PRaktivium Ausgabe 10: Reporting als strategische Kommunikation

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ein fachmagazin des studiengangs digital marketing & kommunikation der fh st. pölten

KOMMUNIKATION REPORTING ALS STRATEGISCHE

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April
ausgabe 10 |
2023

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spknoe.at

Dozent

FH-Prof. Ing. Dr. Harald Wimmer (r)

Studiengangsleiter Digital Marketing & Kommunikation (MA)

Studiengangsleiter Digital Media Management (MA)

Stellvertretender Studiengangsleiter Marketing & Kommunikation (BA)

Inhalt

01 „Unternehmen können es sich nicht mehr leisten, keinen Wert auf ESG-Berichte zu legen“

03 „In der Kosmetikbranche ist es oft ein Abwägen zwischen Wirkung und Nachhaltigkeit“

05 Nachhaltigkeitsreporting in der Immobilienbranche – Greenwashing oder echte Verantwortung?

07 Luftfahrt und Nachhaltigkeit - Ein Widerspruch?

09 Einer f ür alle - Der globale Impact Report

11 Als Unternehmen nachhaltig agieren: Zukunftschancen mit dem Corporate Sustainability Report

13 Gut gestaltet – besser bewertet: Die Macht von Design im Corporate Reporting

15 Differenzierung im Vorschriften-Dschungel

17 Der Weg zum Erfolg: Nachhaltigkeitsberichterstattung entlang der Wertschöpfungskette

19 Nachhaltigkeitsberichterstattung ist kein Marketing

21 Online-Geschäftsberichte: Selbstinszenierung oder Win-win für alle Beteiligten?

23 Digitalisierung als Schlüssel zur optimalen Stakeholder-Kommunikation

25 "Immer einen Schritt voraus sein"

27 „Ohne eine Digitalagentur geht es nicht!“

29 „Das Integrated Reporting erlebt eine Renaissance“

31 Zwischen Nachhaltigkeit und Glaubwürdigkeit – Worauf es im Nachhaltigkeitsbericht wirklich ankommt

33 Corporate Reporting: Reine Pflichterfüllung oder strategische Chance?

Editorial

Liebe Leserin, lieber Leser!

Es geht ein Raunen durch die Vorstandsbüros. Denn immer neue Regelungen (und somit Hürden für berichtspflichtige Unternehmen) sprießen aus dem fruchtbaren Brüsseler EU-Parlaments-Boden. Stichwort: EU-Taxonomie. Hier wird definiert, wie nachhaltige Geschäftsaktivitäten auszusehen haben. Das Ziel ist eine europaweite Klimaneutralität bis zum Jahr 2050. Auch Unternehmensberichte müssen nachhaltiger gestaltet werden. Für einige Firmen kein Problem; die machen das schon seit Jahren. Andere müssen jetzt zügig Prozesse definieren und grünere oder sozialere Wege finden, um ihre Stakeholder auf dem Laufenden zu halten. In dieser „PRaktivium“–Ausgabe – es ist die zehnte bisher – haben wir uns deshalb die Frage gestellt, wie Corporate Reporting im Jahr 2023 zu definieren ist. Wie sollen Berichte aussehen? Wer soll sie erstellen? Welche Trends gibt es? Und vor allem: Welche Rolle spielt Reporting in der strategischen Kommunikation?

Gisela Grosse, ehemalige Forscherin an der Hochschule Münster, beschreibt etwa im Gespräch mit „PRaktivium“, dass aufgrund der neuen Anforderungen der EU-Taxonomie oder Environmental Social Governance-Berichterstattung mehr Abteilungen als je zuvor in Berichte involviert werden müssen. Eloy Barrantes, CEO von nexxar, spricht über die Bedeutung von Design in Geschäftsberichten und deren Format. Denn auch wenn viele Unternehmen bereits vom typischen Print-Bericht Abstand genommen haben, ist ein nicht ausgedrucktes PDF desselben noch lange keine digitale Transformation. Expertinnen und Experten aus unterschiedlichsten Branchen wie der Luftfahrt (Austrian Airlines), der Kosmetikbranche (VINOBLE Cosmetics), der Lebensmittelproduktion (Manner) oder der Verpackungsindustrie (Greiner) zeichnen ihre Reporting-Prozesse für uns nach, geben Tipps, verraten Tricks und bewerten neue Trends.

Die Studierenden des Masterstudiengangs Digital Marketing & Kommunikation des Departments Digital Business & Innovation der Fachhochschule St. Pölten haben diese Interviews geführt. Das Layout dieser Ausgabe gestalteten die Studierenden der Masterklasse Grafikdesign des Master Studiengangs Digital Design aus dem Department Medien & Digitale Technologien unter der professionellen Leitung von Teresa Sposato.

Beim Produktionsteam bedanke ich mich genauso wie bei allen studentischen Redakteurinnen und Redakteuren sowie unseren Expertinnen und Experten, die für die Interviews zur Verfügung standen und uns so einen spannenden Einblick in die Welt des Corporate Reportings ermöglichten. Ihnen, liebe Leserin, lieber Leser, wünsche ich viel Spaß bei der Lektüre und hoffe, dass Ihnen die neue PRaktivium-Ausgabe neue Informationen und auch Denkanstöße für Ihre tägliche Arbeit und zukünftige Strategie liefert. Außerdem freue ich mich über Ihr Feedback zur Ausgabe. Ihr

Harald Wimmer, Studiengangsleiter harald.wimmer@fhstp.ac.at

Markus Feigl, Chefredakteur lbfeigl@fhstp.ac.at

>> Editorial
Mag. Markus Feigl (l) und Chefredakteur
©
Claudia Mann

Das Corporate Reporting spielt eine zentrale Rolle in vielen Unternehmen, trotzdem wird es oftmals nicht in interne oder externe Kommunikationsstrategien eingebunden. Woran das liegt und welche Herausforderungen und Chancen darin stecken, erklärt Florian Kier, CFO von dentsu Austria.

Shao Hsu: Als Fachexperte für Finanzen, was sind Ihrer Meinung nach die drei wichtigsten Komponenten einer erfolgreichen Unternehmenskommunikation?

Florian Kier: Stringenz, Authentizität und Kontinuität stellen die drei wichtigsten Grundpfeiler für eine erfolgreiche Unternehmenskommunikation dar. Bei dentsu haben wir zum Beispiel eine zentrale Anlaufstelle sowohl für interne als auch für externe Kommunikation. Es kommt natürlich auch immer auf die Größe des Unternehmens an, aber prinzipiell braucht es Kontinuität und eine stringente Corporate Identity. In Österreich und auch in allen anderen Ländern gibt es ein ganz klares Rahmenkonstrukt, wo wir uns mit den gelebten Werten von dentsu Global identifizieren und auch danach kommunizieren.

Hsu: Was könnte dentsu Austria innerhalb ihrer Kommunikation besser machen?

Kier: Ich persönlich glaube, dass wir sowohl die herausragenden Leistungen unserer Mitarbeiter*innen, als auch unser umfassendes Portfolio an Services noch stärker nach außen, wie auch nach innen kommunizieren müssen. Dahingehend gibt es noch Optimierungspotenzial, da zum Beispiel einigen Mitarbeiter*innen unsere dentsu CSR (Corporate Social Responsibility)-Aktivität oder andere tolle Projekte nicht ausreichend bekannt sind.

Hsu: Welche Potenziale werden in der internen wie auch externen Kommunikation Ihrer Meinung nach von Unternehmen noch nicht vollständig ausgeschöpft?

Kier: Vorweg – ich bin ein Finanzler und dahingehend ein wenig voreingenommen. Eine Entscheidung sollte meiner Meinung nach datenbasiert erfolgen. Das heißt, im Grunde durch Zahlen belegbar sein. Wenn es keine Daten für etwas gibt, dann kann ich das im Endeffekt auch nicht glauben. Meiner Einschätzung nach liegt bei der externen Kommunikation eine fehlende Erfolgsmessung vor. Das ist etwas, was von vielen Unternehmen nicht gut gelebt wird. Es wird zwar viel Geld rausgeschossen, aber hinsichtlich Erfolgsmessung, sprich Key Perfomance Indicators (KPIs), wird dieses Thema oftmals stiefmütterlich behandelt. Es mangelt an Vorüberlegungen zu

den gewünschten KPIs. Früher war das deutlich schwieriger, mittlerweile kann man dank der Digitalisierung Erfolge messen. Gleichzeitig herrscht auch eine Informationsflut. Es gibt beispielsweise noch viele Unternehmen, die E-Mails rausschicken, die keiner liest, weil sie nicht von Bedeutung sind. Es ist schwierig für Unternehmen sich dann auch als Marke zu positionieren und wahrgenommen zu werden.

Hsu: Die Unternehmensberichterstattung wird häufig primär als Praxis der Pflichterfüllung betrachtet, weniger als strategisches Kommunikationsinstrument. Wie schätzen Sie die Wichtigkeit von Geschäftsberichten in Bezug auf die interne sowie externe Kommunikation ein?

Kier: Grundsätzlich beschreiben Geschäftsberichte harte Fakten. Hierbei gibt es zwei unterschiedliche Antworten auf globaler und österreichischer Ebene. Prinzipiell, weil wir zur dentsu Group - sprich: zu unserem Mutterkonzern - gehören und ein börsennotiertes Unternehmen sind, ist es wichtig, diese Fakten sauber und transparent zu kommunizieren; sei es auch aufgrund von Vorschriften und Regelungen. Zudem gibt es auch einen sehr hohen Bedarf, die Shareholder abzuholen und zu informieren. Solche Geschäftsberichte sind für einen Konzern essenziell und da reicht es auch nicht, nur einen Geschäftsbericht abzugeben. Das „Warum“ dahinter ist strategisch ganz wichtig. Proaktiv zu handeln und zukunftsorientiert zu denken, lautet die Devise. Vor zwei Jahren haben wir als dentsu beschlossen, unsere klassischen Geschäftsmodelle zu digitalisieren und zu restrukturieren. Dies wurde dann auch proaktiv an der Börse kommuniziert. Natürlich können beim aktiven Kommunizieren Fehler passieren, aber wenn man es gar nicht tut und nur reaktiv handelt, dann hat man aus meiner Sicht schon verloren. Aus österreichischer Sicht liegt da ein anderes Bild vor, da versuchen wir so wenig wie möglich Daten an den Markt herauszugeben, weil wir keinen Mehrwert daraus ziehen. Nur bei Pitches werden diese vertraulich offengelegt. Was uns vor allem intern wichtig ist, ist dass wir alle unsere dentsu Mitarbeiter*innen zumindest einmal monatlich

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„Unternehmen können es sich nicht mehr leisten, keinen Wert auf ESG-Berichte zu legen“
© Monika Gnong Shao Hsu

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Der Finanzexperte Florian Kier ist seit 2021 Chief Financial Officer (CFO) der dentsu Austria. In seiner Position ist er aktuell für den kaufmännischen Bereich, wie auch für die Entwicklung des Kommunikationsnetzwerkes von dentsu Austria zuständig.

über unsere Zahlen und Ziele aufklären. Diese Form von Transparenz braucht man einfach als Unternehmen, auch wenn unschöne Fragen auftauchen können. Das tägliche Tun der Mitarbeiter*innen hat einen monetären Impact und das wollen wir intern auch vermitteln.

Hsu: Laut einer Studie des Corporate Reporting Monitor stimmt nur knapp ein Drittel der Unternehmen das Reporting formell mit der Kommunikationsstrategie ab. Wie denken Sie darüber und wie machen Sie das in Ihrem Unternehmen?

Kier: Die kommunikative Abstimmung ist essenziell. Wie schon zuvor erwähnt, ist es wichtig, dass man stringent agiert und auch kommuniziert. Das funktioniert halt auch nur, wenn man eine gut abgestimmte Kommunikationsstrategie hat. Man kann nicht auf der einen Seite sagen „Seht uns an, wir sind so toll“ und dann kommt der Börsenbericht und es folgt das böse Erwachen. Global gesehen, gibt es bei uns das Investor Relations-Team. Lokal gesehen, achten wir aktiv darauf, dass Reportings von der Geschäftsführung mit unserer MarCom (Marketing & Communication)-Abteilung abgestimmt werden. Der Lead dieser Abteilung sitzt auch in der Geschäftsführung, denn wir können nur stringent agieren, wenn der MarCom-Lead auch in den regelmäßigen Boardmeetings dabei ist, wodurch sie gemeinsame Strategien erarbeiten können.

Hsu: Welche strategische Relevanz haben Ihrer Meinung nach ESG-Berichte innerhalb der Agentur-Branche?

Kier: Ohne ESG-Berichte geht es einfach nicht mehrdas ist vor allem in der Agentur-Branche so, wenn man keinen ESG-Bericht vorzuweisen hat, bzw. das Thema nicht ernst nimmt, dann ist es ein absoluter Dealbreaker. Man erntet von Kund*innen und Lieferant*innen fragende Blicke. Uns ist bewusst, dass wir auch CO2Emissionen erzeugen, die durch das Umfeld, indem sich eine Agentur bewegt, entsteht. Durch unsere Kooperationspartner*innen, wie etwa Climate Partner, haben wir die Möglichkeit, die verursachten CO2-Emis-

sionen zu kompensieren. Grundsätzlich kann man sagen, dass ESG-Berichte eine hohe strategische Relevanz einnehmen, jedoch geht es vielmehr um die zukunftsgerichtete Orientierung des Unternehmens.

Hsu: Warum denken Sie, dass ESG-Berichte eine hohe Relevanz haben?

Kier: Ich denke, dass man es sich als Unternehmen nicht mehr leisten kann, keinen Wert auf ESG-Berichte zu legen. Stichwort: Great Resignation. Mit rein monetären Mitteln kann man vor allem die Gen Z nicht mehr für sich gewinnen. Deren Werte müssen mit den Werten des Unternehmens bestmöglich übereinstimmen. ESGBerichte sind daher auch zur Bewerbung von neuen Mitarbeiter*innen wichtig geworden, andernfalls verliert man deutlich am Talentmarkt.

Hsu: Wie schätzen Sie die Entwicklung sowie Integration von Geschäftsberichten in Bezug auf die interne sowie externe Kommunikation ein?

Kier: Die externe Berichterstattung ist sehr wichtig, vor allem in volatilen Zeiten. Es ist auch unglaublich wichtig, die Mitarbeiter*innen, Geschäftspartner*innen wie auch Anleger*innen aktiv abzuholen. Klare Transparenz und Proaktivität sind hier gefordert, um nicht nur reaktiv zu handeln. Die Entwicklung tendiert daher schon verstärkt in Richtung ESG-Berichte. Ob ein Unternehmen einen Bericht aus Pro Forma-Gründen erstellt, oder ob eben eine Brücke für die Zukunft geschlagen wird, ist schnell erkennbar. Es ist nicht nur die Rückschau wichtig, sondern auch der Blick in die Zukunft ist gefragt, denn die kann noch aktiv gesteuert und geändert werden.

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dentsu Austria ©Adobe Stock |freedomz

Romana Zimmermann, Junior Marketing & Sales Managerin der VINOBLE Cosmetics GmbH, einem südsteirischen Kosmetikunternehmen, spricht über die Hürden, die VINOBLE bei der Nachhaltigkeitskommunikation überwinden muss, essentielle Erfolgsfaktoren und die Wahl der richtigen Kommunikationsformate und deren Gestaltung.

Melanie Hutterer: Nachhaltigkeit ist Teil des (c)lean luxury-Versprechens von Vinoble, was bedeutet für Sie gute Nachhaltigkeitskommunikation?

Romana Zimmermann: Für Vinoble bedeutet gute Nachhaltigkeitskommunikation, transparent über nachhaltige ökonomische Aktivitäten zu berichten. Dazu gehört auch ein authentischer Umgang mit ehrlichen Siegeln. Das ist für uns selbstverständlich. Auch die Auslobung unserer Inhaltsstoffe im Online Shop ist für uns selbstverständlich.

Hutterer: Transparenz und Authentizität sind wichtige Faktoren bei der Kommunikation. Welche Probleme bringt das mit sich und wie leicht oder schwer ist es, transparent und authentisch zu kommunizieren?

Zimmermann: Es ist einfach, authentisch und transparent zu kommunizieren, in einer Kund*innengruppe, die selbst in der Kosmetikindustrie arbeitet. Die weiß, wie es hinter den Kulissen aussieht, also zwischen Preisdruck, hoher Konkurrenz und bezahlten Werbeschaltungen. Menschen, die sich intensiv mit Inhaltsstoffen auseinandersetzen, kann man nichts vormachen. Bei Kund*innen, die auf größere Marken vertrauen, ist es schwieriger, authentisch zu sein. Die meisten lassen sich oft vom Schein nicht offizieller Siegel trügen.

Hutterer: Für wen und warum betreiben Sie gezielt Nachhaltigkeitskommunikation?

Zimmermann: Wir betreiben im B2C-Bereich gezielte Nachhaltigkeitskommunikation, indem wir zum Beispiel unsere Inhaltsstoffe nicht nur auf dem Etikett, sondern auch im Webshop einsehbar platzieren. Im B2B-Bereich - für bestehende und potentielle Partner*innen - ist Kommunikation auch wichtig. Hier kommunizieren wir hinsichtlich nachhaltiger Tätigkeiten, wie etwa plastikfreier Lieferung oder Glasverpackung, offen, um Vertrauen zu schaffen. Das Ziel ist einerseits, Transparenz zu schaffen, andererseits die Alleinstellungsmerkmale verbunden mit unseren Unternehmenswerten zu kommunizieren.

Hutterer: Sustainability Reporting richtet sich primär an externe Stakeholder. Setzt Ihr Unternehmen gezielt Maßnahmen, um auch Mitarbeiter*innen beim Thema Nachhaltigkeit abzuholen?

Zimmermann: Durch unsere Betriebsgröße - bei uns arbeiten zwölf Mitarbeiter*innen, hat jede*r einen guten Einblick. Daher ist allen klar, wie wichtig das Thema Nachhaltigkeit für uns ist. Auch in Bezug auf unsere Zertifizierungen, wie etwa COMOS, Vegan und so weiter. Ein aktuelles Beispiel ist der neue Bio-Damaszener-Rosengarten im Kitzeck, der soll unserer zukünftigen Produktion von Rosenwasser und Rosenöl dienen. Hier hilft auch jede*r einzelne*r Mitarbeiter*in bei der Bepflanzung aktiv mit.

Hutterer: Was sind Erfolgsfaktoren, die bei der Nachhaltigkeitskommunikation in der Kosmetikbranche unbedingt eingehalten werden sollten?

Zimmermann: Maßgebliche Erfolgsfaktoren sind: Transparenz, Siegel, Nachhaltigkeitsberichte, offene Kommunikation, Eingehen auf kritische Fragestellungen und das Halten von kommunizierten Versprechen nach außen. Und das ohne Kompromisse.

Hutterer: Gibt es besondere Unterschiede im Vergleich zu anderen Branchen?

Zimmermann: Ein maßgeblicher Unterschied in der Kosmetikindustrie liegt in der Kommunikation der Rohstoffbeschaffung. Selbst wenn das Produkt vegan oder bio ist, kommt es meist von weit her. Auch wegen der häufig begrenzten Möglichkeiten ist es in der Kosmetikbranche oft ein Abwägen zwischen Wirkung und Nachhaltigkeit. Die Konsument*innen erhoffen eine gewisse Wirkung und deshalb geht es im Kaufprozess oft weniger darum, woher die Rohstoffe kommen.

Hutterer: Laut einer Studie des Kosmetikbandes VKE (2020) sehen Kund*innen Nachholbedarf bezüglich Nachhaltigkeit in der Kosmetikbranche. So hält nur

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„In der Kosmetikbranche ist es oft ein Abwägen zwischen Wirkung und Nachhaltigkeit“
© Privat Melanie Hutterer

jede*r fünfte Befragte die Kosmetikbranche für nachhaltig, bzw. sehen 74% Handlungsbedarf. Ist die Kosmetikbranche Ihrer Meinung nach tatsächlich etwas hinterher oder hat die Bevölkerung ein verzerrtes Bild?

