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Highsmith im Film

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Taiwan Cinema

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Schon in Patricia Highsmiths erstem Roman, der von Alfred Hitchcock verfilmt wurde, zeigt sich, dass Psychopathen und Neurotiker ihre Lieblingskinder waren. So auch Tom Ripley, ihre wohl bekannteste Figur, die es auf fünf Romane, fünf Filme und neun Morde brachte. Aus Anlass von Patricia Highsmiths hundertstem Geburtstag zeigen wir 17 der gelungensten Verfilmungen ihrer abgründigen Romane.

Nicht schlecht, dieser Karrierestart: Gleich der erste veröffentlichte Roman der 29-jährigen Patricia Highsmith, «Strangers on a Train» (1950), wurde 1951 von keinem Geringeren als Alfred Hitchcock verfilmt. Ihr zweiter Roman, «The Price of Salt», die wohl erste lesbische Liebesgeschichte mit einem Happy End, erschien 1952 unter dem Pseudonym Claire Morgan und verkaufte sich im Taschenbuch fast eine Million Mal. Glücklich machte dies die am 19. Januar 1921 in Fort Worth, Texas, Geborene aber nicht. Zu früh hatte sie erfahren, dass nichts von Dauer ist und man sich auf niemanden verlassen kann: Ihre Eltern liessen sich fünf Monate vor Patricias Geburt scheiden. Das Kind wuchs bei der Grossmutter mütterlicherseits auf, spielte mit schwarzen Kindern aus den Häuschen, die die Grossmutter vermietete, und wurde dafür von ebendieser zusammengestaucht. Die Mutter heiratete dann den Grafiker Stanley Highsmith; 1927 zogen sie mit der kleinen «Patsy» nach New York, doch bereits zwei Jahre später ging es zurück nach Fort Worth. Bald entdeckte die Neunjährige ein Buch, das sie fürs Leben prägen sollte: «The Human Mind» von Karl Menninger. Es waren Fallstudien von Kleptomanen, Pyromanen, Massenmördern, die äusserlich normal wirkten, woraus die Frühreife schloss, dass es auch um sie herum solche gestörten Menschen geben müsse.

Die Macht des Wortes Was die Macht des Wortes bewirken konnte, erfuhr die schüchterne Patricia, als sie vor der versammelten Klasse auswendig einen Text darüber vortragen musste, was sie in den Ferien erlebt hatte, nämlich den Besuch in einer Höhle. «Plötzlich hörten alle zu, konnte ich sie unterhalten.» 1934 zog die Familie wieder nach New York, wo Patricia erste Gedichte und Geschichten in der Zeitschrift ihrer Highschool veröffentlichen konnte. Während ihres Studiums

Ich bin du: The Talented Mr. Ripley Wie du mir, so ich dir: Strangers on a Train Ich nicht, er auch: Le meurtrier

(Englisch, Latein, Griechisch und Zoologie) schrieb sie weiter; 1944 druckte «Harper’s Bazaar» ihren Text «The Heroine», der danach sogar in eine Anthologie der besten Kurzgeschichten aufgenommen wurde. Die ganze Zeit litt Patricia darunter, dass sie sich sexuell zu Frauen hingezogen fühlte, was ausgerechnet ihr Gewährsmann Menninger in derselben Kategorie klassifizierte wie Fetischismus, Pädophilie und Satanismus. Gleichzeitig verachtete sie die meisten Frauen und fühlte sich intellektuell viel wohler in Gesellschaft von Männern. Am 22. Dezember 1945 schrieb sie in ihrem abenteuerlichen Deutsch den Satz ins Tagebuch: «Denke an einen Roman, aus meiner Idee der zwei Seelenbrüder.» Deutsch war die Sprache der Vorfahren ihres Vaters Jay Plangman, und sie lernte sie seit der High School. Literarische Ideen bezeichnete sie mit dem deutschen Wort «Keime», und aus dem Seelenbrüder-Keim entstand im Lauf von vier Jahren «Strangers on a Train». (Solch kostbare Informationen bergen Paul Ingendaays exzellente Nachworte der Highsmith-Gesamtausgabe bei Diogenes.) Hitchcock liess die Filmrechte des Romans von einem Strohmann für 7500 Dollar kaufen, da er befürchtete, sein Name könnte die Forderungen von Highsmiths Literaturagentin hochtreiben. Raymond Chandler schrieb das Drehbuch, doch wie wenig er begriff, was die literarischen Qualitäten von Patricia Highsmith ausmachte, zeigt sein Satz in einem Brief vom September 1950: «In dem Buch gab es eine einzige Idee, das war alles.» Von Chandlers Ideen wiederum blieb kaum etwas übrig, Hitchcock liess das Skript komplett umschreiben. So ist Strangers on a Train (1951) weniger eine werkgetreue Highsmith-Verfilmung als ein typischer Hitchcock-Film, mit Kunststücken wie dem in den Gläsern einer heruntergefallenen Brille gespiegelten Mord und einem eher plumpen retardierenden Moment wie dem Tennismatch.

