Terrorismus – Gefahren für Medienschaffende und Berichterstattung Terrorismus ist wohl eines der heikelsten Themen der Berichterstattung und betrifft auch Medienschaffende selbst. SUMO diskutierte deren Erfahrungen mit Florian Klenk, Österreichs Journalist des Jahres 2021 und Chefredakteur der Wochenzeitung „Falter“, und mit dem USA-Korrespondenten der russischen Zeitung „Gazeta.ru“ Alexander Braterskyi. „Menschen saßen in einem Café, sahen fern, doch es herrschte Stille; weder Gabeln noch Löffeln klapperten. Das Fernsehen war die Hauptquelle der Information.“ Alexander Braterskyi schildert seine Eindrücke von 9/11, als sei es gestern erfolgt. Er war ein Zeuge von einem der weltweit größten Terroranschläge, bei dem insgesamt 3.000 Menschen ums Leben gekommen sind. Am 11. September 2001 sei Alexander im Internet-Café „Easy Everything“ nahe der Canal Street gewesen, beide Türme des World Trade Centers waren in Sichtweite. Ein Gebäude war schon im Flammen, niemand wusste, was passierte. „Ich rannte zum Münzfernsprecher, habe die Nummer des Nachrichtendienstes eingetippt, die kannte ich auswendig. Obwohl unsere Rundfunkstation – „Nasche Radio“ – ein Musik-Radio war, hat sie aber eine große Reichweite in ganz Russland. ‚Lasst mich live berichten‘, schrie ich. Sie haben den Livestream abgebrochen, und ich habe angefangen zu berichten, was rund um mich war.“
Medien als Spiegel des Terrors? Wie der Journalist SUMO erzählte, hätten die Medien damals einen anschwellenden Fluss, teils widersprüchlicher Informationen geliefert. „Die Massenmedien dürfen nicht immer alles überprüfen“, so Braterskyi. Die konservativen Informationskanäle hätten versucht, die öffentliche Meinung zu steuern, und er betont: „Die Journalist*innen benehmen sich nicht immer verantwortungsbewusst gegenüber der Gesellschaft“. Es gebe immer wieder Menschen, die so schnell wie möglich verschiedene Sensationen erheischen wollen. Alexander Braterskyi hebt dabei die Problematik des nicht-professionellen Online-Journalismus, besser gesagt:
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der Social Media-Posts hervor. Viele Journalist*innen sagen, heute streben alle nach Likes, ohne beim Lesen oder Sehen auf die Inhalte zu achten. „Clickbaiting hat die Medien stark verändert“, so Braterskyi. „Falter“-Chefredakteur Florian Klenk schwenkt im SUMOInterview um auf einen anderen, doch ähnlichen Aspekt: Terrorist*innen würden auch in einer quasi-redaktionellen Gesellschaft leben und eigene Medien (Websites, Accounts, Social Media) erschaffen können. „Sie haben anders als Terrorist*innen vor zehn oder 15 Jahren die Möglichkeit, über Social Media einerseits an Sympathisant*innen heranzukommen, aber auch Schrecken zu verbreiten“. Klenk weist darauf hin, dass am Beginn der IS-Bewegung Terroristen ihre Propagandavideos unzensuriert über „Facebook“ und „Twitter“ verbreitet hätten. Nunmehr zögen klassische Medien Schlüsse: Die Bildsprache der Terroristen solle nicht mehr reproduziert und eins zu eins übernommen werden. „Aber nicht alle, viele Medien verwenden noch diese Ikonographie“.
Zwischen Terror und Medien sind Menschen Ein Dilemma stelle der Aspekt der Begrenzung der Arbeit der Medien bei einem Terrorakt dar. „Die Menschenrechtskonvention postuliert, dass es die Pressefreiheit gibt und dass wir über alles berichten können, was passiert“, so Klenk. Er betont, dass die Arbeit der Presse zum Schutz der Rechte anderer, aber auch zum Schutz der nationalen Sicherheit begrenzt werden könne. Beispielsweise bitten die Behörden, keine Geiselnamen und auch deren Fotos nicht zu veröffentlichen. Der Chefredakteur denkt, dass der Staat ausnahmsweise bei der Gefahr eingrei-
Terrorismus - Gefahren für Medienschaffende und Berichterstattung