Zimmermann: Das verzerrte Bild ist aufgrund der Vielzahl unterschiedlicher Unternehmen und Philosophien wohl nachvollziehbar. Umso mehr ist das aber ein Ansporn, sich selbst von Negativbeispielen abzugrenzen. Es sollte dafür gesorgt werden, dass die Branche generell vertrauenswürdiger und transparenter wird. Für Kosmetikmarken soll das Ziel das Schaffen einer Balance zwischen Ästhetik und transparenter Kommunikation sein. Dabei soll Kund*innen aber nichts bewusst verheimlicht werden, denn das sorgt für einen bitteren Nachgeschmack.

Hutterer: Woher kommt dieses verzerrte Bild denn dann genau?

Zimmermann: Ich würde sagen, das verzerrte Bild kommt durch den Trend der Nachhaltigkeit über alle Branchen hinweg. Auf den ersten Blick erscheint alles positiv, beim genaueren Hinsehen entpuppt sich der schöne Schein oft als Greenwashing. Das macht es schwieriger, noch transparenter als andere Kosmetikhersteller*innen zu sein, um Kund*innen Vertrauen schenken zu können.

Hutterer: Wie würden Sie die Gestaltung der Nachhaltigkeitskommunikation in Ihrem Unternehmen beschreiben?

Zimmermann: Für unsere Endkund*innen, also B2C und unsere Partner*innen, also B2B, wird eine einfache Sprache verwendet, verknüpft mit bildhaften Ergebnissen. Diese Sprache wird oft mit selbst durchgeführten Studien gestützt, um leicht verständlich zu sein. Wenn unsere Produkte in einem neuen Institut, Hotel oder ähnlichem aufgenommen werden sollen, ist die gelebte Nachhaltigkeit im Unternehmen und unsere Philosophie wichtig. Diese Stakeholder tragen unsere Marke nämlich nach außen und bilden Berührungspunkte mit Endkund*innen. Die

Kund*innen bilden sich dadurch eine Meinung über die Qualität unserer Kosmetikprodukte und Behandlungen.

Hutterer: Welche Kommunikationsformate und -kanäle nutzt Ihr Unternehmen, um die gewünschte Zielgruppe zu erreichen?

Zimmermann: Ein großer Stolz ist unser Newsletter, der stetig wächst. Die Öffnungsrate von fast 50% pro Aussendung bestätigt uns darin, dass die Inhalte, speziell für unsere Stammkund*innen, gut aufbereitet wurden. Wir nutzen auch Social Media wie LinkedIn, Instagram und Facebook für tägliche Berichterstattung oder Neuigkeiten. Zusätzlich setzen wir unsere eigene Website inklusive Webshop ein. Eine Herausforderung ist dabei immer unsere große Zielgruppe, die ein besonders diverses Angebot an Marketinginhalten erfordert. Dabei ist es schwierig, wirklich alle Käufer*innen-Bedürfnisse zu erfüllen. Daher ist das auch ein stetiger Prozess und eine tägliche Aufgabe.

Hutterer: Worauf sollte man als Leser*in von Nachhaltigkeitsberichten achten, um zwischen reiner Imageaufpolierung und tatsächlich nachhaltigen Maßnahmen differenzieren zu können?

Zimmermann: Wichtig ist, immer zuerst darauf zu achten, von wem und in welchem Zusammenhang der Text verfasst wurde. Also wird der Beitrag etwa gesponsert, oder wurde er vom Unternehmen selbst verfasst? Und auch wie neutral der Text geschrieben

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wurde. Romana Zimmerman ist Junior Marketing & Sales Managerin bei VINOBLE Cosmetics. Nach ihrem Masterabschluss an der FH Burgenland war sie vor allem im Wein-Marketing tätig, bis sie zu VINOBLE wechselte. Ein Wechsel der Sinn macht, denn bei VINOBLE werden Kosmetikprodukte auch aus den Wirkstoffen der Weintraube gefertigt. © VINOBLE Cosmetics © Adobe Stock: Anna Khomulo

Nachhaltigkeitsreporting in der Immobilienbranche

Greenwashing oder echte Verantwortung?

Von Flächenversiegelung und der Klimakatastrophe, in der wir längst angekommen sind: Lucia Malfent, Konzernsprecherin der Bundesimmobiliengesellschaft (BIG), sprach mit „PRaktivium“ über den Stellenwert und die Herausforderungen der Nachhaltigkeitskommunikation in der Immobilienbranche.

Céline Dangl: Was bedeutet Nachhaltigkeitskommunikation für Sie persönlich?

Lucia Malfent: Kommunikation ist oft situativ, trotzdem folge ich dem Grundsatz: Die Kommunikationsstrategie leitet sich aus der Unternehmensstrategie ab. Das Thema Nachhaltigkeit ist schon sehr lange ein fundamentaler Bestandteil der Unternehmensstrategie der BIG und steht damit auch im Fokus der Unternehmenskommunikation. Den ersten Nachhaltigkeitsbericht gab es über das Jahr 2011 – es gibt also eine Berichtstradition und inzwischen sind wir als Konzern verpflichtet, einen Nachhaltigkeitsbericht zu veröffentlichen. Als erstrebenswert sehe ich einen integrierten Nachhaltigkeitsbericht, den uns die Zukunft auch bringen wird. Man sollte sich verabschieden von der Idee eines isolierten Nachhaltigkeitsberichtes - die Unternehmenstätigkeit als Gesamtes ist auf Nachhaltigkeit ausgerichtet und das ist im Berichtswesen abzubilden. Nachdem die Immobilienbranche eine sehr ressourcenintensive Branche ist, geht es darum, diese Verantwortung wahrzunehmen und ein gutes Stück klimaschonender zu agieren. Wie gesagt, das ist Sache der Unternehmensstrategie.

Dangl: Welchen Stellenwert hat das Corporate Reporting, insbesondere das Nachhaltigkeitsreporting, in der Immobilienbranche?

Malfent: Ehrlich gesagt: einen zu geringen. Die Immobilienbranche ist, wie schon erwähnt, sehr ressourcenintensiv und nicht unbedingt eine Vorreiterbranche in Sachen Nachhaltigkeit. Als Unternehmen orientieren wir uns auch an anderen Branchen, die da schon viel weiter sind.

Dangl: Also würden Sie sagen, dass bei der BIG das Nachhaltigkeitsreporting einen hohen Stellenwert hat?

Malfent: Das Nachhaltigkeitsreporting hat einen absolut hohen Stellenwert bei uns und ist für uns gleichwertig mit anderen Reporting-Verpflichtungen, wie etwa dem klassischen Finanzreporting.

Dangl: Wie beeinflusst die steigende Relevanz des Themas Nachhaltigkeit die Unternehmenskommunikation bei Ihnen?

Malfent: Bei uns wird das nicht mehr getrennt. Als ich 2019 ins Unternehmen kam, gab es im Presseteam eine Kollegin, die für Nachhaltigkeitsthemen zuständig war. Das machen wir inzwischen anders. Wir haben zum Beispiel eine Kollegin, die in der Kommunikation für den Bereich Schulen zuständig ist, und eine Kollegin, die für die Universitäten zuständig ist – beide kommunizieren selbstverständlich auch über Nachhaltigkeitsaspekte. Das Thema ist Bestandteil der Gesamtkommunikation geworden und wird nur noch selten gesondert herausgegriffen.

Dangl: Gilt diese Integration der Nachhaltigkeit für alle Unternehmensbereiche der BIG?

Malfent: Ich würde sagen, das Thema ist zu 85% integriert.

Dangl: Denken Sie, dass die Nachhaltigkeitskommunikation in Ihrer Branche herausfordernder ist, als in anderen Branchen?

Malfent: Wir sind ressourcenintensiv, insofern ist es vielleicht ein größeres Thema als in einer nicht so ressourcenintensiven Branche. Aber schauen Sie sich an, was klimatechnisch los ist. Das betrifft längst alle Menschen und damit alle Branchen. Wir sprechen im Konzern auch nicht mehr von „klimafreundlich“ oder von „Klima schonen“ – wir sind in der Klimakrise angekommen, man kann auch sagen in der Klimakatastrophe. Die Nachhaltigkeit beschränkt sich nicht auf ökologische Aspekte. In allen Branchen fehlen Arbeitskräfte – auch das ist ein Thema der Nachhaltigkeit. Ganz zu schweigen von Governance-Verpflichtungen, die bei einem Unternehmen unserer Größe, noch dazu staatsnah, einer besonderen Transparenz bedürfen. Das ist einfach Pflicht. Das ist wie Zähneputzen, da muss man nicht viel nachdenken - ohne geht es nicht.

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Céline Dangl © Philipp Ehrenreich

Dangl: Wie gehen Sie mit Greenwashing-Vorwürfen um?

Malfent: Wir arbeiten sehr bewusst so, dass es zu solchen Vorwürfen erst gar nicht kommen kann. Ich sehe es in der Verantwortung des Unternehmens, Nachhaltigkeit nicht als Imagefaktor zu bedienen, sondern auf Basis klarer und nachvollziehbarer Entscheidungen und Maßnahmen zu handeln. Da bin ich auch wieder beim Thema Governance. Ich bin davon überzeugt, dass wir es uns als Gesellschaft überhaupt nicht leisten können, Greenwashing zu betreiben. Und auch der Markt gibt eigentlich vor, dass das mittel- bis langfristig nicht geht – der Markt reagiert schnell: Wenn ich behaupte, nachhaltig, grün und CO2neutral zu sein, und es ist nicht so, wird das ein Problem. Greenwashing ist ein sehr heikles Spiel - wir spielen es nicht.

Dangl: Welche Stakeholder sollen mit dem BIG-Nachhaltigkeitsbericht angesprochen werden?

Malfent: Wir erinnern uns an eine Zeit, in der Nachhaltigkeit als Add-on gesehen wurde und vielfach so umgesetzt war – ökologisch, mitarbeiter*innenfreundlich, „weil’s eh ganz nett ist“. Nicht zuletzt die Pandemie hat hier Dinge wahnsinnig beschleunigt. Der Markt ist mit Sicherheit unser wichtigster Stakeholder. Unsere Kund*innen legen Wert darauf, dass wir klimaschonend bauen und uns der relevanten ökologischen, ökonomischen und sozialen Themen bewusst sind. Natürlich ist der Bericht auch für unseren Eigentümer und für diverse Gremien bedeutend, weil er die Zusammenfassung all unserer Arbeit unter dem Fokus Ökologie, Ökonomie und Soziales ist. Ein integrierter Bericht – und hier wird es bald eine entsprechende Verpflichtung geben – ist ein ESG-Bericht. Ich gehe davon aus, das wird bald Standard sein.

Nach ihrem Studium „Communications & Media Studies“ widmete sich Lucia Malfent der Unternehmenskommunikation. Seit 2019 ist sie Konzernsprecherin der Bundesimmobiliengesellschaft (BIG) sowie der Tochtergesellschaft ARE. Sie leitet die Abteilung „Unternehmensstrategie & Kommunikation“ und ist auch für das Corporate Reporting zuständig.

Dangl: Warum veröffentlichen Sie seit 2012 freiwillig Nachhaltigkeitsberichte? Das kostet ja viele Ressourcen.

Malfent: Man hat die Zukunft ein Stück weit vorausgesehen. Das war auch nicht so schwierig. Auch 2011 war der Welt schon klar, dass wir auf eine Klimakrise zusteuern und dass das Thema Nachhaltigkeit weiter an Bedeutung zunehmen wird. Auch damals wussten wir, dass Österreich Versiegelungs-Weltmeister ist und es hier Konzepte und Lösungen für die Zukunft braucht. Die BIG ist sich ihrer Verantwortung als einer der größten Liegenschaftseigentümerinnen des Landes bewusst.

Dangl: Hat man die Auswirkungen des freiwilligen Reportings gespürt? Ist etwas zurückgekommen?

Malfent: Die Aktivitäten dazu wurden von vielen Seiten anerkannt. Auch die Wirkung nach innen ist hier nicht zu unterschätzen. Vielen unserer Mitarbeiter*innen ist es sehr wichtig, dass wir darauf ein Augenmerk legen. Genauso relevant ist das Thema für unsere Nutzer*innen. Als Beispiel: im Hochschulbereich ist es schon sehr lange wichtig, zu sehen, dass wir schon vor mehr als zehn Jahren Universitätsgebäude in Holzbauweise errichtet haben und dass wir stets an innovativen Produkten arbeiten.

Dangl: Hat man die Auswirkungen des freiwilligen Reportings gespürt? Ist etwas zurückgekommen?

Malfent: Das kommt darauf an. Zertifizierungen wie „klimaaktiv“, die bescheinigen, wie nachhaltig ein Gebäude ist, sind sehr bedeutend und wichtig, weil sie den Mieter*innen eine klare Information geben, die auf Fakten basieren. Medial betriebene Nachhaltigkeits-Auszeichnungen, für die man am Ende meistens sogar zahlen muss, halte ich für entbehrlich. Weniger darüber reden, mehr tun, ist hier unsere Einstellung.

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© SabineHauswirth ARE © Adobe Stock: oatawa

Luftfahrt und Nachhaltigkeit - Ein Widerspruch?

Sophie Matkovits, seit April 2021 Leiterin Corporate Communications, Public Affairs & Corporate Responsibility bei Austrian Airlines, sprach mit „PRaktivium“ über die Bedeutung von Nachhaltigkeit in der Berichterstattung und wie die Austrian Airlines ihrer Verantwortung für die ESG-Standards nachkommen.

Carina Grad: Sie sind Kommunikationschefin bei Austrian Airlines, wofür genau sind Sie verantwortlich?

Sophie Matkovits: Unter anderem bin ich verantwortlich für die interne und externe Unternehmenskommunikation. Ebenso für einen Teil der Social Media-Kommunikation – LinkedIn und Twitter. Außerdem bin ich für die Interessenvertretung auf nationaler und internationaler Ebene verantwortlich. Eine weitere sehr wichtige Aufgabe meinerseits ist die Umsetzung der ESG (Environmental Social Governance)-Strategie.

Grad: Woran hat die Öffentlichkeit Ihrer Erfahrung nach mehr Interesse? An Finanzberichten oder an Nachhaltigkeitsberichten?

Matkovits: Ich glaube, Nachhaltigkeitsberichte gewinnen immer mehr an Relevanz und wir sind als Unternehmen gefragt, entsprechende Fortschritte zu liefern. Aber nicht nur weil die Berichte gefragt sind, sondern weil es unsere Überzeugung ist, sich an entsprechende ESG-Standards zu binden.

Grad: Sie sind also der Meinung, dass Nachhaltigkeitsberichte wichtiger sind?

Matkovits: Finanzielle Berichterstattung ist auch von enormer Bedeutsamkeit, jedoch gewinnen Nachhaltigkeitsberichte stark an Relevanz. Die Frage besteht nicht darin, welche Art der Berichterstattung wichtiger ist, sondern wie sich beide Arten bestmöglich kombinieren lassen. Es ist ein Zusammenspiel gefragt, um die wirtschaftliche Relevanz eines Unternehmens transparent darzulegen.

Grad: Wie, würden Sie sagen, hat sich die Bedeutung von Corporate Sustainability Reporting in den letzten zehn Jahren verändert?

Matkovits: Massiv. Ich glaube, man braucht nicht abzustreiten, dass es aus unterschiedlichen Richtungen gefordert wird. Aber man möchte auch selbst – aus eigenem Antrieb – die Standards und Ziele erfüllen, Wege aufbereiten und diese dann auch konsequent gehen. Nur so streben wir in eine nachhaltige Zukunft. Austrian Airlines – wie auch

jedes andere Unternehmen – hat eine entsprechende Verantwortung; auch im ESG-Bereich. Diese wollen wir wahrnehmen.

Grad: Welche Rolle spielt Nachhaltigkeit im Corporate Reporting der Austrian Airlines?

Matkovits: Nachhaltigkeit hat bei Austrian Airlines einen großen Stellenwert und wir sind dahinter, uns hier stätig zu verbessern. Gerade führen wir ein Umweltmanagementsystem nach dem EMAS-Standard ein, der die Öffentlichmachung einer Umwelterklärung vorsieht. In den eigenen Jahresberichten sowie in den Berichten der Lufthansa Group ist Nachhaltigkeit schon seit Jahren enthalten. Außerdem arbeiten wir daran, unsere Zahlen nicht nur besser zu erfassen, sondern sie auch zu steuern. Das bedeutet eine Gesamtanstrengung des ganzen Unternehmens.

Grad: Was unternimmt Austrian Airlines konkret, um Nachhaltigkeit im Unternehmen voranzutreiben? Können Sie mir dafür drei Beispiele nennen?

Matkovits: Im Bereich Environment/Umwelt zum Beispiel ist einer der größten Hebel der Einsatz nachhaltiger Treibstoffe – wir arbeiten mit OMV in enger Kooperation und kaufen bei ihnen bereits erste Mengen Sustainable Aviation Fuel (SAF). In Österreich war Austrian Airlines der erste Bezieher – bis 2030 wird die Lufthansa Group noch zusätzliche 800.000 Tonnen abnehmen. Abseits davon arbeiten wir stetig daran, unseren Flugbetrieb effizienter zu gestalten und unsere CO2-Emissionen durch modernere Flugzeuge zu reduzieren. Dieses Jahr haben wir bereits zwei von vier A320neo Flugzeugen erhalten, die jüngste Generation der Airbus 320-Familie. Diese verbrauchen bis zu 20% weniger Treibstoff und sind zudem auch deutlich leiser. Wir stehen vor Anstrengungen, die nur gemeinsam zu bewältigen sind. Daher möchten wir unsere Kund*innen bereits heute dazu einladen, die Reise gemeinsam mit uns nachhaltig zu gestalten. Das bedeutet auch, dass jede*r das tut, was in ihrer*seiner Macht steht. Der Hebel unserer Kund*innen liegt beispielsweise im persönlichen Beitrag zum Ausgleich oder der Reduk-

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© Allerstorfer Carina Grad

tion von Emissionen. Dabei kann jede*r unserer Gäste zwischen einem Beitrag zu nachhaltigen Treibstoffen oder einer CO2-Kompensation direkt während der Buchung entscheiden.

Grad: Laut der Website von Austrian Airlines möchten Sie Ihre Bemühungen zum verantwortungsvollen Umgang mit natürlichen Ressourcen transparent nach außen kommunizieren. Jedoch gibt es einen Bericht von Greenpeace, der der AUA Greenwashing vorwirft. Hier stellt sich die Frage: Gibt es dennoch unschöne Wahrheiten, die nicht nach außen kommuniziert werden?

Matkovits: Hier sind wir genau beim Thema Bewusstsein schaffen. Warum? Weil dieser Greenwashing-Begriff sehr schnell in den Mund genommen wird und ich muss ganz ehrlich sagen: Ich wünsche mir oftmals eine faktenbasiertere Diskussion. Was oft übersehen wird ist, dass wir schon viele Maßnahmen setzen und dabei vielen Industrien bereits voraus sind. Wir kennen unsere Hebel und benutzen diese auch. Damit sind wir vielen anderen Airlines einen Schritt voraus. Mir ist klar, dass die nachhaltigen Lösungen in der Luftfahrt sehr komplex sind. Dennoch würde ich mir in der Debatte mehr Differenzierung wünschen.

Grad: Sehen Sie Klimaziele teilweise als Selbstinszenierungsmaßnahme?

Matkovits: Es ist in unserer Gesellschaft angekommen, dass Nachhaltigkeit einen unheimlichen Stellenwert haben sollte. Daraus ableitend haben viele Unternehmen das Bedürfnis, da aufzuspringen und mitzumachen. Ich würde mir wünschen, dass es möglichst viele ernst meinen, es ist aber auch klar, dass Nachhaltigkeit nicht in allen Bereichen gleich umgesetzt werden kann. Darum bin ich davon überzeugt, dass man jede kleinste Anstrengung gerne mit Stolz kommunizieren kann. Was ich dann Schade finde, ist, wenn die Kritik oft so viel lauter ist und die Anstrengung dahinter und die Möglichkeiten, die dadurch entstehen, eigentlich sehr schnell vom Tisch gewischt werden. Wenn wir uns gegenseitig nicht unterstützen und jede*r allein im stillen Kämmerchen et-

was macht, werden wir nicht besser. Aber ich will nicht bewerten, wer sich gerade inszeniert und wer es mit der Nachhaltigkeit tatsächlich ernst meint.