Die Welt durch die Augen der Figuren Doch lässt sich Highsmith überhaupt werkgetreu verfilmen? Nehmen wir ihren Roman «The Cry of the Owl» (1962). Darin ertappt eine junge Frau, die allein in einem abgelegenen Haus wohnt, einen Mann, der sie nachts beobachtet. Statt kreischend ins Haus zu laufen, was eine verständliche Reaktion wäre, beginnt sie ein Gespräch mit dem Spanner, in dessen Verlauf er ihr gesteht, einsam und deprimiert zu sein, sie hingegen wirke glücklich, und sie so zu sehen, habe ihm gutgetan. Da sie selbst nach dem Tod ihres kleinen Bruders depressiv geworden war, tut ihr der Mann leid, sie bittet ihn ins Haus, und die Dinge nehmen ihren Lauf: Wir erleben mit, wie die Figuren langsam, aber unaufhaltsam aus der Normalität in den Wahnsinn driften. In Le cri du hibou (1987) hält sich Claude Chabrol eng an die Vorlage, aber spätestens das Verhalten der Polizei wirkt in seinem Film unverständlich. Sehr viel freier verfährt der Engländer Jamie Thraves in The Cry of the Owl

(2009): Er lässt Nebenfiguren weg und macht die Exfrau des Protagonisten menschlicher. Und siehe da, wir verstehen die Figuren besser. Das Grundproblem jeder Literaturverfilmung, dass wir nur sehen und hören, was die Figuren tun, nicht aber wissen, was in ihnen vorgeht, verschärft sich in Highsmiths Fall: Denn ihre Figuren verhalten sich von aussen gesehen oft völlig unlogisch, wir Leserinnen und Leser nehmen aber die Welt durch ihre Augen wahr und bekommen ihre sonderbaren Gedanken mit. Von der Lektüre der besten Highsmith-Romane wird man gleichsam infiziert, man fühlt sich krank, oder wie wenn man vergiftet worden wäre. Quasi verkatert, schwört man sich nach der Highsmith-Lektüre: «Nie wieder», aber diese Bücher machen eben auch süchtig, und so erliegt man immer wieder ihrem bittersüssen Gift. Patricia Highsmith interessierte sich mehr für Malerei und Musik als für das Kino und fand selbst, als Jurypräsidentin der Berlinale 1978 habe sie ihre Arbeit nicht gut gemacht. Doch was hielt sie von den Verfilmungen ihrer Bücher? Über Strangers on a Train sagte sie 1988 im Interview mit «Sight & Sound», er sei «ganz unterhaltsam», und von Robert Walker, der den Psychopathen Bruno spielte, war sie so begeistert, dass sie meinte, er wäre wohl der beste Ripley-Darsteller gewesen, wenn er nicht schon 1951 gestorben wäre. Alain Delon in Plein soleil (1959) gefiel ihr gut, Dennis Hopper mit Cowboyhut in Der amerikanische Freund (1977) dagegen hatte «nichts mit der Figur zu tun, die ich mir ausgedacht hatte». Von Diteslui que je l’aime (1977) nach «This Sweet Sickness» war sie «nicht begeistert», dagegen mochte sie Franz Peter Wirths TV-Zweiteiler Tiefe Wasser, und Le meurtrier (1962) nach «The Blunderer» fand sie «jolly good», Ediths Tagebuch (1983) wiederum «furchtbar», was sie erstaunte, da sie Die gläserne Zelle (1977), ebenfalls von Hans W. Geissendörfer, als «anständig» und «einfühlsam» empfunden hatte. Es ist ein Jammer, dass sie die beste Ripley-Verfilmung, Anthony Minghellas The Talented Mr. Ripley (1999), so wenig gesehen hat wie Todd Haynes’ wunderbare Carol (2015) nach dem Roman «The Price of Salt», der 1984 endlich unter dem wahren Namen der Autorin erschienen war. Am 4. Februar 1995 starb die Wahleuropäerin Patricia Highsmith in Locarno. Minghella oder Haynes hätte sie aber auch zu Lebzeiten nicht kennenlernen wollen. «Ich will den Regisseuren, die meine Bücher verfilmen, nicht zu nahekommen», erklärte sie 1988: «Ich will ihnen nicht ins Handwerk pfuschen. Und ich will nicht, dass sie mir ins Handwerk pfuschen.»

