglich: Wir schnappen uns einen alten Bus, bausollen? Da mussten wir erst lernen, wie wir mit möglichst en eine Kassa ein, ziehen durch die Lande und sammeln, einfachen und geringen Mitteln in die Bevölkerung komwie wir damals geglaubt haben, die letzten Schilling-Bemen. Wie viel können wir über PR machen? Wie viel über stände ein. So waren wir einen Sommer lang unterwegs klassische Werbeeinschaltungen? Wie binden wir die Bürim Jahr 2002, haben Schillinge eingesammelt und dann germeisterInnen oder Landeshauptleute ein? Wie komden Bus eingewintert. Wir waren relativ überzeugt, dass munizieren wir mit den Banken, die dort ansässig sind? wir das nie wieder machen, aber die Da hat sich im Laufe der Jahre ein „Ich denke, es ist für viele sehr Nachfrage hat sich potenziert. Die stark heterogener Medien-Mix ergeTelefone haben geläutet: „Wann wichtig gewesen, zu erkennen: Hier ben, mittels dessen wir versuchen, kommt ihr mit dem Bus? Ich hätte gibt es eine Institution, die für mei- mit möglichst geringen Mitteln die noch etwas gefunden. Ihr wart im Zielgruppe zu erreichen. Nachbarort, aber nicht bei uns!” ne Interessen an Finanzthemen, die mir Sorgen bereiten arbeitet.“ Dementsprechend haben wir dann Aberl: Gab es seitens der Oesterreichischen Nationalbank oder beschlossen, dass wir noch ein der Europäischen Zentralbank Hindernisse, die überzweites Jahr anhängen. Mittlerweile haben wir schon 14 winden werden mussten? Touren abgewickelt. Im Laufe der Jahre hatte sich allerdings der Charakter dieser Euro-Tour sehr stark veränTaborsky: Die größte Herausforderung bestand darin, dert: Am Anfang war es die reine Dienstleistung, also der dass diese Aktivität für eine Zentralbank extrem ungeTausch von Schilling in Euro, bald jedoch sind immer wöhnlich ist: Es ist ein sehr proaktiver Zugang, der anmehr Informationsleistungen dazugekommen. Zunächst sonst eigentlich nicht gewählt wird. Und er ist nach wie waren es Informationen über Banknoten und Sichervor, auf jeden Fall europaweit, aber soweit ich weiß auch heitsmerkmale, damit die BürgerInnen die neue Währung weltweit, der aktivste Zugang einer Nationalbank, mit der und Banknoten besser kennen lernen. Dies ist immer Bevölkerung in Kontakt zu treten. komplexer geworden, bis wir eben von der Euro-Tour zur Euro-Info-Tour übergegangen sind: Immer noch mit Aberl: Lag der Fokus zuerst auf der Schaffung einer Finanztransparenz und hat sich das dann langsam zur dem Währungstausch als Dienstleistung, aber wir führen Finanzbildung entwickelt? es schon lange nicht mehr deswegen durch, sondern stärTaborsky: Am Anfang war es tatsächlich die einfache ker als eine Kommunikations-Tour. 07
© Privat © Shutterstock: Jorg Hackemann
Mag. Martin Taborsky absolvierte seinen Magister-Abschluss in Sozial- und Wirtschaftswissenschaften 1997 und fing in jenem Jahr als Statistikexperte bei der Oesterreichischen Nationalbank zu arbeiten an. Seit 2013 ist er in deren Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit beschäftigt und ebenfalls beteiligt bei den internationalen Arbeitsgruppen der Europäischen Zentralbank und der OECD.
Dienstleistung: „Bring mir Schillinge und ich gebe dir Euro dafür!“ Danach ist das Portfolio schrittweise gewachsen. Es haben sich auch die Herausforderungen dabei massiv verändert: Bankenkrisen, Finanzkrisen in einzelnen Ländern. Wir haben auch Touren gehabt, bei denen plötzlich die Griechenland-Krise ganz stark präsent war. Die große Herausforderung war es, immer mit den richtigen und den passenden Antworten zur Verfügung zu stehen. Richtig antworten kann jede/r, aber dass man für die Zielgruppe die passenden Antworten findet, ist die große Herausforderung. Aberl: Wurde auch versucht, neben dem Erreichen von Kommunikationszielen eine Nähe zu den KundInnen aufzubauen?
Taborsky: „Kundennähe“ lässt sich im Fall der Oesterreichischen Nationalbank schwierig definieren, da uns ein sehr weitgehender Begriff inhärent ist: Wir haben nämlich 100% der Bevölkerung als KundInnen. Unsere Produkte sind sehr unmittelbar im Leben jeder/s Einzelnen spürbar. Allerdings ist der Bezug zur Nationalbank für BürgerInnen nicht leicht erkennbar. Bei den Banknoten ist es relativ leicht, den Kundenbegriff zu konstatieren, nämlich dass jede Person, die sich in diesem Land aufhält unsere Kundin bzw. unser Kunde ist. Aber auch bei Produkten der Preis- und Finanzmarktstabilität, die jede/r konsumiert, ist es nicht leicht zu sehen, dass eigentlich die Nationalbank dafür verantwortlich ist. Da galt und gilt es, ein Bewusstsein zu schaffen, dass hier jemand ist, der in diesen Angelegenheiten zum Nutzen der Bevölkerung arbeitet.
Aberl: Inwieweit gelang es dem Euro-Bus, sich in den von Ihnen genannten Krisensituationen als wichtiger Ansprechpartner zu positionieren?
möglichst im Vorhinein überlegen, wie können wir diese – oft nicht einfach mit Fakten zu belegenden – Fragen beantworten und ihre Sorgen entkräften. Ich denke, es ist für viele sehr wichtig gewesen, zu erkennen: Hier gibt es eine Institution, die für meine Interessen an Finanzthemen, die mir Sorgen bereiten arbeitet. Die Themen sind äußerst komplexe, und die wenigsten, die diese Nöte und Sorgen haben, bringen – ganz wertneutral formuliert – die Grundvoraussetzungen mit, Details zu verstehen. Hier kommen wir sehr stark zum Thema Vertrauen: Das ist ein Wert, der sowohl der Währung, als auch der Nationalbank entgegen gebracht wird. Und dieses Vertrauen ist dann in den unterschiedlichsten Themenbereichen ansteckend. Beispielweise der Bargeldkreislauf: Das Geld, das ich bekomme schaut eigentlich gut aus, denn da gibt es jemanden, der dahinter einen guten Job macht. Ich vertraue darauf, dass es funktioniert, dann kann man dieses Vertrauen in andere Themenbereiche miteinbeziehen. Es ist sehr positiv für uns, dass diese Art des Vertrauens von Thema zu Thema ansteckend wirkt. Aberl: Sind schon Pläne erstellt worden für die Zukunft des Euro-Busses, expandiert er?
Taborsky: Wir haben seit zwei Jahren die besondere Herausforderung, dass wir schon die zweite Serie der EuroBanknoten herausgeben. Das heißt, wir haben die neuen 5er- und 10er-Noten bereits vorgestellt. Dann präsentierten wir die neuen 20er, die im November 2015 herauskamen. Dieser Tausch der ersten Serie gegen die EuropaSerie wird bis Ende des Jahrzehnts abgehandelt sein. Ich gehe davon aus, dass wir mehr oder weniger bis dahin mit dem Euro-Bus diese Einführung der zweiten Euro-Serie begleiten werden. Wie es danach aussieht, ist noch offen.
Taborsky: Es ist durchaus so gewesen, dass in unterschiedlichen Jahren die BürgerInnen mit Fragen, Nöten und Sorgen zu uns gekommen sind, und wir mussten 08
„Wenn ein Unternehmen an der Börse ist, steht es im Schaufenster.“
Lisa Kerschner
Ein Börsengang bringt Herausforderungen und Gefahren für Unternehmen mit sich. Martin Hehemann, Managing Partner bei „Metrum Communications“, spricht mit „PRaktivium“ über die Besonderheiten der Börsengang-Kommunikation.
© FH St. Pölten
Lisa Kerschner: Welchen aktuellen Herausforderungen muss sich ein Unternehmen stellen, wenn es an die Börse geht?
absolut notwendig ist. Zudem muss ihm klar sein, dass es die regulatorischen Erfordernisse, die eine Börsennotiz mit sich bringt, abdecken muss. Bist du bereit, diesen Aufwand zu betreiben? Bist du willens und in der Lage, InvestorInnen fair, transparent und aktiv zu informieren? Damit meine ich: „Ist deine Finanzkommunikation professionell aufgestellt?“
Martin Hehemann: Im Wesentlichen steht immer ein Wort im Vordergrund: Trust. Das Unternehmen möchte von einem/r InvestorIn das Wichtigste, das er bzw. sie geben kann: Geld. Das vertraut er/sie aber nur dann an, wenn er/sie davon überzeugt ist, dass sein/ihr Kapital gut angelegt ist, dass er es mit einer attraktiven Rendite Kerschner: Wann gilt ein Börsengang als gut? zurückbekommt. Er muss also dem Unternehmen und Hehemann: Ich sehe hier zwei Schritte: 1. Wenn man seinem Management vertrauen. Um dieses Vertrauen zu sein Ziel erreicht und das geplante Volumen zu einem erhalten, muss das Unternehmen klar und transparent mit attraktiven Kurs platzieren kann. 2. Nach der Erstnotiz den InvestorInnen kommunizieren und das, was es verbeginnen dann die Mühen der Ebene – das Management spricht auch einhalten. Daher ist eine professionelle Fimuss liefern, damit der Kurs sich ordentlich entwickelt. nanzkommunikation so wichtig. Ein Börsengang, bei dem das Sie ist in den vergangenen Jahren „Wenn ein Unternehmen an die Börse Volumen voll platziert wurde, anspruchsvoller geworden, da der gehen will, muss das Management sich der Kurs aber ein Jahr später 20 Wettbewerb um Kapital deutlich Prozent um den Emissionskurs im Vorfeld darüber klar sein, dass diese liegt und sich dabei schlechhärter geworden ist. Performancekultur künftig absolut ter entwickelt hat als die Peer Kerschner: Welche Chancen Group, ist ein Misserfolg! notwendig ist.“ können sich einem Unternehmen beim Börsengang bieten?
Hehemann: Grundsätzlich ist ein Börsengang eine attraktive Möglichkeit, die Eigenkapitalbasis zu stärken. Der zweite Vorteil besteht in einem ganz erheblichen Marketingeffekt: Das Unternehmen bekommt eine neue „Visibility“, die es sonst nicht hätte. Ein dritter positiver Effekt kann der interne Faktor sein: Sind Unternehmen an der Börse, dann müssen sie auch die Versprechen gegenüber InvestorInnen einhalten. Sie müssen liefern. Die Unternehmenskultur wird noch stärker „performance driven“. Das tut im Regelfall dem Unternehmen sehr gut: Es gibt keine faulen Ausreden mehr; entweder lieferst du oder nicht. Und wenn du nicht lieferst, dann straft dich der/die InvestorIn ab, indem er bzw. sie dir sein Vertrauen und Geld entzieht. Wenn ein Unternehmen an die Börse gehen will, muss das Management sich im Vorfeld darüber klar sein, dass diese Performancekultur künftig 09
Kerschner: Was passiert im Worst Case beim Börsengang?