Grad: Zu den Klimazielen der Austrian Airlines - Ein Klimaziel auf Ihrer Website lautet: „Keine Inlandsflüge auf Strecken mit Bahnverbindung unter drei Stunden zum Flughafen Wien“. Wäre es nicht sinnvoller, Inlandsflüge ganz zu streichen, da Österreich bekanntlich nicht sehr groß ist?

Matkovits: Wofür sind Inlandsflüge da? Inlandsflüge sind dafür da, dass Menschen, die beispielsweise in Graz wohnen, sehr schnell am Flughafen Wien sind, um in die Welt weiter zu fliegen. Es gibt kaum Grazer*innen, die in Wien aussteigen, um ihr Business dort zu machen, oder dort einen Kaffee zu trinken. Was passiert, wenn die Inlandsflüge gestrichen werden? Wenn die Grazer*innen nicht mehr von Graz nach Wien kommen, werden sie beispielsweise von Graz nach Amsterdam fliegen, um von dort aus in die Welt zu reisen. Und was bedeutet das? Das bedeutet, dass der CO2-Ausstoß nicht reduziert wird und zusätzlich unserer heimischen Wirtschaft geschadet werden würde. Zu sagen, man streicht alle Inlandsflüge, weil Österreich nicht groß ist, ist zu kurz gegriffen, da 99% all dieser Passagier*innen weiterfliegen.

Grad: Wie sehen die aktuellen Bemühungen zu Nachhaltigkeit und zur Verfolgung der Klimaziele bei Austrian Airlines aus?

Matkovits: Wir sind gemeinsam mit der Lufthansa Group auf einem wirklich guten Weg. Wir haben uns nicht nur ambitionierte Ziele gesetzt, sondern verfolgen diese ebenso ambitioniert. Wir arbeiten konsequent daran und nehmen gerade viele Kolleg*innen mit, denen es ein Anliegen ist. Wir machen das aber auch, weil wir davon überzeugt sind, es nur zu schaffen, wenn Nachhaltigkeit in allen Bereichen verankert ist. Ich bin optimistisch, dass wir alles in die Wege leiten werden, damit unsere Kund*innen Lust haben, mit uns nachhaltig zu fliegen.

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Sophie Matkovits ist Leiterin des Bereiches Corporate Communications, Public Affairs & Corporate Responsibility bei Austrian Airlines. Davor war sie beim ÖAMTC als Leiterin der Öffentlichkeitsarbeit für Presseaktivitäten zuständig. 2019 zeichnete sie das Fachmagazin „Der Österreichische Journalist“ als Unternehmenssprecherin des Jahres aus. © AustrianAirlines © Adobe Stock: liliya

Einer für alle - Der globale Impact Report

Elisabeth Strasser, PR-Managerin bei „Too Good To Go“ über die Besonderheiten eines Impact Reports und die Bedeutung von Nachhaltigkeit in Unternehmen. Außerdem erklärt Sie, weshalb Nachhaltigkeitskommunikation in einer verschwenderischen Gesellschaft so wichtig ist.

Sandra Libiseller: Too Good To Go gibt es erst seit 2019 in Österreich. Können Sie bitte für Leser*innen, denen die App noch nicht bekannt ist, kurz beschreiben, was Sie tun und welche Rolle Nachhaltigkeit dabei spielt?

Elisabeth Strasser: Das Ziel unseres Unternehmens ist es, Lebensmittelverschwendung einzugrenzen. Unsere Gesellschaft verschwendet weltweit jährlich mehr als ein Drittel aller Lebensmittel, was zehn Prozent der Treibhausgase ausmacht. Das Ziel ist es, zukünftig in einer nachhaltigeren Welt leben zu können. Die große Vision, die hinter dem Unternehmen steht, ist, irgendwann Zero Food Waste zu erreichen. Dies ist jedoch nur mit nachhaltigen Ansätzen möglich.

Libiseller: Ihr Unternehmen ist bekannt für seine Nachhaltigkeit in Bezug auf Lebensmittel, was verstehen Sie aber unter Nachhaltigkeit, wenn es etwa um Mitarbeiter*innen geht?

Strasser: Das Grundkonzept von Too Good To Go ist, Lebensmittelverschwendung einzugrenzen. Dazu braucht es viele motivierte Mitarbeiter*innen, weshalb das auch ein sehr wichtiger Punkt ist, der zum Nachhaltigkeitsthema zählt. Das Ziel ist es, in einer Welt zu leben, die nachhaltig geprägt ist und in der wir alle gleichzeitig einen Platz haben. Das kann man jedoch nur erreichen, wenn man fair mit Mitarbeiter*innen umgeht. Ein angenehmes Arbeitsumfeld ist essentiell, um Arbeiter*innen zu motivieren und somit auch die Unternehmensvisionen zu erreichen.

Libiseller: Wie würden Sie die Nachhaltigkeitskommunikation bei Too Good To Go beschreiben?

Strasser: Wir kommunizieren Themen, die für die Gesellschaft und für uns wichtig sind, in Bezug auf Nachhaltigkeit. Es soll ein Bewusstsein und Klarheit geschaffen werden. Dabei ist es wichtig, die Botschaften einfach und leicht verständlich zu halten, damit sie auch wirklich jeder versteht und umsetzen kann. Diese Nachrichten sollen sich dann möglichst weit in der Gesellschaft verbreiten und die Menschen erreichen.

Libiseller: Nachhaltigkeitskommunikation ist ja bekanntlich nicht einfach. Was denken Sie, sind die größten Fehler, die in diesem Rahmen gemacht werden können?

Strasser: Das beliebte Wort „Greenwashing“ kommt mir da in den Sinn. Der Grat zwischen nachhaltigem Kommunizieren und Greenwashing ist recht schmal. Manche Unternehmen nutzen das sehr bewusst, um sich in ein besseres Licht zu stellen. Das kann schnell schief gehen und unglaubwürdig wirken. Bei anderen passiert es ganz einfach, weil sie versuchen, nachhaltige Themen umzusetzen, dann jedoch nur an der Oberfläche kratzen. Um erfolgreich in der Nachhaltigkeitskommunikation zu sein, sollte man seine Themen gut durchdenken und sichergehen, dass sie einen nachhaltigen Nutzen haben. Nur den eigenen Heiligenschein zu polieren, reicht nicht.

Libiseller: Ihr Ziel ist es, Menschen zu motivieren, nachhaltiger zu leben. Wie könnte man solche Nachhaltigkeitsappelle in die Kommunikation integrieren?

Strasser: Dazu fallen mir zwei Schritte ein: zuerst einmal aufklären und das Bewusstsein in der Gesellschaft für dieses Problem schärfen. Weiters sollten besonders unkomplizierte Lösungen geboten werden, die Empfänger*innen auch einfach umsetzen können. Das ist wichtig, damit diese Appelle auch ankommen und jedem Einzelnen einen Nutzen bringen.

Libiseller: Too Good To Go macht es bereits vor. Warum sollten andere Unternehmen jetzt zum Vorreiter des grünen Wandels werden?

Strasser: Meiner Meinung nach hat ein Unternehmen in der Zukunft nur dann eine Chance, wenn es sich diesem Thema wirklich annimmt. Wir stecken inmitten einer Klimakrise, die uns alle betrifft. Global, egal in welchem Land, egal aus welcher sozialen Schicht man kommt. Das heißt, dass wir alle zusammenarbeiten müssen. Nur wenn wir gemeinsam anpacken, können wir etwas verändern. Ich denke, dass ein Unternehmen, das jetzt anfängt, nachhaltiger zu arbeiten und sich anpasst, davon profitieren wird. Nicht nur um sich ökologisch besser darzustellen, sondern auch in Zukunft ökonomisch besser agieren zu können.

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© Sara Kaufmann Sandra Libiseller

Libiseller: Gibt es Ihrer Meinung nach auch gewisse CSR (Corporate Social Responsibility)-Themen, die in der Unternehmenskommunikation zukünftig an Bedeutung gewinnen werden?

Strasser: Gewisse Themen werden immer wichtiger. Der jungen Generation ist sehr wohl bewusst, dass wir mitten in einer Klimakrise leben. Sie akzeptieren es nicht mehr, ihr Leben lang 40 Stunden und mehr zu arbeiten. Sie wollen nicht tatenlos der Welt beim Untergehen zusehen und möglicher weise mit ihrem Job sogar noch einen Beitrag dazu leisten. Deshalb bin ich der Meinung, dass Themen wie unternehmensinterne Nachhaltigkeit immer wichtiger werden. Dabei ist es essentiell, immer transparent und ehrlich zu kommunizieren. Ich kann viel erzählen, aber wenn Mitarbeiter*innen merken, dass das meiste nicht der Wahrheit entspricht, wird sich das schnell herumsprechen. Dank Social Media und Medien geht das heute sehr schnell. Solche Themen müssen also, wenn man sie kommuniziert, auch wirklich gelebt werden.

Libiseller: Too Good To Go ist bereits in 17 Ländern vertreten, trotzdem wird nur ein Impact Report veröffentlicht. Warum wird ein gemeinsamer und nicht ein länderspezifischer Bericht publiziert?

Strasser: Egal welches Land - das Problem von Lebensmittelverschwendung ist ein globales. Deshalb reicht ein gemeinsamer Report, da wir alle für dieselbe Sache kämpfen und so einen gemeinsamen Beitrag gegen die Klimakrise leisten. Natürlich wird im Report näher auf die einzelnen Länder eingegangen. Die Herausforderungen sind in den unterschiedlichen Märkten ein wenig anders, aber letztendlich haben alle ein gemeinsames Ziel, für das wir uns alle zusammen einsetzen.

Libiseller: Würden Sie sagen, dass ein gemeinsamer Bericht Vorteile mit sich bringt?

Strasser: Auf jeden Fall. Er ist vor allem viel übersichtlicher und kompakter. Man sieht auf einen Blick sowohl Unterschiede als auch Gemeinsamkeiten und sendet eine starke, klare Botschaft nach außen.

sich die Wienerin der #ZeroFoodWaste-Bewegung und ist PR-Managerin bei „Too Good To Go“.

Libiseller: Ihr Impact Report ist 75 Seiten lang. Andere Unternehmen erreichen hingegen nicht die 50 SeitenGrenze. Welchen Vorteil sehen Sie, wenn die Berichte umfangreicher sind?

Strasser: Beim Thema Nachhaltigkeit ist es im Endeffekt egal, wie viele Seiten es sind, es geht um den Inhalt. Ob ein Unternehmen die wichtigen Botschaften auf weniger Seiten unterbringt und andere auf mehr, macht für mich keinen Unterschied. Es geht darum, dass man transparent aufzeigt, was man macht und welchen Impact man leistet. Dabei sollte der Inhalt im Idealfall auch noch optisch interessant dargestellt werden, sodass man ganz einfach und schnell die wichtigsten Infos bekommt. Zudem sollte der Effekt der Transparenz und der ehrlichen, nachhaltigen Kommunikation gegeben sein.

Libiseller: Die Konkurrenz schläft ja bekanntlich niemit welchen Inhalten differenziert sich Too Good To Go beim Impact Report?

Strasser: Ein Merkmal unseres Reports sind die bildlich sehr schön aufbereiteten Inhalte. Es wird etwa dargestellt, welche Aktionen im Laufe des Jahres umgesetzt wurden. Zudem zeigen wir, was in den einzelnen Ländern passiert ist und wohin die Pläne führen. Es kommt einem gar nicht vor wie 75 Seiten, da der Report sehr ansprechend gestaltet ist. Die Botschaften sind klar ersichtlich und man bekommt schnell einen Eindruck davon, was passiert und was wir im letzten Jahr erreicht haben.

Libiseller: Abschließend noch eine Frage zum diesjährigen Bericht. Der Impact Report 2022 wurde noch nicht veröffentlicht (Anm.: das Interview wurde im Oktober 2022 geführt). Wird es Veränderungen im Vergleich zum Reporting von 2021 geben?

Strasser: Da der Impact Report global erstellt wird, kann ich das leider nicht sagen. Der Inhalt hängt davon ab, was in dem Jahr passiert ist. Dabei werden wir wieder genau aufzeigen, was wir bewirken konnten und wie es weitergehen soll - das natürlich leicht verständlich und ansprechend gestaltet.

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Elisabeth Strasser ist seit fünf Jahren in der PR-Branche tätig. Begonnen hat ihr Weg an der Universität Wien mit einem Geschichtestudium, doch ihr Interesse an der Öffentlichkeitsarbeit wurde immer größer. Nun widmet © Kurt-Keinrath © Adobe Stock: sewcream

Als Unternehmen nachhaltig agieren: Zukunftschancen mit dem Corporate Sustainability Report

Welche Bedeutung hat Nachhaltigkeit in der KunststoffBranche? Alexandria Mitterbaur von Greiner Packaging und Michaela Pachner von Greiner AG über ihre Erfahrungen mit dem Corporate Sustainability Report.

Linda Hsieh: Greiner Packaging gilt als führender Hersteller bei Verpackungen im Food und Non-Food Bereich. Was unterscheidet Sie in der Nachhaltigkeit von anderen Unternehmen der Verpackungsbranche?

Alexandria Mitterbaur: Greiner Packaging ist Vorreiter, wenn es um die Verwirklichung einer Kreislaufwirtschaft geht und Innovator für nachhaltige Produktlösungen. Unser Motto “do the innovation” ist Teil unserer DNA. Denn wir hinterfragen und optimieren immer wieder unsere Prozesse, Produkte und Lösungen. Der Vorteil gegenüber anderen Verpackungsunternehmen ist, dass wir viele Möglichkeiten haben. Das umfasst unsere Technologien und Materialien sowie unser Prozess-Know-how. Dank unseres breiten Spektrums an Produktions- und Dekorationstechnologien können wir unsere Kunden*innen umfassend beraten und maßgeschneiderte Lösungen anbieten. Wir stellen dabei sicher, dass wir unsere Ziele in Bezug auf die Nachhaltigkeit verfolgen.

Hsieh: Welchen Stellenwert hat der ESG-Bericht (Environment, Social & Governance) innerhalb Ihres Unternehmens? Und wie kommunizieren Sie ihn?

Michaela Pachner: Wir setzen auf viele Kanäle: Social Media, Website, Intranet, Mitarbeiter*innenmagazine (weltweit sowie sparteneigene), Pressearbeit, Events, und so weiter. Die Inhalte des Nachhaltigkeitsberichtes werden natürlich auch über diese Systematik gespielt. Außerdem haben wir eine eigene Nachhaltigkeitsabteilung in der Konzernzentrale mit rund 50 Kolleg*innen. Diese arbeiten spartenübergreifend in fünf Arbeitsgruppen zu unseren wichtigsten Themenfeldern rund um Mitarbeiter*innen, Produkte, Lieferkette/Einkauf, Umwelt/Ressourcen oder strategische Partnerschaften. Hier werden Projekte und Maßnahmen erarbeitet und dem Nachhaltigkeitsrat vorgeschlagen. Der Vorsitzende des Nachhaltigkeitsrats ist unser Greiner-CIO Axel Kühner, deswegen werden hier Entscheidungen recht rasch getroffen.

Hsieh: Wer ist die vorrangige Zielgruppe Ihrer ESGBerichte?

Pachner: Die Zielgruppen sind grundsätzlich alle unsere Stakeholder und vor allem wir selbst als Unternehmen. Wir haben eine Corporate Governance-Struktur und eine Gesamtnachhaltigkeitsstrategie erarbeitet, die ständig weiterentwickelt werden muss. Sie verpflichtet uns zu kurz-, mittel- und langfristigen Nachhaltigkeitszielen. Wir möchten eine Kreislaufstrategie umsetzen. Aber wir wollen nicht nur auf uns schauen, sondern auch darauf, was vorund nachgelagert passiert. Ein Nachhaltigkeitsbericht unterstützt die Realisierung und Messung der gesetzten Ziele. Er ist damit auch eine dynamische Risikobewertung und schafft Transparenz.

Hsieh: Wie wird der Corporate Sustainability Report (CSR) an interne und externe Stakeholder kommuniziert? Inwiefern unterscheidet sich hier die Kommunikation?

Pachner: Wir verfolgen hier einen klassischen MarketingMix, der jetzt gar nicht so stark in Intern und Extern getrennt wird. Es gibt eine eigene Website dazu und eine Pressekonferenz. Für interne Mitarbeiter*innen passiert hier mehr, denn die arbeiten während des ganzen Jahres mit uns an den Projekten und Maßnahmen.

Hsieh: Wie hat die zunehmende Bedeutung von Nachhaltigkeit die Kommunikation in den vergangenen Jahren verändert?

Mitterbaur: In den letzten Jahren wurden zunehmend mehr Themen aus der Nachhaltigkeitsperspektive betrachtet. Das ist ein guter und wichtiger Schritt, weil wir dadurch mehr Aufmerksamkeit schaffen. Es wurde deutlich, dass Kommunikation ohne entsprechende Handlungen nicht funktioniert – Stichwort Greenwashing. Nach dem Motto “Tue Gutes und sprich darüber” ist es toll, wenn Unternehmen Nachhaltigkeitsinitiativen vorantreiben und auch darüber berichten. Nur darüber zu sprechen, reicht aber nicht aus; sie müssen solche Projekte eben auch umsetzen, um authentisch zu sein.

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© FH St. Pölten Linda Hsieh

Hsieh: Welche Trends prägen die Nachhaltigkeitsberichterstattung und haben sich auch schon auf Ihren CSR ausgewirkt?

Pachner: Der Trend geht immer mehr zur integrierten Berichterstattung. Wir werden das auch im nächsten Jahr umsetzen. Es wird keine zwei Berichte mehr geben, sondern einen integrierten Geschäftsbericht im ersten Halbjahr 2023. Der beinhaltet den Geschäftsbericht mit den finanziellen Geschäftszahlen aus dem Jahresabschluss und die nicht-finanzielle Nachhaltigkeitsberichterstattung, die alle zwei Jahre erscheint. Immer mehr Berichte beziehen sich auf die weltweit angestrebten Sustainable Development Goals (SDGs). Wir haben auch unsere Nachhaltigkeitsanstrengungen mit den SDG-Inhalten analysiert und geschaut, wo unser Impact am größten ist. Ein Trend ist hier sicher, dass immer mehr verpflichtende ReportingAnforderungen entstehen und bestehen, die man erfüllen muss. Wir adaptieren und verfeinern ständig die Datenerfassung. Wir berichten der Wertschöpfungskette entlang, um hier ein besseres Verständnis und Transparenz für die Leser*innen zu schaffen.

Hsieh: Sie sind auf Social Media sehr aktiv, auch hier steht das Thema Nachhaltigkeit im Vordergrund. Welche Zielgruppe wollen Sie damit erreichen?

Pachner: Die festgelegten Zielgruppen sind Mitarbeiter*innen, Kund*innen und Eigentümer*innen und gehen von aktuellen bis zukünftigen Beschäftigten, Medien, Politik, Lieferant*innen bis hin zu regionalen Anrainer*innen.

Hsieh: Greiner AG legt auch viel Wert auf Nachhaltigkeit und Innovationen und hat in der Vergangenheit auch schon einige Nachhaltigkeitsawards gewonnen. Ebenso waren Sie dieses Jahr für den Plastics Recycling Award unter den Finalist*innen. Wie wichtig sind diese Auszeichnungen innerhalb der Branche? Welche Vorteile bieten diese Auszeichnungen für Sie als Unternehmen?

Mitterbaur: Auszeichnungen sehen wir immer als ein Zeichen, dass unsere Bemühungen rund um Nachhal-

tigkeit gesehen und anerkannt werden. Wir freuen uns deshalb über jede Nominierung und Auszeichnung. Sie sind aber nicht der Grund für unser Engagement im Bereich Nachhaltigkeit und Innovation. Der Antrieb dafür ist viel mehr intrinsisch motiviert. Wir wollen bei Greiner Packaging gestalten und sehen Nachhaltigkeit und Umweltschutz als Teil unserer DNA.

Hsieh: Sie sagen, Nachhaltigkeit ist Teil der DNA von Greiner. Wie äußert sich das?