Thomas Bodmer

Thomas Bodmer war von 1978 bis 1983 Lektor von Patrica Highsmith und arbeitet heute als Übersetzer und Journalist.

> Eaux profondes.

> Ediths Tagebuch. > Der amerikanische Freund.

> Die gläserne Zelle.

STRANGERS ON A TRAIN

USA 1951

Während einer Zugfahrt wird der Tennisstar Guy Haines von einem Fremden namens Bruno angesprochen, der ihm ein merkwürdiges Geschäft vorschlägt: Er würde die scheidungsunwillige Frau des Sportlers umbringen, der Champion soll dafür Brunos verhassten Vater töten.

«In gewissem Sinn spielt auch hier Hitchcocks Lieblingsthema, der Identitätsverlust, eine Rolle. Guy Haines sieht sich plötzlich einem Mann gegenüber, der unbeirrbar behauptet, er habe mit ihm einen furchtbaren Vertrag abgeschlossen, und der jetzt auf Vertragserfüllung drängt. Die Regie zieht daraus eine intensive Spannung.» (Reclams Filmführer, 1985)

101 Min / sw / Digital HD / E/d // REGIE Alfred Hitchcock // DREHBUCH Raymond Chandler, Czenzi Ormonde, Whitfield Cook, nach dem Roman von Patricia Highsmith // KAMERA Robert Burks // MUSIK Dimitri Tiomkin // SCHNITT William Ziegler // MIT Farley Granger (Guy Haines), Robert Walker (Bruno Anthony), Ruth Roman (Anne Morton), Leo G. Carroll (Senator Morton), Patricia Hitchcock (Barbara Morton), Laura Elliott (Miriam), Marion Lorne (Mrs. Anthony).

PLEIN SOLEIL

Frankreich/Italien 1959

«Alain Delon verströmt eisigen Charme als Ripley, den ein amerikanischer Industrieller als Mittelsmann zu seinem Sohn geschickt hat, um diesen vor der Dekadenz des Jachtlebens zu bewahren. Delon allerdings hat seine eigenen (Mord-)Pläne – den Kerl umlegen, die Beute einsacken und sein Mädchen schnappen. (...) Auch abgesehen von Delons entschlossener Kälte gibt es viel zu geniessen: Erzählkunst nach alter Schule, wunderbare Kameraarbeit und eine verblüffend altmodische Musik von Nino Rota.» (Trevor Johnston, Time Out Film Guide)

117 Min / Farbe / Digital HD / F/d // REGIE René Clément // DREHBUCH René Clément, Paul Gégauff, nach dem Roman «The Talented Mr. Ripley» von Patricia Highsmith // KAMERA Henri Decaë // MUSIK Nino Rota // SCHNITT Françoise Javet // MIT Alain Delon (Tom Ripley), Maurice Ronet (Philippe Greenleaf), Marie Laforêt (Marge), Erno Crisa (Inspecteur Riccordi), Frank Latimore (O’Brien).

