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The Story of Film
Der nordirische Dokumentarfilmer und Autor Mark Cousins beschäftigt sich seit dreissig Jahren mit den unterschiedlichsten Aspekten des Kinos. In The Story of Film: An Odyssey (2011) erzählt er in 17 einstündigen Episoden die Filmgeschichte nach, den Kern bilden dabei kommentierte Filmausschnitte und Interviews mit verschiedenen Filmgrössen und Schauspielern.
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Mit seinen präzisen Beobachtungen und umfangreichen Analysen schafft es Cousins, unseren Blick auf die 125-jährige Filmgeschichte zu schärfen. In den ersten drei Episoden machte er sich auf zu den diversen Geburtsorten des Films und brachte uns zum Staunen darüber, wie rasch und vielfältig sich die neue Kunstform entwickelte – nur um jäh mit dem Schock, den der Schritt zum Tonfilm darstellte, zu enden. Doch die Entdeckungsreise dieser «Sprache der Ideen» geht weiter, sie steht nach wie vor erst am Anfang. Zu jeder (unabhängig funktionierenden) Episode zeigen wir jeweils eine Auswahl der vorgestellten Filme. In diesem Sommerprogramm folgen nun die Episoden 4–6 der Serie über die ersten drei Jahrzehnte des internationalen Tonfilms.
THE STORY OF FILM: AN ODYSSEY. EPISODE 4 – THE ARRIVAL OF SOUND
GB 2011
Die 30er-Jahre: Diese Episode zeigt, wie die Einführung des Tons alles auf den Kopf stellte und neue Filmtypen schuf: Screwball-Komödien, Gangsterfilme, Horrorfilme, Western und Musicals.
GB 2011
Die 40er-Jahre: In dieser Folge geht es darum, wie die Filmsprache durch den Zweiten Weltkrieg mutiger wurde. Cousins beginnt in Italien und lenkt dann seinen Fokus nach Hollywood zu Orson Welles und zum Film noir. THE STORY OF FILM: AN ODYSSEY. EPISODE 6 – SEX & MELODRAMA
GB 2011
Die 50er-Jahre: Diese Folge dreht sich um die Geschichte von Sex und Melodrama, von James Dean und Hollywood bis zu ägyptischen, indischen, chinesischen und mexikanischen Filmen.
je 60 Min / Farbe + sw / Digital SD / E/d // DREHBUCH, REGIE, KAMERA Mark Cousins // SCHNITT Timo Langer.
Die Episoden 4–6 von The Story of Film werden sowohl einzeln als auch im Doppelpack gezeigt (siehe Programmübersicht oder www.filmpodium.ch)
LOVE ME TONIGHT
USA 1932
Maurice, ein lebenslustiger Schneider aus Paris, gerät ins Schloss des Herzogs d’Artelins, weil der dort weilende Graf de Varèze ihm noch Geld schuldet. Weil der nichtsnutzige Graf vor dem Herzog das Gesicht wahren will, gibt er den Schneider kurzerhand als Baron aus. Maurice ist sofort in die stolze Tochter des Grafen verliebt und auch sie fühlt sich zu ihm hingezogen. Als Maurice seine wahre Identität enthüllt, steht der Hof kopf.
Love Me Tonight gilt als eines der amüsantesten und fantasievollsten Musicals der frühen Tonfilmzeit, ein Meilenstein des Genres.
«Rouben Mamoulian inszenierte ein Musical, das so explosiv innovativ war, dass es die meisten zeitgenössischen Filme hoffnungslos veraltet aussehen liess. (...) In einer Szene schneidet Mamoulian innerhalb einer einzigen Aktion von Echtzeit zu Zeitlupe, eine damals sehr seltene Technik. Kleine Details wie diese machen viel Spass, aber ihr Einfallsreichtum wird in den Schatten gestellt durch Mamoulians grossen Coup: die Musik schon vor Drehbeginn aufnehmen zu lassen. (...) Das hatte es im Kino noch nie gegeben. Es erlaubte Mamoulian, Chevaliers Bewegungen während seines ersten Besuchs im Schloss zum Takt der Musik, die während der Aufnahmen gespielt wurde, zu choreografieren. Obwohl er geht, scheint Chevalier durch die riesigen Räume zu tanzen und zu flitzen. Der Regisseur wollte mit seiner neuen Herangehensweise an den Ton nicht nur visuellen Rhythmus und Anmut erzeugen, sondern auch bissige Satire. Er verlässt sich nicht allein auf das witzige Drehbuch, sondern fügt an einer Stelle das Kläffen von Hunden zu einer Aufnahme von alten Damen hinzu. Er verknüpft auch Stadt und Land, wenn der Schneider in Paris ‹Isn’t it Romantic?› singt und dies von einem Kunden, der sich auf den Weg aus der Stadt hinaus macht, aufgegriffen wird; der Song wird fortlaufend von anderen übernommen, bis schliesslich die Prinzessin ihn hört.» (Mark Cousins: The Story of Film, Pavilion 2020)
104 Min / sw / Digital HD / E // REGIE Rouben Mamoulian // DREHBUCH Samuel Hoffenstein, George Marion Jr., Waldemar Young, nach einem Theaterstück von Léopold Marchand, Paul Armont // KAMERA Victor Milner // MUSIK John Leipold, Richard Rodgers // SCHNITT Rouben Mamoulian, William Shea // MIT Maurice Chevalier (Maurice Courtelin), Jeanette MacDonald (Prinzessin Jeanette), Charles Ruggles (Graf Gilbert de Varèze), Charles Butterworth (Graf de Savignac), Myrna Loy (Gräfin Valentine), C. Aubrey Smith (Herzog d’Artelins), Robert Greig (Flammand, der Butler).