Hehemann: Das Unternehmen ist nicht in der Lage, seine Versprechen einzuhalten und wird dafür an der Börse abgestraft – der Aktienkurs sinkt. Dabei wird im Extremfall sehr viel Kapital vernichtet. Allgemein gilt: Wenn ein Unternehmen an der Börse ist, steht es im Schaufenster. Dann wirkt sich jede Krise, egal welche, viel stärker aus, als wenn es nicht börsennotiert ist. Dies führt dazu, dass man sich intern besser aufstellen muss. Neben der Kommunikation werden auch das Risikomanagement und das Controlling vor neue Herausforderungen gestellt. Es geht z.B. darum, mögliche Krisen und Bedrohungsszenarien im Vorfeld abschätzen, um sie im Idealfall zu vermeiden oder zumindest abfedern zu können. InvestorInnen wollen beispielsweise im Fall einer Marktkrise schnell wissen, wie sehr das Unternehmen betroffen ist. Dann ist man
© Metrum Communications © Shutterstock: NemesisINC
Mag. Martin Hehemann arbeitete bereits für Unternehmen wie die „Wirtschaftswoche“, Raiffeisen Zentralbank, Bank Austria, UniCredit Group und Austrian Airlines. Zuletzt war er Head of Group Marketing & Communications bei UNIQA. Seit 2014 ist er Managing Partner bei „Metrum Communications“, einer der führenden Anbieter von strategischer Kommunikationsberatung in Österreich.
hoffentlich in der Lage, dies schnell zu ermitteln. Es kann fatal sein, wenn man den Kapitalmarkt mehrere Tage lang nicht präzise informieren kann. Auf derartige Szenarien muss man mit klaren Prozessen vorbereitet sein. Kerschner: Welche Auswirkungen haben die vielen Regulierungen auf Unternehmen?
Hehemann: Die Regulierungen sind grundsätzlich dazu da, InvestorInnen zu schützen. Das ist gut. Aber der Aufwand ist sehr groß geworden. So etwa hatte ein Börsenprospekt vor 20 Jahren 30 Seiten, nun sind es 400. Es ziehen sich mittlerweile Unternehmen von der Börse zurück, weil der zeitliche und finanzielle Aufwand einer Börsennotiz in keinem Verhältnis mehr zum Ertrag steht. Wenn man bedenkt, dass alleine das Erfüllen der rechtlichen Anforderungen schon locker 500.000 Euro im Jahr kosten kann, dann ist das schon viel Geld für ein mittelgroßes Unternehmen. Trotzdem glaube ich unter dem Strich, dass der Gang auf den Kapitalmarkt insgesamt etwas sehr Positives für Unternehmen ist. Kerschner: Wann fängt die Kommunikation bei einem Börsengang an?
Hehemann: Frühzeitig. Ein Börsengang ist in der Regel keine Hauruck-Aktion, die kurzfristig anberaumt wird, sondern Teil einer Gesamtstrategie. Das heißt auch, dass das ganze Unternehmen, inklusive der Kommunikation, rechtzeitig börsen- oder kapitalmarktfit gemacht werden muss. Ein gängiger Weg ist, dass man als Unternehmen einmal mit der sanften Einstiegsdroge beginnt und einen Corporate Bond (Unternehmensanleihen) begibt. So wird das Unternehmen an den Kapitalmarkt herangeführt. Wir empfehlen, dass Börsenkandidaten mindestens ein Jahr vor dem Börsengang beginnen, sich kommunikativ am Kapitalmarkt zu positionieren. Kerschner: Welche Gruppen müssen bei der Börsengang-Kommunikation adressiert werden?
Hehemann: Am wichtigsten sind zwei Zielgruppen:
InvestorInnen und die eigenen MitarbeiterInnen. Mit beiden sollte man frühzeitig kommunizieren: mit ersteren, um klar herauszustellen, warum die Aktie ein attraktives Investment darstellt – man spricht hier von der „Investmentstory“; mit den MitarbeiterInnen, um sie für den Börsengang zu gewinnen und ihnen zu verdeutlichen, was die Börsennotiz mit sich bringt. Beide Zielgruppen spricht man natürlich direkt an, aber die externen Medien spielen natürlich auch eine große Rolle. InvestorInnen lesen genauso Zeitung wie MitarbeiterInnen. Kerschner: Wie viel Vorwissen bringen Unternehmen beim Besuch Ihrer Agentur mit?
Hehemann: Das ist ganz unterschiedlich. Die Spannweite ist hier durchaus groß. Die meisten Unternehmen sind schon überrascht, wie groß die Anforderungen an die Kommunikation sind. Man darf nicht vergessen: Das sind oftmals Unternehmen, die bislang einmal im Jahr ein, zwei Kennzahlen veröffentlich haben. Und nun müssen sie jedes Quartal umfassend über den Geschäftsverlauf informieren. Zudem gilt es, eine glasklare Investmentstory zu entwickeln – Wofür steht mein Unternehmen? Was macht es einzigartig am Kapitalmarkt? – und diese dann konsequent zu kommunizieren. Kerschner: Was war der spannendste Börsengang, an dem Sie bisher beteiligt waren?
Hehemann: Da fällt mir einiges ein. Aber ich würde gerne über den letzten großen Börsengang in Wien sprechen: Das war die Kapitalerhöhung der UNIQA im Jahr 2013, den wir als „Metrum“ begleitet haben. Der Börsengang ist damals sehr gut verlaufen, weil das Management und das gesamte Unternehmen sich sehr frühzeitig auf diesen Schritt vorbereitet haben. Der Börsengang war Teil einer Gesamtstrategie, die man den MitarbeiterInnen und dem Kapitalmarkt bereits im Jahr 2011 kommuniziert hatte. Die UNIQA hat sich damals zwei Jahre lang minutiös auf die Kapitalerhöhung vorbereitet – und das hat sich bezahlt gemacht.
10
Investorenmotto für Start-Ups: „Think big, but be realistic.“ Anna Weißenbacher
Marie-Hélène Ametsreiter, Partnerin beim österreichischen Venture-Capital-Fond Speedinvest und Jurymitglied in der „Puls4“-Show „2 Minuten – 2 Millionen“, verrät im „PRaktivium“Interview, wie Start-Ups bei InvestorInnen punkten und auch noch nicht vorhandene Unternehmenszahlen kommunizieren sollen. © FH St. Pölten
Anna Weißenbacher: Als Jurymitglied in der „Puls4“Show „2 Minuten – 2 Millionen“ haben Sie viele Pitches von motivierten JungunternehmerInnen miterlebt. Was ist das Geheimnis eines erfolgreichen Pitches?
Weißenbacher: Welche harten Faktoren sollte ein Start-Up bei einem Pitch vorbereitet haben?
Marie-Hélène Ametsreiter: Das perfekte Team. Im Wesentlichen geht es um die Menschen hinter dem Start-Up, wie engagiert, motiviert, begeistert und auch erfahren sie schon sind. Das steht über allem – über der Idee, über dem Produkt und über dem Markt.
Ametsreiter: Alles, was es an harten Faktoren gibt. Ideal ist es, ein Produkt zu haben, das in einer Beta-Version, als Pilot oder als Prototyp verfügbar ist. Erste Kundenerfahrungen, Vorbestellungen, Vorregistrierungen und Interessenserklärungen von potentiellen KundInnen sind ebenfalls wertvoll und hilfreich. Alles, was an Zahlen und Material vorhanden ist, ist hier willkommen.
Weißenbacher: Das bedeutet, dass harte Faktoren in einer Pitch-Präsentation eher nebensächlich sind und es auf weiche Faktoren ankommt?
Weißenbacher: Legen männliche Investoren ihr Hauptaugenmerk bei Investitionen auf andere Aspekte als weibliche?
Ametsreiter: Das kommt auf die Phase des Investments an. Wenn wir von Start-Ups in der ErstfinanzierungsPhase, der sogenannten Seed-Phase, sprechen, dann sind hier meist noch keine Umsätze und keine Business-Pläne vorhanden. Somit kann man sich gar nicht auf harte Faktoren stützen. Es wird ein Businessplan verlangt, aber das ist in dieser Phase eher Kaffeesudlesen. Deswegen achtet man stark auf die Zusammensetzung des Gründerteams, welche Kompetenzfelder es abdeckt und wie erfahren es ist. Weißenbacher: Wie soll das Start-Up in der SeedPhase seine nicht vorhandenen Unternehmenszahlen einem/r InvestorIn kommunizieren?
Ametsreiter: Ich sage immer: „Think big, but be realistic.” Gerade im österreichischen Umfeld reduzieren sich Start-Ups auf einen kleinen Markt, nämlich auf Österreich oder die DACH-Region. Internationale Start-Ups hingegen sagen: „Mein Markt ist die ganze Welt.“ Und das meine ich unter „think big“. Man soll sehr wohl groß denken und sich phantasievoll überlegen, wie man sein Unternehmen groß wachsen lassen kann. Aber man soll nicht einen Business-Plan erstellen, in dem man utopische Wachstumspotenziale für den österreichischen Markt prognostiziert, die einfach nicht gegeben sind.
11
Ametsreiter: Das hat von der Investitionsseite her keine Relevanz. Eventuell gibt es marginale Unterschiede, dass Investorinnen für weiche Faktoren ein besseres Gespür mitbringen, aber das kann man nicht generalisieren. Faktum ist, dass jede/r InvestorIn versucht, Erfolgsfaktoren bestmöglich zu begreifen. Speedinvest hat hier eine ganz klare Etikette und Vorgehensweise, die nichts mit dem Geschlecht zu tun hat. Weißenbacher: Speedinvest begleitet Start-Ups auf ihrem Weg zum Erfolg. Was würden Sie jungen Unternehmen bezüglich ihrer Finanzkommunikation raten?
Ametsreiter: Ein Baustein, bei dem wir Start-Ups stark helfen, ist das Fundraising, also das Aufstellen von neuem Investitionskapital. Hier müssen Start-Ups ihre Firma professionell präsentieren. Das Team soll einerseits sich vorstellen, aber auch fundierte Businesspläne, Wachstumsszenarien und Begründungen für die Weiterentwicklung des Unternehmens darlegen. Es ist gut, von Anfang an eine/n Lead-InvestorIn zu definieren, die bzw. der viel Erfahrung und Kompetenz mitbringt und bereit ist, das Start-Up zu begleiten. Lead-InvestorInnen sind in der Szene gut vernetzt und tun sich leichter, zusätzliches Kapital aufzustellen.
© Speedinvest © shutterstock: antoniodiaz
Mag. Marie-Hélène Ametsreiter ist seit 2014 Partnerin beim österreichischen VentureCapital-Fond Speedinvest und Jurymitglied bei der „Puls4“-Show „2 Minuten – 2 Millionen“. Nach Ihrem BetriebswirtschaftslehreStudium an der Wirtschaftsuniversität Wien baute Ametsreiter als CEO das kroatische Unternehmen Vipnet, eines der erfolgreichsten Mobilfunkunternehmen Europas, auf und wurde dafür 2006 als „Manager of the Year“ ausgezeichnet.
Weißenbacher: Mit welchen Argumenten finden Sie Co-InvestorInnen oder private InvestorInnen für Ihre Start-Ups?
Ametsreiter: Natürlich mit Erfolgsaussichten. Man zeigt auf, dass das Start-Up gut wächst, sich gut entwickelt und dass Marktpotential da ist. Branchentrends oder Diversifikationsmöglichkeiten sind ebenfalls gute Argumente. Es ist nicht unbedingt der Exit-Gedanke, der InvestorInnen dazu bewegt, zu investieren. Hier gilt es in erster Linie das Potential des erfolgreichen Wachstums aufzuzeigen.
halte ich persönlich für schwierig, weil ich glaube, dass die Enttäuschung vieler InvestorInnen hier relativ groß sein wird. Weißenbacher: Weil man das Produkt im Vorfeld nicht gut screenen kann?