LE MEURTRIER

Frankreich/BRD/Italien 1962

«Wie immer lotet Highsmith das unbestimmte Niemandsland aus, das die Normalität von der Abweichung trennt. Drei Figuren hat Ms. Highsmith dabei in den Scanner geschoben: den ehrenwerten Buchhändler Kimmel, in dem ein brutaler Mörder steckt (...), den respektablen Architekten Saccard, der – anders als die meisten Menschen – seine Mordgier nicht mehr unterdrücken kann (...), und den Inspektor, ein rechtschaffener Polizeimann, der seinen Beruf dazu missbraucht, seine sadistischen Instinkte abzureagieren. Keiner kommt aus dieser Konfrontation heil heraus.» (Guy Bellinger, in: Jean Tulard, Guide des films)

110 Min / sw / 35 mm / F // REGIE Claude Autant-Lara // DREHBUCH Jean Aurenche, Pierre Bost, nach dem Roman «The Blunderer» von Patricia Highsmith // KAMERA Jacques Natteau // MUSIK René Cloërec // SCHNITT Madeleine Gug // MIT Gert Fröbe (Kimmel), Maurice Ronet (Walter Saccard), Robert Hossein (Inspektor Corbi), Yvonne Furneaux (Clara), Marina Vlady (Ellie), Paulette Dubost (Mme Kimmel).

DER AMERIKANISCHE FREUND

BRD/Frankreich 1977

Tom Ripley verwickelt den unschuldigen Rahmenmacher Jonathan in seine kriminellen Tätigkeiten und macht ihn zum Mörder.

«Das Kino der Dreissigjährigen, lakonischer Pessimismus, ziellose Fluchtbewegungen durch kaputte Gegenden, quälende Identitätskrisen, die Angst vor Frauen, der Mythos der Männerfreundschaft, hier vollendet von Dennis Hopper (Ripley) und Bruno Ganz (Jonathan), die sich mit unsicherer Zärtlichkeit begegnen, die aus der Kollision zweier Darstellungsstile – Hopper ganz lässig, spontan, Ganz sehr diszipliniert, zurückhaltend – eine Dimension weiterer Verstörung gewinnen: ‹A little older, a little more confused›.» (Hans C. Blumenberg, Die Zeit, 1.7.1977)

126 Min / Farbe / DCP / D+E/d / // REGIE Wim Wenders // DREHBUCH Wim Wenders, nach dem Roman «Ripley’s Game» von Patricia Highsmith // KAMERA Robby Müller // MUSIK Jürgen Knieper // SCHNITT Peter Przygodda // MIT Bruno Ganz (Jonathan Zimmermann), Dennis Hopper (Tom Ripley), Lisa Kreuzer (Marianne Zimmermann), Gérard Blain (Raoul Minot), Nicholas Ray (Derwatt), Lou Castel (Rodolphe).

DIE GLÄSERNE ZELLE

BRD 1977

Nach fünf Jahren Haft für ein Verbrechen, das ein anderer begangen hat, versucht der Architekt Braun wieder in sein altes Leben zurückzufinden. «Es geht nicht um die moralische Rechtfertigung von Verbrechen. Aber Geissendörfer zeigt in seinem Film, was einen Menschen dazu bringen kann, einen anderen zu töten, und wie sich ein in-

> Le cri du hibou.

> Ripley Under Ground. > Ripley's Game.

> The Cry of the Owl.

© Stephan Burchardt

nerer Druck allmählich entwickelt, der mit der Anwendung physischer Gewalt endet.» (HansGünther Pflaum, film-dienst, 11.4.1978)

93 Min / Farbe / 35 mm / D // REGIE Hans W. Geissendörfer // DREHBUCH Hans W. Geissendörfer, Klaus Bädekerl, nach dem Roman «The Glass Cell» von Patricia Highsmith // KAMERA Robby Müller // MUSIK Niels Janette Walen // SCHNITT Peter Przygodda // MIT Helmut Griem (Phillip Braun), Brigitte Fossey (Lisa Braun), Walter Kohut (Lasky), Dieter Laser (David Reinelt), Bernhard Wicki (Kommissar Österreicher).