Pachner: Wir sind ein nicht börsennotiertes Unternehmen und als solches noch nicht zur Nachhaltigkeitsberichtserstattung verpflichtet. Wir haben uns aber trotzdem sehr früh, nämlich schon 2016, dazu entschlossen, einen Nachhaltigkeitsbericht zu erstellen und auch begonnen konzernweit eine Software für NachhaltigkeitsKennzahlen einzuführen. 2018 ist dann unser erster Nachhaltigkeitsbericht als eigenständiger und vom Geschäftsbericht entkoppelter Bericht erschienen.

Hsieh: Wie wird sich Ihre Nachhaltigkeitsberichterstattung in Zukunft verändern?

Pachner: Ich denke, es ist auch schon üblich, die Inhalte der Nachhaltigkeitsberichterstattung auf einer eigenen Website zu präsentieren. Und hier sehe ich auch den Trend zur Weiterentwicklung Richtung Live-Reporting. Sprich, in Zukunft wegzukommen von Inhalten und Daten aus der Vergangenheit. Stattdessen eher monats-, wochen- oder vielleicht sogar tagesaktuelle Kennzahlen zur Verfügung zu stellen. Dafür benötigt es große Vorarbeiten im Hintergrund, was die Datenerhebung und Validierung betrifft. Aber ich glaube, hier noch transparenter aktuelle Entwicklungen aufzuzeigen, wird zukünftig noch stärken kommen.

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Alexandria Mitterbaur (links) ist als Global Head of Marketing bei Greiner Packaging International tätig und verantwortet das internationale Marketing – dabei steht Circular Economy immer im Vordergrund. Michaela Pachner (rechts) ist seit 2013 innerhalb der Greiner Gruppe in verschiedenen Positionen rund um Kommunikation tätig. Aktuell ist Pachner für Sustainability & Corporate Affairs als Communications Manager zuständig. © Greiner Packaging © Adobe Stock: aFotostock © Greiner AG International GmbH

Gut gestaltet – besser

bewertet: Die Macht von Design im Corporate Reporting

Gisela Grosse, Expertin für Gestaltung von Corporate Reports, erklärt wieso Design in der Geschäftsberichterstattung wesentlich für die Wahrnehmung eines Unternehmens ist, worauf Unternehmen achten sollten und welches Potenzial Digitalisierung für das Corporate Reporting bietet.

Zofia Wegrzecka: „Der Geschäftsbericht als Visitenkarte“ ist eine Floskel, die man immer öfter hört. Sie haben sich beruflich auf die Gestaltung von Corporate Reports spezialisiert. Warum sollten Unternehmen einen Wert auf die Gestaltung ihrer Geschäftsberichte legen?

Gisela Grosse: Fast 80 Prozent unserer Wahrnehmung funktioniert über die Augen. Wir machen uns innerhalb einer Viertelsekunde ein Bild von einem Menschen, einer Situation und eben auch einer Publikation. Das geht schneller als Lesen. Wenn ich von einem Bild spreche, im Geschäftsbericht, dann meine ich das Zusammenspiel aller gestalterischen Elemente. Bilder erwecken Emotionen, wodurch wir sie besser erinnern als Texte. Deshalb ist Gestaltung wichtig.

Wegrzecka: Konnten Sie in Ihrer Forschung auch nachweisen, wie sich ein Report auf den finanziellen Erfolg eines Unternehmens auswirken kann?

Grosse: Konkrete finanzielle Effekte lassen sich da nicht messen. Eines konnten wir aber zeigen: Wir haben für unsere Studie „Visuell Berichten“ Analyst*innen in moderierten Interviews, die audio-visuell aufgezeichnet wurden, Geschäftsberichte bewerten lassen. Dazu haben wir inhaltlich identische Geschäftsberichte vorgelegt, die unterschiedlich gestaltet waren. Einer davon komplett nach unseren Analysekriterien. Auf die vorab gestellte Frage, was wichtig sei, im Geschäftsbericht, nannten die meisten Proband*innen inhaltsbezogene Aspekte. Gewinn und Verlust-Rechnung und so weiter. Als wir einen Bericht vorlegten und nach dem ersten Eindruck fragten, sprachen bemerkenswerterweise aber fast alle über die Gestaltung; etwa den Titel oder die Farben. Nach einer intensiveren Beschäftigung mit den Inhalten sollten die Analyst*innen das Unternehmen aus ihrer fachlichen Kompetenz heraus einschätzen. Das Unternehmen mit dem besser gestalteten Bericht wurde deutlich besser eingeschätzt. Das ist für uns ein Nachweis, dass Gestaltung die Wahrnehmung beeinflusst. Ob nun ein gut gestalteter

Geschäftsbericht dazu führt, dass der Aktienkurs besser ist, kann ich nicht sagen. Da gehört etwas mehr dazu.

Wegrzecka: Auf welche Gestaltungs-Elemente sollte man besonders achten?

Grosse: Als allererstes auf die Navigation. Der Geschäftsbericht ist ein Arbeitsinstrument, mit dem Leute Informationen schnell finden wollen. Da gehört intuitive Navigation dazu. Dann das Storytelling. Die Geschichte, die ein Geschäftsbericht erzählt, muss visuell übersetzt sein. Bei Online-Berichten ist es wichtig, Themen der Nachhaltigkeit schon auf der Landingpage anzuteasern, genauso wie die wesentlichsten Kennzahlen. Außerdem die Typografie. Ein Bericht besteht zu 70 bis 80 Prozent aus Text. Wenn er nicht leser*innenfreundlich gestaltet ist, dann steigen die Leute aus. Das sehen wir in der Praxis häufig, weil der Text meist von Accounting-Leuten konzipiert wird, die kein gestalterisches Know-how haben. Außerdem gehört eine gute Gliederung dazu. Das Auge muss ruhig über die Textzeilen gleiten können, um nicht zu ermüden. Und dann natürlich die Bildsprache. Bilder sollen die Geschichte, die erzählt werden soll, visualisieren.

Wegrzecka: Zum Thema Storytelling: Wie gehen Sie mit der Kritik um, dass schöne Bilder und eine schöne Story schwache Zahlen vertuschen?

Grosse: Das sehen wir leider immer wieder. Weniger bei Bildern, mehr bei Info-Grafiken. Nicht vergleichbare Skalierungen werden gegenübergestellt, Verhältnisse nicht korrekt dargestellt, wodurch sich Verschiebungen in der Wahrnehmung ergeben. Was die Bildsprache betrifft, kommt es auf die Inhalte an, die visualisiert werden sollen. Design ist die Bestimmung durch Darstellung. Es gibt Inhalte, die vermittelt werden und die kann man auch über Bilder vermitteln. Unternehmen tun sich keinen Gefallen damit, schöne Bildchen über ihren Monitor zu streuen, die mit den Inhalten nichts zu tun haben. Das ist unglaubwürdig. Bildsprache kann Aussagen unterstützen. Gibt es ein Auseinanderdriften zwischen Bild und

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© Lena Zehetner Zofia Wegrzecka

Text, merkt der Mensch das unbewusst. Das stört die Glaubwürdigkeit.

Wegrzecka: Wo sollte die Gestaltung von Corporate Reports angesiedelt sein, um die Balance zwischen Kreativität und Finanzberichterstattung zu schaffen?

Grosse: Da müssen alle beteiligten Akteur*innen eng zusammenarbeiten. Das ist aktuell ein großes Problem. Großteils ist die Gestaltung in der Unternehmenskommunikation oder den Investor Relations angesiedelt. Über die letzten Jahre hat das funktioniert, weil alle Zahlen von der Finanzabteilung kamen. Durch die neue ESG (Environmental Social Governance)-Berichterstattung und die EU-Taxonomie sind aber viel mehr Abteilungen zu involvieren. Ein völlig neues Prozedere, das viel verändert.

Wegrzecka: Wie bewerten Sie das Bewusstsein für die Gestaltung von Corporate Reports? Haben Sie in den letzten Jahren eine Entwicklung beobachten können?

Grosse: Das ist unterschiedlich. Wenn die Unternehmenskommunikation direkt im Vorstand angesiedelt ist, gibt es ein größeres Bewusstsein. Andernfalls ist es oft schwer, einen gut gestalteten Geschäftsbericht zu machen, weil Geld und Strukturen notwendig sind. Siemens zum Beispiel hat früher herausragende Geschäftsberichte vorgelegt. Mit dem Wechsel des Vorstands hat sich das völlig verändert. Von einer pauschalen Entwicklung kann man nicht sprechen. Wenn Unternehmen wissen, dass sie über den Geschäftsbericht nicht nur mit Analyst*innen kommunizieren, sondern mit einer breiten StakeholderGruppe, die auch zunehmend das Geschäftsmodell diskutiert (zum Beispiel auf Social Media), gibt es ein größeres Bewusstsein für Kommunikation und Gestaltung. In diesem Fall wird crossmedial eine konsistente Kommunikation aufgebaut. Andere Unternehmen hingegen nutzen das Potenzial einer guten Berichterstattung nicht. Die EU-Taxonomie scheucht aktuell alle furchtbar auf und bringt viel in Bewegung.

Wegrzecka: Hat Digitalisierung in der Gestaltung von Corporate Reports einen Platz?

Hochschule Münster und Gründerin des Corporate Communication Institutes. Als Forscherin beschäftigt sie sich mit der Bewertung der kommunikativen und gestalterischen Qualität des Reportings.

Grosse: Wenn man sich in Deutschland den DAX40 ansieht, könnte man meinen, der Printbericht stirbt aus. Alle Unternehmen hingegen veröffentlichen PDFs. Immer mehr werden bestimmte Reporting-Inhalte digital zur Verfügung gestellt und mit der Homepage des Unternehmens verknüpft. Ich bin überzeugt davon, dass wir nie wieder die dicken gedruckten Berichte sehen werden. Dass der Print-Bericht ganz ausstirbt, glaub ich nicht. Vielleicht wird er eine andere Form annehmen, zum Beispiel als gedruckte Kurzfassung.

Wegrzecka: Spielt Social Media eine Rolle in der Geschäftsberichterstattung?

Grosse: Ich finde, viel zu wenig. Oft werden Daten nur bei Veröffentlichung des Geschäftsberichtes kommuniziert, unterjährig aber viel zu wenig für die Kommunikation genutzt. Wenn man überlegt, wie viele Menschen die Inhalte für einen Geschäftsbericht zusammentragen - das ist ein Riesen-Projekt. Da ist der Output nach wie vor zu gering. Unternehmen könnten sehr viel aus einem Geschäftsbericht rausholen und in kleinen Portionen kommunizieren. Zum Beispiel über Social Media.

Wegrzecka: Sie leiten seit Jahren den Wettbewerb „Der beste Geschäftsbericht“. Können Sie uns zum Abschluss Best Practices nennen?

Grosse: BMW, Adidas, die Deutsche Post, … Das sind Klassiker, die seit Jahren immer ganz weit oben stehen.

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Gisela Grosse ist ehemalige Professorin für Corporate Identity, Unternehmens- und Finanzkommunikation an der © FH MünsterAnne Holtkötter © Adobe Stock: Yingyaipumi

Differenzierung im Vorschriften-Dschungel

Sarah Schwarzinger: Welchen Stellenwert hat Investor Relations - und Corporate Reporting als Teil dessen - in der Kommunikation von Unternehmen derzeit?

Elisabeth Leeb: Aus meiner Sicht haben Geschäftsund Nachhaltigkeitsberichte einen sehr hohen Stellenwert in der Unternehmenskommunikation. Sie sind die Visitenkarte des Unternehmens und selbst wenn dieser Begriff oft verwendet wird, trifft er meiner Meinung nach sehr gut zu. Diese Berichte sind meiner Ansicht nach auch ein Tool, das in Zukunft sehr stark für Employer Branding eingesetzt werden wird. Denn mit der richtigen Strategie schafft man es hier auch, neue Mitarbeiter*innen anzusprechen.

Schwarzinger: Sie haben Nachhaltigkeitsberichte angesprochen. Wie gehen denn Unternehmen mit der steigenden Bedeutung von Nachhaltigkeit in der Berichterstattung um?

Leeb: Die Nachhaltigkeitsberichterstattung ist im Umbruch. Hier findet gerade eine Revolution statt und die ist gekommen, um zu bleiben. Es gab jetzt schon umfassende Vorgaben für den Bereich der nichtfinanziellen Berichterstattung und mit 2024 wird die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) in Kraft treten, die ein noch viel umfassenderes Regelwerk im Bereich Umwelt, Soziales und verantwortungsvolle Unternehmensführung (ESG) vorsieht. Das führt auch dazu, dass die Berichte immer komplexer werden und es mittelfristig nur mehr einen kumulierten Bericht geben wird. Das heißt aber auch, dass sich die Inhalte der beiden Berichte miteinander verzahnen. Für die Unternehmen ist das eine große Herausforderung. Auf der anderen Seite ist es aber auch eine große Chance. Weil das Thema Nachhaltigkeit auch die Möglichkeit bietet, Innovationen umzusetzen oder neue Geschäftsmodelle zu implementieren. Und damit das Vertrauen in Stakeholder-Beziehungen zu festigen und zu fördern.

Schwarzinger: Glauben Sie, dass die heutigen Kommunikationsinstrumente der Investor Relations wie beispielsweise der PDF-Geschäftsbericht auch in Zukunft ausreichen werden, um die Stakeholder abzuholen und auch die jüngere Generation zu erreichen?

Leeb: Faktum ist, dass das PDF derzeit den höchsten Stellenwert einnimmt. Vor dem gedruckten Bericht und vor dem Online-Geschäftsbericht. Der gedruckte Bericht ist praktisch, da man ihn wie eine Visitenkarte an Lieferant*innen, Journalist*innen oder Kund*innen verteilen kann. Ich glaube aber, dass es mittelfristig nicht ausreichen wird, nur ein PDF zu haben. Selbst wenn man es benutzer*innenfreundlich gestaltet, glaube ich, dass man trotzdem verstärkt auf Digitalisierung setzen muss, um jüngere Zielgruppen anzusprechen. Die bleiben jetzt, denke ich, teilweise auf der Strecke.

Schwarzinger: Was sind Lösungen für die Digitalisierung von Geschäftsberichten, an denen Sie im Moment für Kund*innen arbeiten?

Leeb: Aus meiner Sicht gibt es die Möglichkeit eines Online-Geschäftsberichtes, der aber sehr ressourcenintensiv ist, da er ja auch responsive sein muss. Hier wird man noch sehen, inwieweit die Unternehmen bereit sind, Zeit und personelle Ressourcen zu investieren; obwohl der digitale Bericht natürlich ein tolles Produkt ist. Die Nutzer*innenzahlen sind viel höher als die Anzahl jener Leser*innen, die mit einer Print-Auflage erreicht werden können. Die zweite Möglichkeit ist, Suchmaschinenoptimierung umzusetzen und die dritte auf Social Media zu gehen. Also die unternehmenseigenen Kanäle nutzen und die Highlights gestalterisch ansprechend transportieren. In diesem Zusammenhang ist es sicherlich auch spannend, die Inhalte für ein internes LinkedIn AmbassadorProgramm weiterzuverwenden. Solche Programme haben wir bereits erfolgreich für unsere Kund*innen Bristol Myers Squibb und die Erste Digital umgesetzt.

Schwarzinger: Das rückt natürlich auch den Aspekt der optischen Gestaltung der Geschäftsberichte in

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Elisabeth Leeb, Business Director der Agentur Ketchum Publico, über Differenzierung im Corporate Reporting, was Kund*innen der Agentur aktuell beschäftigt und Trends in Employer Branding, Digitalisierung und Social Media.
© Niklas Schnaubelt Sarah Schwarzinger

ein neues Licht. Wie wichtig ist die optische Gestaltung des Geschäftsberichtes Ihrer Meinung nach?

Leeb: Grundsätzlich ist gute grafische Gestaltung bei Geschäftsberichten State-of-the-Art. Aus meiner Sicht haben insbesondere börsennotierte Unternehmen hier schon sehr viel Expertise und meist langjährige Erfahrung. Hilfreich ist es in der Gestaltung, auf einen Magazincharakter zu setzen. So wird es möglich, Doppelseiten mit inhaltlichen Highlights auch gleich auf Social Media zu posten. Wir denken das bei der Entwicklung des grafischen Designs immer gleich mit: Wie können wir den Bericht so gestalten, dass er idealerweise auch 1:1 für Social Media verwendbar ist? Vor kurzem konnten wir unseren Kunden SW Umwelttechnik erfolgreich bei diesem Prozess begleiten.

Schwarzinger: Ich habe jetzt herausgehört, dass man sich Ihrer Meinung nach durch gute grafische Gestaltung nicht mehr abheben kann. Mit welchen Inhalten kann man sich denn abheben? Was muss man machen, um besser zu sein, als andere?  Leeb: Grafische Gestaltung ist aus meiner Sicht kein Differenzierungskriterium mehr. Die Frage ist natürlich auch, woher das Bedürfnis nach Differenzierung kommt. Ich glaube, dass es aus der zunehmenden Vernetzung und Transparenz hervorgeht. Das ist auch legitim. Differenzieren kann man sich mit mehreren Punkten. Die Digitalisierung ist ein Differenzierungsmerkmal, weil viele Unternehmen dieses Potenzial noch nicht nutzen. Auch durch gendergerechte Sprache kann man sich differenzieren, weil auch hier viele Unternehmen noch Aufholbedarf haben. Dabei sollte einiges beachtet werden: Vor allem braucht es ein klares Commitment vom Vorstand und ein Corporate Wording, das sich durch alle Kanäle zieht. Nur im Geschäftsbericht inklusive Sprache zu verwenden, reicht dann nicht aus. Der dritte Punkt, bei dem man sich noch differenzieren kann, ist Nachhaltigkeit. Selbst wenn das Rahmenwerk durch die CSRD noch umfassender wird, können die Inhalte und Projekte von Unternehmen im Bereich Nachhaltigkeit sehr unterschiedlich

ausgestaltet sein. Mit starken Inhalten kann man sich hier am Markt und für potenzielle Mitarbeiter*innen differenzieren.

Schwarzinger: Welche Trends behalten Sie beim Corporate Reporting im Blick?

Leeb: Digitalisierung über Social Media ist der erste Trend. Die Nachhaltigkeitsberichterstattung und die gendergerechte Sprache sind weitere. Grundsätzlich wird im Bereich der Nachhaltigkeit der Kreis der berichtspflichtigen Unternehmen massiv erweitert: Derzeit sind ca. 140 Unternehmen von der Berichtspflicht umfasst, 2025 sollen es rund 2.100 Unternehmen sein. Aktuell sind diese Unternehmen intensiv damit beschäftigt, die Vorschriftenfülle der EUTaxonomie richtig umzusetzen.

Schwarzinger: Das heißt, momentan ist Differenzierung gar nicht im Mittelpunkt, sondern der Fokus liegt darauf, überhaupt einmal alle Vorschriften zu erfüllen?

Leeb: Im Idealfall sollte es beides sein. Es ist zentral, die Vorschriften einzuhalten. Aber Differenzierung ist darüber hinaus auch notwendig, da gerade nahezu alle Unternehmen nach Arbeitskräften suchen und die Kommunikation von spannenden Fakten über Social Media eine riesige Chance sein kann. Man sollte immer versuchen, beide Säulen mitzudenken. Wie kann ich mich im Vorschriften-Dschungel zurechtfinden und gleichzeitig im Rahmen des Employer Brandings das Unternehmen möglichst attraktiv positionieren?

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Als Public Relations- und Kommunikations-Expertin mit mehr als zehn Jahren Erfahrung in der Unternehmens- und Finanzkommunikation ist Elisabeth Leeb derzeit als Business Director bei der Agentur Ketchum Publico tätig. © Adobe Stock: wutzkoh © Mila Zytka

Vera Pichler, selbständige Unternehmensberaterin, sprach mit „PRaktivium“ über die Trends, Herausforderungen und Chancen der Nachhaltigkeit. Sie begleitet seit Jahren Unternehmen in der Nachhaltigkeitsberichterstattung und erzählt, worauf es bei der Kommunikation ankommt.

Denise Fink: Sie haben sich als Unternehmensberaterin im Bereich Nachhaltigkeit selbstständig gemacht. Mit welchen Anfragen kommen Unternehmen zu Ihnen?

