Wenn es wirklich wichtig ist: lieber digital?
© Copyright: adobe stock / Dmitriy
Ob als Brief, als E-Mail oder Nachricht in einem Messenger-Dienst. Brisante Informationen mit den richtigen Personen zu teilen kann wahrlich Berge versetzen, gewissen CEOs den Tag verderben oder gar Regierungen in Bedrängnis bringen. Nur wie, ohne dass man selbst dafür zu Rechenschaft gezogen wird? Zeit für SUMO, sich Leaking-Plattformen bzw. digitalen Briefkästen und deren Bedeutung zu widmen. Sonntagmorgen. Heute werden sicherlich wenig Menschen auf den Straßen Wiens unterwegs sein, immerhin ist Lockdown. Gute Bedingungen, nicht gesehen zu werden. Die Tasche ist gepackt, die Kaffeetasse leer und die Lichter in der Wohnung sind abgedreht. Auf zu einem Postkasten, aber wo findet man einen? In der Postfiliale in der Weintraubengasse ist bestimmt einer, allerdings würde man da auf den Überwachungsaufnahmen zu sehen sein. Als schon mit Winterjacke in der Tür Stehender nochmal das Handy rausgeholt und nachgesehen, naja, sofern es funktionieren würde. Der Standortfinder der Post ist nicht auf Handys abgestimmt – also Laptop nochmal hochfahren und nachsehen. Aja, gleich um die Ecke, sehr gut! Dann kann ja nichts mehr schief gehen. Kurz vor Verlassen des Hauses läuft einem der Nachbar über den Weg: man kommt ins Gespräch und verlässt gemeinsam das Haus. Man unterhält sich über aktuelle Themen wie Corona oder die Baustelle im Haus, die allen auf die Nerven geht. „Das war ja früher mal ein Puff, bis die Hausverwaltung sie hat rauswerfen lassen – kommt davon, wenn man die Miete nicht bezahlt“, sagt er mit erheitertem Gemüt. „Ich habe mir einen Coronabart wachsen lassen“, erklärt der pensionierte Ur-Wiener und streift sich dabei über diesen. „Wofür rasieren, man darf ja eh nichts machen darf. Was für Zeiten! Bin ich gespannt, wann dieses Lokal endlich aufsperrt und ob überhaupt. Der Besitzer meinte, er lädt uns ein, sobald es fertig ist. Hoffentlich auf mehr als nur ein Achterl“, fährt er scherzend fort. Das Wetter ist typisch für Wien: Grau in Grau. Es hat 10 Grad und es riecht nach Herbst, obwohl es Winter ist. Man geht gemeinsam Richtung Heinestraße Ecke Mühlfeldgasse, wo sich der nächstgelegene Briefkasten befindet. Er ist weniger daran interessiert, etwas abzusenden, eher etwas abzustauben; die Sonntagsausgaben von „Kurier“, „Krone“ und „Österreich“ – aber ohne Geld einzuwerfen, versteht sich ja. Der Postkasten ist mit Graffiti beschmiert und sieht eher danach aus, als ob er die besten Stunden seines Daseins
schon erlebt hätte. „Entleerung MontagFreitag, 16:00“ steht auf einem Zettel hinter einer kleinen zerbrochenen Scheibe. Ist der Nachbar schon weg? Sehr gut, dafür warten einige andere auf die Buslinie 5B. Das Bauchgefühl drängt zum nächsten Briefkasten. Bei einem deutlich „gesünder“ aussehenden Postkasten angekommen, sind Sticker zu erkennen. „Team Christkind“ steht darauf – hoffentlich wird Weihnachten noch etwas. Der Blick auf das Infokärtchen hinter der intakten Glasscheibe ist zwar möglich, allerdings etwas verärgernd. Neben der Tatsache, dass auch dieser Postkasten erst am Montag um 16:00 entleert wird steht auch noch daneben mit Edding draufgeschmiert: „Fuck you“. Ob dies ein Zeichen ist? Ist der Postkasten direkt in der Filiale vielleicht doch die bessere Option oder soll ich es über digitalem Wege versuchen? Immerhin sollten die Dokumente so schnell wie möglich die richtigen Menschen erreichen und das so anonym wie es nur geht! Um sich ein Bild über digitale und anonyme Kontaktaufnahmemöglichkeiten zu verschaffen, sprach SUMO mit Hannes Munzinger, Digitalinvestigativ- und Datenjournalist bei der „Süddeutschen Zeitung“, und Markus Sulzbacher, Projektleiter des anonymen Briefkastens sowie Web-Ressortleiter bei „DER STANDARD“. EU-Angriff auf verschlüsselte Kommunikation Kurz nach dem Terroranschlag auf das Herz Wiens äußerte sich Gilles de Kerchove, Leiter der Anti-Terror-Koordination der EU, in der „ZiB“ gegenüber den Datenschutzbestimmungen der EU. Seiner Meinung nach erschweren diese es deutlich, in Ermittlungen auf Handydaten und E-Mails Verdächtiger zuzugreifen. Dem wolle die EU nun entgegentreten: Schwache Verschlüsselung, ein Generalschlüssel oder eine Hintertür soll es den Sicherheitsbehörden ermöglichen, leichter auf Handydaten zugreifen zu können. Martin Blatter, Chef des Schweizer Messenger-Dienstes „Threema“, steht dem sehr kritisch gegenüber – er ist nicht der
Wenn es wirklich wichtig ist: lieber digital?
5