DITES-LUI QUE JE L’AIME

Frankreich 1977

David liebt von ferne seine ehemalige Freundin Lise. Sie ist verheiratet, aber David kümmert das nicht. Seinerseits will er nicht wahrhaben, dass seine Kollegin Juliette in ihn verknallt ist. Der süsse Wahn der beiden unerhört Liebenden spitzt sich fatal zu.

«Highsmith-Verfilmungen gibt es viele, aber wenige sind so gut, so subtil, so filmisch inspiriert umgesetzt wie diese.» (Corinne Schelbert, TagesAnzeiger, 17.10.1980)

101 Min / Farbe / 35 mm / F // REGIE Claude Miller // DREHBUCH Claude Miller, Luc Béraud, nach dem Roman «This Sweet Sickness» von Patricia Highsmith // KAMERA Pierre Lhomme // MUSIK Alain Jomy // SCHNITT Jean-Bernard Bonis // MIT Gérard Depardieu (David Martinaud), Miou-Miou (Juliette), Claude Piéplu (Monsieur Chouin), Jacques Denis (Gérard Dutilleux), Dominique Laffin (Lise Dutilleux). EDITHS TAGEBUCH

BRD 1983

Edith und Paul haben ihren Sohn Chris antiautoritär erzogen, aber nun macht er ihnen das Leben schwer. Als Paul sie verlässt, muss sich Edith um Chris und um Pauls Onkel kümmern. Ihre Realität wird unerträglich; in ihrem Tagebuch schafft sie sich eine neue Welt. Doch irgendwann kriegt sie das im Kopf nicht mehr zusammen.

«Ediths Tagebuch erzählt zum einen die Geschichte einer feinfühligen Frau, die an der Härte ihres trostlosen Lebens zerbricht, zum anderen spiegelt er beinahe erschreckend realistisch Dimensionen der erwachsenen und mittlerweile etablierten 68er-Vertreter, die sich ein Jahrzehnt später mit ihren eigenen rebellischen Kindern sowie mit der Hilfsbedürftigkeit der alternden Elterngeneration auseinandersetzen müssen.» (Marie Anderson, kino-zeit.de)

102 Min / Farbe / 35 mm / D // REGIE Hans W. Geissendörfer // DREHBUCH Hans W. Geissendörfer, nach dem Roman «Edith’s Diary» von Patricia Highsmith // KAMERA Michael Ballhaus // MUSIK Jürgen Knieper // SCHNITT Helga Borsche // MIT Angela Winkler (Edith Baumeister), Vadim Glowna (Paul Baumeister), Leopold von Verschuer (Chris Baumeister), Hans Madin (Onkel Georg), Irm Hermann (Sabina Angerwolf), Wolfgang Condrus (Bernd Angerwolf).

EAUX PROFONDES

Frankreich 1981

Der reife, wohlhabende Victor sieht zu, wie seine jüngere Frau Mélanie mit strammen Burschen tanzt und tändelt. Offenbar ist er nicht eifersüchtig, aber er behauptet, dass er den Tod eines ihrer ehemaligen Liebhaber verursacht habe. Als ein weiterer Verehrer Mélanies unter fragwürdigen Umständen ertrinkt, halten auch andere Victor für einen Mörder.

Jean-Louis Trintignant als Schachspieler und Schneckenfreund gegen Isabelle Huppert als fleischgewordene Versuchung, deren puppenhaftes Äusseres trügt. Der Schluss ist im Film für einmal weniger konventionell als im Roman – aber durchaus Highsmith-mässig. (mb)

94 Min / Farbe / DCP / F // REGIE Michel Deville // DREHBUCH Christopher Franck, Florence Delay, Michel Deville, nach dem Roman «Deep Water» von Patricia Highsmith // KAMERA Claude Lecomte // SCHNITT Raymonde Guyot // MIT Isabelle Huppert (Mélanie), Jean-Louis Trintignant (Vic Allen), Sandrine Kliajic (Marion), Éric Frey (Denis Miller), Christian Benedetti (Carlo Canelli), Bruce Myers (Cameron), Bertrand Bonvoisin (Robert Carpentier).