Ametsreiter: Ja, man hat keinerlei Berührung mit dem Unternehmen. Man kann nur auf Basis der Website-Informationen entscheiden, ob man investieren will oder nicht. Ich habe keinerlei Mitspracherecht oder Mitgestaltungsmöglichkeit. Und die Frage ist auch, was man jemals Weißenbacher: Die digitale Branche ist eine schnellzurückbekommt und wie sich mein Anteil in weiteren Filebige. Wie kann man sich als InvestorIn sicher sein, nanzierungsrunden verhält. Aber es gibt große und erdass ein Produkt Erfolg versprechend ist und sich folgreiche Crowdinvestment-Plattformen, die sicherlich schlussendlich auch rentiert? auch den einen oder anderen Vorteil für Start-Ups haben. Ametsreiter: Das kann man nicht. Diese dynamische Eine Konkurrenz sehen wir darin nicht. Wir empfehlen Branche basiert auf Erfahrungswerten. Man sieht sich Start-Ups sehr wohl auf einer Plattform, wie Kickstarter, einerseits an, ob die Businessdas Produkt zu testen. Aber das modelle, die PerformanceMarke- „Im digitalen Bereich und in der Seed- ist nur bei B2C-Produkten, die tingstrategien und die Distributi- Phase ist es für InvestorInnen ratsam, für den Massenmarkt geeignet onskanäle gut funktionieren und sind möglich. sich in einem Fond mit breiter Risiandererseits, wie viel technische Neuerung und Innovationskraft kostreuung zu engagieren und dort ihr Weißenbacher: Weibliche CEOs bei Start-Ups im digitalen Behinter dem Produkt steckt. Diese Geld anzulegen.“ reich sind eine Seltenheit. WaKombination aus verschiedenen rum ist das so und was würden Sie speziell UnternehFaktoren hilft uns abzuwägen, welches Produkt hohe Ermerinnen mit auf den Weg geben wollen? folgsaussichten hat und welches niedrigere. Ametsreiter: Ich würde nicht sagen, dass es keine weibWeißenbacher: Hat Crowdfunding die Tätigkeit von lichen CEOs gibt. Wir hatten in der letzten Show bei „2 Investment-ManagerInnen verändert? Minuten – 2 Millionen“ Desiree Zottl als hervorragenAmetsreiter: Zuerst muss man zwischen Crowdfunding de Programmiererin, CEO und Gründerin von gatherer. und Crowdinvestments unterscheiden. Das eine sind Und Shpock, das gerade sensationell verkauft wurde, hat Plattformen, wie beispielsweise Kickstarter, wo ich mein ebenfalls einen weiblichen CEO. Es gibt sehr wohl BeiProdukt vorverkaufen kann. Das macht großen Sinn, spiele und wir präferieren selbstverständlich gemischte denn hier kann ich die potentielle Kundennachfrage tesTeams. Unsere Gesellschaftsstrukturen sind nach wie vor ten und hole mir aber keine InvestorInnen gegen Equity noch nicht entwickelt und gleichberechtigt genug, damit in mein Unternehmen. Und dann gibt es Crowdinvestes Rahmenbedingungen gibt und es selbstverständlich ist, ment-Plattformen, wo man sich als PrivatinvestorIn gedass Frauen Karriere machen sollen und können. gen kleinere Geldbeträge am Unternehmen beteiligt. Das 12
„Ein Start-Up impliziert immer eine Wette auf den Markt.“
Philip Jeschko
Felix Häusler, CEO des Start-Ups Chatgrape, spricht über seine persönlichen wirtschaftlichen Herausforderungen wie Rückschläge im Jungunternehmertum und diskutiert mit „PRaktivium“ über das „Start-Up-Land Österreich“.
© FH St. Pölten
Häusler: Die Bilanzierung ist eine eigene Sache. In unserem Geschäftsbereich ,„Software is a Service“ werden zu Beginn, abhängig von den personellen und finanziellen Felix Häusler: Ein Start-Up muss nicht unbedingt klein Ressourcen, viele Unternehmen unter Vertrag genomsein. Den Social Media-Dienst „Twitter“ konnte man men, die jedes Monat eine bestimmte Gebühr bezahlen. in der Zeit, wo dieser bereits Traffic aufwies, aber noch Das bedeutet, dass die ersten konkreten Auswirkungen keine Umsätze verzeichnete, auch noch als Start-Up beeines Investments erst später aufgezeigt werden können. zeichnen. Ein Start-Up impliziert immer eine Wette auf Je mehr demnach in ein Unternehmen mit dem Fokus den Markt. Im Grunde ist es eine Idee, für die man Geld auf „Software is a Service“ investiert wird, desto schlecheinsammelt und schließlich versucht, diese so schnell ter sehen die Zahlen in den ersten Monaten aus. Mit unwie möglich zu verifizieren. Wenn die Idee dann nicht seren unter Vertrag genommenen Unternehmen kann funktioniert, wird sie angepasst. Ein Start-Up ist also eine erst nach zehn Monaten tatsächlich Profit erzielt werden. Firma, die versucht, in einer Wette mit dem Markt ein Einfach gesagt: Je mehr Firmen man mit einem monatlipassendes Business-Modell zu finden. chen Entgelt unter Vertrag nimmt, desto schlechter zeigt sich die Bilanz in frühen Phasen. Das heißt, man hat Jeschko: Warum haben Sie nach dem ersten Start-Up enorme Verbindlichkeiten und noch immer die Gefahr ohne finanziellen Erfolg trotzdem weitergemacht und einer Rückabwicklung. An dieser Stelle sind so manche neue Unternehmen gegründet? Share- und Stakeholder, die den „Software is a Service“Häusler: Das erste Start-Up Markt nicht kennen schnell verbegann als Projekt, welches „Du verbringst in etwa 60 bis 80 Stun- unsichert. Gute InvestorInnen wir neben dem Studium aufge- den wöchentlich mit deinem Start-Up sehen sich hierbei den Customer Lifetime Value an. baut haben und später das ersund nimmst Geld von jemandem, der te erfolgreiche österreichische Kickstarter-Projekt wurde. Wir hoffentlich noch wesentlich mehr hat, Jeschko: Nach welchen InvestorInnen sollte man Aussind aus unserem Studien- in das und vermehrst es im besten Fall. “ schau halten? Start-Up-Leben quasi „hineingerutscht“. Das ist oft ein gutes Zeichen, weil es bedeuHäusler: Gute InvestorInnen interessieren sich vor allem tet, dass bereits ein „Zugeffekt“ vorhanden ist und du es für den Track-Record und die Fähigkeit zu adaptieren, nicht des simplen „Start-Up-Machens“ wegen tust, was also Veränderungen zu lesen. Erfahrenen InvestorInnen heutzutage viele Leute reizt. Wir konnten einst zwar eine in Europa, die einen Businessplan anfragen, geht es nicht Community mit vielen UserInnen aufbauen, aus dem um eine möglichst detailgenaue Prognose der nächsten Projekt jedoch kein geeignetes Business-Modell machen, fünf Jahre; sie wollen vielmehr sehen, dass man in der weil wir damals kein Geld und auch nicht die richtigen Lage ist, eine Excel-Tabelle zu konstruieren, in der man InvestorInnen hatten. Aber das Projekt war für uns und die Werte auch später noch ändern kann. Man sollte aufür das, was wir in dieser Zeit machen konnten ein Erfolg, ßerdem nur bei InvestorInnen anfragen, die verstehen, auf welchem wir aufzubauen wussten, um InvestorInnen wie das Gewerbe funktioniert. Start-Ups benötigen die für das nächste Projekt zu begeistern. Unterstützung der InvestorInnen in den verschiedensten Situationen, beispielsweise, wenn in einer Krise auf deren Jeschko: Wie kann man in frühen Phasen ohne positiErfahrungen zurückgegriffen werden kann. Wenn ein/e ven Return on Investment seine wirtschaftliche LeisInvestorIn verärgert ist, aber dir helfen kann, dann ist tung an seine InvestorInnen kommunizieren? das eine produktive Hilfe. Für die guten InvestorInnen Philip Jeschko: Der Begriff „Start-Up“ wird oft als Überbegriff für ein junges Unternehmen verwendet. Wie lautet Ihre Definition?
13
© Felix Häusler © Shutterstock: Rawpixel.com
Felix Häusler, CEO von Chatgrape, einer Softwarelösung für Unternehmen und Agenturen, kann bereits mit 26 Jahren auf ein spannendes Berufsleben zurückblicken. Nach den Gründungen von Newsgrape, Ubergrape und jetzt Chatgrape will Häusler die interne Kommunikation revolutionieren.
ist man eines von zehn oder 20 Start-Ups und für sie gilt die Wette, dass sie es durch gutes Monitoring schaffen, dass ein oder zwei davon aufgehen. Wenn deines nicht dabei ist, soll es noch immer möglich sein, dass du mit dem/r InvestorIn auf ein Bier gehst. Du verbringst in etwa 60 bis 80 Stunden wöchentlich mit deinem Start-Up und nimmst Geld von jemandem, der hoffentlich noch wesentlich mehr hat, und vermehrst es im besten Fall. Wenn das die Ausgangslage ist, dann hast du dich mit den richtigen Leuten „ins Bett gelegt“. Wenn das der Grundbaustein ist, was soll dann noch passieren? Jeschko: Worin liegt der Unterschied zwischen erfolgreichen und gescheiterten Start-Ups?
Häusler: Als GründerIn ist man immer in der nächsten Phase der Unfähigkeit: Deine Aufgabe ist es ja eigentlich, eine Startrampe für ein sehr gutes Team zu sein, die richtigen MitarbeiterInnen einzustellen, die dich schrittweise in allen Bereichen, die du am Anfang selbst machen musstest ersetzen. Ein Start-Up muss in der Lage sein, eine nicht funktionierende Idee weiter an den Markt anzupassen. Wenn man diese Situationen richtig deutet und das Unternehmen stetig weiterentwickelt, kann man als Start-Up in einem Jahr vielleicht zwei bis drei richtige Pivots machen, also zwei bis dreimal das Geschäftsmodell komplett drehen. Wir sind in diesem Verwerfungs- und Verifikationsprozess immer schneller geworden. Andere Start-Ups halten an ihren Ideen und Konzepten fest und werden vom Markt nicht wahrgenommen. Jeschko: Ist Österreich ein gutes Pflaster für Start-Ups oder sollte man besser in den USA sein Unternehmen aufbauen?
Häusler: Ein Umstand, der für Österreich genauso zutrifft wie für die USA ist das Sicherheitsnetz, das GründerInnen erlaubt, Risiken einzugehen. Diese Risikobereitschaft und die Möglichkeit Risiken einzugehen sollen auch das Geheimnis des Erfolgs von manchen US-amerikanischen Start-Ups sein. Diese Aussage hat seine Richtigkeit, jedoch liest man nur von den Erfolgsgeschichten. Es gibt eine Vielzahl an GründerInnen, die auf ein
Investment im Silicon Valley warten und nicht an einen Aufbau denken können. Die zehn Start-Ups, die es geschafft haben, ein internationales Unternehmen mit Umsätzen in Milliardenhöhe aufzubauen, kämpften mit einer viel größeren Konkurrenz. Unser erstes Start-Up Newsgrape hätten wir in den USA aufziehen sollen, weil unsere Kickstarter-InvestorInnen dort ansässig waren und dieses Community-Produkt dort eine größere Akzeptanz und Nachfrage gehabt hätte. In Europa ist es schwierig, solche Produkte erfolgreich am Markt zu platzieren. Man muss sich auch bewusst sein, dass der europäische Markt sich vom amerikanischen, speziell im CloudService-Bereich, unterscheidet. Man hat hier andere Chancen, beispielsweise durch die geringeren Entwicklerkosten. Auch stellt Österreich einen Testmarkt für Deutschland dar. Dennoch sollte man nicht versuchen einem Produkt, welches in den USA möglicherweise gut funktioniert, in Österreich Erfolg vorherzusagen, denn dafür gibt es nicht dieselben Networking-Effekte wie in den USA. Jeschko: Haben Sie Tipps für junge UnternehmerInnen?