Vera Pichler: Die häufigsten Anfragen kommen zur Begleitung von Nachhaltigkeitsberichten – das wird jetzt durch die kommenden gesetzlichen Anforderungen verstärkt. Der Nachhaltigkeitsbericht kann ein guter Ausgangspunkt für die Weiterentwicklung des Nachhaltigkeitsmanagements sein. Es lässt sich gut erkennen, wo die Unternehmen stehen und was es noch braucht, um Nachhaltigkeit zu verankern.

Fink: Wobei unterstützen Sie die Unternehmen und bis wohin geht Ihre Zuständigkeit?

Pichler: Ich unterstütze Unternehmen im Hinblick auf die Inhalte in der Nachhaltigkeitsberichterstattung. Wir ermitteln gemeinsam, welche Themen für den Bericht relevant sind und was Nachhaltigkeit für sie konkret bedeutet. Ich berate bei der Anwendung von Standards, wie den Global Reporting Initiative Standards oder zukünftig auch verstärkt den European Sustainability Reporting Standards. Dabei arbeite ich immer mit Vertreter*innen des Unternehmens zusammen. Beim Verfassen des Berichts gibt es dann häufig Schnittstellen, etwa mit Public Relations- und Marketing-Abteilungen im Unternehmen oder externen Agenturen, die das Texten und die grafische Aufbereitung übernehmen. Ich selbst stehe dann während und am Ende des Prozesses nochmal für Feedback zur Verfügung, um sicherzustellen, dass alles entsprechend der Standards umgesetzt wurde.

Fink: Wie würden Sie das Bewusstsein von Unternehmen zum Thema Nachhaltigkeitsberichterstattung einschätzen?

Pichler: Das ist sehr unterschiedlich. Es gibt Unternehmen, denen Nachhaltigkeit zwar ein Begriff ist, die das Thema aber noch nicht stark integriert haben. Für diese Unternehmen ist auch meist die Berichterstattung selbst

noch kaum Thema. Andere Unternehmen wiederum haben Prozesse im Nachhaltigkeitsmanagement bereits gut verankert, und auch die Berichterstattung ist bereits gut aufgebaut. Hier würde ich mir als Beraterin zum Teil wünschen, dass es auch eine stärkere Auseinandersetzung mit Bereichen wie Produkten oder Geschäftsmodellen gibt, um Nachhaltigkeit umfassender zu denken. Und dann gibt es auch sozusagen fortgeschrittene Unternehmen, die Nachhaltigkeit bereits in der Organisation integriert haben und bei zahlreichen Entscheidungen und Handlungen berücksichtigen.

Fink: Ihrer Erfahrung nach: Sehen Ihre Kund*innen die Nachhaltigkeitsberichterstattung eher als Chance oder als Herausforderung?

Pichler: Tendenziell eher als Herausforderung, weil es vor allem am Anfang ein großer Aufwand sein kann. Es werden Informationen aus unterschiedlichsten Abteilungen wie Human Resources oder Produktion benötigt und das bedeutet Zusatzaufwand. Zu Beginn ist in den Unternehmen auch noch nicht klar definiert, welche Schritte gemacht werden müssen und welche Daten notwendig sind. Die Prozesse sind oft noch nicht eingespielt. Dafür braucht es etwas Aufbauarbeit. Die Wahrnehmung als Chance kommt meist erst etwas später – aber nur mit diesem Bewusstsein können auch Chancen genutzt werden.

Fink: Was sind die Kernelemente der Nachhaltigkeitsberichterstattung?

Pichler: Ganz wichtig ist, aus meiner Sicht, dass es eine kritische Auseinandersetzung mit Nachhaltigkeit gibt. Unternehmen müssen definieren, was Nachhaltigkeit für sie konkret bedeutet. Sie sollten dabei entlang der gesamten Wertschöpfungskette denken – das heißt, zum Beispiel vom Ursprung der Rohstoffe für Produkte bis hin zur Entsorgung, also bis zum Ende des Produktlebenszyklus. Unternehmen sollten sich bewusst sein, wo sie stehen, was sie bereits machen und wie sie wirken.

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Der Weg zum Erfolg: Nachhaltigkeitsberichterstattung entlang der Wertschöpfungskette
© Tanja Bahr Denise Fink

Fink: Gibt es im Bericht auch besondere Trends oder Bereiche, die Unternehmen gezielt behandeln?

Pichler: Ein Thema, an dem man nicht vorbeikommt und das auch immer wichtiger wird, ist die Klimakrise. Hier spielt die Kommunikation eine wichtige Rolle. Bei Aussagen besteht dabei schnell die Gefahr von Greenwashing. Auch wenn hinter vielen Aussagen keine schlechten Absichten stecken, sollte man stets kritisch auf die Formulierung achten. Auch Themen wie der Erhalt der biologischen Vielfalt oder Menschenrechte gewinnen immer mehr an Bedeutung.

Fink: Im Kontext von Greenwashing: Wie gehen Sie damit um, wenn sich ein Unternehmen kommunikativ grüner positionieren möchte, als es ist?

Pichler: Wenn ich diese Absichten bei der Anfrage bereits merke, ist das für mich ein Punkt, an dem ich tatsächlich ablehne. Es ist nur meistens nicht so einfach. Die Nachhaltigkeitsberichterstattung verlangt ein anderes Denken. Es braucht eben genau diesen Blick, zu schauen, was momentan noch nicht so gut gelingt und wo die Schwächen liegen. Das ist für Organisationen meistens nicht so leicht zu kommunizieren. Deshalb sehe ich es auch als meine Aufgabe, immer wieder zu fragen, ob die Kommunikation nicht noch etwas offener und transparenter sein könnte. Die Kommunikation sollte auf alle Fälle ehrlich und auch selbstkritisch sein.

Fink: Was muss sich in Unternehmen ändern, um eine gute Nachhaltigkeitsberichterstattung auf die Beine zu stellen, auch in Bezug auf die Anforderungen durch die EU-Taxonomie und die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) der EU?

Pichler: Die Schwierigkeit, die wir jetzt im Moment noch haben, ist, dass die CSRD, und auch die damit verbundenen European Sustainability Reporting Standards, noch nicht finalisiert sind. Es gibt also noch ein paar Unsicherheiten. Viele Unternehmen wollen sich aber schon darauf vorbereiten. Aus meiner Sicht ist es wichtig, dass Unternehmen klar herausarbeiten, welche strategische

Vera Pichler ist Unternehmensberaterin in der Nachhaltigkeitskommunikation. Ihr Lebenslauf umfasst eine Ausbildung im Umwelt- und Nachhaltigkeitsmanagement sowie eine neunjährige Berufserfahrung in der Branche. Zudem unterrichtet sie als Lehrende an der IMC FH Krems und ist diplomierte Trainerin in der Erwachsenenbildung.

Bedeutung Nachhaltigkeit für sie hat. Das heißt, welche Chancen und Risiken gibt es und was können sie zum Klimaschutz beitragen? Auch die Datenverfügbarkeit ist natürlich relevant.

Fink: Welcher Nachhaltigkeitsbericht ist Ihnen als Expertin besonders in Erinnerung geblieben?

Pichler: Es sind meistens bestimmte Aspekte oder Teile des Berichtes, die mir besonders gut gefallen. Jedes Unternehmen hat bestimmte Dinge, die es besonders gut kann. Als Richtwert ziehe ich gerne die durch den Austrian Sustainability Reporting Award ausgezeichneten Berichte heran. Mit diesen Berichten und auch den Kriterien, die dahinterstecken, hat man geeignete Anhaltspunkte für gute Reports.

Fink: Wie haben sich die Themen in der Nachhaltigkeitsberichterstattung im Laufe der Jahre verändert?

Pichler: Was man in den letzten Jahren merkt, ist die Bedeutung von Nachhaltigkeit und wo diese verankert ist. Früher ging der Trend sehr stark in Richtung Spenden, Sponsoring und wohltätige Zwecke. Jetzt geht das Thema immer mehr ins Kerngeschäft über – wo es auch hingehört. Man kommt heutzutage kaum mehr daran vorbei, sich damit auseinanderzusetzen, wie das eigene Produkt wirkt oder wie mit den Mitarbeiter*innen umgegangen wird. Bezüglich der Themen wird vor allem das Klima immer zentraler. Auch der Erhalt der biologischen Vielfalt ist aus meiner Sicht ein wichtiger Punkt. In den nächsten Berichten werden wir sicher auch aktuelle Krisen wie die Covid-19-Pandemie, Energieverfügbarkeit oder Inflation stark sehen.

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Nachhaltigkeitsberichterstattung ist kein Marketing

Die CSRD (Corporate Sustainability Reporting Directive) wird die NFRD (Nonfinancial Reporting Directive) ablösen und für einheitliche Standards im Nachhaltigkeitsreporting sorgen. Betroffen sind davon 50.000 Unternehmen in der EU. Harald Reisinger, Berater für Nachhaltigkeitsmanagement und -berichterstattung, erklärt, was sich mit Einführung der CSRD ändert.

Patrick Seidl: Welche Punkte im Bereich Nachhaltigkeitsreporting sind aktuell besonders brisant?

Harald Reisinger: Nachhaltigkeitsreporting umfasst ein breites Themenspektrum. Vielen Stakeholdern ist noch immer nicht bewusst, dass es nicht um einen reinen Umweltbericht geht, sondern um wirtschaftliche, soziale und ökologische Fragestellung muss. Bisher waren nichtfinanzielle Berichte nur für sehr große Unternehmen obligatorisch und die Vorgaben der bestehenden Richtlinie (NFRD) zum Inhalt dieser Berichte sind vage. Um die Transparenz und Vergleichbarkeit hinsichtlich der Nachhaltigkeit von Unternehmen zu erhöhen, wird sich das nun ändern. Generell hat die EU im Rahmen des „European Green Deal“ den Druck auf die Wirtschaft erhöht. Es kristallisiert sich ein Rechtsrahmen heraus, der die Unternehmen vor große Herausforderungen stellt. Andererseits hat die bisherige Erfahrung gezeigt, dass die Qualität der Berichte ohne regulatorischen Druck und klar definierte Vorgaben oftmals unzureichend ist und im schlimmsten Fall damit Greenwashing betrieben wird.

Seidl: Für welche konkreten Inhalte des Nachhaltigkeitsreportings interessieren sich die Stakeholder? Sind hier Trends zu erkennen?

Reisinger: Im Umweltbereich ist hier vor allem der Klimawandel zu nennen. Unternehmen werden künftig nicht umhinkommen, über ihre Treibhausgasemissionen zu berichten und offenzulegen, wie sich der Klimawandel wiederum auf das Unternehmen auswirkt. Letzteres ist insbesondere auch für Shareholder und Kapitalgeber*innen relevant. Ein Unternehmen muss daher darüber berichten, wie es diese wechselseitigen Auswirkungen managt und wie es seinen Pfad zur Klimaneutralität gestaltet. In sozialen Belangen spielt beispielsweise die Achtung der Menschenrechte entlang der gesamten Wertschöpfungskette eine zunehmend wichtige Rolle. Denn Unternehmen können sich angesichts der global verzweigten Lieferketten nicht darauf beschränken, nur im eigenen Unternehmen hohe soziale Standards zu gewährleisten. Sie tragen Verantwortung dafür, dass die Menschenrechte

auch von ihren Lieferanten und Vorlieferanten eingehalten werden. Hier kommt das Lieferkettengesetz ins Spiel. Darüber, wie man Risiken entlang der Lieferkette identifiziert und minimiert, wird man künftig Rechenschaft ablegen müssen. Auch das wird ein Teil der Nachhaltigkeitsberichterstattung nach CSRD sein.

Seidl: Die CSRD ist aktuell (Anm.: November 2022) noch nicht finalisiert, aber was wird sich in der Nachhaltigkeitsberichterstattung voraussichtlich ändern?

Reisinger: Die gute Nachricht für alle, die bereits Nachhaltigkeitsberichte in Übereinstimmung mit den Standards der Global Reporting Initiative (GRI) erstellt haben: Inhaltlich wird es viele Überschneidungen geben, zwischen den GRI-Standards und den European Sustainability Reporting Standards (ESRS) der EU. Aber es ist noch etwas zu früh, um schon sichere Aussagen darüber zu treffen, wie sich die Nachhaltigkeitsberichterstattung ändern wird. Noch sind die CSRD und die Berichtsstandards der EU nicht fix ausformuliert. Und wie die neuen Vorgaben in der Praxis umgesetzt werden, wird sich erst 2025 zeigen. Gewiss gibt es bei einigen Punkten Unsicherheiten und Interpretationsspielraum. Die Frage ist, wie die berichtspflichtigen Unternehmen und externen Prüfer*innen diese Punkte auslegen werden. Das Ziel der EU-Kommission ist jedenfalls, dass nachhaltige Unternehmen auch finanzielle Vorteile haben. Dazu greifen unter dem Titel „Sustainable Finance“ verschiedene EURegularien ineinander. Neben der CSRD sind das etwa auch die Taxonomieverordnung oder die Offenlegungsverordnung. Die CSRD gibt daher auch eine verpflichtende externe Prüfung der Nachhaltigkeitsberichte vor.

Seidl: „Earth is now our only shareholder” – ein Zitat von Yvon Chouinard, Gründer von Patagonia. Er verschenkte seine Firmenanteile an eine gemeinnützige Organisation. Sieht so ein ultimativ-nachhaltiges Leitbild aus?

Reisinger: Die Geschichte von Patagonia ist beeindruckend. Man erlebt momentan generell, dass der Purpose

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© Niklas Schnaubelt Patrick Seidl

– also der gesellschaftliche Nutzen – bei vielen Unternehmen stärker in den Mittelpunkt rückt. Natürlich haben Unternehmen wirtschaftliche Interessen und Ziele und ihre Vorstände und Geschäftsführer*innen auch rechtliche und betriebswirtschaftliche Verpflichtungen. Doch der wirtschaftliche Erfolg sollte kein Selbstzweck sein. Unternehmen sollten sich vielmehr fragen und hinterfragen, inwieweit sie die Interessen heutiger und künftiger Stakeholder respektieren. Patagonia macht das und verfolgt dabei einen sehr holistischen Ansatz, indem es das Wohl der Erde in den Mittelpunkt rückt. Während in den meisten anderen Unternehmen soziale und ökologische Ziele den wirtschaftlichen Vorgaben klar untergeordnet sind, setzen Vorreiter wie Patagonia also andere Prioritäten. Fest steht, dass die Tragfähigkeit unseres Planeten letztendlich erhalten bleiben muss und dass soziale Missstände sowie extreme wirtschaftliche Ungleichheit uns allen schaden. Nachhaltigkeit sollte demnach Teil der Strategie jedes Unternehmens sein. Wem das gut gelingt und wer Nachhaltigkeit authentisch lebt und kommuniziert, wird letztlich auch wirtschaftlichen Nutzen daraus ziehen können.

Seidl: Wie unterstützen Sie Unternehmen dabei?

Reisinger: Ausgangspunkt ist oft der Wunsch eines Unternehmens einen standardkonformen Nachhaltigkeitsbericht zu erstellen. Daran geknüpft sind viele Aufgabenstellungen, bei denen ich meine Kunden bei Bedarf unterstützen kann. Das beginnt bei der Analyse der wesentlichen Auswirkungen, Chancen und Risiken des Unternehmens im Nachhaltigkeitskontext. Oft entwickle ich mit den Unternehmen eine Nachhaltigkeitsstrategie sowie Ziele und Maßnahmen, die dann letztlich auch im Nachhaltigkeitsbericht veröffentlicht werden. Bei manchen Berichten habe ich nur eine beratende und qualitätssichernde Rolle, bei anderen bin ich federführend für die Erstellung des gesamten Berichts, also auch für die redaktionelle Arbeit verantwortlich. Mein „Werkzeug“ waren bisher, seit Beginn meiner beruflichen Tätigkeit im Jahr 2006, die GRI-Standards. Mit der CSRD und den

Harald Reisinger hat nach Abschluss seines Studiums an der Universität für Bodenkultur in Wien am Österreichischen Institut für nachhaltige Entwicklung (ÖIN) begonnen, war danach Gründungsgesellschafter und Mitarbeiter eines auf Nachhaltigkeit spezialisierten Beratungsunternehmens und ist seit 2014 als selbständiger Unternehmensberater für Nachhaltigkeitsmanagement und Nachhaltigkeitsberichterstattung tätig.

ESRS wird die Bedeutung dieser freiwilligen Standards in den Hintergrund rücken. Ich werde Unternehmen also künftig auch dabei unterstützen, die neuen EU-Regularien richtig umzusetzen.

Seidl: Wie sollte man in der Öffentlichkeitsarbeit mit dem Thema Nachhaltigkeitsreporting umgehen?

Reisinger: Man sollte trennen, zwischen dem Nachhaltigkeitsbericht, der schon jetzt im Idealfall nach den GRIStandards und später nach gesetzlichen Vorgaben erstellt wird, und der allgemeinen Nachhaltigkeitskommunikation. Der Nachhaltigkeitsbericht ist kein PR-Instrument und keine Marketingbroschüre und sollte auch nicht so wirken. Ein schlechter Nachhaltigkeitsbericht kann einem Unterhemen im schlimmsten Fall mehr schaden als nutzen. Man riskiert, sich dem Vorwurf des Greenwashings auszusetzen, wenn beispielsweise auf kritische Anfragen von NGOs (Non-Governmental Organizations) nicht vorgewiesen werden kann, wie sich gewisse Kennzahlen zusammensetzen oder wie Prüfungen durchgeführt werden. Auch wettbewerbsrechtlich droht dann Ungemach. Der Nachhaltigkeitsbericht sollte daher fundiert und aussagekräftig sein und belegbare Informationen bieten. Er kann und soll das Fundament für die allgemeine und freier gestaltbare Kommunikation zur Nachhaltigkeit eines Unternehmens und seine diesbezügliche Öffentlichkeitsarbeit sein. Doch auch dort gilt: kein Greenwashing!

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Online-Geschäftsberichte: Selbstinszenierung oder Win-win für alle Beteiligten?

Digitale Geschäftsberichte sind DAS Medium für moderne Stakeholderkommunikation. Eloy Barrantes, CEO von nexxar und Paradots, spricht über die Vorteile von Online-Berichten und gibt Tipps für die visuelle Aufbereitung von Informationen.

Anja Meindl: Wie können Informationen in Unternehmensberichten attraktiv gestaltet werden, ohne dass man dabei wichtige Fakten verliert?

Eloy Barrantes: Reduktion von Komplexität ist wichtig, sie steht jedoch nicht zwangsläufig in Zusammenhang mit Informationsverlust. Informationen sind vor allem in der Online-Welt überall gefiltert und ausschnitthaft. Auf Social Media bewegen wir uns beispielsweise in unserer Bubble und bekommen nur das angezeigt, was die Algorithmen uns präsentieren. Das sind normale Informationsnutzungsmechanismen, denen man sich bewusst sein muss. Online-Berichte zeigen nicht alle Informationen auf einen Schlag, sondern versuchen Inhalte gut zu strukturieren und Nutzer*innen den Zugang zu Themen zu erleichtern. Durch strukturiertes und übersichtliches Gestalten können Informationen leichter gefunden werden. Unser Ziel ist es, dass Nutzer*innen am schnellsten zu den Informationen gelangen, die sie wirklich individuell interessieren, ohne sich durch andere Inhalte durchkämpfen zu müssen.

Meindl: Wie kann die neue, stark wachsende jüngere Generation unter den Stakeholdern erreicht werden?

Barrantes: Auf jeden Fall ist Social Media ein wichtiger Kanal und soll aktiv für Investor*innenkommunikation genutzt werden. Genau dabei unterstützen wir bei Paradots unsere Kund*innen. Zum Beispiel können auf Instagram kurze Reels mit Finanz- und Unternehmensbezug veröffentlicht werden. Dabei ist es besonders wichtig, authentisch zu bleiben. Im Bereich der Finanzkommunikation hat man den großen Vorteil, auf Social Media noch immer eine Vorreiterposition innezuhaben. Mit guten Inhalten kann man sich hier schnell zur Benchmark hocharbeiten.

Meindl: Welche Reporting-Formate sind Ihrer Meinung nach am wichtigsten?

