SUMO #38

Page 76

Journalismus: Ein Beruf, viele Legenden Ein bekanntes Zitat sagt, man solle für sich selbst einen Beruf wählen, den man liebt. Denn dann brauche man keinen Tag in seinem Leben mehr zu arbeiten. Wer im Journalismus tätig ist, für den scheint der Beruf ohnehin mehr zu sein, als „nur“ eine Arbeit – so ist jedenfalls der Eindruck nach mehreren Interviews mit Journalist:innen. Einige haben ihre Branche besonders geprägt, oder tuen es heute noch. SUMO hat sich auf die Suche nach Journalist:innen-Legen-den gemacht – und große Persönlichkeiten gefunden. Wenn sich Heinz Nussbaumer an sein erstes Zusammentreffen mit Hugo Portisch erinnert, dann ist es eine Erinnerung an den „unendlich Großen“. „Aus dem Versuch ihn nachzuahmen, haben wir uns angezogen wie er, mit denselben hellblauen Hemden und einem Trenchcoat. Wir wollten alle Portisch sein“, sagt er. Nussbaumer ist selbst Journalist, der im April 2021 verstorbene Hugo Portisch war sein Wegbegleiter. Dass der Name Portisch nicht fehlen darf, wenn es um Journalist:innen-Legenden geht, scheint außer Frage zu stehen. Für Heinz Nuss-baumer war Hugo Portisch schon zu Lebzeiten eine Legende: „Als ich noch Student war, ha-ben Freunde von mir meine Beiträge aus einer Salzburger Zeitung immer wieder an Hugo Portisch geschickt“, erzählt Nussbaumer. Eines Tages folgte die Einladung, schließlich kam er als 23-Jähriger zur Außenpolitik bei der Tageszeitung Kurier. Portisch wurde sein Vorge-setzter – und Lehrer: „Er hat mich in die Welt hinausgeschickt.“

Die drei Ratschläge des Hugo Portisch

© Copyright: adobe stock / VectorMine

Journalist zu sein, sei Portischs Lebens- und Berufswunsch gewesen, habe ihm eine Freiheit wie kein anderer Beruf gegeben, sagt Nussbaumer. Welches Verständnis des Berufes Portisch hatte, verdeutlicht ein Zitat von ihm: „Ein Privileg, als Chronist mitzuerleben, wenn der erste Rohentwurf der Zeitgeschichte geschrieben wurde.“ Dazu komme Ernsthaftigkeit, ein hoher ethischer Anspruch, positive Neugierde und Unbestechlichkeit, erinnert sich Heinz Nussbaumer: „Er war frei von Besserwisserei und Vorurteilen, war enorm tolerant.“ Was Por-tischs Arbeit geprägt habe, sei auch die Ansicht gewesen, dass man die Zukunft nur bewälti-gen könne, wenn man die Vergangenheit verstehe: „Das war der Kern seiner ORF-Dokumen-tationsserien.“ Dazu kamen freilich die persönlichen Erfahrungen aus dem Aufwachsen wäh-rend des Zweiten Weltkrieges, in der Nachkriegszeit und das Miterleben des Wiederaufbaus Österreichs. Aber:

76

„Er war eine stille Autorität hinter den Kulissen. Ich glaube, bis heute könnte niemand sagen, welcher Parteigänger er war.“ Hugo Portisch habe seinen Kolleg:innen gerne drei Ratschläge mit auf den Weg gegeben. „Sage nie jemandem ungefragt, welchen Beruf du hast – so angesehen ist er nicht. Wer immer dich hofiert, merke dir: Er meint nie dich, er meint immer nur das Medium. Vergiss nie, Journalismus ist immer nur geborgte Macht“, sagt Nuss-baumer. Dass sich das Berufsbild von Journalist:innen – und damit auch die Aufgaben – verändert haben, sei allerdings auch Hugo Portisch bewusst geworden: „Er hat zu mir gesagt: ‚Ich kann nicht über etwas reden, das für junge Journalisten irrelevant geworden ist.‘ Zeitungen werden anders gemacht, das ist nun einmal so.“

Wenn der Beruf zur Lebensgefahr wird Zugegeben: Die Suche nach Journalist:innen-Legenden ist keine einfache. Wer gehört unbe-dingt dazu? Welchen Namen darf man keinesfalls vergessen? Wie definiert man „Legenden“ überhaupt? Alleine im deutschsprachigen Raum wäre die Liste lang. Mit Blick auf Europa, die USA oder gar global noch um einiges länger. Darunter auch Journalist:innen, die für ihren Beruf das Leben lassen mussten. Der Slowake Ján Kuciak ist einer von ihnen. Er war Redak-teur der Nachrichtenplattform aktuality.sk und beschäftigte sich im Zuge dessen hauptsächlich mit Korruption in der slowakischen Politik und Wirtschaft. Nachdem Kuciak bereits mehrmals Drohungen erhalten hatte, wurde er gemeinsam mit seiner Verlobten Martina Kušnírová im Februar 2018 tatsächlich ermordet aufgefunden. Erst danach wurden weitere Recherchen Ku-ciaks veröffentlicht, in denen es um Verbindungen zwischen slowakischen Politikern zu orga-nisierter Kriminalität ging. Diese Berichte sorgten für große Bestürzung in der Bevölkerung – mit dem Ergebnis, dass Politiker bis hin zum damaligen Ministerpräsidenten Robert Fico zu-rückgetreten sind. Fast drei Jahre später wurde Miroslav Marcek für den Mord an den beiden zu