Häusler: Kein/e InvestorIn findet es gut, wenn du als GründerIn sagst, du zahlst dir kein Gehalt aus – viele sagen das noch dazu voller Stolz. Ein/e InvestorIn will aber nicht, dass du am Hungertuch nagst und Inkassobriefe bekommst, sondern dass du dich auf die Arbeit fokussieren kannst. Er bzw. sie möchte auch, dass du die richtigen finanziellen Entscheidungen triffst und dich nicht unter Wert verkaufst. Das gleiche gilt für deine MitarbeiterInnen. Sie sollen ein gutes Leben haben und so weit wie möglich am Erfolg partizipieren können.
14
Clemens Brückner
BankberaterInnen als „Facebook“-FreundInnen
© FH St. Pölten
Social Media sind längst fester Bestandteil österreichischer Großunternehmen und bieten alternative Kommunikationsmöglichkeiten. Auch der Bankensektor macht hier keine Ausnahme, hat jedoch aufgrund seiner diskreten Kundenansprache eine gesonderte Rolle in diesem offenen, digitalen Umfeld. Walter Mösenbacher, Geschäftsführer der „Raiffeisen e-force“, erläutert im Interview mit „PRaktivium“, wie rund 280.000 „Facebook“-Fans optimal angesprochen werden.
Clemens Brückner: Beschreiben Sie bitte die Entwicklung von Corporate Social Media-Sites österreichischer Banken.
det sie, ob sie eine eigene Site haben will oder nicht. Ein schönes Beispiel ist die Raiffeisen-Bank in Krems. Die hat eine „Facebook“-Site mit 1.400 Fans, aber das Besondere ist, dass wir ein gemeinsames Content-ManagementSystem haben, sodass sie den Content von übergeordneten Mandaten übernehmen kann. „Facebook“ ist bei uns nicht nur die Site, sondern auch eine generelle Frage der Kommunikation: der Berater bzw. die Beraterin als „Facebook“-FreundIn, als Teil der lokalen Community.
Walter Mösenbacher: Wir haben zuerst nicht Social Media, sondern Web 2.0 gesagt. Der große Unterschied zwischen 1.0 und 2.0 waren die HTML-Kenntnisse, die man haben musste, um irgendwas ins Internet stellen zu können. Mit 2.0 kamen dann „Youtube“, die ersten Blogs und Foren, und jeder konnte ohne Programmierkenntnisse Content in das Web stellen. 2005 waren die Stars noch „Myspace“ und „StudiVZ“ und wir haben uns schon zu Brückner: Das heißt, Sie haben auf der kleinsten Ebene, der „Facebook“-Site, Content und Posts, die auch jener Zeit mit diesen Kanälen stärker beschäftigt und anauf anderen Seiten zu finden sind, aber nutzen den gefangen mit eigenen Blogs, die auch intern als DiskusChannel ebenso, um Kontakt sionsmedien verwendet wurden. Danach kamen Wissensdaten„Früher habe ich zwei bis drei Kommu- mit den BürgerInnen vor Ort zu haben? banken à la „Wikipedia“ hinzu nikationskanäle gehabt, heute habe und 2008/2009 entschieden wir Mösenbacher: Genau so ist es. uns, eine eigene „Facebook“-Site ich 15 bis 20. Das Besondere im Social aufzubauen. International waren Media-Bereich ist die direkte und inter- Brückner: Traditionelle Komnatürlich die großen Häuser wie aktive Response, welche die Diskussion munikation in Banken hat den Anspruch sehr diskret zu sein. Bank of America, Wells Fargo, anregt.“ Wie kann dies in das offene etc. bereits auf der Plattform, Social Web getragen werden, aber in Österreich war die Raiffbzw. gibt es hier einen Widerspruch? eisen-Bankgruppe eine der ersten. Die Krux ist natürlich immer, dass man für die KundInnen interessante Inhalte Mösenbacher: Nein. Wir müssen von dem „Entwehat. der oder“-Denken wegkommen, da wir heute in einer „Sowohl als auch“-Welt leben. Es gibt zum Beispiel Brückner: Raiffeisen hat mehrere „Facebook“-Sites, das vertrauliche Beratungsgespräch, bei dem ich ein die einerseits nach thematischen, aber auch geografiHaus bauen will und eine Finanzierung von 150.000 schen Merkmalen unterteilt sind. Welche Gründe bzw. bis 200.000 Euro benötige. Das macht man natürlich Vor- und Nachteile stehen hinter dieser Trennung von nicht über „Facebook“, auch aus sicherheitstechninationalen, regionalen, aber auch lokalen Einzelfiliaschen Gründen. Wir könnten jedoch das Gespräch in len-Sites? der Mailbox unseres Online-Bankings weiterführen, das Mösenbacher: Raiffeisen ist ein schönes Abbild von Ösist genauso vertraulich wie das Vier-Augen-Gespräch. terreich, wo man auch Gemeinden, das Bundesland und Auch die Kommunikation als börsennotiertes Unterden Bund miteinbezieht. Je nachdem, wie stark die örtlinehmen wird gesondert berücksichtigt. Hier muss man che Raiffeisen-Bank in diesem Thema tätig ist, entscheibesonders aufpassen, wann man börsenrelevante Dinge 15
© David Sailer © Shutterstock: arka38
Dr. Walter Mösenbacher ist seit 1995 bei der Raiffeisen-Bankengruppe tätig und leitet seit dem Jahr 2000 als Geschäftsführer das Raiffeisen Internetkompetenzzentrum „Raiffeisen e-force“. Der gebürtige Schladminger hat nach der technischen Ausbildung an der HTL-Salzburg Betriebswirtschaftslehre in Graz studiert und sich in die Bereiche IT & Marketing vertieft, die ihn schließlich zu seiner heutigen Position führten.
bekannt gibt, da auch die klassische Kommunikation mit Analysen und Presseaussendungen den gleichen Stellenwert hat wie Social Media-Kanäle. Früher habe ich zwei bis drei Kommunikationskanäle gehabt, heute habe ich 15 bis 20. Das Besondere im Social Media-Bereich ist die direkte und interaktive Response, welche die Diskussion anregt. Brückner: Was sind Ihre Ansprüche und Ziele hinter Social Media-Kommunikation?
Mösenbacher: Ein Ziel ist die Image-Dimension und dass wir in der Lage sind, all die Kommunikationskanäle zu bespielen. Wo wir momentan nicht vertreten sind, sind „Snapchat“ oder „Periscope“, da sind wir quasi noch in der Social Media-Welt 1.0. Das zweite Ziel ist natürlich Leads zu generieren. Der Interessent bzw. die Interessentin soll sich entweder über die Online-Kommunikationskanäle mit uns in Verbindung setzen oder direkt in die Raiffeisen-Bank gehen. Das dritte ist die gezielte Verwendung als Kommunikationskanal. Wenn es einen Krisenfall gibt und das Redaktionssystem der normalen Website plötzlich versagt, hat man einen weiteren Kommunikationskanal im Internet, den man bespielen kann. Brückner: Wie sieht die Zukunft der Finanzkommunikation im Social Web aus? Was haben Sie vor, um Raiffeisen dahingehend vorzubereiten, den größtmöglichen Nutzen aus diesen Medien zu ziehen?
Mösenbacher: Social Media ist ein Baustein. Es ist mir besonders wichtig, dass bei allen Kontaktpunkten, die der Kunde bzw. die Kundin mit Raiffeisen hat, die Customer Journey stimmt. Das beginnt bei der Suche auf „Google“, dem Vergleich von Anleger-Seiten, dem Besuch der Raiffeisen-Bank oder der Befragung der „Facebook“FreundInnen. Man muss jeden Kommunikationskanal optimal bewirtschaften und darf nicht den Fehler ma-
chen und sagen, dass in Zukunft alles auf „Facebook“ ist und auf alles andere verzichtet wird. Dieses Gesamtkonzert richtig zu bespielen, im Sinne von Predictive-DataAnalysis (Anm. d. Red.: Analysieren von Datenmustern, um Prognosen über deren Entwicklung zu erstellen), ist ganz schön „tricky“ in der Praxis, da sind wir sicherlich noch am Beginn. Ein zweiter Punkt ist, dass man gar nicht mehr so durchdringt zu seinen Fans, da sich „Facebook“ das bezahlen lässt. Wenn wir einen Post publizieren, sehen das nicht 280.000 Leute, sondern nur ein Bruchteil, da „Facebook“ davon lebt, Werbung zu verkaufen. Wir müssen uns deshalb überlegen, wo wir Werbemaßnahmen setzen. Das nächste Wichtige ist die Videokommunikation im Sinne einer Vorberatung für Bankprodukte, etwa mit Geo-Location vereint. Ich habe zum Beispiel die Frage: „Was ist der Unterschied zwischen fixen und variablen Kosten?“, und danach würde gleich ein/e BeraterIn der RaiffeisenBank in St. Pölten eingespielt werden, wenn ich in St. Pölten auf den „YouTube“-Channel zugreife. Brückner: Das heißt, Video wird wichtiger für die Oneto-Many-Kommunikation mit Tutorials und allgemeinen Informationen, aber auch für die One-to-OneKommunikation, beispielsweise bei persönlichen Beratungsgesprächen über einen Stream?
Mösenbacher: Ja. Was man heute auch international sieht, ist, dass man mit Zones arbeitet und ich temporär gewisse Videos in die Online-Banking-Applikation stellen kann. Hier ist es wichtig, dass die enthaltenen Botschaften sowohl zeit- als auch ortsgerecht ausgespielt werden. Da wird es zunehmend zielgerichteter, weil wir stetig verringern und die entsprechenden Key Performance Indicators erfüllen wollen.
16
Storytelling in der Wirtschaftsund Finanzkommunikation
Alexander Willim
„Kindern erzählt man Geschichten zum Einschlafen. Erwachsenen, damit sie aufwachen“. (Jorge Bucay) Um heutzutage als Kommunikationsexperte/in Erfolg zu haben, muss man ein/e gute/r GeschichtenerzählerIn sein. Michael Kochwalter, Geschäftsführer der PR-Agentur „UNIQUE relations“, weiß, wie man diese Geschichten schreibt. © FH St. Pölten
Alexander Willim: Was macht eine gute Geschichte aus?
Kochwalter: Meiner Erfahrung nach sind es die Vorurteile, die dem Storytelling in dieser Branche gegenüberstehen. Viele Kommunikationsverantwortliche denken, dass diese Disziplin nicht in die Wirtschafts- und Finanzkommunikation passt. Ich persönlich halte dieses Vorurteil für falsch. Gerade in der Wirtschafts- und Finanzkommunikation ist es wichtig, Zahlen und Fakten nicht nur nüchtern aneinanderzureihen, sondern diese in einen Kontext zu stellen, ihnen eine Bedeutung zu geben und so eine sinnstiftende Geschichte erzählen zu können. Meiner Meinung nach ist die Wirksamkeit des Storytellings in der Finanz- und Wirtschaftskommunikation sogar höher als in vielen anderen Bereichen.
