SUMO Ausgabe 36

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Modern Loneliness: Zwischen Likes und Einsamkeit Likes, Klicks, Follower zur Einsamkeitsreduktion? Die sozialen Medien werden immer wieder als Grund für, aber auch gegen die Einsamkeit junger Menschen dargestellt. Die Validität dieser Aussagen bleibt bis lang unbestätigt. SUMO diskutierte mit der Forscherin Univ.-Prof. Sonja Utz vom Leibniz-Institut für Wissensmedien und Dr. Rebecca Nowland, Psychologin sowie Forscherin an der University of Central Lancashire, über den Zusammenhang von Einsamkeit und Social Media.

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„Ich finde es eigentlich interessant, dass diese Frage immer wieder gestellt wird“, beginnt Sonja Utz ihre Antwort hinsichtlich der Assoziation von Einsamkeit mit Social Media. Und auch Psychologin Rebecca Nowland zeigt sich über diese Ansicht „frustriert“. Eine deutliche Aussage über den Einfluss der sozialen Medien auf die Einsamkeit der Menschen könne nicht gemacht werden, zahlreiche Studien seien widersprüchlich und die allfällig gefundenen Effekte dann sehr klein, so Utz. Selbst wenn ein negativer Zusammenhang gefunden werde, handle es sich oft um Querschnittsstudien. Man wisse daher nicht, ob die Nutzung sozialer Medien einsam mache oder ob einsame Menschen eher soziale Medien nutzen. Zudem müsse zwischen bloßem „Alleinsein“ und der „Einsamkeit“ unterschieden werden. Die Einsamkeit sei ein subjektives Gefühl, das zeigt, deine Beziehungen treffen nicht deine Erwartungen, erläutert Rebecca Nowland. Einsam fühle man sich nicht nur, wenn man auch tatsächlich allein ist, denn auch in einem Raum voller Menschen könne dieses Gefühl aufkommen. Aber auch ältere Menschen, die womöglich wirklich allein sind, fühlen sich mit der Einsamkeit konfrontiert. Alleinsein hingegen sei, so Nowland, ein Zustand. Laut einer Umfrage der BBC aus dem Jahr 2018, an der rund 55.000 Menschen teilnahmen, sind besonders junge Menschen vom Einsamkeitsgefühl geplagt. Unter den sich in der Alterskohorte 16 bis 24 Jahren befindlichen TeilnehmerInnen gaben knapp 40% an, mit dem Gefühl der Einsamkeit vertraut zu sein. Ob einer der Gründe dafür die sozialen Medien sind, bringt die BBC-Umfrage nicht hervor. Einsam durch den täglichen Wegbegleiter? Rebecca Nowland hat eine Antwort auf die Einsamkeit bei jungen Menschen: Sie sehe ein Problem, das in dieser Alterskohorte nicht unüblich sei. Heranwachsende befinden sich in einer

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Selbstfindungsphase, weshalb viele mit Depressionen und mentalen Problemen konfrontiert sind. Das Einsamkeitsgefühl basiere darüber hinaus auch auf Veränderungen in der Lebenssituation, erklärt Sonja Utz. Als Beispiel nennt sie besonders die StudentInnen, welche in eine neue Stadt ziehen und dort erstmal weniger Kontakte hätten. Hier scheinen soziale Medien eine eher nebensächliche Rolle zu spielen. Jedoch sei die Einsamkeit mit unseren Beziehungen in Verbindung zu bringen und ein Teil unserer Beziehungen im modernen Leben werden mit Social Media ergänzt, so Nowland. Die sozialen Medien tragen zur vermehrten Einsamkeit bei, seien aber nicht der ultimative Grund dafür, wie es gerne in den klassischen Medien dargestellt werde. Nowland beschreibt die sozialen Medien daher als „social snacking“, was so viel bedeutet: wir snacken ständig, brauchen aber eigentlich den ganzen Schokokuchen, alias physische Beziehungen. Die sozialen Medien fungieren also tadellos als Snack, aber das Völlegefühl wird nicht erreicht. Vor dem Hintergrund dessen sollte aber besonders auf eine angemessene Nutzung geachtet werden. Zwei Stunden pro Tag auf „Facebook“ und Co. machen uns nicht unbedingt einsam, aber wir verlieren zwei Stunden unseres Tages, sagt Nowland. Dies könne folglich ungesund sein. Demnach ist es unser gesundheitsschädigender Umgang mit den Plattformen, woraus Isolation resultieren könne. Aber auch die unzureichende Kontrolle und Beobachtung der sozialen Medien sowie die mangelhafte Befassung mit diesem Thema seien, laut Nowland, relevante Faktoren. Insofern sollten die sozialen Medien mehr überprüft werden, da sie einem nur das zeigen, was der Mensch davor wirklich sehen möchte (oder eben genau das Gegenteil). Die Folge sei die Sucht, die uns vier Stunden pro Tag davorsitzen lässt. Die Wirkung der sozialen Medien kann aber auch von Plattform zu Plattform

Modern Thema loneliness: Zwischen Likes und Einsamkeit


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