Barrantes: Neben den gesetzlich vorgeschriebenen Formaten stehen künftig Online-Berichte klar im Fokus. Es kann nicht sein, dass im Jahr 2022 sonst alles online ist, aber Geschäftsberichte meist nur als PDF-Download verfügbar

sind. Jedes Unternehmen hat eine Corporate Website, alle sind auf Social Media und alle schreiben sich Digitalisierung auf die Fahne – da erwarten sich Stakeholder auch, dass die Kommunikation digital ist. Warum sollte der Geschäftsbericht hier eine Ausnahme sein? Informationen werden am Bildschirm rezipiert, da müssen sie auch für den Bildschirm gedacht, konzipiert und realisiert werden.

Meindl: Welche Vorteile bringt der digitale Geschäftsbericht für Unternehmen?

Barrantes: Digitale Berichte bieten viele Vorteile gegenüber dem PDF. Die meisten liegen im Bereich der Informationsdarstellung (auch auf mobilen Endgeräten), der Interaktivität sowie der Multimedialität. Online-Berichte erreichen aber nachweislich auch deutlich mehr Stakeholder als reine PDF-Berichte. Bei einem Online-Bericht wird beispielsweise jede Unterseite eine Website und somit einzeln, zum Beispiel bei Google, initiiert. Sie erreichen eine deutlich höhere Sichtbarkeit als ein PDF-Bericht, der nur einmal gerankt wird.

Meindl: Worauf muss beim Mobile-first Approach besonders geachtet werden? Wie wichtig ist Responsive Design?

Barrantes: Es geht darum, denselben Content für die Nutzungsgewohnheiten auf mobilen Endgeräten zu optimieren. Für mobile User muss zum Beispiel die Startseite anders gestaltet werden, mehr Einstiegsoptionen zur Verfügung stehen und Inhalte snackable, also einfach und leicht konsumierbar, sein. Außerdem muss es in den meisten Fällen spezielle Lösungen für interaktive Infografiken und natürlich für die mobile Navigation geben.

Meindl: Welche grafischen Elemente sind am wichtigsten, um die Aufmerksamkeit der Leser*innen zu erlangen?

Barrantes: Grundsätzlich sind visuelle Elemente immer gut, wenn sie Informationen besser vermitteln können als Text und Zahlen. Gewisse Formate erhöhen außerdem die Aufmerksamkeit der Leser*innen. Zum Beispiel: interaktive Informationsgrafiken, Animationen und Erklärvideos, die ein komplexes Thema snackable machen.

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© Anja Meindl Anja Meindl

Meindl: Gibt es spezielle Design-Elemente, die sich vor allem bei komplizierten Themen als Best Practices durchgesetzt haben?

Barrantes: Generell sollen Online-Berichte mehr können als PDF-Versionen. Viele intelligente Mechanismen haben das Potenzial, einen Bericht besonders zu machen. Zum Beispiel sind animierte Stage-Videos auf einer Startseite interessanter als ein statisches Cover. Sie wecken die Aufmerksamkeit der Leser*innen. Interaktive Infografiken können komplizierte Inhalte überschaubarer präsentieren. Außerdem wird in Online-Berichten mit Tagging gearbeitet. Tagging ermöglicht Nutzer*innen viel schneller Informationen zu finden, die sie interessieren. In jedem Abschnitt und auf jeder Seite werden die behandelten Themengebiete oben angeführt, also getaggt. Relevanz-gesteuerte Topic-Filter und das Kombinieren verschiedener Themengebiete in der Suche ermöglichen ein personalisiertes Nutzer*innenerlebnis. In Form von Vorschlägen können zusätzlich interessante und thematisch angrenzende Unterseiten empfohlen werden – das Prinzip funktioniert wie Artikelvorschläge in einem Online-Shop. Außerdem werden interaktive und individualisierbare Chart-Generatoren eingesetzt. Hier kann man zum Beispiel das Thema und die Zeitspanne des Diagramms auswählen. Anschließend stehen die generierten Diagramme zum Download bereit. Online-Berichte sind generell nutzer*innenfreundlicher als das Durchsuchen von einem 300 Seiten langen PDF-Dokument. Die genannten Mechanismen erhöhen die User Experience von Stakeholdern und in dem Zusammenhang auch ihre Zufriedenheit.

Meindl: Kann die grafische Aufbereitung nicht auch ablenken? Wenn beeindruckende visuelle Inszenierungen unsere Aufmerksamkeit bündeln, sind dann die Fakten oftmals zweitranging?

Barrantes: Ob und warum man ein Unternehmen gut findet, ist nie ganz rational erklärbar; unsere Wahrnehmung ist nie objektiv. Transparente, visuell aufgearbeitete Inhalte zeigen, dass das Thema dem Unternehmen wirklich wichtig ist. Man muss sich fragen, was die Alternative wäre. Eine

Eloy Barrantes ist CEO von nexxar und Paradots. Seine Agentur nexxar ist auf digitale Unternehmensberichte spezialisiert. Im Dezember 2021 wurde die Agenturmarke Paradots gegründet, die sich auf Finanz- und Nachhaltigkeitskommunikation auf Social Media spezialisiert. Nebenbei war Barrantes als Lektor an der WU Wien und der FH St. Pölten tätig.

lange schwarz-weiße Excel-Tabelle? Das würde aus meiner Sicht Informationen mehr verstecken als hervorheben. Daher glaube ich: grafische Aufbereitung erhöht die Aufmerksamkeit für Informationen. Voraussetzung ist, dass dabei nichts versteckt oder beschönigt wird, sondern die Transparenz und Vermittlung der Information im Vordergrund stehen. Was im Anschluss in Erinnerung bleibt, ist sowieso davon abhängig, was den Leser oder die Leserin interessiert.

Meindl: Nachhaltigkeitsberichterstattung wird oft zur Stärkung des Vertrauens der Stakeholder eingesetzt. Ist die Herangehensweise bei diesem Thema anders? Worauf muss man achten?

Barrantes: Nachhaltigkeitsberichte müssen so transparent wie möglich sein, trotzdem kann eine Story rundherum erzählt werden. Damit meine ich nicht, etwas zu erfinden, sondern glaubwürdig darzulegen, welche Milestones es gibt, wie man die Ziele erreichen will und warum das dem Unternehmen wichtig ist. Das kann dann visuell aufbereitet werden. Dafür sind alle bekannten Instrumente des Webdesigns gut geeignet. Wichtig dabei: Storytelling ist nicht Werbung! Es muss eine ehrliche und glaubwürdige Story mit Hand und Fuß dahinterstehen.

Meindl: Noch zum Thema Nachhaltigkeit: Bei der SDG (Sustainable Development Goals)-Berichterstattung werden oftmals ein paar Ziele ausgesucht, die in den Fokus gesetzt werden. Wird hier versucht, sich in ein besonders gutes Licht zu rücken?

Barrantes: Nein, das sollte natürlich nicht der Fall sein. Ich wage zu behaupten, dass für kaum ein Unternehmen alle SDGs gleich wichtig sind – also das Unternehmen mit seinem Geschäftsmodell denselben Impact auf alle SDGs hat. In der Berichterstattung geht es hier darum, die besonders relevanten SDGs zu identifizieren – und das muss transparent und für jeden nachvollziehbar sein. Relevanz und Wesentlichkeit sind generell wichtige Prinzipen im Reporting.

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Digitalisierung als Schlüssel zur optimalen

Stakeholder-Kommunikation

„PRaktivium“ diskutierte mit Julia Hofmann, Investor Relations Managerin bei der Bechtle AG. Sie berichtet, wie die Digitalisierung im Unternehmen zu einer besseren Stakeholder-Kommunikation führen kann und welche Herausforderungen im Bereich des Reportings gemeistert werden müssen.

Marlies Aust: Die Bechtle AG legt laut ihrer Unternehmenswebsite viel Wert auf Nachhaltigkeit. Wie wird diese Nachhaltigkeit nach außen kommuniziert?

Julia Hofmann: Der Bereich Nachhaltigkeitskommunikation wird schon seit vielen Jahren von einer Kollegin betreut. Seit letztem Jahr haben wir auch einen Nachhaltigkeitsmanager, der uns dabei unterstützt. Allerdings gibt es hier Neuerungen: Die Abteilungen bleiben bestehen, doch zukünftig wird der Fokus darauf liegen, integriert zu berichten. Wir werden daher ab diesem Geschäftsjahr den Nachhaltigkeitsbericht mit dem Geschäftsbericht zusammenlegen.

Aust: Also stehen hier Veränderungen bereits an?

Hofmann: Genau, hier kommen Veränderungen auf uns zu. Aber auch in Sachen der Nachhaltigkeitskommunikation gibt es viel Bedarf und es wird auch viel getan. Das sieht man auch auf unserer Website. Dort findet man Strategien wie unsere Nachhaltigkeitsstrategie oder auch die Klimaschutzstrategie.

Aust: Das heißt, auch in der Nachhaltigkeitskommunikation sind neue Anforderungen dazugekommen?

Hofmann: Ja, genau. Es gibt eine ganze Menge von Standards, nach denen berichtet werden muss und ständig neue Vorschriften, die umgesetzt werden müssen. Außerdem sind Erhebungen notwendig. Dafür haben wir jetzt ein System, in dem alle Nachhaltigkeitskennzahlen gesammelt werden, auf die wir zugreifen können. Früher für den Nachhaltigkeitsbericht und demnächst dann auch für den integrierten Bericht.

Aust: Wie weit ist bei Ihnen die Digitalisierung der Berichte bereits umgesetzt worden? Hat hier Covid-19 eine Rolle gespielt?

Hofmann: Einen digitalen Bericht haben wir im Moment nicht. Wir bespielen unsere Website mit Inhalten, die sehr von der Unternehmenskommunikation gesteuert werden. Wir sind im Moment an dem Punkt, die Nachhaltigkeitsberichterstattung zu integrieren und anschließend das Thema des Online-Berichts und der Geschäftsbericht-Digitali-

sierung neu anzugehen. Deswegen waren wir auch bei der Digital Reporting Convention in Wien. Das war auch super interessant und hat uns darin bestärkt, dass wir das Thema neu angehen müssen. Wir haben das Projekt jetzt trotzdem hintangestellt, weil wir nicht zwei so große Themen noch in diesem Jahr (Anm: das Interview wurde im Oktober 2022 geführt) beginnen möchten. Das hängt damit zusammen, dass die Flut an Information so groß geworden ist. So viele Informationen müssen auch in den integrierten Bericht hineingepackt werden. Als normales PDF vom Print-Geschäftsbericht lässt sich das gar nicht mehr darstellen. Wir werden daher auf eine digitale Geschäftsberichterstattung und Nachhaltigkeitsberichterstattung umstellen. Wir haben mit der Integration des Berichts früh angefangen und die ersten Kapitel sind bereits in Arbeit. Das ist spannend und herausfordernd, und es macht Spaß, neue Sachen auf den Weg zu bringen.

Aust: Welche Chancen bringt die Digitalisierung Ihrer Meinung nach mit sich?

Hofmann: Ich denke, man kann besser filtern. Also Informationen filtern, gerade für die unterschiedlichen Stakeholder. Sodass sie sich, wenn ein Bericht gut aufbereitet ist, speziell ihre Informationen aus der Informationsflut herauspicken können. Hier haben wir schon gute Beispiele gesehen, wo dann nach Nachhaltigkeitsthemen, bestimmten Finanzzahlen und Key Performance Indicators gefiltert werden kann. Ich glaube, das kann man ganz gut darstellen, wenn man es digital aufbereitet.

Aust: Sehen Sie bei gewissen Stakeholdern besonders viel Potenzial? Denken Sie, dass eine unterschiedliche Aufbereitung für Stakeholder notwendig ist?

Hofmann: Diese Filtermöglichkeit bietet sicher auch die Gelegenheit, Berichte unterschiedlich aufzubereiten. Unsere Analyst*innen können sich ihre wichtigen Daten dann zusammenstellen. Auch die Mitarbeiter*innen können sich ihre Themen heraussuchen. Meiner Ansicht nach bringt die Digitalisierung der Berichte einen Mehrwert für all unsere Stakeholder. Der Digitalisierungsprozess ist ein großer und langer Prozess, den man richtig planen muss. Gerade

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© Thomas Eckl Marlies Aust

auch mit dem Hintergedanken, welche Stakeholder man mit welchen Informationen versorgen möchte. Das muss gut durchdacht sein.

Aust: Gibt es hier auch interne Vorgaben, die bei der Umsetzung der Digitalisierung berücksichtigt werden müssen?

Hofmann: Das Reporting muss natürlich unserem Corporate Design Manual entsprechen. Auch die Website muss berücksichtigt werden, damit alles in den Unternehmensauftritt passt. Es gibt sicher auch einen engen Austausch mit der Nachhaltigkeitsabteilung und auch mit der Unternehmenskommunikation.

Aust: Gibt es gewisse Schwerpunkte, auf die Sie beim Reporting setzen?

Hofmann: Es gibt natürlich erstmal die gesetzlichen Vorschriften. Wir berichten nach den International Financial Reporting- sowie Global Reporting Initiative-Standards. Natürlich müssen wir auch den Corporate Governance Bericht inkludieren. Dann eben noch die Standards aus der Nachhaltigkeitsberichterstattung. Das ist schon ganz schön viel, wenn man das alles abdeckt. Wir haben auch den Anspruch, transparent zu berichten und die Mitarbeitenden im Bericht miteinzubeziehen. Natürlich sind die Finanzzahlen und KPIs, die gerade für die Investor*innen, Aktionär*innen und Analyst*innen wichtig sind, ein wichtiger Bestandteil. Dementsprechend dick ist auch unsere Printausgabe. Wenn wir jetzt integriert berichten, wird sie nochmals dicker. In unserem Printprodukt steckt ganz viel Herzblut und wir arbeiten hier seit vielen Jahren erfolgreich mit einer Agentur zusammen. Die Fotos für den Geschäftsbericht sind uns besonders wichtig, die möchten wir auch weiterhin beibehalten. Als IT-Unternehmen muss man aber auch aufgeschlossen sein. Vor allem der digitale Bericht muss gut gemacht sein.

Aust: Sie haben bereits die Environmental Social Governance (ESG)-Richtlinien angesprochen. Das heißt, Sie nehmen auch bei der Nachhaltigkeitsberichterstattung Rücksicht auf diese?

Vor 14 Jahren startete Julia Hofmann ihre Karriere bei der Bechtle AG und ist seitdem im Bereich der Investor Relations tätig. Sie ist verantwortlich für die Organisation der Finanzkommunikation und Hauptversammlung sowie für die Erstellung von Finanzberichten. Die Bechtle AG ist Ansprechpartnerin für IT-Architekturen und IT-E-Commerce-Anbieter*innen.

Hofmann: Auf jeden Fall. Der Corporate Governance Bericht wird von meinem Kollegen aus der Investor-Relations-Abteilung erstellt. Wir legen auch viel Wert auf unsere Mitarbeiter*innen, indem wir Elektroautos und zugehörige Ladestationen zur Verfügung stellen. Bekanntlich steht das S in ESG für Social und ist uns daher auch besonders wichtig. Wir achten darauf, unsere Mitarbeiter*innen in all unseren Überlegungen miteinzubeziehen.

Aust: Welche Chancen sehen Sie bei der Nachhaltigkeitsberichterstattung?

Hofmann: Wir sehen Chancen darin, dass man sich gegenüber der Konkurrenz positioniert. Aber auch die Chance transparent zu berichten und glaubwürdig zu sein, speziell auch bei den Nachhaltigkeitsthemen. Vor allem für ein Handelsunternehmen ist es noch einmal etwas anderes, als für ein produzierendes Unternehmen. Nachhaltigkeitsthemen wie Klimaschutz werden bei uns gelebt und vor allem von der Geschäftsleitung sowie dem Vorstand unterstützt.

Aust: Gibt es bei der Erstellung bestimmte Stakeholder auf die besonders Acht gegeben werden muss?

Hofmann: Ja, definitiv. Zuerst einmal die Investor*innen, für die zahlenlastige und transparente Informationen wichtig sind. An sie ist der Geschäftsbericht auch in erster Linie gerichtet. Unsere Jahresübersicht mit den Key Performance Indexes nutzen auch unsere Vertriebsmitarbeiter*innen gerne für Kund*innen. Etwa 30 Prozent unserer Kund*innen kommen aus dem öffentlichen Sektor und hier werden oft Verträge ausgeschrieben. Dafür müssen dann viele Zahlen geliefert werden. Aber auch Kund*innen selbst, Mitarbeiter*innen und auch die Finanzwelt schauen öfters in den Geschäftsbericht. Ebenso die Designer. Unser Geschäftsbericht hat bereits vor ein paar Jahren einen DesignPreis gewonnen. Das hat natürlich mit dem Bericht in dem Sinne nichts zu tun, aber es zeigt doch, dass uns der Bericht wichtig ist. Die Gestaltung und Aufbereitung von Informationen sind auch gar nicht so einfach, in unserer Branche. Wir haben keine Produkte, die wir vorstellen und zeigen können. Denn wie ein Computer aussieht, weiß jeder. Das macht nicht so viel her.

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"Immer einen Schritt voraus sein"

Selma Badic, Marketing-Leitung des weltweit tätigen Familienunternehmens Brucha, über Nachhaltigkeitskommunikation und deren Digitalisierung, die Bedeutung von Nachhaltigkeit in der Baubranche und nachhaltige Markenpositionierung.

Gregor Sobotka: Digitalisierung und Nachhaltigkeit stellen derzeit wichtige Säulen für die Unternehmenskommunikation dar. Welche Bedeutung hat Nachhaltigkeit im Marketing und der Kommunikation für Sie und Ihr Unternehmen?

Selma Badic: Ich finde, dass Nachhaltigkeit im Marketing beziehungsweise in der Kommunikation essentiell ist, da dies die Wettbewerbsfähigkeit und das Employer-Branding des Unternehmens stärkt.

Sobotka: Gemäß einer Studie von MAKAM Research sahen im Jahr 2021 80 % der mittelständischen Unternehmen in Österreich die Digitalisierung als sehr große bzw. mittelgroße Chance. Welche Bedeutung hat die Digitalisierung für Sie in Ihrem Arbeitsalltag, vor allem in Hinsicht auf den Webauftritt von Brucha? Einige Unternehmen arbeiten zum Beispiel mit Chatbots. Sind solche Digitalisierungs-Ansätze angedacht?

Badic: Die Digitalisierung ist mittlerweile nicht mehr wegzudenken und hat eine hohe Bedeutung in meinem Arbeitsalltag. Wir verfolgen immer wieder neue Digitalisierungs-Ansätze, um unsere Kund*innen einfach richtig abzuholen. Unsere Geschäftsbereiche sind sehr vielfältig und somit decken wir ein großes Kund*innensegment von, beispielsweise, dem Metzger um’s Eck bis hin zu großen Lebensmitteleinzelhandelsbetrieben ab. Chatbots sind in unserem Fall nicht relevant, aber wir arbeiten immer wieder an neuen Projekten, um die besten Lösungen für unsere Kund*innen anbieten zu können.

Sobotka: Brucha hat einen Artikelbeitrag zum Thema Nachhaltigkeit erstellt, der die Environmental, Social und Governance (ESG)-Aspekte des Unternehmens kommuniziert. Wie kam es zu der Entscheidung?

Badic: Das Thema Nachhaltigkeit begleitet uns schon einige Jahre und diese Entscheidung ist nicht von heute auf morgen gefallen. Unser Unternehmen legt großen Wert darauf, das Thema Nachhaltigkeit in jeder Hinsicht weiter voranzutreiben, um unseren Kund*innen und Interessent*innen zu zeigen, dass in diesem Bereich auch gearbeitet wird. Daher wurde dieser Artikelbeitrag auf der Website veröffentlicht.

Sobotka: Welche Kommunikationskanäle abseits der Website setzt Brucha für das Reporting von Nachhaltigkeit ein?

Badic: Abseits von der Website verwenden wir Social Media. Hier wird auch mit Bezug auf Nachhaltigkeit kommuniziert. Außerdem machen wir Presseaussendungen zu dem Thema. Intern gibt es Infoscreens, die unsere Mitarbeiter*innen über unsere Nachhaltigkeitsbestrebungen auf dem Laufenden halten.