Michael Kochwalter: Das neudeutsche Wort „Storytelling“, welches aktuell sehr modern ist und gehypt wird, beschreibt ja im Prinzip etwas, das es schon länger gibt – nämlich eine gute Geschichte zu erzählen. Im Endeffekt bietet es die Möglichkeit, Strategien und Botschaften in eine Geschichte zu verpacken. Der Vorteil ist, dass Geschichten meist sinnstiftend, unterhaltsam, emotionalisierend und dadurch auch leichter merkbar sind. Eine gute Geschichte besteht aus mehreren Teilen: Zuallererst benötigt man ein Thema, dann so etwas wie eine/n Heldin/ en – also eine/n Protagonistin/en – und die Dramaturgie. Diese ist oft so aufgebaut, dass es eine Herausforderung gibt, einen Lösungsversuch bzw. einen Lösungsansatz, Willim: Wie implementiert Ihre Agentur Storytelling in die Unternehmenskommunikation der KundInnen? darauf folgen Hemmnisse und schlussendlich kommt es doch zu einer Lösung. Eine gute Kochwalter: Am Beginn einer Geschichte muss, um zu funkZusammenarbeit lassen wir den „Meiner Meinung nach ist die tionieren, auch plausibel, nachWirksamkeit des Storytellings in der Kunden bzw. die Kundin seine vollziehbar und relevant für die oder ihre Geschichte bzw. den LeserInnen sein. Sie sollte auf ei- Wirtschafts- und Finanzkommunikation roten Faden des Unternehmens sogar höher als in vielen anderen ner leicht verständlichen Sprache erzählen. Dieser Prozess dauert aufbauen sowie Metaphern, Bilimmer eine gewisse Zeit und Bereichen.“ der und Vergleiche beinhalten. wird gemeinsam mit dem KunAuch müssen die sechs W-Fragen beantwortet werden: den oder der Kundin in Workshops erarbeitet. Manchmal Wer? Was? Wann? Wie? Wo? Warum? Wenn diese Kritemuss man nachfragen und nachhaken, aber jedes Unterrien erfüllt werden, sind die Anforderungen an eine gute nehmen hat eine Geschichte, die man über die gesamGeschichte erfüllt. te Kommunikation legen kann. Das erfolgt unabhängig vom konkreten Kommunikationsinstrument bzw. der Willim: Aber wer entscheidet letztendlich, ob eine konkreten Maßnahme, unabhängig davon, ob es sich daGeschichte gut oder schlecht ist? bei um eine einzelne Presseaussendung, PressekonferenKochwalter: Immer die Zielgruppe. In der Kommunikazen, Publikationen oder auch um Interne Kommunikatition musst du dich immer nach deinem Markt richten. Zu on handelt. Beginn ist es meist am wichtigsten zu definieren, wer die Zielgruppe ist. Die Kommunikation wird dann darauf Willim: Wie mutig sind KundInnen, was die Umsetzung des Storytellings betrifft, gerade in dieser Branche? ausgerichtet: Was ist für die Zielgruppe relevant und was interessiert sie wirklich? Kochwalter: Da geht es meiner Meinung nach nicht um Mut zu konkreten Schritten oder Maßnahmen. VielWillim: Vor welchen Herausforderungen steht Storymehr sind die BeraterInnen gefragt, die Zusammenhäntelling jetzt speziell in der Wirtschafts- und Finanzge plausibel zu erklären, sodass es einen Sinn ergibt, all kommunikation? diese Zahlen und Fakten in Relationen zu stellen, um die 17
© Arnd Ötting
© Shutterstock: Khakimullin Aleksandr
Michael Kochwalter, aktuell Geschäftsführer der Wiener PR-Agentur „UNIQUE relations“, war bereits Sprecher und Büroleiter von Finanzstaatssekretär Wolfgang Ruttenstorfer, Generalsekretär und Konzernsprecher der Siemens AG Österreich, Senior Executive Vice President Corporate Communications der Flughafen Wien AG und Geschäftsführer zweier Gesellschaften der Wien Holding.
Strategien und Botschaften des Unternehmens wirksam zu vermitteln. Willim: Welche Kommunikationsinstrumente und Maßnahmen eignen sich besonders gut für das Erzählen von Geschichten?
Kochwalter: Bei den Kommunikationsinstrumenten sind es definitiv Public Relations und die klassische Werbung. Im Bereich der Public Relations hat Storytelling auch für das Lobbying eine große Bedeutung.
nach besonders gut funktioniert?
Kochwalter: Sehr gut gefallen mir zum Beispiel die Hornbach-Werbungen, die für mich reines Storytelling sind. Dann gibt es natürlich noch andere Beispiele, wie den Stratosphären-Sprung von Felix Baumgartner und Red Bull. Willim: Was ist das besondere an der HornbachWerbung, das Sie so fasziniert?
Kochwalter: Auch bei Themen des Lobbyings geht es vor allem darum, Fakten und Argumente in einen größeren Zusammenhang zu stellen. Gerade hier stehen oft Stories dahinter, die man erzählen muss, um Entscheidungsträgerinnen und -träger die Tragweite des Themas besser erläutern zu können. NGOs sind auf diesem Gebiet, was die Professionalität des Storytellings betrifft, der Wirtschaft oft voraus.
Kochwalter: Am besten gefällt mir der Spot, in welchem der Vater das Haus schwarz anmalt. Im Prinzip ist die Botschaft, dass du bei Hornbach Farbe kaufen kannst. Tatsächlich wurde eine emotionalisierende Geschichte mit dem Gothic-Girl kreiert, die sich die Leute merken. Da geht es nicht nur darum, dass man Farbe um einen gewissen Betrag je Kilogramm oder Liter kaufen kann, sondern es werden Emotionen und Botschaften transportiert. Die Menschen können sich mit den alltäglichen Problemen und Herausforderungen, welche die Hornbach-Werbungen zeigen, identifizieren.
Willim: Wie lässt sich Storytelling nun konkret in eine Bilanzpressekonferenz integrieren?
Willim: Können Sie abschließend auch aus Ihrer Agentur ein Best-Practice-Beispiel nennen?
Willim: Warum für das Lobbying?
Kochwalter: Jedes Finanzjahr hat eine vorausschauende Planung und dahinter steht ja immer eine Geschichte, denn diese Planung wird anhand einer bestimmten Strategie entwickelt. Die Bilanzpressekonferenz kann man in den Kontext des vergangenen Jahres setzen: Was wurde geplant und was wollte man erreichen? Welche Lösungsansätze gab es und welchen Herausforderungen musste man sich stellen? Und schlussendlich, was hat man erreicht? Willim: Eignet sich Storytelling auch für Krisenkommunikation?
Kochwalter: Da bin ich skeptisch. Krisenkommunikation hat meist mit Argumentationen und Fakten zu tun. Im Storytelling lässt man hingegen stets einen Raum für Interpretationen offen. Willim: In welchem Fall hat Storytelling Ihrer Meinung
Kochwalter: Wir haben die Energie Burgenland bei einem großen Change-Prozess, nämlich der Fusion von BEWAG und BEGAS zur Energie Burgenland, begleitet. Die Story, die dahintersteht bzw. die im Rahmen des Change-Prozesses erzählt wurde, ist, dass die Energie Burgenland früher ein lokaler Energieversorger ohne eigene Energieproduktion war. Dann haben sie sich mit einer Vision, genauer Planung, viel Mut und durch Miteinbeziehung der lokalen Bevölkerung zu einem europaweiten Vorreiter in Sachen Ökostromproduktion entwickelt. Jetzt ist die Energie Burgenland ein erfolgreicher Energiedienstleister, der gut durch die Energiewende kommt. Außerdem haben sie wesentlich dazu beigetragen, dass das Burgenland als eine der wenigen Regionen Europas mittlerweile stromautark ist, das heißt, es wird mehr Strom im Burgenland produziert als verbraucht. Noch dazu reiner Ökostrom. Wenn das keine gute Geschichte ist! 18
Für NGOs ist Kommunikation ein Kerngeschäft und Erfolgsfaktor
Britta Dürscheid
NGOs leben von Spenden, die durch Fundraising generiert werden. Im Gespräch mit „PRaktivium“ erklärt Günther Lutschinger, Geschäftsführer des Fundraising Verband Austria, wie NGOs Anforderungen der Finanzkommunikation gerecht werden und Transparenz wie Vertrauen in der Spenderkommunikation schaffen. © FH St. Pölten
Britta Dürscheid: Was sind die Hauptfinanzierungsquellen von NGOs?
Günther Lutschinger: NGOs, die im politischen Kampagnenbereich tätig sind, wie zum Beispiel Greenpeace, sind zu etwa 90% über Spenden finanziert. Dadurch können sie unabhängiger von staatlichen Einflüssen bleiben. Daneben gibt es weitere Einnahmequellen wie Mitgliedsbeiträge, Erbschaften oder Unternehmenskooperationen. Organisationen, die Dienstleistungen für die Gesellschaft erbringen, zum Beispiel Rettungsdienste oder Pflegeheime, werden zusätzlich über Subventionen oder Sozialversicherungsträger finanziert. Dürscheid: Welche Besonderheiten resultieren daraus, was die Finanzkommunikation von NGOs betrifft?
vestiert werden. Eine große Organisation hat wesentlich günstigere Kostenstrukturen als eine kleine Organisation. Das muss man differenziert betrachten: Die Personalund Kommunikationskosten machen bei kleineren Organisationen einen höheren Anteil am Gesamtbudget aus. Dürscheid: Besteht ein hoher Legitimationsdruck, da das Geld vor allem den Bedürftigen zugutekommen soll?
Lutschinger: Diese Frage höre ich immer nur von JournalistInnen, aber nie von SpenderInnen. Der oder die SpenderIn vertraut der Organisation. Wie das Geld im Detail aufgeteilt wird, wie viele Decken gekauft wurden, wie teuer der Strom ist, wie hoch „Oft sind große und mittlere NGOs im die Personalkosten sind, kann Vergleich zu Unternehmen sogar besser und will der/die SpenderIn in der Regel nicht im Detail nachaufgestellt, weil sie die Kommunikation vollziehen.
Lutschinger: Im Unterschied zu Unternehmen, die Produkte als Kerngeschäft und zentralen Faktor oder Dienstleistungen verkaufen, Dürscheid: Interessiert die für den Erfolg betrachten.“ SpenderInnen nicht, wofür ihr erhalten SpenderInnen keine unGeld investiert wird? mittelbare Gegenleistung. Zentral ist hier die Freiwilligkeit. Die Kommunikation und das Fundraising bauen auf Lutschinger: Der/die SpenderIn hat Vertrauen und folgt einem ganz anderen Mechanismus auf als in der Wirtdem Impuls, etwas Gutes zu tun. Wie viel Geld in die schaft, wo primär über das Produkt und Preis-Leistungseinzelnen Bereiche investiert wird, muss natürlich transVerhältnis kommuniziert wird. Spendenorganisationen parent gemacht werden. Die Kosten, welche die Organigrenzen sich durch die Kommunikation auch nicht von sationen zu tragen haben müssen besser kommuniziert Ihren „Mitbewerbern“ ab. Es wäre absurd, wenn die Cawerden. Die SpenderInnen benötigen eine Bestätigung ritas sagen würde: „Wir haben die besseren Obdachlofür das Finanzamt, wollen einen Jahresbericht nachlesen, sen-Einrichtungen als das Rote Kreuz.“ Es ist insofern auf der Homepage die Projekte finden, regelmäßig inforein ganz anderes Auftreten nach außen: Alle ziehen an miert werden. Das alles kostet auch Geld. einem Strang. Dürscheid: Wie viel Prozent des Budgets wird für PR eingesetzt?
Lutschinger: Der Fundraising Verband postuliert generell, dass es zulässig ist, wenn bis zu 25% der Kosten in Marketing, Kommunikation und Spendenverwaltung in19
Dürscheid: Welche Mittel werden im Fundraising eingesetzt, um Vertrauen und Transparenz zu schaffen?
Lutschinger: Im Fundraising – noch viel stärker als in der Wirtschaft – gilt die Emotion als zentrales Element der Kommunikation. Es ist wichtig, den SpenderInnen das Gefühl zu vermitteln, dass sie das Richtige getan haben.