LE CRI DU HIBOU

Italien/Frankreich 1987

Robert, in Scheidung von seiner aggressiven Frau, zieht aufs Land und findet Trost beim Beobachten der jungen Juliette, die für ihn häusliches Glück verkörpert. Als sie Robert bemerkt, lädt sie ihn in ihr Haus ein, und bald ist sie in den Sonderling verliebt, zuungunsten ihres Freunds. Dieser gilt bald als vermisst. Hat Robert ihn getötet?

«Chabrol widmet sich in seiner eisig-ironischen Verfilmung von Highsmiths Krimi dem ausserstädtischen Existenzialismus. Vom mittleren Westen der USA nach Vichy verlegt, meditiert dieser kopflastig inszenierte, knochentrockene Thriller à la Blue Velvet über das Malaise hinter der Fassade scheinbar gesunden Bürgertums.» (Rita Kempley, Washington Post, 13.6.1992)

102 Min / Farbe / 35 mm / F/d // REGIE Claude Chabrol // DREHBUCH Odile Barski, Claude Chabrol, nach dem Roman «The Cry of the Owl» von Patricia Highsmith // KAMERA Jean

Rabier // MUSIK Matthieu Chabrol // SCHNITT Monique Fardoulis // MIT Christophe Malavoy (Robert), Mathilda May (Juliette), Jacques Penot (Patrick), Jean-Pierre Kalfon (Kommissar), Virginie Thévenet (Véronique), Patrice Kerbrat (Marcello), Jean-Claude Lekas (Jacques).

THE TALENTED MR. RIPLEY

USA 1999

Ein junger mittelloser Amerikaner wird von einem Millionär beauftragt, dessen müssiggängerischen Sohn aus Italien heimzuholen. Doch die Welt von Reichtum und Schönheit entwickelt eine solche Faszination, dass Ripley seinen Auftrag verrät und bald der Obsession verfällt, für immer am süssen Leben teilzuhaben.

«Diese Szenen jugendlicher Selbstvergessenheit könnten kaum besser geschrieben oder gespielt sein. Die fliessende Unbekümmertheit des Lebensstils, das gleichzeitige Gefühl von Entdeckungsfreude und Verschwendung, das Wahrnehmen der eigenen Schönheit und höchste sexuelle Verlockung, die Ahnung, dass der schöne Augenblick nicht verweilen wird – das und viel mehr ist im neckischen Geplänkel präsent, und unter den hervorragenden Darstellerinnen und Darstellern stimmt die Chemie.» (Todd McCarthy, Variety, 13.12.1999)

139 Min / Farbe / 35 mm / E/d/f // REGIE Anthony Minghella // DREHBUCH Anthony Minghella, nach dem Roman von Patricia Highsmith // KAMERA John Seale // MUSIK Gabriel Yared // SCHNITT Walter Murch // MIT Matt Damon (Tom Ripley), Gwyneth Paltrow (Marge Sherwood), Jude Law (Dickie Greenleaf), Cate Blanchett (Meredith Logue), Philip Seymour Hoffman (Freddie Miles).

RIPLEY’S GAME

GB/Italien/USA 2002

Tom Ripleys Ex-Komplize Reeves spürt ihn in Italien auf und will, dass Ripley für ihn einen unliebsamen Konkurrenten beseitigt. Ripley heuert dafür einen Strohmann an, den krebskranken Rahmenmacher Trevanny. Dieser geht auf das Spiel ein, um seiner Familie Geld zu hinterlassen.

«John Malkovichs philosophischer Ripley kommt Highsmiths Figur am nächsten, in der Art, wie er seine Taten objektiviert. (…) Es ist eine von Malkovichs brillantesten und hinterhältigsten Darbietungen: eine Studie des Bösen, die an die feine Grenze zwischen Herzlosigkeit und dem leisesten Schimmer von Gefühl rührt.» (Roger Ebert, rogerebert.com, 9.4.2006)

106 Min / Farbe / Digital SD / E+D+I/d // REGIE Liliana Cavani // DREHBUCH Charles McKeown, Liliana Cavani, nach dem Roman von Patricia Highsmith // KAMERA Alfio Contini // MUSIK Ennio Morricone // SCHNITT Jon Harris // MIT John Malkovich (Tom Ripley), Ray Winstone (Reeves), Dougray Scott (Jonathan Trevanny), Chiara Caselli (Luisa Harari), Lena Headey (Sarah Trevanny), Hanns Zischler (Kunsthändler).