Sobotka: Wird Nachhaltigkeit bei Brucha aktiv beworben und in der Werbung thematisiert – zum Beispiel in Form von Anzeigen auf Sozialen Medien oder GoogleAds?

Badic: Ja, wir lenken die Kommunikation immer mehr auf das Thema Nachhaltigkeit und wollen unseren Kunden*innen zeigen, was wir tatsächlich leisten und dadurch auch anbieten können. Bei Teilnahmen an Messen des Unternehmens liegt ebenfalls ein Fokus in der Kommunikation auf Nachhaltigkeit.

Sobotka: Welche Ziele verfolgen Sie bei der Kommunikation von Nachhaltigkeitsthemen über die Website?

Badic: Unser Ziel ist es, so einfach wie möglich darzustellen, wie bei uns im Unternehmen mit dem Thema Nachhaltigkeit umgegangen wird. Es soll auch veranschaulicht werden, welchen Stellenwert das Thema bei Brucha überhaupt hat.

Sobotka: Was sind für Sie die größten Herausforderungen in der Kommunikation von Nachhaltigkeit und bei der Positionierung als nachhaltige Marke?

Badic: Die Baubranche steht betreffend Nachhaltigkeit noch am Anfang und hier besteht allgemein Nachholbedarf. Es gibt einige Unternehmen, die schon Vieles in diese Richtung tun und auch wir zählen uns zu jenen, die hier aktiv sind, aber es noch nicht ausreichend publiziert haben, weil es für uns alltäglich ist.

Sobotka: Denken Sie, dass Brucha von der Positionierung als nachhaltige Marke profitiert? Kommt

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© Martina Sobotka Gregor Sobotka

die gewünschte Botschaft bei Kund*innen und Lieferant*innen an?

Badic: Ja, definitiv. Die Botschaft kommt an, da sich mit diesem Thema mittlerweile ausnahmslos jedes Unternehmen beschäftigen muss – ob es will oder nicht, hier gibt es eigentlich keine Wahl. Auch in der internen Kommunikation kommt die Botschaft der Nachhaltigkeit an. Hier kann man jedoch ohnehin nicht zwischen interner und externer Kommunikation unterscheiden, denn Mitarbeiter*innen sind das Aushängeschild eines jeden Unternehmens, daher darf man das Bild nach außen nicht gegenüber dem internen Bild bevorzugen.

Sobotka: Brucha bietet auf der Website einen Download-Bereich an, in dem zahlreiche Dokumente abrufbar sind. Diese Dokumente umfassen Richtlinien und Zertifikate zu verschiedenen Sustainability-Themen. An wen sind diese Dokumente gerichtet und wer soll sie nutzen?

Badic: Diese Richtlinien und Zertifikate richten sich an alle Stakeholder. Zum Beispiel an Mitarbeiter*innen und Lieferant*innen – also an alle Stellen, mit denen wir als Unternehmen zu tun haben. Wir informieren sie über unser Energiemanagement, Wassermanagement, Ressourcenmanagement, lokale Beschaffung beziehungsweise generell Beschaffung, Treibhausgasemissionen und Lern- sowie Entwicklungspolitik.

Sobotka: Brucha bietet auf der Website einerseits Dokumente zum Thema Sustainability und andererseits Artikel an. Ist es für Sie eine Option, die nachhaltigkeitsbezogenen und downloadbaren Richtlinien und Zertifikate stärker mit den eher positionierungsbezogenen Websiteinhalten zu verknüpfen? Also einen gebündelten Nachhaltigkeitsbericht zu erstellen, der in weiterer Folge im Geschäftsbericht veröffentlicht wird?

Badic: Wir arbeiten daran, dass wir einen Nachhaltigkeitsbericht veröffentlichen. Wir sind stetig dran, das Thema Nachhaltigkeit weiter auszuarbeiten. Der Bericht wird dann im Rahmen des Geschäftsberichts in digitaler und nicht-digitaler Form angeboten. Es wird im Allgemeinen

Die Produktmarketing-Spezialistin und Innovations- sowie Projektmanagerin Selma Badic startete ihre Karriere 2016 bei Brucha als Marketingassistin. Seit 2020, demselben Jahr, in dem sie ihr Masterstudium an der Austrian Marketing University in Wieselburg absolvierte, ist sie als Marketing-Leitung für das weltweit agierende Unternehmen tätig.

darauf geschaut, dass wir immer mehr auf Digital umsteigen, aber ich denke, Print wird nicht komplett aussterben, da es für die ältere Generation nach wie vor relevant ist.

Sobotka: Werden auf Messen - zusätzlich zu den gedruckten Materialien - Informationen auch in digitalisierter Form vermittelt? Zum Beispiel Inhalte, die über QR-Codes abrufbar sind?

Badic: Bei Teilnahmen an Messen sind Drucksorten nach wie vor von Bedeutung, jedoch achten wir darauf, dass diese nicht allzu dick sind, da sie doch eher selten mitgenommen und gelesen werden. Heutzutage informiert man sich über Unternehmen eher online und deshalb ist hier die Website unser wichtigstes Aushängeschild.

Sobotka: Welchen Vorteil sehen Sie in der Kommunikation von ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Aspekten der Nachhaltigkeit, wie sie bei Brucha passiert? Verfolgen Konkurrent*innen in der Baubranche einen ähnlichen Ansatz?

Badic: Brucha achtet darauf, immer einen Schritt voraus zu sein – die EU arbeitet daran, bis 2024 Halogene in den meisten Produkten aufgrund der schädlichen Wirkung auf Mensch und Umwelt zu verbieten. Wir bei Brucha sind diesem Regulativ vorausschauend verantwortungsbewusst nun schon um zwei Jahre voraus.

Sobotka: Welche Bedeutung haben das attraktive Design und eine übersichtliche Gestaltung von nachhaltigkeitsbezogenen Inhalten auf der Website für Sie?

Badic: Eine große Bedeutung. Es muss nämlich alles so simpel wie möglich gestaltet sein, damit sich jeder zurechtfindet. Die Themen müssen auch interessant aufgearbeitet sein, um zu erreichen, dass Websitebesucher*innen möglichst lange auf der Website verweilen. Des Weiteren sollten die Inhalte auch so gestaltet, beziehungsweise strukturiert sein, dass man nicht zu lange nach einem Thema suchen muss. Wie schon erwähnt, ist es wichtig, dass alles so simpel wie möglich ist, um den Besucher*innen möglichst wenig Zeit zu stehlen. Hier ist auch die Schnelllebigkeit heutzutage ein Thema, denn die Menschen haben generell einfach nicht mehr so viel Zeit und Geduld.

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Daniel Winkelmeier, Communications Manager bei der Lenzing Group, erzählt, was es braucht, um mit Digital Reporting erfolgreich zu sein und in welchen Bereichen sich die Online-Version vom Print-Produkt unterscheidet.

Jana Walch: Sie sind seit sechs Jahren bei Lenzing –wie funktioniert die Corporate Reporting Strategie bei Ihnen und warum erscheint Ihr Geschäftsbericht jetzt digital?

Daniel Winkelmeier: Grundsätzlich gibt es bei uns den Geschäftsbericht und den Nachhaltigkeitsbericht, die als Zwillingsprodukte koexistieren. Sie unterscheiden sich nicht in Konzept und Design und kommen auch inhaltlich schon sehr nahe an eine integrierte Berichterstattung heran. Über die gesetzlich vorgeschriebenen Informationen hinaus gibt es einen gemeinsamen erzählerischen Überbau. Darin versuchen wir, unsere Leser*innen mit Storytelling besser zu erreichen. Wir freuen uns, dieses Jahr erstmalig unsere Berichte in digitaler und damit interaktiver Form anbieten zu können. Damit wird unsere Berichterstattung nicht nur benutzer*innenfreundlicher, sondern findet auch genau dort statt, wo sich der Großteil unserer Nutzerinnen und Nutzer bewegt: nämlich online.

Walch: Wie unterscheidet sich die Entstehung eines Print-Berichts von der eines digitalen Berichts?

Winkelmeier: Die Herangehensweise, wie Content erstellt wird, ist grundsätzlich dieselbe. Online haben wir allerdings über Videos, Animationen oder interaktive Charts viel mehr Möglichkeiten, diese Inhalte lebendig zu präsentieren. Was sich grundlegend geändert hat, ist die Denkweise in „online-first“ und nicht mehr in Printstrukturen mit begrenzten Seitenzahlen.

Walch: Welche Rolle spielt der Geschäftsbericht in der Unternehmenskommunikation bei Lenzing?

Winkelmeier: Unser Geschäftsbericht ist gemeinsam mit dem Nachhaltigkeitsbericht ein zentraler Bestandteil unserer Kommunikationsaktivitäten. Wir blicken darin nicht nur auf das abgelaufene Geschäftsjahr zurück, wir geben auch einen Ausblick, wohin die Reise geht. Mit dem Titel „Linear to Circular“ betonen wir in den aktuel-

len Berichten unsere Ambition, ein echter Champion der Kreislaufwirtschaft zu werden und geben damit nicht nur in der eigenen Unternehmenskommunikation, sondern in der gesamten Industrie den Takt vor.

Walch: Wie wurde das Digital Reporting im Vergleich zum Print-Geschäftsbericht von den Dialoggruppen wahrgenommen? Erreichen Sie jetzt mehr Stakeholder als vorher?

Winkelmeier: Unsere ersten digitalen Berichte verzeichneten außerordentlich gute Zugriffszahlen, was alle unsere Erwartungen übertroffen hat. Auch das Feedback von Investor*innen, NGOs und von unseren Mitarbeiter*innen war überaus positiv. Wir sehen, dass sich die Altersstruktur der Leser*innen weiter diversifiziert hat und zunehmend auch Konsument*innen Interesse an unserer Berichterstattung zeigen.

Walch: Sie haben bereits zusätzliche Features angesprochen. Wie verändert sich die User-Journey bei digitalen Berichten im Vergleich zu Print-Geschäftsberichten?

Winkelmeier: Egal ob Print oder Online – der Inhalt ist, wie gesagt, derselbe. Aber gerade in unserem Magazinteil können wir strategische Inhalte mit zusätzlichem Content wie Fotos, Videos oder Animationen emotionaler gestalten. Es gibt auch die Möglichkeit, mittels Likes und Kommentaren mit uns zu interagieren. Im Finanzteil wiederum können wir interaktive Tabellen und Grafiken anbieten, die insbesondere für Analyst*innen nützlich sind. Mit unseren digitalen Berichten können wir also viel gezielter auf die Interessen und Bedürfnisse der einzelnen Zielgruppen eingehen.

Walch: Werden diese Inhalte des Berichts ganzjährig über Social Media gepusht? Wenn ja, wie gehen Sie da konkret vor?

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„Ohne eine Digitalagentur geht es nicht!“
© Arnd Ötting Jana Walch

Winkelmeier: Ja, gerade in den ersten Monaten nach dem Erscheinen haben wir die Berichte stark über Social Media gepusht. Das hat sehr viele Nutzer auf unsere Berichte aufmerksam gemacht.

Walch: Wo sehen Sie sonstige Vorteile von digitalen Geschäftsberichten?

Winkelmeier: Ganz klar in der Interaktion, der Barrierefreiheit, den Features und der zielgruppen-spezifischen Kommunikation. Wir können in gewissen Bereichen auch auf unsere Corporate Website verlinken, wodurch wir jede Menge Duplicate Content vermeiden. Auf lange Sicht bringt digitales Reporting auch einen klaren ökologischen Vorteil und spart Geld, gerade bei den aktuellen Papierpreisen.

Walch: Welche Voraussetzungen braucht es in Unternehmen für erfolgreiches Digital Reporting? Wo sehen Sie Hindernisse?

liegt es an einzelnen Personen, die das Thema vorantreiben oder auch nicht.

Walch: Was würden Sie Unternehmen raten, wenn sie sich entscheiden, in Zukunft digitale Berichte zu publizieren?

Winkelmeier: Mein Rat: Profis zurate ziehen! Wenn man sich dazu entscheidet, das Reporting digital zu gestalten, dann muss das State of the Art und hochprofessionell sein. Wenn das nicht der Fall ist, geht der Schuss womöglich nach hinten los. Das Konzept und die User Experience müssen gut durchdacht sein und zum Unternehmen passen.

Die digitale Welt dreht sich schnell und beständig weiter, als Unternhemen hechelt man da zumeist nur hinterher. Eine Digitalagentur hat das Know-how, das es braucht und ist am Stand der Technik.

Winkelmeier: Die digitale Welt dreht sich schnell und beständig weiter, als Unternehmen hechelt man da zumeist nur hinterher. Eine Digitalagentur hat das Know-how, das es braucht, und ist am Stand der Technik. Ohne eine solche Digitalagentur geht es nicht.

Walch: Warum macht aus Ihrer Sicht nicht jedes Unternehmen digitale Berichterstattung?

Winkelmeier: Wie bei allem ist es nicht so einfach, den Schritt zu wagen. Es war auch für uns ein gewisses Wagnis. Grundsätzlich denkt man immer, für digitale Transformation gibt es in großen Unternehmen eine Strategie, die über Jahre konsequent verfolgt wird. Aber im Grunde

Walch: Welche Trends sehen Sie persönlich im Bereich der Geschäftsberichterstattung?

Winkelmeier: Es gibt einen klaren Trend hin zu mehr Transparenz und zur Integration nichtfinanzieller Informationen im Lagebericht des Geschäftsberichtes. Dies wird für große kapitalmarktorientierte Unternehmen künftig auch verpflichtend sein. Darüber hinaus sehe ich einen generellen Trend, traditionelle Inhalte mit Storytelling zu kombinieren und damit noch mehr Wirkung zu erzeugen.

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Daniel Winkelmeier ist seit 2017 Communications Manager bei der Lenzing Group und für Financial Communication und PR verantwortlich. Davor war er als Finanzjournalist in Wien tätig. Winkelmeier hat Internationale Wirtschaftswissenschaften an der Leopold-Franzens-Universität in Innsbruck und an der Universidad National de Córdoba studiert. © Adobe Stock: wutzkoh © Leo Neumayr

„PRaktivium“ diskutiert mit Monika Kovarova-Simecek, Studiengangsleiterin des Master-Studiengangs Digital Business Communications an der FH St. Pölten die Entwicklung von Corporate Reporting zu einem strategischen Kommunikationsthema und wie sich dieser Trend auf die Hochschullehre auswirkt.

Claudia Mühlberghuber: Seit dem Start des Masterstudiengangs Digital Business Communications 2018 sind Sie Studiengangsleiterin. Welche Faktoren hatten einen Einfluss auf das Zustandekommen dieses Studiengangs?

Monika Kovarova-Simecek: Mit der Entwicklung des Studiengangs begannen wir 2017, dem gingen viele Maßnahmen voraus, wie das Freifach Investor Relations oder das Symposium Financial Communications. Seit 2015 war es unser Ziel, das Thema Finanz- und Wirtschaftskommunikation stärker an der FH St. Pölten zu verankern. Gleichzeitig kam aus der Praxis der Ruf nach Expert*innen, die solides Wirtschaftswissen, aber auch Kommunikations- und Medienkompetenz besitzen. Auf Basis dessen entwickelten wir den Studiengang, der genau auf die Qualifikationen und Kompetenzen abzielt, die in der Praxis gefragt sind.

Mühlberghuber: Was sind Ihrer Meinung nach die wichtigsten Eigenschaften, die eine Person haben sollte, um im Corporate Reporting arbeiten zu können?

Kovarova-Simecek: Im Corporate Reporting sind sowohl fachliche Kenntnisse als auch spezielle Persönlichkeitsmerkmale wichtig. Dabei sind Wissen über Unternehmen und den Kapitalmarkt als auch rechtliche Grundlagen erforderlich. Gleichzeitig sollte eine Person flexibel und teamfähig sein, aber auch selbstständig arbeiten können. Interdisziplinäres Denken ist hier auch sehr wichtig. Ins Reporting fließen verschiedene Fachbereiche ein, mit denen zusammengearbeitet wird.

Mühlberghuber: Basierend auf Ihrer Erfahrung als Studiengangsleiterin: Welche Studieninhalte haben Ihrer Meinung nach an Bedeutung verloren?

Kovarova-Simecek: Aufgrund der Digitalisierung haben speziell analoge Medien an Bedeutung verloren. Presseaussendungen beispielsweise werden in der Finanzbranche immer noch klassisch verschickt, sind aber

eine Randerscheinung geworden. Zwar werden analoge Medien immer obsoleter, dennoch muss man weiterhin zielgruppenorientiert denken, damit man auch die kleine Gruppe an Personen erreicht, die noch nicht vordergründig Onlinemedien nutzen.

Mühlberghuber: Der Corporate Reporting Monitor, eine Studie, an der Sie mit Ihrem Studiengang beteiligt waren, hatte 2021 den Fokus auf „Vertrauen in unsicheren Zeiten“. Inwieweit hatten die letzten, turbulenten Jahre Einfluss auf die Unternehmensberichterstattung?

Kovarova-Simecek: Speziell die Covid-19-Pandemie hat der Digitalisierung sowohl bei den Formaten als auch bei den Kanälen einen starken Schub verpasst. Auch wurde die Gesetzgebung verändert, womit auch echte virtuelle Hauptversammlungen oder Roadshows und Analyst*innen-Konferenzen virtuell möglich wurden. Diese rapide Veränderung stellt natürlich auch organisatorische und technische Herausforderungen dar. Die Anforderungen an andere Bereiche steigen, beispielsweise an die IT-Security.

Mühlberghuber: Der Masterstudiengang Digital Business Communications wurde im Wintersemester 2022/23 neu aufgerollt und um die neuen Trends Digitalisierung und Nachhaltigkeit angereichert. Welche Anforderungen bestehen beim Corporate Reporting bezüglich dieser beiden Trends?

Kovarova-Simecek: Durch die Digitalisierung haben sich die Erwartungen und Anforderungen an das Reporting deutlich geändert. Man erwartet sich leicht verständliche, multimedial aufbereitete Information in kleinen Häppchen, in unterschiedlichen Formaten und das häufiger und schneller. Das kann man sehr gut an einem konkreten Beispiel erklären: dem Geschäftsbericht. Der Geschäftsbericht wird einmal pro Jahr veröffentlicht. Früher war das der Höhepunkt des Reportings. Die Veröffentli-

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„Das Integrated Reporting erlebt eine Renaissance“
© FH St.Pölten Claudia Mühlberghuber

chung wurde mit Presseaussendung und einer Konferenz begleitet und das wars. Heute bilden Geschäftsberichte die Basis für alles andere. Die Inhalte werden auf der Website, Social Media oder Corporate Blogs wiederverwertet. Die Zielgruppen von Corporate Reporting wurden dadurch heterogener. Nicht alle wollen die gleiche Information. Mit Hilfe digitaler Methoden ist auch im Reporting adressat*innenengerechte Kommunikation leichter möglich. Zu Sustainability Reporting werden Unternehmen gesetzlich verpflichtet. Der Nachhaltigkeitsbericht muss künftig im Geschäftsbericht integriert werden. Dadurch kommt der Nachhaltigkeit noch mehr Bedeutung zu. Auch stehen Nachhaltigkeit und Digitalisierung in enger Verbindung, da gemäß der Regulierung Nachhaltigkeitsberichte auch im digitalen Format erstellt werden müssen.

Mühlberghuber: Welche Rolle spielt Social Media in der Unternehmensberichterstattung?

Kovarova-Simecek: Social Media spielt eine große Rolle in der Unternehmenskommunikation und zunehmend auch im Corporate Reporting. Wir sprechen hier von Push-Reporting. Immer mehr Unternehmen verlagern ihre Investor Relations und Reporting-Aktivitäten auf Social Media, um ihre Zielgruppe zu erreichen und in Dialog zu treten. Hier können sie Einblicke ins Unternehmen verschaffen, das Management in Videos vorstellen oder die Zahlen visuell ansprechend verpacken. Ziel ist es, die Community und potenzielle Investoren auf die Corporate oder Investor-Relations-Website zu lotsen. Social Media ist ein unerlässliches Mittel im Kampf um die Aufmerksamkeit, weswegen kein börsennotiertes Unternehmen Social Media ignorieren sollte.