GOLD DIGGERS OF 1933
USA 1933
Vier Showgirls tun inmitten der Weltwirtschaftskrise alles, um wieder einen Job zu finden. Rettung naht in Form des aufstrebenden Songwriters Brad: Er unterstützt eine neue Show finanziell, bis seine aus dem Bostoner Geldadel stammende Familie hinter seine Beschäftigung kommt und seinen Kontakt mit der Musicalwelt und vor allem mit den Tänzerinnen zu verhindern sucht.
«Die angeborene Künstlichkeit des Filmmusicals bot Spielraum für die Ansprache des Publikums, und tatsächlich blickten die Darsteller am Ende einer Tanzroutine manchmal direkt in die Kamera. (...) Manche Musicals taten jedoch etwas noch Überraschenderes, indem sie Ideen von Richters abstrakten Filmen oder von Clairs surrealem Entr’acte übernahmen: In Mervyn LeRoys Gold Diggers of 1933, das von Busby Berkeley choreografiert wurde, gleicht die visuelle Gestaltung der Nummer ‹Shadow Waltz› einer Blume oder einer Artischocke. Tatsächlich handelt es sich um eine Gruppe von Geigenspielern, die von der Decke des Filmstudios aus direkt nach unten gefilmt wurde. (...) Die Kamera war bisher nur selten direkt über dem Geschehen platziert worden und nie mit solch abstrakter Wirkung. Der Innovator war Berkeley (...). Seine Inspiration: Zum einen war er als US-Soldat während des Ersten Weltkriegs in Frankreich beeindruckt von der Dramatik, Disziplin und Theatralik der militärischen Übungen und Marschformen; (...) zweitens nahm er jeden Morgen ein 30-minütiges heisses Bad, währenddessen er träumte. Die Ergebnisse seiner militärischen Erinnerungen, kombiniert mit dem Spintisieren im Bad, waren so unverwechselbar, dass die Filmindustrie sie ‹Berkeley top shots› nannte. Gold Diggers of 1933 war Hollywoods bestes Musical aus der Zeit der Weltwirtschaftskrise und eines der seltsamsten Kunstwerke der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts.» (Mark Cousins: The Story of Film)
97 Min / sw / 35 mm / E/f // REGIE Mervyn LeRoy // DREHBUCH Erwin Gelsey, James Seymour, David Boehm, Ben Markson, nach dem Theaterstück «Gold Diggers of Broadway» von Avery Hopwood // KAMERA Sol Polito // MUSIK Al Dubin, Harry Warren // SCHNITT George Amy // MIT Aline MacMahon (Trixie Lorraine), Joan Blondell (Carol King), Ruby Keeler (Polly Parker), Dick Powell (Brad Roberts), Warren William (J. Lawrence Bradford), Ginger Rogers (Fay Fortune), Guy Kibbee (Faneul H. Peabody), Ned Sparks (Barney Hopkins).
À PROPOS DE NICE
Frankreich 1930
Eine Stadtsinfonie voll visuellem Witz, in der Jean Vigo die sozialen Ungleichheiten untersucht und Bettler dem Müssiggang der High Society gegenüberstellt.
TARIS
Frankreich 1931
Taris, Jean Vigos einzige Auftragsproduktion, ist eine kurze Bewegungsstudie über den französischen Schwimmer Jean Taris.
