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Filmfestivals: „Das zu erleben, was wir Kino nennen“ Jedes Jahr staunen wir über die glamourösen Bilder, entstanden im Blitzlichtgewitter von Cannes und Venedig. Sind es die Stars, die Outfits, der berühmte rote Teppich? SUMO versuchte dieses Phänomen real zu fassen und unterhielt sich dafür mit dem Co-Geschäftsführer der „Diagonale“, Peter Schernhuber, sowie den beiden „Viennale“-Preisträgerinnen Milena Czernovsky und Lilith Kraxner.
Swing in
Unaufgeregtes, aber emsiges Treiben übertönt das Telefonklingeln an Presse- und Ticketschaltern. Menschen, bestückt mit blauen Armbändern, bahnen sich über zwölf Stufen abwärts ihren Weg zu einer Bar. Und schließlich Schlangen wartender Besucher*innen, die durch herausströmende Gäste der letzten Vorstellung unterbrochen werden. All das sind Szenen, die sich im hell erleuchteten Gartenbaukino in Wien um kurz vor 23:00 Uhr anlässlich der „Viennale V´21“ abspielen. Wer nicht für Getränke oder Toiletten ansteht oder in Gespräche vertieft ist, versucht einen der Sitzplätze zu ergattern, die es kurz vor Beginn der Vorstellung im Eingangsbereich noch gibt. So auch Xavier Chotard, der extra aus München angereist ist, um den Film „Spencer“ zu sehen. Er habe schon auf dem Filmfestival von Venedig davon gehört und nutze nun hier zu später Stunde seine Chance. „Eine tolle Vielfalt an tollen Filmen“ mache für ihn die „Viennale“ aus und ist wohl der Grund, sich regelmäßig auf einem der roten Kinosesseln wiederzufinden. Rote Kinosessel, die kurz vor Vorstellungsbeginn mehr und mehr von Gästen eingenommen werden und damit unter abgelegten Mänteln und Schals verschwinden. Man greift noch in die kürzlich an der Bar erworbenen Snacks und nippt am bis oben hin gefüllten Plastikweinbecher (Gläser mussten vor dem Saal auf einem Flaschenfriedhof zurückgelassen werden), dann tritt schon ein Sprecher ins Rampen-
licht. Kurz, aber enthusiastisch wird die Afterparty angekündigt, dann geht das Licht aus und der Filmprojektor fängt an zu surren.
Projektoren zum Surren bringen Bis ein Filmprojektor auf einem Filmfestival zu laufen beginnen kann, muss viel an Organisationsarbeit geleistet werden. Laut Peter Schernhuber, CoGeschäftsführer und -Leiter des in Graz stattfindenden Festivals des österreichischen Films, müsse man hierbei jedoch unterscheiden zwischen den kaufmännischen und den inhaltlichen Aspekten eines Filmfestivals. So plane man budgetär bereits über einzelne Festivaleditionen hinaus, inhaltlich sei der Zyklus allerdings „ein sehr knapper“. Die COVID-Pandemie erschwerte jedoch die Organisation. So konnte das Festival 2020 nicht regulär stattfinden, 2021 sei die organisatorische Seite des Festivals geprägt gewesen von Änderungen und großen Budgetsorgen. Als das Event dann zwischen 8. und 13. Juni abgehalten werden konnte, sei es ein sehr schöner und bewegender Moment gewesen, „das zu erleben, was wir Kino nennen“. Damit Kino bei der „Diagonale“ passieren könne, vergebe man keine Aufträge an Künstler*innen und sei deshalb nicht als Produzent tätig, hält Schernhuber fest. Die Einreichungen fertig produzierter Filme würden von Einzelpersonen, Produktionsfirmen und
Verleihern zwischen September und November vorgenommen werden. Bei der Filmauswahl komme es auf drei wesentliche Punkte an, die in einem Sichtungsteam zusammen mit externen Expert*innen unter der Leitung von CoGeschäftsführer Sebastian Höglinger diskutiert werden. Zunächst versuche man zu beurteilen, welchen Anspruch der Film an sich selbst habe und wie es ihm gelinge, diesem Anspruch gerecht zu werden. Danach müsse festgestellt werden, ob der Film zur Idee des Festivals passe. Dieses versuche einen „repräsentativen Querschnitt des österreichischen Filmschaffens“ abzubilden, so Schernhuber. Schlussendlich habe man noch einen kuratorischen Anspruch der nationalen Kinematografie gegenüber, für die man auch die internationale Presse sowie internationale Kurator*innen begeistern wolle. Noch ein weiterer Aspekt sei bei der Programmgestaltung sehr wichtig: Eingebettet in den globalen Film- und Festivalkreislauf spielt das Bemühen, Filme als Premiere zu zeigen eine Rolle. Ein kompliziertes und mitunter sehr ambivalentes Thema, so Schernhuber. Genau dieses Tauziehen um Erstaufführungen findet Lilith Kraxner allerdings „absurd“. Habe man bei einem Filmfestival Premiere gefeiert, so fielen viele andere Veranstaltungen weg. „Es ist ein Risikospiel“, postuliert Kraxner. Der Fokus auf Premieren hänge nicht zuletzt mit der medialen Aufmerksamkeit zusammen, die auf diese gerichtet werden, meint
Filmfestivals: „Das zu erleben, was wir Kino nennen“
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