@Ludwig Schedl © Shutterstock: Brian A Jackson
Dr. Günther Lutschinger ist seit 2007 Geschäftsführer des Fundraising Verband Austria. Der gelernte Biologe war während mehrerer Jahre beim Verein für Bewährungshilfe und anschließend 17 Jahre lang beim World Wide Fund for Nature (WWF) Österreich tätig. Seit 2013 Präsident des Europäischen Fundraising Verband. Er ist Spezialist für Fundraising und CSR. Sein Ziel ist es, die Vernetzung zwischen den FundraiserInnen zu verbessern und den kleineren Non Profit-Organisationen spezielle Unterstützung anzubieten.
Es geht darum, den gemeinnützigen Zweck, den die Organisation verfolgt, gut rüberzubringen. Großen Hilfsorganisationen, die starke Marken sind, vertrauen die Leute mehr als den unbekannten. Wichtig ist, in die Öffentlichkeit zu gehen und die Bekanntheit zu stärken. Das ist aber nur der erste Schritt. Der zweite Schritt ist das „Warum“: Die NGOs müssen einen Grund zur Spende anbieten. Eine Person, die sagt: „Ich finde die Organisation sehr sympathisch, die machen eine tolle Arbeit“, ist noch lange kein/e SpenderIn. Sie bzw. er muss wissen, welche Hilfeleistungen mit der Spende konkret geleistet werden. Diese „Übersetzung“ ist ein ganz wichtiges Element in der Kommunikation. Dürscheid: Wie wichtig sind Vertrauenselemente wie das Spendengütesiegel in der Finanzkommunikation?
Lutschinger: Vor allem weniger bekannte Organisationen profitieren durch das Spendengütesiegel von einem Vertrauensgewinn. Da es über 250 Organisationen tragen, ist es in der Spenderzielgruppe auch sehr bekannt. Wenn Organisationen sich nach diesen Kriterien prüfen lassen, haben sie einen gewissen Vertrauensvorschuss. Abgesehen davon ist das Spendengütesiegel für den Fundraising Verband ein Instrument, um positive Entwicklungen in der Finanzverwaltung und der Mittelverwendung zu kommunizieren und die Transparenz zu stärken. Seit das Spendengütesiegel eingeführt wurde, gab es keinen großen Spendenskandal mehr in Österreich. Jeder Skandal verunsichert die SpenderInnen massiv – und das spürt die ganze Branche. Das Spendengütesiegel ist ein Zeichen für Qualität und Professionalität. So erfordert es zum Beispiel, dass detaillierte Jahresberichte veröffentlicht werden. Viele kleine Organisationen haben das zuvor nicht gemacht. Transparenz ist der erste Weg, um Vertrauen aufzubauen. Und Vertrauen wiederum ist die Basis, damit jemand überhaupt die Bereitschaft hat zu spenden.
Dürscheid: Wie schätzen Sie den Professionalisierungsgrad der Kommunikation von NGOs ein?
Lutschinger: Der NGO-Sektor wächst. In den letzten sieben Jahren wurden 15% mehr Vereine gegründet. Es gibt ein Wachstum der Anzahl an MitarbeiterInnen und damit einhergehend eine Professionalisierung der Kommunikation. Oft sind große und mittlere NGOs im Vergleich zu Unternehmen sogar besser aufgestellt, weil sie die Kommunikation als Kerngeschäft und zentralen Faktor für den Erfolg betrachten. Es werden kaum Agenturen für Kommunikationsaufgaben eingesetzt: Die Kommunikation bleibt inhouse, da sie Kerngeschäft ist. Der Umgang mit Medienanfragen ist professionell, da NGOs diese beinahe jeden Tag erhalten. Dürscheid: Wie schätzen Sie die Bedeutung von PR bei NGOs in den nächsten Jahren ein?
Lutschinger: Die PR wird für NGOs wichtiger, da die Vernetzung der unterschiedlichen Medienkanäle immer stärker wird. Die klassische PR hat durch die Digitalisierung und die sozialen Medien eine neue Dimension bekommen. Außerdem wird die Schnelligkeit der Kommunikation weiter zunehmen. Heute ruft ein/e JournalistIn an und möchte in Echtzeit Zahlen zu einem bestimmten Thema haben. Da müssen die Organisationen fit sein, um mit der Schnelligkeit der Medienwelt mithalten zu können. Durch die Ausdünnung von Personal in den Redaktionen haben die JournalistInnen einen enormen Zeitdruck, sie benötigen vertrauenswürdige Zahlen und Fakten sehr schnell. Und: Die Themen werden immer internationaler. Die Organisationen werden von JournalistInnen abgefragt, was auf dem anderen Ende der Welt passiert. NGOs dürfen in der Kommunikation nicht nur ihre eigenen Projekte in den Fokus stellen, sondern müssen auch auf generelle Fragen eingehen und Hintergrundinformationen liefern. Als Ausblick kann man sagen, dass die Kommunikation der NGOs in Zukunft schneller, internationaler und professioneller sein wird. 20
„Ein gutes Image ist bei Ratingagenturen wichtig für das Geschäftsmodell.“
Patricia Rapf
Ratingagenturen stehen durch brisante Bonitätseinschätzungen oftmals in der Kritik. Christian Giesen, seit 2007 Pressesprecher für Fitch Ratings in Österreich, Deutschland und der Schweiz, spricht im „PRaktivium“-Interview über das Image von und kommunikative Herausforderungen in einer Ratingagentur.
© FH St. Pölten
Patricia Rapf: Ratingagenturen sind oftmals die Überbringer von schlechten Nachrichten. Ist Ihr Job etwas für Menschen, die sehr harmoniebedürftig sind?
wieder stabilisieren konnten. Wenn unser Rating ernst genommen wird und das mit einem positiven, ordentlichen Image einhergeht, dann ist das sehr wichtig. Ist das Image einmal zerstört, ist es im Grunde das Ende des Geschäftsmodells.
Christian Giesen: Für Leute mit einem großen Harmoniebedürfnis ist der Job nicht automatisch zu empfehlen. Sicher ist es so, wie Sie es bereits in der Fragestellung angedeutet haben, dass wir auch immer wieder mal der Rapf: Welche Maßnahmen ergreifen Sie zur Stärkung Überbringer einer negativen Botschaft sind. Hierbei sades Images? gen wir natürlich, dass man sich nicht über den ÜberbrinGiesen: Wir organisieren eine ganze Reihe von Direktverger der Botschaft ärgern sollte, sondern eben beachten, anstaltungen. Das heißt, dass wir hierzu unsere KundIndass man in Zukunft die Botschaft durch eigene Aktivitänen, das sind InvestorInnen und auch Leute, die Abonten positiver gestalten kann. Aber sicher nementverträge mit Fitch Solutions gibt es immer wieder Konflikte, die man „Das Ziel ist hierbei auch, – ein Angebot für Ratings, Analysen und auch aushalten oder durchstehen muss. die Mythen, die sich um Studien – haben, oder auch StudentInIn der Branche äußert man Kreditmeinengruppen einladen und mit diesen in nungen und wenn man diese einmal ge- Ratingagenturen ranken einen ganz offenen Dialog treten. Das äußert hat, dann sollte man dazu stehen. herunterzuschrauben, also Ziel ist hierbei auch, die Mythen, die sich Im Zweifelsfall funktioniert das nicht im Grunde eine Demystifi- um Ratingagenturen ranken herunterimmer, wenn man alles nur harmonisch zuschrauben, also im Grunde eine Dezierung.“ haben möchte. mystifizierung. Es gab sicher Zeiten, in denen Ratingagenturen als eine „Black Rapf: Welche Rolle spielt ein gutes Image für RatingBox“ bezeichnet wurden. Das heißt, man hat oben etwas agenturen? hineingegeben, dann ist im Inneren etwas passiert und Giesen: Ein gutes Image ist bei Ratingagenturen wichunten ist etwas herausgekommen. Wie innen der Prozess tig für das Geschäftsmodell. Das Geschäftsmodell ist genau abgelaufen ist, das wussten viele nicht. Da versusehr stark auf Vertrauen begründet, wie es das immer chen wir viel zu unternehmen, um Prozesse öffentlicher ist, wenn man eine Dienstleistung anzubieten hat und und transparenter zu machen. Das geht zu einem guten am Ende einer „Virtual“-Wertschöpfungskette kein konTeil via Veranstaltungen, in denen wir uns direkt dem Pukretes Produkt herauskommt. Unser Geschäft ist auch blikum und deren Fragen stellen. Vertrauen und es ist wichtig, dass die Leute, die unsere Ratings nutzen uns ernst nehmen und diesen Ratings Rapf: Wie lange dauert der gesamte Prozess einer Bonitätseinschätzung? entsprechend Glauben und Vertrauen schenken. Das ist eng verknüpft mit einem hoffentlich guten Image. Es gab Giesen: Wenn man von einem neuen Auftrag ausgeht, Zeiten, in denen das Image der Ratingbranche nicht so dann rechnen wir in den meisten Fällen mit sechs bis acht gut war. Ich glaube, dass speziell wir als Fitch Ratings Wochen von der Auftragserteilung bis „das Rating steht“. hier in den letzten Jahren viel aufholen und unser Image Dabei gibt es verschiedene Schritte: Das Unternehmen, 21
© Fitch Ratings © Shutterstock:. canadastock
Christian Giesen, M.A., hat die Aufgabe des Pressesprechers bei Fitch Ratings zu Beginn des Jahres 2007 kurz vor Ausbruch der Finanzkrise übernommen. Er hat seinen Magisterabschluss in Kommunikationswissenschaften, Englisch und Politologie an der Universität Essen-Duisburg gemacht. Vor seiner Zeit bei Fitch Ratings war er acht Jahre lang Pressesprecher für Coface in Mainz und ein Jahr lang Public Affairs Specialist beim US ARMY Corps of Engineers in Wiesbaden.
welches das Rating beauftragt, bekommt einen sehr langen Fragebogen zugeschickt. Mit diesem Fragebogen kann es sich auf ein umfangreiches Treffen vorbereiten, bei dem die beiden hauptverantwortlichen AnalystInnen mit dem sogenannten Management-Meeting in das Unternehmen kommen. Dann geht man diesen Fragebogen, in dem viele kritische Fragen drinnen stehen, sehr detailliert durch. Danach werden die Ergebnisse mitgenommen und gewürdigt und gehen in ein Rating-Komitee, das dann etwas größer besetzt ist, mit fünf, sieben oder neun Leuten. Am Ende des Rating-Komitees kommt die Ratingnote heraus, die dem Kunden mitgeteilt wird, wozu es eine schriftliche Aussage gibt. Im Schnitt dauert dieser Prozess sechs bis acht Wochen. Rapf: Wie oft werden zum Beispiel Staaten von Fitch Ratings eingestuft?
Giesen: Die Aufsicht hat hier vorgesehen, dass ein Rating alle sechs Monate aktualisiert werden muss. Das heißt also, wenn wir von einem stabilen Staat ausgehen, bei dem nicht sonderlich viel passiert, wird es so sein, dass alle sechs Monate das Rating wieder aktualisiert wird. Einmal im Jahr treffen einander die AnalystInnen und VertreterInnen des Landes zum Management-Meeting. Die beiden AnalystInnen stellen dann viele Fragen, um sich über die Zukunftsplanung und das Budget des Staates zu informieren. Auf dieser Grundlage wird dann das Rating aktualisiert. Das kann auch schneller gehen, sodass man zwischendrin oder unter dem Jahr ein Rating aktualisiert. Das hat den Hintergrund, dass es neue Nachrichten im positiven oder im negativen Sinne gibt: zum Beispiel bei einem Staat, dem es nicht so gut geht und für den ein neues Rettungspaket geschnürt wird oder etwas Vergleichbares. Das könnte dann ratingrelevant sein, ein sogenannter „Rating-Treiber“. Daraufhin würde das Rating-Komitee beauftragt werden und möglicherweise
die Rating-Note verändern. Das kann jederzeit so sein, weshalb ein Staat permanent beobachtet wird. Es findet ein Monitoring statt und damit kann man kurzfristig auf Entwicklungen reagieren. Wenn aber alles ruhig bleibt, dann wird ein Rating jedes halbe Jahr erstellt. Rapf: Gibt es ein Kontrollorgan oder Richtlinien für Ratingagenturen?