ZÉRO DE CONDUITE
Frankreich 1933
Schulbeginn in einem Knabeninternat: Die Schüler kehren aus den Ferien zurück und mit ihnen die Kissenschlachten, die Pausen auf dem Schulhof, der langweilige Unterricht und der nicht enden wollende Streit mit den Lehrern. Eines Abends beschliessen die Schüler, sich von der Bevormundung zu befreien und treten eine Revolte los.
«Brillante, kreative Energie finden wir (...) in den Filmen des Parisers Jean Vigo. (...) Zéro de conduite beginnt mit einem Schülerstreich über das Verstecken von Murmeln und entwickelt sich zu einer Revolte im Geiste der Surrealisten, aber mit deutlich politischerer Absicht. Boris Kaufman, Dziga Vertovs Bruder, drehte die eindrucksvollsten Sequenzen – die Kissenschlacht im Schlafsaal und den Umzug der Jungs in Zeitlupe. Die mystischen und physischen Qualitäten der ersten Szene – es sieht aus, als würde es drinnen schneien – werden durch die musikalische Begleitung, die von Maurice Jaubert komponiert und rückwärts transkribiert wurde, noch verstärkt. Der Film wurde als politischer Angriff auf die französische Schule interpretiert und – aus diesem Grund sowie wegen seines allgemeinen Geistes der Rebellion – in Frankreich bis Mitte der 1940er-Jahre verboten. (...) Vigo war die talentierteste Figur des französischen Kinos jener Zeit.» (Mark Cousins: The Story of Film)
À PROPOS DE NICE
23 Min / sw / Digital HD / Stummfilm mit Musik // REGIE Jean Vigo, Boris Kaufman // DREHBUCH Jean Vigo // KAMERA Boris Kaufman // SCHNITT Jean Vigo, Boris Kaufman.
TARIS
10 Min / sw / Digital HD / F/e // REGIE Jean Vigo // DREHBUCH Jean Vigo // KAMERA Boris Kaufman, G. Lafont, Lucas Procédé // SCHNITT Jean Vigo // MIT Jean Taris (er selbst).
ZÉRO DE CONDUITE
44 Min / sw / DCP / F/d // REGIE Jean Vigo // DREHBUCH Jean Vigo // KAMERA Boris Kaufman // MUSIK Maurice Jaubert // SCHNITT Jean Vigo // MIT Jean Dasté (Huguet, der junge Lehrer), Robert Le Flon (Aufseher Perrain, «Pète-sec»), Du Verron (Hauptaufseher M. Santt, «Bec-de-gaz»), Louis Lefebvre (Caussat), Gilbert Pruchon (Colin), Coco Golstein (Bruel), Gérard de Bédarieux (Tabard), Delphin (Schuldirektor).
ROMA, CITTÀ APERTA
Italien 1945
Rom, 1944: Hunger und Angst beherrschen die Stadt, Razzien, Verhaftungen und Folter durch die SS sind an der Tagesordnung. Der Widerstandskämpfer Manfredi flüchtet in die Wohnung von Francesco und dessen Verlobter Pina. Einen Tag später wird Francesco von der SS verhaftet – wahnsinnig vor Angst läuft Pina ihm hinterher.
Noch während der NS-Besatzung Italiens geplant und nach der Befreiung mit bescheidenen technischen und finanziellen Mitteln gedreht: Roberto Rossellinis Roma, città aperta ist eines der Schlüsselwerke des Neorealismus.
«Auf der Suche nach neuen Themen und Stilen, die die veränderten Realitäten widerspiegelten, entwickelten die italienischen Filmemacher eine neue Sprache des Kinos. Eine Reihe von Filmen zwischen Roma, città aperta und Umberto D war zentral. (...) Diese Filme hatten einen tiefgreifenden Einfluss auf das Kino in Lateinamerika, Indien, Iran und anderswo und ermöglichten ein postkoloniales Weltkino. (...) Rossellini erzählte verstörende Geschichten. (...) Er vermied absichtlich dramatische Schlüsselmomente hoher Emotionen (...), ‹wenn ich aus Versehen eine schöne Einstellung mache, schneide ich sie heraus›, und beseitigte damit Drama und visuellen Glanz (...). Rossellini machte das Dissidentenkino der 1920er-Jahre zu einer nationalen und politischen Filmbewegung, obwohl – vielleicht wenig überraschend – die Strenge seiner Techniken an den Kinokassen wenig Anklang fand.» (Mark Cousins: The Story of Film)
103 Min / sw / DCP / I/d // REGIE Roberto Rossellini // DREHBUCH Sergio Amidei, Federico Fellini, nach einem Stoff von Sergio Amidei // KAMERA Ubaldo Arata // MUSIK Renzo Rossellini // SCHNITT Eraldo Da Roma // MIT Anna Magnani (Pina), Aldo Fabrizi (Don Pietro Pellegrini), Marcello Pagliero (Giorgio Manfredi alias Luigi Ferraris), Maria Michi (Marina Mari), Francesco Grandjacquet (Drucker Francesco). THE BIG SLEEP
USA 1946
Der alte General Sternwood wird erpresst und engagiert Privatdetektiv Philip Marlowe, der der Sache nachgehen soll. Bei seinen Ermittlungen gerät Marlowe immer tiefer in eine Mordaffäre und ihm wird klar, dass die Töchter seines Auftraggebers selbst eine undurchsichtige Rolle in dem Fall spielen. Marlowe findet sich bald in einem düsteren Labyrinth wieder, aus dem es nur schwer ein Entkommen gibt.
