SUMO #38

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Mediale Gerüchteküchen: Nutzen und Gefahren „Ein Journalist ist einer, der nachher alles vorher gewusst hat“, sagte einst Karl Kraus. Ist diese Polemik noch gültig in unseren Filterblasen? Wie sich die journalistische Arbeitsweise auf Grund von Social Media verändert hat und welche Rolle dabei Fake News spielen, besprach SUMO mit Alexandra Halouska, Chefredakteurin der „Kronen Zeitung“ Oberösterreich, und Isabella Nittner, Journalistin der Tageszeitung „Heute“. Recherche in Echtzeit, Push-Benachrichtigungen und Leser-Diskussionen auf jeglichen Plattformen: Soziale Netzwerke wirbeln die Welt der klassischen Medien durcheinander. Schreibmaschinen, Fax-Geräte, Druckschluss und festgelegte Uhrzeiten, zu welchen Nachrichtensendungen laufen sind Schnee von gestern. Nachrichten tickern in Echtzeit auf sozialen Kanälen, sekündlich erscheint neuer Content, die Verbreitung funktioniert mit einem Klick. Mittlerweile kann jede/r Inhalte im Netz veröffentlichen oder verbreiten, dies stellt eine große Bereicherung, aber auch eine enorme Herausforderung für Rezipient*innen dar. Die Mediennutzung wird zu immer größeren Teilen auf digitale Plattformen umgelegt. Diese Art der Informationsvermittlung sorgt nicht nur für eine Konkurrenz auf Seite der klassischen Medien, sondern auch für ein verändertes Aufgabenspektrum und Rollenbild der Journalist*innen. Nie hatten Journalist*innen so viele Quellen zur Verfügung, ohne auch nur den Arbeitsplatz verlassen zu müssen, aber auch noch nie wurde ihnen so genau auf die Finger geschaut. Gleichzeitig gilt es, dass die Quellen auf ihren Wahrheitsgehalt überprüft werden müssen – aber wer sagt was und warum etwas wahr ist?

Der journalistische Arbeitsprozess Die Recherche stellt den Kernaspekt des journalistischen Handelns dar. Grundsätzlich sollen innerhalb dieses Prozesses Informationen über Geschehnisse detailliert und umfassend in Erfahrung gebracht werden, die Relevanz, Gültigkeit und Verstehbarkeit der Informationen ermittelt und entsprechend publizistisch bewertet werden. Im Prinzip haben sich die journalistischen Verfahren seit Jahrzehnten nicht verändert. Unabhängig von welchen Kanälen Informationen bezogen werden, ist es notwendig, dieselbe Vorgehensweise zu wahren. Ohne Faktencheck und mögliche Verifizierungen gehe gar nichts, erklärt „Krone“-Chef-

redakteurin Halouska. Heutzutage beginnt die aktive Suche nach Informationen in sozialen Netzwerken und via Suchmaschinen. Der Zugang zu Quellen und das Auffinden von Inhalten wird grundlegend vereinfacht und beschleunigt. Von besonderer Bedeutung sind in erster Linie Microblogging-Dienste (z.B. „Twitter“), Podcasts, Social MediaPlattformen („Facebook“, „Instagram“ und Co.), Videoplattformen wie „YouTube“, Suchmaschinen (v.a. „Google“) und Online-Enzyklopädien („Wikipedia“). Hierbei werden soziale Netzwerke und Suchmaschinen unter dem Begriff „Suchhilfen“, mittels welcher öffentlich zugängliche Informationen gefunden werden können, zusammengefasst. Suchhilfen sind relevant, wenn Journalist*innen über keinen direkten Zugang zu Quellen verfügen, um geeignete Quellen zu identifizieren oder auch, um Informant*innen zu kontaktieren, hält Christian Nuernbergk fest („Journalismus im Internet“, 2018). „Twitter“ fungiert als wichtige Informationsquelle – nicht per se für Leser*innen, umso mehr jedoch für Recherchezwecke. Hier sei das journalistische Medienumfeld relevant, da man sich Inspiration von Kolleg*innen holen könne. Für Leserbeobachtungen, Meinungen und Stimmungsbilder sei „Facebook“ besonders wichtig. Halouska exkludiert dabei „Instagram“ weitgehend, da der Nachrichtenfokus keinen hohen Stellenwert habe wie bei anderen Plattformen. So vorteilhaft diese Aspekte auch sind, muss man sich bewusst sein, dass das Internet eine Umgebung darstellt, in der Beiträge auch ungeprüft verbreitet und von Falschinformationen oder Halbwahrheiten strategisch platziert sowie geteilt werden können. Da der Journalismus die Geschehnisse der Umwelt nicht immer nur auf primären Quellen stützten kann, ist es notwendig, Sekundarinformationen zu beziehen. Quellen verfolgen partikulare Interessen: Damit Fehlinformationen ausgeschlossen werden können, ist eine gründliche und kompetente Prüfung der Inhalte unabdingbar, so Nuernbergk. Die „Heute“-Journalistin Isabella Nittner unterstreicht im SUMO-Gespräch, dass ihre

Vorgehensweise ganz nach dem Motto „Check, Re-Check, Re-Re-Check“ funktioniere, sprich, dass vermeintlich falsche Informationen zuerst verifiziert würden. Im Anschluss werde versucht, mit zuständigen Behörden, Expert*innen beziehungsweise Wissenschaftler*innen Kontakt aufzunehmen, um die Inhalte korrekt aufarbeiten zu können.

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Fake News

In der Alltagssprache wird der Begriff „Fake News“ für alles verwendet, was dubios oder falsch erscheint. Im wissenschaftlichen Kontext sind gezielt lancierte Falschmeldungen gemeint, also ein Handeln aus Vorsatz. Um die Assoziation zu vermeiden, spricht man besser von Desinformation. Keineswegs sind sie eine Erfindung der Neuzeit, bloß kann heute jeder Mensch mit Internetzugang wahre und falsche Inhalte verbreiten. Viele Rezipient*innen sehen daher die Aufgabe des Journalismus darin, Nachrichten zu verbreiten, die der Wahrheit entsprechen, konstatierte Tanjev Schultz („Frankfurter Hefte., Identität vs. Identitätspolitik, 2018“). Dennoch benötigen Rezipient*innen Hilfe beim Einordnen jener Informationsflut. Guter Journalismus müsse bei dieser Einordnung unterstützen und Meinungen von unterschiedlichen Quellen sowie Expert*innen wiedergeben.

Mediale Gerüchteküchen: Nutzen und Gefahren

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