RIPLEY UNDER GROUND

Deutschland/Frankreich/GB/Isle of Man 2005

Tom Ripley hat sich mit dem Maler Derwatt angefreundet. Als Derwatt seiner Freundin Cynthia einen Antrag macht und sie ihn abweist, stürmt der Künstler davon und stirbt bei einem Autounfall. Ripley, Cynthia, der Maler Bernard und der Galerist Jeff beschliessen, Derwatts Tod zu verheimlichen, bis seine Gemälde an Wert gewonnen haben. Doch ein Kunsthändler riecht den Braten.

«Ein Film, der sich als kriminelles Vexierspiel nicht allzu zwanghaft ernst nimmt, sondern die Versatzstücke des Genres zu einem lockeren Spass verwebt, sein Tempo zum Ende hin immer wieder zu steigern versteht und mit etlichen bizarren Regieeinfällen aufwarten kann.» (Hans Messias, film-dienst.de)

96 Min / Farbe / Digital SD / E+F // REGIE Roger Spottiswoode // DREHBUCH William Blake Herron, Donald E. Westlake, nach dem Roman von Patricia Highsmith // KAMERA Paul Sarossy // MUSIK Jeff Danna // SCHNITT Michel Arcand // MIT Barry Pepper (Tom Ripley), Jacinda Barrett (Héloise Plisson), Ian Hart (Bernard Sayles), Claire Forlani (Cynthia), Alan Cumming (Jeff Constant), Tom Wilkinson (John Webster), Willem Dafoe (Neil Murchinson), Douglas Henshall (Derwatt).

THE CRY OF THE OWL

Kanada/D/F/GB/USA 2009

«The Cry of the Owl beginnt als ungewöhnliche Liebesgeschichte zwischen einem Stalker und seiner Gestalkten. Dann kommt ein wenig Krimi, bevor der Film in ein intensives Psychogramm umsteuert, bei dem weder der Zuschauer noch die Figuren selbst mehr wissen, wer nun gut und wer böse, wer bei Sinnen und wer wahnsinnig ist. (…) Im Gegensatz zu den meisten Patricia-Highsmith-Verfilmungen reduziert Jamie Thraves den Plot nicht auf seine Krimi-Elemente, sondern erzählt den zugrundeliegenden Roman mit all seinen unterschiedlichen Genreanklängen voll aus.» (Christoph Petersen, filmstarts.de)

100 Min / Farbe / Digital HD / E/d // REGIE Jamie Thraves // DREHBUCH Jamie Thraves, nach dem Roman von Patricia Highsmith // KAMERA Luc Montpellier // MUSIK Jeff Danna // SCHNITT David Charap // MIT Paddy Considine (Robert Forrester), Julia Stiles (Jenny Thierolf), James Gilbert (Greg Wyncoop), Caroline Dhavernas (Nickie Grace).

THE TWO FACES OF JANUARY

GB/Frankreich/USA 2014

Chester und Colette MacFarland, ein elegantes amerikanisches Paar, lernen 1962 in Griechenland den jungen Fremdenführer Rydal kennen. Rydal, ebenfalls Amerikaner, ist von Chesters Stil und Klasse fasziniert und weiss nicht, dass dieser ein Schwindler auf der Flucht vor dem Gesetz ist. Als Chester versehentlich einen seiner Verfolger umbringt, spannt er den nichts ahnenden Rydal bei der Beseitigung der Leiche ein. Aber Rydal ist nicht einfach ein williger Helfershelfer.

Drehbuchautor Hossein Amini inszeniert sein Regiedebüt in klassischem Hollywood-Stil als Katz-und-Maus-Spiel zwischen ungleichen, aber ebenbürtigen Gegnern. Dabei kann er sich auf zwei hervorragende Darsteller verlassen: Viggo Mortensen und Oscar Isaac. Kirsten Dunst spielt die Blondine zwischen den Fronten. (mb)

96 Min / Farbe / Digital HD / E+Gr+Türk/d // REGIE Hossein Amini // DREHBUCH Hossein Amini, nach dem Roman von Patricia Highsmith // KAMERA Marcel Zyskind // MUSIK Alberto Iglesias, Jon Harris // SCHNITT Nicolas Chaudeurge // MIT Oscar Isaac (Rydal), Viggo Mortensen (Chester), Kirsten Dunst (Colette), Daisy Bevan (Lauren), David Warshofsky (Paul Vittorio), Omiros Poulakis (Nikos).