25 Jahren Haft verurteilt. Seit dem Bekanntwerden des Todes von Ján Kuciak stand die Vermutung eines Auftragsmordes im Raum. Im Film „Die Unbestechlichen“ aus dem Jahr 1976 geht es um zwei Journalisten, die ebenfalls einen Legendenstatus erreicht haben: Carl Bernstein und Bob Woodward. Ihre Recherchen führten zur Aufdeckung der „Watergate-Affäre“ und in der Folge zum Rücktritt von Richard Nixon, damals Präsident der USA. Bernstein wurde 1944 geboren und wuchs in Washington D. C. auf. Seine journalistische Laufbahn hat im Alter von 16 Jahren begonnen, mit 19 war er bereits Reporter. Woodward stammt aus Illinois und wurde 1943 geboren. In den 1960er Jah-ren hat er Geschichte und englische Literatur an der Yale University studiert. Nach einigen Jahren bei der US-Navy kam er Anfang der 1970er Jahre zur Washington Post. Bernstein und Woodward berichteten ab 1972 über den US-Wahlkampf – und über missbräuchliche Vor-gänge in der Amtszeit von Richard Nixon. Im Sommer 1974 erklärte er seinen Rücktritt. Für ihre investigativen Recherchen wurden Carl Bernstein und Bob Woodward gemeinsam mit der Washington Post mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet.

Anneliese Rohrer: Eine Legende als Vorbild Zurück nach Österreich. Weiter auf der Suche nach Journalist:innen-Legenden. Anneliese Rohrer – auch sie darf nicht fehlen. „Ich bin zu zwei Überzeugungen gelangt. Für den Beruf des Journalisten brauchen Sie unglaubliche Leidenschaft, sonst zahlt es sich nicht aus. Und Sie brauchen ein Motiv, warum Sie es machen. Das kann alles Mögliche sein: Bekanntheit, Ruhm, Leute kennenzulernen, Schreiben. Mein Motiv war immer zu verhindern, dass die Leute von der Politik hinters Licht geführt werden“, sagt sie. Das helfe auch, mit Kritik umzugehen. Oder mit Anfeindungen, die im Internet geäußert werden. „Am besten für die eigene psychi-sche Hygiene ist, man liest das gar nicht erst.


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook

Articles inside

Journalismus: Ein Beruf, viele Legenden

8min
pages 76-77

Die Zukunft der Lokalmedien ist anspruchsvoller als ihre Vergangenheit.“

7min
pages 66-69

Mediale Gerüchteküchen Nutzen und Gefahren

9min
pages 73-75

Community Management: How to?

4min
pages 70-72

Trafikant*innen: Die analogen Influencer*innen unserer Zeit

7min
pages 63-65

TV-Nachrichten – das härteste Geschäft?

5min
pages 58-59

Terrorismus – Gefahren für Medienschaffende und Berichterstattung

5min
pages 56-57

Zwischen Handysucht und moderner Bildung (digitale) Medien im Unterricht

4min
pages 50-51

Filmlizenzen: Ein Handel zwischen traditioneller Bedeutung und neuer Marktkomplexität

10min
pages 52-55

Behindertensport im medialen Rampenlicht

4min
pages 32-33

Gratiszeitungen – grenzen- und kostenlos in einer Wegwerfgesellschaft

6min
pages 30-31

20 Jahre Medienmanagement Alumni Success Stories

25min
pages 38-45

Medienskandale im Wandel der Zeit Geht Qualitätsjournalismus verloren?

9min
pages 46-49

Das Lizenz-Roulette Sportübertragungsrechte im Geldrausch

7min
pages 34-37

Cyber-)Mobbing – Schreie, die niemand hört

4min
pages 28-29

Was das Virus mit dem freien Theater macht

7min
pages 26-27

Danke für Ihre Aufmerksamkeit Erfolgsgarant Klicks

4min
pages 24-25

Der Motor der Internet-Entwicklung ist X-rated

7min
pages 9-11

Geschichten die uns Bilder erzählen Visualisierungen in den Medien

13min
pages 5-8

Ein Leben im #technologischen Wandel

7min
pages 12-14

Ach, du bist Schriftsteller*in?“ Einblicke in einen Beruf im Wandel

7min
pages 21-23

Kinderfernsehen – Noch am Puls der Zeit?

9min
pages 18-20

Filmfestivals: „Das zu erleben, was wir Kino nennen“

8min
pages 15-17
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.