«Raymond Chandlers berühmteste Figur war Philip Marlowe, (...) ‹The Big Sleep› sein erstes wichtiges Buch; es wurde (...) 1946 von Howard Hawks verfilmt. Humphrey Bogart spielte darin Marlowe, eine Rolle, die noch viele Schauspieler verkörpern sollten. Der Film wurde aus zwei Gründen der einflussreichste Film noir (seit Double Indemnity): Erstens war die Handlung so kompliziert, dass nachfolgende Regisseure ermutigt wurden, ihre Filme weiter in Richtung des narrativen Wahnsinns von Caligari zu führen. Zweitens wurde das Drehbuch von Leigh Brackett mitverfasst (...), einer faszinierenden Schriftstellerin. Ihre Co-Autorenschaft bei The Big Sleep wirft die Frage auf, wie Films noirs ihre weiblichen Figuren darstellen. Lauren Bacall in The Big Sleep sowie Barbara Stanwyck in Double Indemnity (...) durchdringen ihre Filme auf unheimliche Weise; die Männer sprechen ständig von ihnen, sie aber spielen mit den Männern und führen deren Untergang herbei. » (Mark Cousins: The Story of Film)
116 Min / sw / 35 mm / E/d/f // REGIE Howard Hawks // DREHBUCH William Faulkner, Jules Furthman, Leigh Brackett, nach dem Roman von Raymond Chandler // KAMERA Sidney Hickox // MUSIK Max Steiner // SCHNITT Christian Nyby // MIT Humphrey Bogart (Philip Marlowe), Lauren Bacall (Vivian Sternwood), John Ridgely (Eddie Mars), Martha Vickers (Carmen Sternwood), Dorothy Malone (Buchhändlerin), Peggy Knudsen (Mona Mars), Regis Toomey (Bernie Ohls).
ALL THAT HEAVEN ALLOWS
USA 1955
Eine amerikanische Vorstadt in den 50er-Jahren: Die einsame Witwe Cary Scott verliebt sich in den jüngeren Gärtner Ron Kirby. Die eigenen Kinder und Freunde reagieren mit Unverständnis und Ablehnung, worauf Cary sich gezwungen sieht, die Beziehung abzubrechen.
«Douglas Sirk, 1900 in Dänemark geboren und in Deutschland aufgewachsen, wurde in seinen Zwanzigern Theaterregisseur und wandte sich dann dem Film zu. (...) Er floh vor den Nazis und kam schliesslich nach Hollywood (...). Als Intellektueller empfand er Studiodrehbücher als einschränkend, aber er drehte eine Reihe äusserst erfolgreicher Hochglanz-Melodramen über die sexuelle Schattenseite des amerikanischen Mittelstands. Der einflussreichste dieser Filme war All That Heaven Allows. (...) Um die Figur des Gärtners schuf er eine Reihe von Bildern, die die Natur symbolisieren, und kontrastierte diese mit dem sterilen Leben von Carys voreingenommenen Freunden. Liebevoll schildert Sirk die üppigen Details von Eisenhowers Mittelstandsamerika in einem übernatürlichen Licht. Cary wird zunehmend von dieser Utopie eingeengt, während Sirk deren Konformität und Bösartigkeit entlarvt. (...) All That Heaven Allows wurde zu einem der meistzitierten Beispiele subversiven Mainstream-Filmschaffens.» (Mark Cousins: The Story of Film)
89 Min / Farbe / DCP / E/d // REGIE Douglas Sirk // DREHBUCH Peg Fenwick, nach einer Erzählung von Edna L. Lee, Harry Lee // KAMERA Russell Metty // MUSIK Frank Skinner // SCHNITT Frank Gross, Fred Baratta // MIT Jane Wyman (Cary Scott), Rock Hudson (Ron Kirby), Agnes Moorehead (Sara Warren), Conrad Nagel (Harvey), William Reynolds (Ned Scott), Gloria Talbott (Kay Scott). PATHER PANCHALI
(Song of the Little Road) Indien 1955
Die Geschichte einer armen Familie im Indien der 1920er-Jahre und von Apus Kindheit: Das schiere Überleben ist für Apus Familie ein beinahe auswegloser Kampf– als die ältere Schwester stirbt, verlässt die Familie ihr Dorf.
