SUMO Ausgabe 36

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Jobunsicherheit: „Goldene Ära des Journalismus ist vorbei“ Wirtschaftliche Probleme, Stellenabbau, schlechtere Kollektivverträge, schwierige Arbeitsbedingungen. Österreichs JournalistInnen kämpfen schon seit längerem mit den Schwierigkeiten des Marktes. Doch fürchten sie um ihre Anstellungen und ist ein Berufswechsel notwendig? Darüber diskutierte SUMO mit AJOUR-Geschäftsführerin Lydia Ninz, der Journalistin Valentina Dirmaier sowie einer weiteren Journalistin.

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Jobunsicherheit: „Goldene Ära des Journalismus ist vorbei“ Thema

Trend, der auch im „Österreichischen Journalismus-Report“ des Medienhaus Wien erkennbar ist. Denn vergleicht man den ersten Report aus dem Jahr 2007 mit den Daten von 2019, ist erkennbar, dass die Zahl der JournalistInnen rückläufig ist. So verminderte sich jene der hauptberuflichen JournalistInnen von 7.100 auf 5.350. Auch Vollzeitbeschäftigungen sind seltener geworden: In der ersten Ausgabe waren 76% aller JournalistInnen in Vollzeit angestellt, während das 2019 nur noch zu zwei Drittel der Fall war. Freie Journa-

Lydia Ninz / Copyright: Kasper H.

listInnen hingegen blieben – obwohl diese Zahl schwer messbar ist – auf demselben Niveau: ca. 900 Freiberufliche treffen zwölf Jahre später auf ungefähr 600 bis 900. Diese Entwicklung beobachtet AJOUR-Geschäftsführerin Lydia Ninz mit Besorgnis: „Es werden immer weniger JournalistInnen, die immer mehr machen und deswegen passieren auch mehr Fehler. Dann gibt es mehr Kritik und die Glaubwürdigkeit der Medien innerhalb der Gesellschaft wird untergraben.“ AJOUR-Coaching für arbeitslose JournalistInnen Solche Veränderungen konnten nicht nur mit Pensionierungen oder Wechsel

© Copyright: adobe stick / Björn Wylezich

Dienstag, 4. August 2020. In der APARedaktion in der Wiener Laimgrubengasse ertönt ein Signalton. Eine OTS-Meldung ist eingegangen. In einer Nachrichtenagentur nichts Besonderes. Aber diese Meldung aus dem Konzern mit dem roten Bullen verändert Österreichs Medienlandschaft: Die vom Gründer finanzierte Rechercheplattform „Addendum“ wird nach nicht einmal drei Jahren eingestellt. 57 MitarbeiterInnen sind plötzlich arbeitslos. Zeitgleich, nur zehn Gehminuten von der APA entfernt, findet im aufwendig renovierten Wiener Büro in der Siebensterngasse eine besondere Redaktionssitzung statt. In der sogenannten „All-Star-Sitzung“ werden Valentina Dirmaier und ihre KollegInnen davon unterrichtet, dass sie ab Mitte September ohne Job dastehen werden. Ein Schlag ins Gesicht. Zwar wurde in der Branche schon länger darüber gemunkelt, aber die Belegschaft wog sich in trügerischer Sicherheit. Fehlende Kurzarbeit und besonders gute NutzerInnenzahlen, die auf datenjournalistische Aufbereitungen wie der ersten österreichischen Corona-Ampel zurückgehen, machen den gewählten Zeitpunkt unverständlich. So ist die kurzfristige Entscheidung ein Schock. Wie unerwartet das plötzliche Aus ist, zeigt das Beispiel eines ehemaligen Mitarbeiters, der sich gerade in einer heißen Quelle entspannt hat, als ihn die Nachricht aus der Redaktion erreicht. BeobachterInnen empfanden die Entscheidung aufgrund der EigentümerInnenstruktur nur als eine Frage der Zeit. Doch auch in anderen Medienunternehmen werden Stellen abgebaut. Große österreichische Medienunternehmen wie der ORF und die APA sehen sich aus Spargründen dazu gezwungen, MitarbeiterInnen zu entlassen. Seit 2007 mussten beim ORF 800 Beschäftigte gehen, bei der APA wird aktuell (Stand November 2020) geplant, 25 Stellen zu streichen. Letzteres wird von Protesten der Belegschaft sowie der JournalistInnengewerkschaft GPA-djp und der Betriebsräte/-rätinnen österreichischer Medien – darunter der Styria Group – begleitet. Diese Beispiele zeigen einen


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