Giesen: Ja, das ist seit einigen Jahren der Fall. Die Behörde, die uns beaufsichtigt ist die European Securities Markets Authority – kurz ESMA, die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde. Dieser Aufsicht müssen wir uns stellen, das heißt, alle Ratingagenturen, die neu anfangen wollen und auf den europäischen Markt kommen, müssen durch einen Registrierungsprozess dieser Behörde gehen. Alle Ratingagenturen, die es schon gab, ehe diese Behörde gegründet wurde, mussten sich dort anmelden und durch die Registrierung gehen. Das galt natürlich auch für uns, sodass wir mit einer Reihe von anderen eine in der EU zugelassene und registrierte Ratingagentur sind. Die Aufsicht schreibt eine Reihe von Punkten vor, die wir erfüllen müssen. Da geht es zum Beispiel darum, unsere Ratingmethoden offenzulegen. Das heißt also, bei jedem entstehenden Rating gibt es auf der einen Seite schriftliche Unterlagen, die das Ganze nachvollziehbar machen und auf der anderen Seite unsere Ratingkriterien und Ratingmethodik, die öffentlich sind und die jede/r nachlesen kann. Dadurch wird die Transparenz erhöht, auf deren Grundlage ein Rating entsteht. Das sind eben aufsichtsrechtliche Vorschriften, denen wir genüge tun müssen und die von der Behörde kontrolliert werden. Sollte man in einem dieser aufsichtsrechtlich relevanten Punkte nicht den Anforderungen genügen, kann das zu Verwarnungen oder sogar Strafen führen.
22
Barbara Kerbl
Der offene Umgang mit dem unternehmerischen Scheitern
© FH St. Pölten
Innerhalb von 15 Jahren hatte sich DiTech zum größten österreichischen Online-Händler für Elektronikprodukte entwickelt und erhielt eine staatliche Auszeichnung für besondere wirtschaftliche Leistungen. 2014 musste das Unternehmen Insolvenz anmelden. Damian Izdebski gewährt im „PRaktivium“-Interview einen Blick hinter die Kulissen der Kommunikation seines Scheiterns – und seines Neuanfangs.
Barbara Kerbl: Ab wann haben Sie gewusst, dass Ihr Unternehmen nicht mehr zu retten ist?
Damian Izdebski: Im Prinzip haben die Probleme schon einige Monate angedauert. Wir haben es zwar geschafft, eine weitere Finanzierung über die Banken zu bekommen, jedoch hat das die Warenverfügbarkeit nur teilweise verbessert. Dies führte zu einem sehr schlechten Weihnachtsgeschäft und im ersten Quartal des Jahres 2014 war es klar, dass die Lage aussichtslos war.
einheitliche Kommunikation nach außen gehandhabt, sowohl vor, als auch Wochen nach der Insolvenzanmeldung. Kerbl: Hatten Sie professionelle Unterstützung bei der Kommunikation Ihres Firmenkonkurses?
Izdebski: Unsere PR-Agentur, mit der wir bereits jahrelang zusammengearbeitet hatten, hat uns natürlich auch in dieser Phase begleitet. Wir haben die Kommunikation gemeinsam abgestimmt. Zudem hat unsere PR-Agentur Kerbl: Wie sind Sie in dieser heiklen Lage in der Komauch die Rolle der „Firewall“ übernommen, da ich zu diemunikation vorgegangen? sem Zeitpunkt mit anderen Sachen beschäftigt war, als Izdebski: Die MitarbeiterInnen waren schon Wochen zuhunderte Interviewanfragen beantworten zu können. Die vor in das ganze Thema involviert. Wir haben versucht, ihNachfrage nach Einzelinterviews sowohl für Fernsehen, nen gegenüber so offen und transparent wie nur möglich Radio als auch Printmedien war sehr groß. Es war wichzu sein. Sämtliche Misserfolge, tig, jemanden zu haben, der den sowie jegliche kleineren Erfolge „Ich glaube jedoch, dass es nicht unbe- Ansturm der Medien übernehund Fortschritte in den Gesprä- dingt notwendig ist, hier große Geschich- men konnte, damit ich mich auf chen mit den Finanzpartnern ten zu erzählen, da zufriedene KundIn- die anstehende Arbeit konzentwurden an sie kommuniziert. rieren konnte. nen, erfolgreiche Projekte, gute Arbeit Der wohl wichtigste Schritt war und gutes Service die beste PR sind.“ der offene Brief an die Medien Kerbl: Würden Sie nun im Nachhinein sagen, dass Sie und die GeschäftspartnerInnen, bei der Kommunikation alles richtiggemacht hasieben bis zehn Tage vor der Insolvenz-anmeldung. In ben oder würden Sie etwas anders handhaben? diesem Brief habe ich die Ursachen und Fehler für die damaligen Entwicklungen dargestellt. Dies war insofern Izdebski: Nein, ich glaube, dass wir bei der Kommuniein Meilenstein, um die Kontrolle über die Kommunikakation alles richtiggemacht haben und dass diese ganz tion soweit wie möglich zu behalten: Wäre diese Nachgut funktioniert hat. Ich glaube auch, dass der offene richt irgendwo „aufgepoppt“, ohne dass wir sie aktiv Umgang meinerseits sehr wichtig und auch richtig war. kommuniziert hätten, wäre das viel schlimmer gewesen, Ich habe nie versucht, jemand anderem die Schuld in die da fehlende Informationen durch Vermutungen und ErSchuhe zu schieben, sondern bin vor der Insolvenz auffundenes ersetzt worden wären. Das kann sehr schnell gestanden und habe gesagt: „Ich habe einen Fehler geaus dem Ruder laufen. Ich glaube, es ist ganz wichtig, macht. Es ist wie es ist, ich kann es nicht ändern. Das dass man als Unternehmen die Kommunikation vorgibt. sind die Ursachen und das sind jetzt die nächsten Schritte, Zudem haben wir klar eine Aussendung nach der andedie wir setzen müssen.“ Die negative Stimmung wurde ren getätigt, mit gleichem Informationsstand für alle. Wir nicht entschärft, aber ich bin überzeugt, dass der offene haben kein Medium bevorzugt und sind auf InterviewUmgang mit den Medien wie auch mit den Geschäftsanfragen nicht eingegangen. Es wurde konsequent eine partnerInnen durchaus eine sachliche Ebene bereitet hat. 23
© Herwig Arlt © Shutterstock: BlueSkyImage
Damian Izdebski wurde 1976 in Polen geboren und kam 1992 mit seiner Familie nach Österreich. Nach der HAK-Matura studierte er Wirtschaftsinformatik an der TU Wien. Er beendete das Studium nicht, sondern arbeitete als Softwareentwickler und selbständiger IT-Techniker. Mit 23 Jahren gründete er, gemeinsam mit seiner damaligen Frau, die Firma DiTech. 2014 musste das Unternehmen Insolvenz anmelden. Anfang 2015 gründete er mit der techbold technology group ein neues Unternehmen.
Kerbl: Sie haben danach das Buch „Meine besten Fehler“ verfasst, damit andere Unternehmen aus Ihren Fehlern lernen können. War das Buch nicht vielleicht auch Eigen-PR, um Ihr Image für zukünftige Vorhaben, Stichwort techbold, zu verbessern?
Izdebski: Es wäre nicht wirklich zu verstecken gewesen, dass ich mit einem neuen Unternehmen am Markt bin. Das Buch war auf der einen Seite sicherlich eine Art Verarbeitungsprozess für mich selbst von dem, was geschehen war. Wenn man ein Buch schreibt, beschäftigt man sich sehr strukturiert mit der Materie und hat Zeit zum Nachdenken. Das Niedergeschriebene wirkt dann auch oftmals intensiver. Auf der anderen Seite wollte ich auch wieder offensiv mit der Kommunikation umgehen. Das Buch sollte die Story und die Fehler mit sämtlichen Fakten, sowie das neue Unternehmen, so aufbereiten, damit die Medien sich leichter tun, Informationen zu übernehmen.
Kerbl: Würden Sie behaupten, dass es Ihnen geglückt ist, aus der negativen PR-Spirale herauszukommen, um mit techbold erfolgreich durchzustarten?
Izdebski: Ich glaube, da ist meine Wahrnehmung zu subjektiv. Das Thema polarisiert natürlich sehr stark. Es ist nicht so, dass es da draußen Fans von mir gibt. Ich bin nicht stolz auf das, was passiert ist. Im Herzen schäme ich mich, dass wir es nicht geschafft haben, die Insolvenz abzuwenden. Wir haben alles versucht, so etwa auch noch mit unseren gesamten Ersparnissen die Situation zu wenden. Letztendlich ist es uns nicht gelungen und das tut mir leid. Ich kann es leider nicht ändern. Es gehört jetzt zu meinem Leben und zu meiner Geschichte. Es fragen sich viele, wieso ich ein Buch geschrieben und andererseits wieder ein Unternehmen gegründet habe. Ich meine, was wären meine Optionen?! Eine wäre zum AMS zu gehen und einen Kurs zu belegen in Sachen „Wie verfasse ich ein Bewerbungsschreiben“. Als Angestellter bin ich nicht vermittelbar, weil der Vorgesetzte, der mit mir
zusammenarbeiten möchte, noch nicht geboren ist. Meiner Ansicht nach war es die beste Option, um zumindest ansatzweise den entstandenen Schaden wiedergutzumachen, ein neues Unternehmen aufzubauen, Arbeitsplätze zu schaffen, Gehälter, Steuern und Abgaben zu zahlen und somit dementsprechend einen Beitrag für die Gesellschaft zu leisten. Ich bin der Meinung, dass dieser Weg der viel Bessere ist, als irgendwo als gebrochener, gescheiterter Unternehmer liegen zu bleiben und der Gesellschaft zur Last zu fallen. Kerbl: Wie sieht die weitere Kommunikation für Ihr neu gegründetes Unternehmen techbold aus?
Izdebski: Es ist mir natürlich bewusst, dass wir unter einer viel intensiveren Beobachtung stehen als jedes andere Start-up. Es gibt viele, die mir nicht unbedingt wünschen, dass es mir gelingt, was ich auch nachvollziehen kann. Ich glaube jedoch, dass es nicht unbedingt notwendig ist, hier große Geschichten zu erzählen, da zufriedene KundInnen, erfolgreiche Projekte, gute Arbeit und gutes Service die beste PR sind. Die Leute reden miteinander, und Mundpropaganda ist das stärkste Werkzeug, das es in der Kommunikation wahrscheinlich gibt. Ich sehe meine Hauptaufgabe darin, viele KundInnen von unserem Service zu überzeugen, ihre Zufriedenheit zu erreichen, sie nicht zu enttäuschen und sie zudem als treue WegbegleiterInnen für die Zukunft zu gewinnen. Kerbl: Was sind für Sie die drei wichtigsten Ingredienzien, wenn es um die Kommunikation von Finanz- und Wirtschaftsleistungen geht?
Izdebski: Transparenz, Ehrlichkeit und Authentizität. Denn alles, was man irgendwie zu verschweigen oder schöner zu reden versucht, kommt irgendwann heraus; und dann mit einer solchen Wucht, die man gar nicht vertragen will und kann.
