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ARBEITSWELT 2020 Das Phänomen «Silver Society
DAS PHÄNOMEN «SILVER SOCIETY»
DURCH DIE TV SENDUNG «DIE HÖHLE DER LÖWEN» IST ALEXIS WEIL LANDESWEIT BEKANNT ALS CEO EINES INNOVATIVEN START-UPS, WELCHES SENIOREN ERMÖGLICHT, WEITERHIN IHR FACHWISSEN, DAS VORHANDENE GANZHEITLICHE DENKEN UND HANDELN, DIE ERFAHRUNGSWERTE UND IHRE SOZIALE KOMPETENZ WEITER ZU GEBEN. UND ZWAR SOWOHL IN EINER MENTOR/INNEN-ROLLE WIE AUCH ZWECKS WISSENSTRANSFER. NICHT ZULETZT GEHT ES DARUM, DASS DIE UNTERNEHMEN AUCH VON DER SO GENANNTEN «SILVER SOCIETY» PROFITIERT.
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INTERVIEW MIT ALEXIS WEIL VON JOËL CH. WUETHRICH
Alexis Weil bei einer Präsentation seines erfolgreichen Konzepts.
Die Zukunftsinstitute und swissfuture haben bereits 2019 die Entwicklung der «Silver Society» als einen der zwölf grossen Zukunfts-Megatrends definiert. Dass Seniorinnen und Senioren noch sehr viel Wissen vermitteln und in der Arbeitswelt nach wie vor effizient sein können, beweist der Business- und Social Case «seniors@work» von Alexis Weil. Gegründet 2018 hat sich das Start-Up zum Ziel gesetzt, innovative Ansätze für das Arbeiten im Alter zu entwickeln und so den Kontakt zwischen der älteren Bevölkerung und der Wirtschaft zu fördern. Die Online Jobplattform seniors@work ermöglicht es Privatpersonen, Unternehmen, Vereinen oder sogar Startups mit pensionierten Talenten in Kontakt zu treten und ihre Fähigkeiten und Erfahrung für Aufträge oder Projekte zu nutzen. Motivierte Senioren ab 60 Jahren können ihre Dienstleistungen in Bereichen wie Buchhaltung,
Administration, Mentoring, Kinderbertreuung, Arbeiten am Haus und so weiter freiwillig oder gegen Entgelt anbieten.
DER MEHRWERT DER SILVER SOCIETY Und die Idee kommt gut an. Viele Seniorinnen und Senioren verstehen es aus den eigenen Erfahrungen eine Lebensweisheit zu entwickeln, die man auch im höheren Alter produktiv in die Wirtschaft einbringt. Sie erkennen und verknüpfen aufgrund der grossen Erfahrung die Zusammenhänge im grösseren Kontext. Was spannend ist: Viele Vertreterinnen und Vertreter der «Silver Society» können beurteilen, wo die aktuellen Prioritäten liegen und für welche Werte es sich lohnt zu kämpfen. Diese Urteile schöpfen sie nicht (nur) aus einem Idealismus, sondern aus der Auseinandersetzung mit Gesellschaftsdiskursen und aus ihren Le
benserfahrung. Weiter beschreiben die Zukunftsforscherinnen und -forscher die Silver Society folgendermassen: Ältere Fachleute seien darauf bedacht, aus den Lebenserfahrungen Wissen zu ziehen, das der Wirtschaft und auch der Gesellschaft dauerhaft weiterhelfen kann. Dieses beständige und nicht erzwingbare Wissen über das, was im Leben wichtig ist und auf was es Wert zu legen gilt, wird in Zukunft mit einer zunehmenden Anzahl an älteren Menschen eine immer kostbarere Ressource.
Wir haben mit Alexis Weil, dem Gründer und CEO von seniors@work über diese Themen und über das Potenzial der Seniorinnen und Senioren in der Arbeitswelt der Zukunft gesprochen. Alexis Weil (28) hat einen Bachelor in BWL (Uni St.Gallen) und einen Masterabschluss in Finance&Accounting an der Uni St. Gallen. Er ist neu auf der Forbes Liste 30 unter 30 in der DACH Region.
