SUMO #38

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Medienskandale im Wandel der Zeit – Geht Qualitätsjournalismus verloren? Korruption, Verleumdung, Bestechlichkeit. Für eine/n ordentliche/n Bürger*in ist klar: Bei diesen strafbaren Verfehlungen besteht zweifellos Skandalpotenzial. Doch die Etablierung von Online-Medien hat der Entstehung und der Definition von Skandalen opake Eigenschaften verliehen, wodurch das Feld der Medienskandale unübersichtlicher geworden ist. SUMO sprach mit Junior-Prof. Christian von Sikorski (Univ. Koblenz-Landau) sowie Prof. (FH) André Haller (FH Kufstein) über die Rolle der Medien bei der Aufdeckung von Skandalen, der Bedeutung von unabhängigem Journalismus und über die zukünftige Entwicklung von Medienskandalen. Außerdem diskutierte SUMO mit dem ehemaligen Sportjournalisten Reinhard Spitzer (u.a. „Tips“, ORF Oberösterreich, Ö3, „Life Radio“) über die aufdeckende Funktion des Journalismus bei Dopingskandalen.

Wirft man einen Blick auf die österreichische Vergangenheit, könnte man zu der Erkenntnis kommen, dass scheinbar alle Bereiche der Gesellschaft von einem speziellen Phänomen geprägt sind: den Skandalen. Basierend auf den jüngeren Ereignissen lässt sich aber die These ableiten, dass Medienskandale hauptsächlich einem politischen Fehlverhalten entspringen und dass somit vorrangig Politiker*innen die Urheber*innen Aufsehen erregender Vorfälle sind. An dieser Stelle sind beispielsweise die BUWOG-Affäre, welche im Jahr 2009 aufgedeckt worden ist, die Causa Casinos, in der seit dem Jahr 2019 ermittelt wird, oder die Ibiza-Affäre erwähnenswert. Dennoch lässt sich die Sache der Skandale nicht allein auf das Feld der Politik beschränken.

Ab wann spricht man von einem Medienskandal? Um das Verständnis der historischen Entwicklung von Medienskandalen und der aktuellen Rolle von Medien im Zusammenhang mit der Berichterstattung von Skandalen zu erleichtern, ist die Definition der Begrifflichkeiten hilfreich. Ganz allgemein kann gesagt werden, dass für das Zustandekommen eines Skandals drei Faktoren notwendig sind. Christian von Sikorski, Junior-Professor an der Universität Koblenz-Landau, nennt hier an erster Stelle die Tatsache, dass es entweder gesetzeswidrige Verstöße oder viele Normüberschreitungen geben müsse, die auch nicht von

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Medienskandale im Wandel der Zeit

juristischer Relevanz sein müssten. André Haller, Professor für Marketing & Kommunikationsmanagement sowie Digital Marketing an der Fachhochschule Kufstein, spricht in diesem Zusammenhang von „den Grenzen des guten Geschmacks“, die durch eine Verletzung der Normen gesprengt würden. Als zweite Komponente, damit ein Skandal als ein solcher definiert werden könne, müssten diese Überschreitungen entweder öffentlich ablaufen oder durch Investigativ-Journalismus aufgedeckt werden, so Haller. Außerdem sei es notwendig, dass mehrere Medien über eine gewisse Zeit darüber berichteten. Die öffentliche Berichterstattung sei dann wiederum Voraussetzung für den dritten Faktor, der zur Entstehung eines Skandals notwendig sei. Das Fehlverhalten müsse in der Gesellschaft Verärgerung und Empörung auslösen und der überwiegende Teil der Bevölkerung müsse sagen: „Dieses Verhalten ist zu verurteilen“, so von Sikorski. Wesentlich sei aber auch die öffentliche Äußerung des Unmuts über bestimmte Vorgänge. In dieser Hinsicht erwähnt Haller auch die Verschiebung dieses Prozesses durch Social Media, durch die auch Kleinstgruppen schon minimale Verstöße skandalisieren könnten. Das wirft in Zusammenhang mit einem Fehlverhalten, das überwiegend online skandalisiert wird, die Frage auf, wann man im Jahr 2022 überhaupt noch von einem Skandal spricht. Laut Haller gebe es durch Online-Medien mehr Aufregung und Empörung, was auf die neuen Möglichkeiten der Aufdeckung zurückzuführen sei. Denn

normale User*innen könnten nun durch verschiedenste Plattformen selbst investigative Recherche betreiben und so Fehlverhalten aufdecken. Als Beispiel nennt Haller sogenannte „Wikis“, durch die sich Nutzer*innen austauschten und beispielsweise nach Plagiaten suchten. Weiters eröffneten digitale Medien neue Kanäle, auf denen skandalöses Verhalten vorkommen könne. Denn während man sich früher nur mündlich austauschte und Gesagtes viel schwerer nachzuweisen war, gebe es jetzt mehr Wege, Beweise zu erbringen. Auch von Sikorski verweist auf das erhöhte Skandalpotenzial, dessen Ursprung in den neuen Medientechnologien liege. Allerdings betont er dennoch die Wichtigkeit herkömmlicher Medien. Denn auch wenn die Skandalisierung durch Social Media oft der Auslöser für eine vertiefte Recherche sei, spreche man heutzutage ohne Berichterstattung der klassischen Medien in der Regel nicht von einem größeren politischen Skandal.

Zunahme an Skandalen und die Rolle der Rezipient*innen Aufgrund aktueller Untersuchungen in europäischen Ländern konstatiert von Sikorski, dass sich eine Zunahme an Skandalen abzeichne. Allerdings steige die Anzahl komplexer Fälle nicht äquivalent mit der Anzahl an geringfügigen Normüberschreitungen. Tendenziell würden nämlich unbedeutende Verfehlungen in größerem Maß skandalisiert als tatsächlich relevante Fälle, die


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