CAROL

GB/USA 2015

New York in den 50er-Jahren: Die junge Fotografin Therese arbeitet in der Spielzeugabteilung eines Kaufhauses, wo sie die elegante Carol kennenlernt. Therese zweifelt an der Beziehung zu ihrem Freund, Carol steht wegen ihres «unmoralischen» Lebensstils kurz vor der Scheidung: Sie hatte eine Affäre mit einer Frau, und ihr Mann beansprucht das alleinige Sorgerecht für die kleine Tochter.

«Was dieser Literaturverfilmung nach Patricia Highsmith ihre Anmut verleiht, ist ihre erlesene Form: ihr dichtes Spiel aus Licht und Schatten, das musikalische Sentiment, eine Ästhetik des Taktilen – einer Körperlichkeit, die auf Gesten, Blicken und Andeutungen gründet und bis zuletzt eine zauberhafte Spannung aufrechterhält.» (Björn Hayer, NZZ, 9.12.2015)

118 Min / Farbe / DCP / E/d // REGIE Todd Haynes // DREHBUCH Phyllis Nagy, nach dem Roman «The Price of Salt» von Patricia Highsmith // KAMERA Edward Lachman // MUSIK Carter Burwell // SCHNITT Affonso Gonçalves // MIT Cate Blanchett (Carol Aird), Rooney Mara (Therese Belivet), Kyle Chandler (Harge Aird), Sarah Paulson (Abby Gerhard), Jake Lacy (Richard Semco), John Magaro (Dannie McElroy).

A KIND OF MURDER

USA 2016

Die Ehe des erfolgreichen Architekten Walter Stackhouse mit der depressiven Clara steht vor dem Aus. Er beginnt eine Affäre mit der Nachtclubsängerin Ellie und überlegt, wie er seine Frau loswerden könnte. Als Hobby-Krimiautor interessiert sich Walter für den Fall der jüngst ermordeten Helen Kimmel und spürt deren Mann Marty nach, den er für den Täter hält. Als dann Clara tot aufgefunden wird, gerät Walter unter Verdacht.

Das Finale erweitert den typischen Fatalismus des Film noir, indem es impliziert, dass das Verderben nicht nur jene heimsucht, die ihr Schicksal ändern wollen, sondern selbst diejenigen, die achtlos genug sind, dies auch nur zu erwägen.» (Nick Schager, Variety, 22.4.2016)

95 Min / Farbe / Digital HD / E/d // REGIE Andy Goddard // DREHBUCH Susan Boyd, nach dem Roman «The Blunderer» von Patricia Highsmith // KAMERA Chris Seager // MUSIK Danny Bensi, Saunder Jurriaans // SCHNITT Jane Rizzo, Elísabet Ronaldsdóttir // MIT Patrick Wilson (Walter Stackhouse), Jessica Biel (Clara Stackhouse), Haley Bennett (Ellie Briess), Eddie Marsan (Marty Kimmel), Vincent Kartheiser (Det. Laurence Corby), Jon Osbeck (Jon Carr).

REFERAT «HIGHSMITH IM FILM»

MI, 21. JULI | 18.00 UHR

Das Kino lebt von der Dramatisierung; das Innenleben komplexer Figuren darzustellen, fällt ihm schwer. Das gilt auch für die Adaption der Thriller und Psychodramen von Patricia Highsmith. Über die Autorin und die Verfilmung ihrer Werke referiert Thomas Bodmer, Filmjournalist und Highsmiths ehemaliger Lektor. (ca. 30‘) Danach zeigen wir Annabel (USA 1962, Regie: Paul Henreid; E, 48‘), eine TV-Adaption von Highsmiths Roman «This Sweet Sickness» aus der Reihe The Alfred Hitchcock Hour. (mb)

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