«Was Kurosawas Rashomon 1950 für das japanische Kino getan hatte, das tat Pather Panchali 1955 für Indien. Der Film wurde im Westen gezeigt, war ein Riesenerfolg, lief sechs Monate lang in New York und lenkte das internationale Rampenlicht auf die indische Ästhetik. Er nahm dem indischen Kino seine Schicksalshaftigkeit, seine Religion und seine ‹Masala›-Musicalnummern und entsprach, beeinflusst vom italienischen Neorealismus, eher dem westlichen Geschmack. (...) Rays säkularer, linksliberaler Pather Panchali (...) war ein spektakuläres Debüt und der erste grosse westliche Erfolg Indiens. (...) Ray verwendete naturalistische Beleuchtung, realistische Kostüme und asymmetrische Bildkompositionen, was zu dieser Zeit in Indien nicht üblich war. Er entlockte seinen Schauspielern realistische Darbietungen, wobei er stark von Renoir beeinflusst war. (...) Der Erfolg der Trilogie brachte Ray nach Hollywood, wo er Kazan und Wilder kennenlernte. (...) Er war aber bald enttäuscht von dem, was er in Südkalifornien vorfand: (...) ‹Im amerikanischen Kino gab es keine Poeten.›» (Mark Cousins: The Story of Film)
126 Min / sw / 35 mm / Beng/d/f // REGIE Satyajit Ray // DREHBUCH Satyajit Ray, nach dem Roman von Bibhutibhushan Bandyopadhyay // KAMERA Subrata Mitra // MUSIK Ravi Shankar // SCHNITT Dulal Dutta // MIT Kanu Bannerjee (Harihar Ray, der Vater), Karuna Bannerjee (Sarbojaya Ray, die Mutter), Subir Bannerjee (Apu, der Sohn), Uma Das Gupta (Durga, die Schwester), Chunibala Devi (Indir Thakrun).
VERTIGO
USA 1958
Der Polizeibeamte Scottie leidet unter Höhenangst und muss den Dienst quittieren. Er wird von einem früheren Freund engagiert, um dessen suizidgefährdete Frau Madeleine zu beschatten. Scottie verliebt sich in die geheimnisvolle blonde Schönheit. Als sie aber in einem Glockenturm nach oben flüchtet, muss er – von seiner Höhenangst wie gelähmt – zusehen, wie sie sich zu Tode stürzt. Er verfällt in tiefe Melancholie. Da begegnet ihm eines Tages auf der Strasse eine Frau, die Madeleine gleicht.
«Scottie verliebt sich in eine Frau, die scheinbar stirbt, sieht eine andere, die ihr ähnelt, und kann nicht anders, als die zweite langsam nach dem Bild der ersten umzumodeln. (...) Hitchcock steht seit den 1940er-Jahren unter dem Einfluss von Freud und dem Surrealismus und hat Vertigo auf Freuds Theorie der Skopophilie, der sexuellen Lust am Schauen, aufgebaut. Scottie folgt der zweiten Frau obsessiv, die für den Regisseur typischen träumerischen Kamerafahrten bewegen sich mit ihm und spiegeln seine flüchtigen Blicke, seine Verwunderung und sein Begehren wider. (...) Scottie will im Endeffekt mit einer Toten schlafen. Hitchcock liess seinen Film in Pastellfarben gestalten. Selbst das Make-up und die blauen Augen von James Stewart sind in einer 1950er-Jahre-haften, künstlichen Weise überbetont. Eine Traumsequenz treibt diese Verbindung von Farbe und Begehren auf die Spitze.» (Mark Cousins: The Story of Film)
129 Min / Farbe / DCP / E/d // REGIE Alfred Hitchcock // DREHBUCH Alec Coppel, Samuel A. Taylor, nach dem Roman «D’entre les morts» von Pierre Boileau, Thomas Narcejac // KAMERA Robert Burks // MUSIK Bernard Herrmann // SCHNITT George Tomasini // MIT James Stewart (John «Scottie» Ferguson), Kim Novak (Madeleine Elster/Judy Barton), Barbara Bel Geddes (Midge Wood), Tom Helmore (Gavin Elster), Henry Jones (Untersuchungsrichter).