24
Katharina Kirisits
„Wirtschaftlichkeit und das Gute“: Zusammenspiel von Ökonomie und Ökologie im Lebensmittelhandel
© FH St. Pölten
In den letzten Jahren wurden viele Unternehmen kritisiert, Nachhaltigkeits- bzw. CSR-Kommunikation lediglich zu benutzen, um ihren Umsatz zu steigern. Martina Hörmer, Geschäftsführerin von „Ja! Natürlich“ der REWE International AG, konkretisiert im „PRaktivium“-Interview die Kommunikation und Verantwortung von Unternehmen für ihre gesellschaftlichen Auswirkungen.
Katharina Kirisits: Mit dem Aufkommen der Übernahme von ökologischer und sozialer Verantwortung haben sich eine Vielzahl an Definitionen für die Begrifflichkeiten „Nachhaltigkeit“ und „Corporate Social Responsibility“ entwickelt. Wie definieren Sie jene Begriffe und was folgt daraus?
belastung eine wesentlich geringere ist. Kirisits: Wenn Sie die Branche bewerten müssten: Werden nachhaltige bzw. CSR-Maßnahmen aus unternehmerischer Überzeugung umgesetzt oder wird primär mit jenen Begriffen kommuniziert, um den Umsatz von Produkten oder Services zu steigern?
Martina Hörmer: Für die REWE als österreichischer Lebensmitteleinzelhändler besteht die Nachhaltigkeit Hörmer: Dinge müssen immer ökologisch und ökonoaus vier Säulen: Die Säule Eins der „grünen“ Produkte misch sein. Ein ökologischer Ansatz, der nicht ökonoist unser Hauptgeschäft. Zum Betreiben unserer Systeme misch ist wird auch nicht nachhaltig sein. Man benötigt und Filialen muss entsprechend immer beide Teile: die Wirtenergieeffizient gewirtschaftet „Unsere Anstrengungen laufen dahin- schaftlichkeit und das Gute. gehend, dass wir unsere KundInnen Beides muss im Einklang mitwerden, das heißt, bei der zweiten Säule geht es um Energie, und potentielle KonsumentInnen von einander stehen. Deshalb sind Umwelt und Klima. Zudem gibt Nachhaltigkeit und CSR als ein nachhaltigen Produkten überzeugen es drittens die Säule der MitarUnternehmenswert zu betrachmüssen, um stärkeres Wachstum zu ten und nicht als ein MarketingbeiterInnen und viertens jene des generieren.“ gesellschaftlichen Engagements. Gag. Ein Trittbrettfahren um Bei letzterer verorten wir auch sich ein Feigenblatt umzuhängen die Corporate Social Responsibility. Wir zählen auch den wäre sehr kurz gedacht. Wenn ein Unternehmen so tut als Bereich der gesunden Ernährung zur CSR hinzu, weil ob, dekodieren dies die KundInnen sehr schnell. GlaubNachhaltigkeit für uns als Lebensmittelhändler auch mit würdigkeit und Vertrauen schafft man nur dann, wenn Gesundheit zusammenhängt. man in der Substanz richtig handelt und die Dinge, die man verkauft auch wirklich ein Fundament haben. Kirisits: Wann und mit welcher Intention hat die Rewe International AG begonnen, Nachhaltigkeits- bzw. CSR-Kommunikation zu betreiben?
Hörmer: Die Ursprünge der Nachhaltigkeitskommunikation liegen im Jahr 1994 und begannen mit der Einführung von „Ja! Natürlich“ als Marke für biologische Lebensmittel. Die Intention war die Erkenntnis, dass biologische Lebensmittel einen „Dreier-Vorteil“ haben: für Mensch, Tier und Umwelt. Es ist für den Menschen besser, weil die Nahrungsmittel beispielsweise ohne chemisch-synthetische Spritzmittel angebaut werden und frei von gentechnisch veränderten Organismen sind. Für die Tiere ist es besser, weil diese ein artgemäßes Leben führen, und für die Umwelt, weil im Besonderen die Boden25
Kirisits: Lässt sich über den Einsatz von Nachhaltigkeits- bzw. CSR-Kommunikation eine Steigerung des Umsatzes erreichen?
Hörmer: Natürlich ist dies mit ein Ziel und wir haben uns dieses auch gesetzt. Vor allen Dingen möchten wir mit unseren „grünen“ Produkten stärker wachsen als mit dem gesamten Sortiment. Das heißt, unsere Anstrengungen laufen dahingehend, dass wir unsere KundInnen und potentielle KonsumentInnen von nachhaltigen Produkten überzeugen müssen, um stärkeres Wachstum zu generieren. Kirisits: Wie sind hierzu die Erfahrungswerte mit den nachhaltigen Eigenmarken der REWE International
© Ja! Natrürlich © Shutterstock: Peter Bernik
Mag. Martina Hörmer ist seit 2002 für die Eigenmarkenabteilung der REWE International AG verantwortlich und Geschäftsführerin der Bio-Marke „Ja! Natürlich“ und „Delikatessa“. Die gebürtige Niederösterreicherin hat Handelswissenschaften studiert und kombiniert dieses Wissen mit einer langjährigen Managementerfahrung im Food-Bereich im In- und Ausland.
AG? Wie haben sich die Umsatzzahlen entwickelt?
Hörmer: Zusammenfassend sehr positiv. Die Marke „Ja! Natürlich“ gilt als Speerspitze der Nachhaltigkeit der REWE International AG, sie wächst kontinuierlich, die Angebote werden breiter. In der Zwischenzeit haben wir aber auch neue Nachhaltigkeitsmarken ins Sortiment aufgenommen. Ein Beispiel aus dem Vorjahr ist die Marke „Da komm ich her“. Diese verzeichnet starkes Wachstum, weil KundInnen vermehrt zu heimischer Ware greifen. Sie haben ein sehr gutes Gefühl dabei, wenn sie Produkte aus der näheren Umgebung einkaufen. Deshalb sehe ich, auch im Vergleich zu importierter internationaler Ware, für „Heimisches“ einen größeren Zug. Ein besonders großer Erfolg sind auch die „Wunderlinge“: Auch wenn diese einen kleinen Teil des Umsatzes ausmachen, hat es noch nie eine Marke gegeben, die derartig breite Aufmerksamkeit in den Medien erzielt hat. Hierbei verkaufen wir krummes Obst und Gemüse mit Schönheitsfehlern, die man in der Vergangenheit aussortiert hat, weil sie nicht der optischen Qualitätsnorm entsprachen. Aus der Erkenntnis, dass es Unsinn wäre, diese Ware wegzuwerfen, haben wir begonnen, auch diese Ware zu verkaufen. Kirisits: Würden Sie sagen, dass Nachhaltigkeits- bzw. CSR-Kommunikation vorwiegend ein Thema für große bzw. börsennotierte Unternehmen ist, die ihre wirtschaftliche Tätigkeit rechtfertigen wollen?
Hörmer: Nachhaltigkeit ist keine Frage der Größe. Nachhaltigkeit ist eine Frage der Einstellung und der Verantwortung und hat mit Größe nichts zu tun. Außer, dass größere Unternehmen mehr Verantwortung tragen, und es umso wichtiger ist, dass große Unternehmen eben auf Nachhaltigkeit setzen. Durch die Größe kann man in Summe mehr bewirken. Ich glaube, es gibt kein großes, börsennotiertes Unternehmen, das heute nicht auf Nachhaltigkeit setzt. Im Prinzip ist dies für alle Unternehmen eine Überlebensstrategie. Wir leben in einer Zeit, in der die Ressourcen knapper werden und immer mehr Men-
schen auf der Erde leben. Ein Unternehmen, das sich nicht der Nachhaltigkeit widmet würde den Zug der Zeit verpassen, die Zukunft ignorieren und langfristig nicht überleben. Kirisits: Betreffend börsennotierter Unternehmen, die nachhaltig agieren: Können Öko-Ratings als Bewertungsmaßstab für jene herangezogen werden?
Hörmer: Es ist ein Indikator, der definiert, wie nachhaltig große Unternehmen agieren. Es kann sich kein Unternehmen dem mehr entziehen – du musst beachten, wo deine Waren herkommen, wo sie erzeugt werden und was mit der Umwelt und den Menschen passiert. ÖkoRatings sind nicht nur in der Lebensmittelbranche ein Thema. Der Diskurs zieht immer weitere Kreise, denn der Planet Erde ist begrenzt und ist nur das was er ist. Je mehr er ausgebeutet wird, umso schwieriger wird es für alle, vor allem die Generationen nach uns. Kirisits: Werden Öko-Ratings und somit auch „Green Investments“ in Zukunft an Bedeutung gewinnen und wie steht REWE hierzu?
Hörmer: Das Thema wird mit Sicherheit an Bedeutung gewinnen, weil besonders aus dem Blickwinkel der InvestorInnen der Öko-Aspekt ein wichtiger sein wird. Dies lässt sich damit begründen, da insbesondere in der Einschätzung und der Wirkung eines Unternehmens nach außen Fragen wie „Stellt sich ein Unternehmen zukünftigen Aufgaben und Herausforderungen?“ oder „Nimmt es seine Verantwortung für die Zukunft wahr?“ immer relevanter werden. Auch die REWE, von der Grundstruktur eine Genossenschaft, publiziert einen Nachhaltigkeitsbericht als Fortschrittsbericht und tritt somit mit ihren Stakeholdern in einen laufenden Dialog. Besonders als eines der größten Unternehmen in diesem Land muss sich die REWE diesem Thema stellen und eine diesbezügliche Bilanz vorweisen können.
26
Media- und Kommunikationsberatung Eventmanagement
© Martin Lifka Photography
Media- und Kommunikationsplanung Public Relations Werbung und Dialogmarketing Marketing
Infos zum Bachelorstudium | www.fhstp.ac.at/bmk Das Bachelorstudium Media- und Kommunikationsberatung bereitet Studierende auf eine Karriere in nationalen und internationalen Agenturen und Marketing-Abteilungen vor. Neben dem Know-how in der Entwicklung von umfassenden Marketing-Konzepten und ihrer zielgerichteten Umsetzung, besitzen die AbsolventInnen ausgezeichnete Skills in Rhetorik und Präsentationstechniken.
Komm besser studieren.
St. Pölten University of Applied Sciences
© Martin Lifka Photography
www.fhstp.ac.at/mdm
Digitale Medientechnologien
Grafik Design
TV- und Videoproduktion
Postproduktion
Audio Design
Interface Design & Engineering
Mobiles Internet
Experimentelle Medien
Infos zum Masterstudium Der Master Studiengang Digitale Medientechnologien bietet eine praxisnahe, projektorientierte Ausbildung auf hohem wissenschaftlichen und theoretischen Niveau. Es wird ein interdisziplinärer Ansatz verfolgt, der neue technologische Möglichkeiten, kreative Gestaltung und wirtschaftliche Anforderungen in gleicher Weise berücksichtigt. Ziel ist es, ein tiefgehendes Verständnis der gesamten digitalen Produktionskette, von der Idee bis zur Distribution, zu erreichen.
Komm besser studieren.
IMPRESSUM Herausgeberin, Medieninhaberin und Verlegerin: Fachhochschule St. Pรถlten GmbH, Matthias Corvinus-Straร e 15, 3100 St. Pรถlten Verlagsort: 3100 St. Pรถlten Druckerei: druck.at Herstellungsort: Leobersdorf Redaktion: Mag. Roland Steiner, Bakk. Art Direction: Teresa Sposato, Bakk. Grafik/Layout/Satz: Stefanie Hummer, Heike Korb, Sabrina Kusai, Michael Navratil, Laura Peter, Michael Riegler, Raphael-Karoly Voeroesmarty, Daniel Winter