Geschichten die uns Bilder erzählen – Visualisierungen in den Medien Oft ist uns gar nicht bewusst, welcher Aufwand und welche Gedanken hinter dem Design und den Visualisierungen in den Medien stecken, während wir diese rezipieren. SUMO durfte hinter die Kulissen blicken und sprach dazu mit Norbert Küpper, welcher neben seinem Beruf als Zeitungsdesigner auch der Veranstalter des European Newspaper Award ist. Ebenso wurde Mads Nissen interviewt: Er hat 2015 und 2021 den Hauptpreis beim World Press Photo Award für das beste Pressefoto des jeweiligen Jahres gewonnen. Außerdem unterhielt sich SUMO mit Gerald Piffl, Produktmanager bei APA-Picturedesk und Archivleiter bei IMAGNO, dem größten privaten Bildarchiv Österreichs.
Die Entwicklung des Fotojournalismus Es ist jedoch noch nicht allzu lange her, dass Zeitungen ohne Bilder gedruckt wurden. Pressefotos etablierten sich generell erst ab dem 20. Jahrhundert, davor wurden Kupferstiche und Zeichnungen verwendet. „Bevor Fotos gedruckt werden konnten, gab es Holzschnitte. Es wurde hierzu ein Foto als Vorlage gemacht und dann wurde anhand dessen von Xylografen ein Holz-
schnitt angefertigt, mit dem man dann druckte. Hier liegt auch der Ursprung der Bildagenturen. In den 1850er/60erJahren haben Verlage ihre eigenen Druckstöcke erzeugt, diese lizenzierten sie sozusagen und verkauften oder borgten diese Druckstöcke her“, schildert Archivleiter Gerald Piffl. Den vermehrten Einsatz von Bildern in der Presse hatte man aber erst mit einem technischen Umschwung geschafft, in dem man es möglich machte, die Fotoapparate zu verkleinern und somit transportabler zu machen. „Die ‚Frankfurter Allgemeine Zeitung‘ hatte bis vor knapp zehn Jahren nicht einmal ein Bild auf der Titelseite. Es war eine merkwürdige Situation, dass das Visuelle bei vielen deutschen Zeitungen gar keine Rolle spielte. Im Vergleich dazu spielte in den Niederlanden, Skandinavien, aber auch in den USA das Bild schon vor mehr als 20 Jahren eine riesige Rolle“, erläutert Norbert Küpper. In Österreich wurde der Aufschwung der Pressefotografie jedoch durch Papier- und Tintenknappheit im Zweiten Weltkrieg wieder gedämpft. Erst als man in den Nachkriegsjahren wieder mehr Ressourcen hatte, rückten Visualisierungen, insbesondere Bilder, immer mehr ins Zentrum. Trotzdem hatte der Zweite Weltkrieg eine besondere Bedeutung für die weitere Entwicklung des Bildjournalismus in Europa. In der Kriegsberichterstattung waren die Grenzen zwischen Information und Propaganda fließend. Laut der Bundeszentrale für politische Bildung in Deutschland war es damals wichtig, den Krieg als notwendig und sauber darzustellen, sowie die Soldaten als Helden. Pressefotograf*innen, die den Krieg anders darstellten um die Schattenseiten der damaligen Politik aufzuzeigen, drohte politische Verfolgung. Bilder und deren Inszenierung waren in dieser Zeit ein mächtiges Werkzeug, da die Menschen, die den Krieg von zu Hause mitverfolgten, dem was sie sahen, mehr glaubten, als dem
was sie gehört oder gelesen hatten. Mit ausgewählten Bildern konnte man also den zu Hause verbliebenen Leser*innen eine Sekundärerfahrung ermöglichen, mit der sie sich in die aktuellen Geschehnisse besser hineinversetzen konnten. Somit war die Wahl des Bildmaterials, welches durch die Knappheit an Papier und Tinte ohnehin schon sehr begrenzt war umso wichtiger. Im Nachhinein wurde klar, dass die Darstellung des Krieges durch Bilder nahezu „romantisch“ war, aber mit den eigentlichen Geschehnissen nichts zu tun hatte. Die Darstellungen in den Zeitungen erreichten jedoch nicht nur die eigene Gesellschaft, sondern ebenso die Gegner und somit wurde, laut dem deutschen Politikwissenschaftler Herfried Münkler, aus der Kriegsberichterstattung ein Berichterstattungskrieg. Gegen Ende des Zweiten Weltkrieges und in der Nachkriegszeit wurde der Bildjournalismus stark von den Alliierten geprägt. Dies kann man vor allem in den veröffentlichten Materialien des Projekts “War of Pictures“, welches von Medienhistoriker Fritz Hausjell geleitet wird, erkennen. Da die Alliierten ihre eigenen Medien in Österreich aufbauten, beeinflussten sie die österreichische Medienlandschaften mit diversen Printtiteln. Vor allem auch wöchentliche Bildbeilagen von der US-amerikanischen Besatzungsmacht, wie zum Beispiel für den „Wiener Kurier“, prägten die österreichische Bildkultur. Hier dominierten Themen, die der Unterhaltung dienten und Reportagen über den Wiederaufbau. Es bürgerte sich der „American Way of Life“ in die österreichische Bildwelt ein. Das geschah nicht nur thematisch, sondern auch durch die Bildgestaltung. Man schweifte ab von der normalen Frontalperspektive und nutzte verschiedene Blickwinkel und Brennweiten, um die Geschehnisse spannender abzulichten. Die Entwicklungen flossen in absehbarer Zeit auch in den österreichischen Bildjournalismus mit ein und blieb bestehen.
Geschichten die uns Bilder erzählen
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Wenn man eine Zeitung oder ein Magazin aufschlägt, ist es heute selbstverständlich, dass die Seiten mit Bildern, Illustrationen, Infografiken, Karikaturen und anderen Grafiken geziert sind. Diese dienen dem Verständnis, wecken Interesse, lassen die Rezipient*innen emotionaler auf die inhaltlichen Themen reagieren und schildern den Sachverhalt bisweilen, ohne dass Rezipient*innen den Text überhaupt lesen müssen. Ein lebendiges Pressefoto ist oft wirksamer als eine reißerische Schlagzeile. Dies wurde auch durch eine Studie des Poynter Institutes for Media Studies in Florida belegt. Hier fand man bereits 1990 heraus, dass Zeitungsleser*innen nicht durch eine Schlagzeile in den Artikel einsteigen, sondern durch eine Visualisierung. 85 % der Proband*innen fingen zuerst mit dem Bild an, gefolgt von der Bildunterschrift, bevor die Schlagzeile überhaupt gelesen wurde. Die Ergebnisse zeigten zusätzlich, dass kein Element in Zeitungen so sehr Aufmerksamkeit erregen, wie Bilder und Grafiken. Auch Norbert Küpper konnte ähnliche Ergebnisse mit seiner Eye-Tracking-Studie generieren. „Ein Bild ist immer der Einstieg in eine Seite und auch in eine Geschichte. Selbst wenn ein unscharfes Bild hergenommen wird, hat es für den/die Leser*in unterbewusst noch immer eine sehr hohe Bedeutung. Man orientiert sich meistens an visuellen Komponenten, egal ob Bilder oder Infografiken“.
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