In Ihrer Forschungs- und Publikationstätigkeit widmet sie sich den Themen Digital Investor Relations und Digital Reporting.

Mühlberghuber: Welchen Stellenwert hat Integrated Reporting?

Kovarova-Simecek: Das Integrated Reporting erlebt aufgrund der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) eine Renaissance. Bis jetzt war Integrated Reporting freiwillig. Eine von uns durchgeführte Studie zeigt, dass es in der Praxis bis dato aber kaum umgesetzt wurde. Integrierte Berichte sind eine Herausforderung, da das nicht einfach bedeutet, den nicht-finanziellen und finanziellen Bericht in einem PDF zu verbinden, sondern diese zwei Aspekte inhaltlich zu verknüpfen. Die CSRD verpflichtet bald zu einer integrativen Darstellung der Unternehmensagenden, und zwar 2.000 Unternehmen alleine in Österreich. Dadurch ist auch Integrated Reporting ein zentrales Thema in unserem Studium.

Mühlberghuber: Welche Berufe werden für das Corporate Reporting Ihrer Meinung nach an Bedeutung gewinnen?

Kovarova-Simecek: Investor Relations-Manager*innen, Kommunikationsexpert*innen und PR-Leute wird es weiterhin geben. Das Jobprofil wird sich aber entlang der Themen Digitalisierung und Nachhaltigkeit entwickeln. Finanzkommunikations- und IR-Agenturen werden verstärkt auf digitale Kommunikationsstrategien für das Corporate Reporting setzen müssen. Es werden weitere Online-Agenturen entstehen, die sich auf Online-Geschäftsberichte und Push-Reporting spezialisieren. Ähnliches gilt für Sustainability Reporting, wo zusätzlich noch im Audit verstärkt Expert*innen gefragt sein werden.

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Monika Kovarova-Simecek ist Studiengangsleiterin des Masterstudiengangs Digital Business Communications an der FH St. Pölten. Sie blickt auf 20 Jahre Expertise in Corporate Reporting und Finanzkommunikation zurück. © Alexander Felten © Adobe Stock: Fluky

Zwischen Nachhaltigkeit und Glaubwürdigkeit –

Worauf es im Nachhaltigkeitsbericht wirklich ankommt

Von Glaubwürdigkeit über Marktchancen und Hürden. Im Gespräch schildert Lara Loibner, Nachhaltigkeitsmanagerin der Raiffeisenbank Vorarlberg, welche Chancen der Nachhaltigkeitsbericht bietet und warum für sie Transparenz gerade hier unabdingbar ist.

Julia Riedesser: Wie genau sieht Ihr Job als Nachhaltigkeitsmanagerin bei der Raiffeisenbank aus?

Lara Loibner: Das Nachhaltigkeitsmanagement ist eine eigene Stabstelle direkt beim Vorstand, die es seit Mai 2020 gibt. Wir haben eine Nachhaltigkeitsstrategie, die auf drei Säulen basiert. Die erste ist ESG (Environmental Social Governance) und Sustainable Finance, also Regulatorik, nachhaltige Produkte, ESG-Risiken und so weiter. Die zweite Säule ist Stakeholder und Kommunikation – interne, diversitätsbezogene Agenden, aber auch externe Stakeholder in Form verschiedener Kooperationen sowie Netzwerke und das Reporting. Die dritte Säule ist Betrieb, Prozess und Strategie. Hier geht es um unseren CO2-Fußabdruck, Energie- und Ressourceneffizienz. Auch Mitarbeiter*innenmobilität ist ein großer Punkt, den wir direkt beeinflussen und im Sinne der – vor allem – ökologischen Effizienz verbessern können.

Riedesser: Welchen Stellenwert hat Nachhaltigkeit für Ihre externen Stakeholder*innen?

Loibner: Der Stellenwert wächst immer mehr. Mittlerweile merken wir, dass Privat- und Firmenkund*innen nachfragen. Was auch auffällt, sind Investor*innen, die nach ESG-Ratings, unserem Nachhaltigkeitsbericht und Zweitzielen fragen.

Riedesser: Hat sich auch der interne Stellenwert der Nachhaltigkeit bei Ihnen geändert?

Loibner: Am Anfang haben sich viele gedacht, dass ich eine „Nice to have“-Stelle ausfülle, die nicht nötig ist und teilweise bin ich sicher belächelt worden. Mittlerweile ist der Nachhaltigkeitsgedanke aber überall im Haus etabliert und alle arbeiten zusammen daran. Für den Vorstand ist es vor allem regulatorisch wichtig und von Kund*innen gefordert. Nachhaltigkeitsreporting ist wichtig für die Reputation und zugleich eine Marktchance.

Riedesser: Sie haben von ESG-Kriterien gesprochen –welches Kriterium nimmt den meisten Einfluss auf die Gestaltung?

Loibner: Ich würde sagen, der ökologische Aspekt, weil er doch unsere Lebensgrundlage ist. Ich möchte nicht behaupten, dass Soziales nicht wichtig ist, aber da haben wir in Österreich schon relativ gute Standards. Das Ökologische haben wir doch immer sehr vernachlässigt, daher sehe ich das als wichtigste Säule.

Riedesser: Würden Sie sagen, aufgrund dieser Säule, die Ihnen so wichtig ist, hat sich auch Ihre Marke und der Markt der Raiffeisenbank weiterentwickelt?

Loibner: Absolut. Wir sind gerade dran, nachhaltige Produkte für Privat- und Firmenkund*innen zu entwickeln. Ebenso die Idee, einen Green Bond zu emitieren, der dann in Richtung Förderung von ökologischen Geschichten geht.

Riedesser: Denken Sie, dass Greenwashing-Vorwürfe Einfluss auf den Bericht nehmen können?

Loibner: Das könnte ich mir schon vorstellen. Greenwashing ist mittlerweile ja sehr verpönt, und das völlig zurecht. Gerade wenn es um neue Produkte geht, ist man sehr vorsichtig. Sagt man schon, dass etwas nachhaltig ist, oder sagt man einfach, dass es ein Transformations- oder Impactprodukt ist? Man hat großen Respekt vor dem Branding „Du bist ein Greenwasher“. Darum kann ich mir gut vorstellen, dass man dieses Risiko proaktiv angeht.

Riedesser: Gibt es für Ihren Nachhaltigkeitsbericht Richtlinien, was kommuniziert werden soll und darf?

Loibner: Für die externen Richtlinien gibt es verschiedene Reportingstandards – die meisten reporten nach GRI (Global Reporting Initiative). Auch europäische Standards werden gerade ausgearbeitet, nach denen wir uns dann richten werden. Aktuell reporten wir nicht offiziell nach GRI, aber wir richten uns inoffiziell danach. Intern arbeiten wir daran, dass gewisse interne Richtlinien so aufbereitet werden, dass sie für Stakeholder und Kund*innen nach außen transportiert werden können.

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© Sandra Spiegl 1000things Julia Riedesser

Riedesser: Welche Punkte muss ein Nachhaltigkeitsbericht unbedingt abdecken?

Loibner: Sprechen wir über ökologische Themen, dann finde ich, ist die CO2-Bilanz sehr wichtig - in Kombination mit einer entsprechenden Strategie. Wenn man am Beginn steht, reicht es, wenn man sich den Fußabdruck einmal anschaut. Das Jahr darauf braucht es eine Strategie und entsprechende Ziele. Einfach klare Kennzahlen.

Riedesser: Wie faktenbasiert muss ein Report also sein? Welche Trends lassen sich erkennen?

Loibner: Ein Trend ist, dass alles, was nur geht – sofern möglich natürlich – mit einer CO2-Benchmark hinterlegt wird. Das scheint mir sogar ein großer Trend zu sein. Uns als Bank betrifft vor allem die Green Asset Ratio. Dazu müssen wir erst einmal wissen, was überhaupt grün, ökologisch und nachhaltig im Sinne einer Taxonomie-Verordnung ist. Vorrangig also Daten, die man zuvor nicht gesammelt hat. Vor allem der Einfluss, den man mit den Finanzierungen hat, ist natürlich etwas, an dem man merkt, dass sich viele Banken – nicht nur die ganz großen – weiterentwickeln.

Riedesser: Also würden Sie sagen, dass Reporting gar nicht mehr nur rein zahlenlastig ist, sondern es auch immer um die Weiterentwicklung geht?

Loibner: Genau. Gerade die Transformation ist uns wichtig. Wir sind uns bewusst, dass wir gewisse Sachen gut machen, aber es ist uns auch klar, dass wir viele Sachen noch besser machen können. Es ist für uns alle ein Lernprozess, schließlich ist es ein System, das es schon lange gibt. Ein traditionelles System, das langsam wachsen muss.

Riedesser: Wie verhält es sich mit der Ehrlichkeit im Report?

Loibner: Ich befürchte, die Realität ist, dass nicht alle immer zu hundert Prozent ehrlich sind. Wir haben es uns zum Ziel gesetzt, wirklich nur das zu sagen, was auch ist. Wir wissen, dass einige Sachen nicht optimal und verbes-

Lara Loibner ist Nachhaltigkeitsmanagerin bei der Raiffeisenbank Vorarlberg und verantwortet den Aufbau dieser Stelle seit 2020 von Beginn an. Nach dem Abschluss Ihres Bachelors an der BOKU Wien, eines Masters in Freiburg und eineinhalb Jahren als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Fraunhofer-Institut in Freiburg, widmet sie sich nun dem Aufbau des Nachhaltigkeitsmanagements.

serungswürdig sind, und das schreiben wir so hin. Da gibt es auch einen sehr großen Respekt davor, dass man etwas sagt, das man dann nicht tut.

Riedesser: Sehen Sie eine Gefahr, dass der Nachhaltigkeitsbericht als nicht glaubwürdig wahrgenommen wird?

Loibner: Ich glaube, dass es das bestimmt schon öfter gegeben hat. Jetzt aber mit den verschiedenen Standards, Richtlinien und dann mit der CSDR (Central Securities Depositories Regulation) – da geht es ja nach Vergleichbarkeit und Transparenz – sollte das vermieden werden. Grünfärberei machen die Leute gerne und es klingt oft sehr nett, aber ich glaube, da wirkt die Regulatorik mittlerweile gut genug, sodass man sich denkt, dass man lieber die Finger von Grünfärbereien lässt.

Riedesser: Wie würden Sie vorgehen, wenn der Nachhaltigkeitsbericht als nicht glaubwürdig wahrgenommen werden würde?

Loibner: Babyschritte. Es ist definitiv ein Prozess. In den letzten Jahren hatte ich sowohl intern als auch extern Gegenwind. Ich glaube, das ist dann eher ein Zeichen dafür, dass man dranbleiben, weitermachen und das Ziel nicht aus den Augen verlieren sollte. Gemeinsam zu lernen ist für uns als Unternehmen ein wichtiges Thema. Wir nehmen aber auch den ökologischen und sozialen Einfluss ernst, den wir haben. Da sprechen Taten mehr als die Worte der Kritiker*innen.

Riedesser: Sehen Sie den Nachhaltigkeitsreport immer als Teil der gesamtunternehmerischen Kommunikationsstrategie?

Loibner: Zu hundert Prozent! Schon vor meiner Zeit hat es einen freiwilligen Nachhaltigkeitsbericht gegeben, der nicht so ausgeprägt war. Aber unser Marketing sieht das auf jeden Fall so - der Nachhaltigkeitsbericht ist Teil des großen Ganzen. Gerade als Genossenschaftsbank haben wir doch einen anderen Zugang zur Gestaltung und Förderung der Region.

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© Bodlak © Adobe Stock: Romolo Tavani

Corporate Reporting: Reine Pflichterfüllung oder strategische Chance?

Welchen Stellenwert hat das Corporate Reporting bei Süßwarenhersteller Manner? Karin Steinhart, Leiterin Unternehmenskommunikation und Sponsoring beim Wiener Unternehmen über die strategische Bedeutung von Corporate Reporting und Sustainability Reporting als Teil der Unternehmenskommunikation.

Sandra Maurer: Welche Bedeutung hat das Thema Corporate Reporting für Manner? Auf einer Skala von Pflichterfüllung bis strategische Bedeutung, wo würden Sie sich einordnen?

Karin Steinhart: Ziemlich genau in der Mitte. Wir sind eine AG, also ist ein Teil sicherlich der Pflichterfüllung geschuldet. Mit der Nachhaltigkeitsberichterstattung wollten wir bisher auch nicht vorrangig neue Käufer*innenschichten oder Konsu-ment*innen ansprechen. Wir stellen uns aber immer mehr die Frage, ob man diese Informationen nicht noch zusätzlich nutzen kann. Stand heute, würde ich sagen, ist es genau 50/50.

Maurer: Ist Reporting als Kommunikationsaufgabe auch ein Vorstands-Thema? Sprechen Sie sich mit der Investor Relations-Abteilung ab?

Steinhart: Ja, es ist unter anderem ein Vorstands-Thema. Auch der Aufsichtsrat ist involviert, der die Pflicht hat, berichtskonforme Informationen vorzulegen. Ich würde sagen, es teilt sich auf in 40% Kommunikation, 40% Investor Relations und 20% Vor-stand.

Maurer: Welche Abteilungen treffen beim Reporting die Entscheidungen bei Manner?

Steinhart: Es ist eine gemeinsame Entscheidung von der Kommunikationsabteilung und Investor Relations. Das komplette Berichtswesen verändert sich gerade in die Richtung, dass wir Informationen auch nach außen nutzen wollen. Da müssen wir uns die Frage stellen, wie diese für Leser*innen aufbereitet werden können. Deshalb glau-be ich, dass die Kommunikationsabteilung in Zukunft eine noch größere Rolle spielen wird.

Maurer: Sie haben erwähnt, dass Berichte auf Leser*innen ausgerichtet werden sollten. Abgesehen von der Financial Community, Investor*innen und Analysten*innen, für welche Leser*innen sind die Berichte noch interessant?

Steinhart: Durch die stabile Aktienmehrheit – fast 90% der Aktien sind in Familienhand – und Investor*innen bei

Manner liegt der Fokus vielleicht nicht so stark auf dieser Zielgruppe. Wir wollen aber die Berichte in Zukunft für Menschen interessanter machen, die mehr über das Unternehmen wissen wollen. Nicht nur Käufer*innen, sondern einfach Menschen, die sich denken „Wo kommt Manner eigentlich her? Wo wird produziert? Was machen sie genau?“. Wir bekommen bereits einige Anfragen zu Nachhaltigkeitsthemen, weil das immer mehr Menschen interessiert. Und genau für diese Leser*innen wäre es spannend, etwas Interessantes aufzubereiten, das über das gesetzlich Geforderte hinausgeht.

Maurer: Gibt es konkrete Zahlen, welche Zielgruppen sich für Ihre Reports interessieren und welche Inhalte am häufigsten gelesen werden?

Steinhart: Nein, bisher haben wir noch keine Zahlen analysiert. Das ist auch erstmal nicht geplant. Ich denke, das zeigt auch gut die Reise von „berichten müssen“ hin zu „Reporting bewusst für das Unternehmen nutzen“. Wir merken, dass sich die Menschen zunehmend für gewisse Themen interessieren. Mittlerweile sind wir an einem Punkt, wo wir viele Dinge haben, die wir zeigen und auf die wir auch stolz sein kön-nen. Unsere Nachhaltigkeitsphilosophie „Fair von Herzen“ ist eine wichtige Säule in unserer Strategiearbeit. Das Thema Corporate Reporting erhält immer mehr Gewicht und auch die Nachhaltigkeitsberichterstattung befindet sich gerade im Umbruch.

Maurer: Beziehen sich die meisten Anfragen, die Sie von Konsument*innen erhalten, auf das Thema Nachhaltigkeit?

Steinhart: Anfragen erhalten wir zu vielen Themen, vor allem zu Produkten. Aber uns fällt auf, dass immer öfter gefragt wird, welche Initiativen es bei Manner im Bereich Nachhaltigkeit gibt; auch bei Bewerbungsgesprächen. Das deckt sich mit den Konsument*innen-Insights aus unserer Marktforschung. Gerade in der Corona-Krise wurden Authentizität und die Unterstützung von lokalen Unternehmen immer wichtiger. Die Leute wollen ihre Produkte nicht von irgendwo kaufen und interessieren sich

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© Thomas Steinlechner Sandra Maurer

für unse-re Produktionsbedingungen, unseren Standort usw. Diese Veränderungen waren mit ein Grund dafür, dass wir gesagt haben, wir könnten unseren NFI (Non Financial In-formation)-Bericht in der Kommunikation mehr nutzen.

Maurer: Der integrierte NFI-Bericht von Manner ist auf der Website als PDF verfüg-bar. Warum haben Sie sich für PDF und nicht etwa für einen Online-Bericht entschieden?

Steinhart: Wir haben diese Form gewählt, weil sie zum einen vom Gesetzgeber vorgegeben ist und zum anderen, um den Aufwand so gering wie möglich zu halten. Die Erstellung eines Geschäftsberichts fordert intern sehr viele Ressourcen. Ich kann mir aber gut vorstellen, dass wir in Zukunft den NFI-Bericht nochmal für Leser*innen auf-bereiten und ansprechend auf der Homepage kommunizieren.

Maurer: Geben Sie auch noch Print-Berichte aus?

Steinhart: Nein, seit zwei Jahren nicht mehr. Die Inhalte können genauso gut online gelesen werden. In den nächsten Jahren sollten die Berichte noch besser aufbereitet werden, damit sie online auch leichter lesbar sind. Alleine aufgrund des Nachhaltig-keitsgedankens wollen wir aber definitiv nichts mehr ausdrucken.

Maurer: Haben Sie die Berichte bisher intern oder mit einer Agentur erstellt?

Steinhart: Bisher intern, allerdings haben wir uns für den Bericht 2021 von einem Wirtschaftsprüfungsinstitut beraten lassen und für nächstes Jahr brauchen wir Unterstützung im Bereich CSRD (Corporate Sustainability Reporting Directive) und Standards. Wir haben zuerst überlegt GRI (Global Reporting Initiative)-Standards zu implementieren, warten aber ab, welche Änderungen im Zuge der CSRD auf uns zukommen. Die Entscheidung, dass wir in Zukunft mit jemandem zusammenarbeiten, wurde aber schon getroffen. Es geht nicht mehr, dass wir alles selbst abdecken.

Karin Steinhart ist seit mehr als zwölf Jahren für die Leitung der Abteilung Unternehmenskommunikation & Sponsoring bei Manner zuständig. Sie wurde dreimal in Folge vom Branchenmagazin „Der österreichische Journalist“ unter die Top 3 der besten Unternehmenssprecher*innen in der Kategorie FMCG Industrie (Markenartikel) gekürt. Sie ist Mitglied beim PRVA.

Maurer: Ist Push Reporting bei Manner ein Thema? Welche Themengebiete wären Ihrer Meinung nach zum pushen geeignet?

Steinhart: Nein, noch nicht, aber das wird sicher in den nächsten Jahren bei uns kommen. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass auch hier Themen in Richtung Nachhaltigkeit gut funktionieren. Dann kann man nicht nur punktuell berichten, sondern von der Reise erzählen, die ein Unternehmen bei einem gewissen Thema hinter sich hat und welche Meilensteine gefeiert werden können. Zum Beispiel bei der CO2-Reduktion.

Maurer: Glauben Sie, dass dafür Kanäle wie LinkedIn in Zukunft relevant werden?

Steinhart: Auf jeden Fall! Generell Social Media, wenn die Inhalte für den einzelnen Kanal passend aufbereitet werden. Warum sollte man nicht auch auf Instagram eine informative Grafik gut aufbereiten und auf diesem Weg kommunizieren? Ich kann mir das gut vorstellen, auch um neue Käufer*innenschichten und generell Konsument*innen damit anzusprechen.

Maurer: Welche Veränderungen stehen Manner im Corporate Reporting bevor, auch im Hinblick auf die CSRD?

Steinhart: An der Darstellung wird sich nichts verändern, weil wir immer schon integriert berichtet haben. Trotzdem werden auch auf uns viele komplexe Veränderungen zukommen, wie die EU-Taxonomie. Veränderung wird es in Zukunft dahingehend geben, wie die Berichte auch für andere Stakeholder als Investor*innen aufbereitet werden.

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