«Geschäftsführer»: Alexis Weil, wie kam es zu Ihrer Idee mit seniors@work? Alexis Weil: Als vor knapp drei Jahren mein Vater pensioniert und mir bewusst wurde, dass es eigentlich keine Möglichkeit gibt, die ganze Lebens- und Arbeitserfahrung der älteren Generation weiter einsetzen zu können, war die Idee von seniors@work geboren. Ich kenne viele über 60-Jährige und Pensionierte, welche sich jung und fit fühlen und sich auch in der digitalen Welt gut auskennen. Gleichzeitig liest man jede Woche in den Medien über den Fachkräftemangel und dass viele KMU’s und Start-Ups nach Unterstützung suchen, aber niemanden finden. Daher stellt die Plattform eine Win-Win-Situation für die Seniorinnen und Senioren sowie die Auftraggeber dar. Die Plattform soll einerseits Arbeitseinsätze ermöglichen und andererseits den Austausch der jungen und älteren Generation fördern. Wir können nämlich sehr viel voneinander lernen.
Es gab aber auch gesellschafts- und sozialrelevante Gründe für die Lancierung? Es war immer mein Ziel, einen positiven Impact auf die Gesellschaft zu haben und etwas verändern zu können. Wir könnten als Gesellschaft sehr viel mehr erreichen, wenn wir vermehrt zusammen statt gegeneinander arbeiten würden.
Welche Unternehmen und Anspruchsgruppen zeigen sich interessiert an «seniors@work»? Vor allem für Startups, KMU’s oder Vereine, welche zum Teil nicht so viele Ressourcen besitzen, können Senioren einen wertvollen Beitrag zur Wertschöpfung beitragen. Senioren üben nämlich die Tätigkeiten oftmals nicht aus finanzieller, sondern aus intrinsischer Motivation aus. Dies sind perfekte Bedingungen für solche Organisationen. Zudem bringen die Senioren ja sehr viel Erfahrung mit, von der die jüngere Generation extrem profitieren kann. Für StartUps mit oftmals jungen und vielleicht unerfahrenen Gründern und Mitarbeitern im Unternehmen bringt eine ältere und erfahrene Person einen grossen Mehrwert. Sie kann einerseits normale Tätigkeiten wie Buchhaltung oder Administration übernehmen aber auch als eine Art Mentor mit grosser Erfahrung fungieren. Zudem sind Personen im offiziellen Ruhestand zeitlich flexibler und können schnell mal kurzfristig einspringen.
Wie ist das Feedback von den Senioren und den Nutzern? Für die meisten Senioren wichtig, dass sie immer noch ein aktives Mitglied der Gesellschaft sein und ihre Fähigkeiten weiter einsetzen sowie andere Menschen unterstützen und dabei ihre Freiheit und Flexibilität bewahren können. Für viele Senioren ist aber auch der soziale Aspekt von hoher Bedeutung. Altersvereinsamung ist nämlich ein grosses gesellschaftliches Problem. Durch Aufträge via seniors@work bekommt man das Gefühl, immer noch «gebraucht» zu werden und kann so auch neue soziale Kontakte knüpfen! Dies kommt schlussendlich der ganzen Gesellschaft entgegen: Studien zeigen, dass aktive Beschäftigung gleich wirksam für das Wohlbefinden eines Menschen ist wie Fitnessangebote. Glücklichere Senioren entlasten also auch das immer teurere Gesundheitssystem. Die Auftraggeber schätzen vor allem die Erfahrung, zeitliche Flexibilität sowie die intrinsische Motivation der Senioren. Zudem haben sie auch nicht den Anspruch auf einen 100 Prozent Pensum.
Wie stellen die Senioren nicht eine Konkurrenz zum normalen Arbeitsmarkt dar? Wir betonen, dass wir kein Lohndumping betreiben oder dem normalen Jobmarkt Jobs wegnehmen. Die meisten Aufträge die bei uns durchgeführt wurden wären von «normalen» Arbeitskräfte gar nicht übernommen worden. Zum Beispiel, weil das Pensum zu tief wäre. Ein Startup kann sich oft keine Fachkraft leisten. ■